Kampf um das
Überleben.
Bonfire haben in den achtziger Jahren viel Ruhm und
Ehre für sich verbuchen können. Das Mainstream-Publikum
erfreute sich an den Balladen («Give It A Try», «You
Make Me Feel») und die rockende Zunft tanzte und bangte
zu «Sweet Obsession», «Ready 4 Reaction», «Hard On Me»,
oder «S.D.I.». Die Deutschen überzeugten immer durch
tolle Lieder, aber auch mit immer wiederkehrenden
Besetzungswechseln, die ab und zu unschöne Rosenkriege
mit sich zogen. Im Hier und Jetzt existiert die aktuelle
Besetzung seit 2016, und mit Sänger Alexx Stahl geht die
Truppe einen aggressiveren und härteren Weg. Was es zum
neuen Album «Fistful Of Fire» zu sagen gibt und wie die
aktuelle Lage bei Alexx, Gitarrist Frank Pané, Trommler
André Hilgers, Bassist Ronnie Parks und Urmitglied Hans
Ziller an der Gitarre in dieser Corona-Zeit ist,
erzählte der Sänger im folgenden Interview.
MF:
In vier Jahren fünf Veröffentlichungen, ihr scheint einen
richtig guten Lauf zu haben!?
Alexx: Eins davon war
eine Doppel-Tribute-Geschichte, da stand die Kreativität
nicht so stark im Vordergrund (lacht). Sonst hast du
komplett recht. Das ist alles recht sportlich, das darf
man so sagen (grinst zufrieden) und wir waren alle sieben
bis acht Monate wieder im Studio. Mit «Byte The Bullet»
feierte ich meinen Einstieg bei Bonfire. Die Lieder
waren zu einem grossen Teil schon fertig komponiert. Der
Spielraum, um Neues auszuloten, war eher klein. Bei
diesem Werk arbeitete ich mit den vorhandenen Songs. Mit
«Temple Of Lies» gings ganz leicht in einer härtere
Richtung. Es waren ein bis zwei Judas Priest Einflüsse
zu hören. Richtig kompromisslos das Ziel verfolgen, was
sich schon länger anbahnte, konnten wir erst mit
«Fistful Of Fire». Da wo wir jetzt angekommen sind,
wollen wir auch bleiben. Es ist ein ganz guter Mittelweg
aus melodiösen wie harten Parts und scheint bei den Fans
gut anzukommen.
MF: Kannst du dir
vorstellen, dass Bonfire-Fans der ersten Stunde mit
diesem Stilwechsel ihre Probleme haben könnten?
Alexx: Das kann ich mir schon vorstellen… Wobei, wenn du
sagst der ersten Stunde, dann muss ich hinzufügen, dass
Bonfire in ihren Anfangstagen härter ans Werk gingen,
als in den letzten zehn bis zwanzig Jahren. Alleine aus
diesem Grund sind viele Fans sicher auch dankbar, dass
wir wieder ein bisschen härter geworden sind. Man kann
nicht sein komplettes Leben lang, wenn ich dabei an Hans
denke, ständig das Gleiche machen. Ich schweif jetzt ein
bisschen ab (grinst). Persönlich haben mir Bonfire fast
noch besser zu Cacumen-Zeiten (die Vorgänger-Truppe von
Bonfire) gefallen. Weil es noch eine Schipper härter und
knackiger war (grinst). Aber klar, ich kann die Fans
verstehen, denen der Sound früher besser gefallen hat,
oder lieber die Balladen mögen.
MF: Gibt es für dich einen persönlichen
Favoriten auf dem Album?
300 × 200
Alexx: Ja, sogar drei, das sind «The Devil Made Me Do»,
«Ride The Blade» und «Glory Land», das sind meine Faves.
Die Stücke sind wie beim letzten Mal entstanden. Die
meisten Ideen stammen von Hans. Frank bringt sehr viele
starke Gitarrenparts ein. Das ist so eine Art ein
Ergänzungsspiel. Es kann aber auch sein, dass Hans zu
Frank sagt: "Schreib doch mal was Priest-mässiges!"».
André hat sich auch bei zwei Songs verwirklicht, und die
Texte fügte unser Amerikaner Ronnie bei.
MF: Wie ist es für dich, nicht
selbstgeschriebene Texte zu singen?
Alexx: Das empfand ich noch nie als Problem. In früheren
Jahren habe ich mich als Songwriter versucht, mit eher
mässigem Erfolg. Das ist nicht mein grosses Talent
(grinst). Mein Englisch ist logischerweise auch nicht so
gut wie jenes von Ronnie. Wir ergänzen uns aber gut.
Ronnie ist oft dabei, wenn ich im Studio am Einsingen
bin. In den Anfangstagen hat er mich ein bisschen
gecoacht. Zusammen arbeiten wir teilweise im Studio noch
an den Texten. Stellen wir fest, dass sich seine Ideen
nicht flüssig singen lassen, dann verändern wir dies
noch vor den Aufnahmen. Das funktioniert sehr gut.
MF: Lieder wie «Warrior» oder «Rock'n Roll Survivors», ein
Statement, dass es heute nicht mehr so einfach
ist im Musikbusiness zu überleben?
Alexx: Auf jeden Fall. Ein bekanntes Thema. Als Musiker
musst du heute drei Mal so viel arbeiten wie früher. Wir
sind mit Bonfire in der glücklichen Lage, zu einem
grossen Teil unseren Lebensunterhalt damit bestreiten zu
können. Klar ist jeder von uns noch anderweitig
beschäftigt. Der Einzige, der komplett von der Band
leben kann und muss ist Hans. Bonfire sind seit
Jahrzehnten seine Truppe. Frank erteilt Gitarrenunterricht
und André betreibt seine Schlagzeugschule. Es war früher
sicher einfacher seine Rechnungen mit der Musik zu
bezahlen. Alleine aus dem Grund, weil man heute durch
Plattenverkäufe nichts mehr verdient. Über Wasser
halten kannst du dich nur mit Gagen und dem Verkauf von
Merch.
MF: Wie bist du damals zu Bonfire
gekommen?
Alexx: Das war im Sommer 2016.
Ein Bandkollege von mir rief mich an. Damals sang ich in
einer Deep Purple Tribute-Truppe. Er wurde vom damaligen
Bonfire-Management kontaktiert. Sie suchten nach einem
Übergangssänger für sechzehn Shows. Meine Bandkumpels sagten,
ich solle das Angebot annehmen, weil es auch gute
Publicity für die Band sei. In zwei Wochen musste ich
mir einiges aneignen, dann stiegen wir auf die Bühne,
spielten die Konzerte und stellten fest, dass man sich
ganz gut versteht und harmoniert. Schlussendlich wurde
ich gefragt, ob ich nicht als neuer Sänger einsteigen
möchte.
MF: Erinnerst du dich an die erste Probe
mit der Band?
Alexx (lachend): Nein,
weil es die nicht gegeben hat. Hans fragte mich, ob ich
eine Probe möchte. "Pass auf Hans, ich traue mir das zu
und das funktioniert auch so" war meine Antwort. Die
Band war eingespielt. Es ging nur um mich, der sich
vorbereiten musste. Man versorgte mich mit
Live-Aufnahmen von der aktuellen Tour. Vor dem
Soundcheck der ersten Show nahmen wir uns eine Stunde
Zeit und spielten ein paar Lieder durch (grinst). Bei
den ersten sechs Konzerten stand ich nicht mit einem
Teleprompter, sondern einem kleinen Tablet auf der
Bühne. Eine kleine Hilfestellung, weil noch nicht ganz
alles in meinem Kopf war (grinst).
MF: Du hast vorhin selber gesagt, dass
die Jungs eine eingespielte Band waren. War es schwer für
dich da rein zu kommen?
Alexx: Nein, denn
so eine Truppe verleiht dir Sicherheit und du brauchst dir
keine Gedanken machen oder Angst zu haben, dass sich
jemand verzocken könnte (grinst). Du musst nur selbst
aufpassen, dass du dies hinbekommst. Spielst du mit
einer nicht eingespielten Truppe zusammen, in welcher
mehrere Leute zum ersten Mal dabei sind, dann wäre der
Risikofaktor um einiges höher gewesen.
MF: Kam durch dich eine gewisse
Stabilität in die Band, die vorhin nicht unbedingt da
war?
Alexx: Sagen wir es mal so. Es gab schon einige Wechsel, und
Zumindest der Sängerposten war mit Claus Lessmann länger
besetzt. Nach dem Split 2014 wurde es ein bisschen
chaotisch… Für eine gewisse Zeit. Man hat sich mit David
Reece zusammengetan, das funktionierte aber nicht lange.
Die Situation war ein bisschen unglücklich (lacht). Ich
bin froh, wenn ich der Truppe wieder mehr Stabilität
verleihen konnte. Ich habe keine anderen Perspektiven
und verstehe mich mit den Jungs bestens. Genau so werden
wir weitermachen und dies hoffentlich noch sehr, sehr
lange.
MF: Ist die Musik von Bonfire etwas, das dir
zusagt, da man dich als Shouter von Master Of Disguise
und Roxxcalibur kennt?
Alexx:
Roxxcalibur ist eine Tribute-Band, da gefallen mir
einige Songs und andere weniger. Master Of Disguise waren
mir persönlich fast ein bisschen zu schnell. Wir haben
uns Speed Metal auf die Fahne geschrieben. Klar war ich
glücklich mit der Truppe, aber so eine Mucke hätte ich
mir jetzt nicht unbedingt ausgesucht, da dies nicht
unbedingt mein Herzenswunsch war. Ich mag eher
Midtempo-Nummern und den getragenen Metal. Bonfire ist
nicht meine… Das ist schwer auszudrücken (grinst). Klar
gibt es auch hier Lieder, die mir besser gefallen, als
andere. Aber von den Klassikern singe ich 70 bis 80 %
sehr, sehr gerne. Da gibt es kaum Ausreisser. Auf den
letzten drei Scheiben sind ein bis zwei Tracks, die mir
persönlich nicht unbedingt zusagen und nicht zu mir
passen. Aber es geht doch auch darum, das Gesamtbild
von Bonfire zu präsentieren und nicht nur, was der
Einzelne mag. Am Ende des Tages fühle ich mich bei der
Band sehr wohl. Speziell mit dem neusten Streich bin ich
sehr zufrieden. Das Album trifft meinen Musikgeschmack
sehr gut. Ich bin eine Person, die sich nicht ständig
neue Combos anhört und Neues entdeckt. Da habe ich meine
alten Helden aus den achtziger Jahren wie Iron Maiden,
Judas Priest, Accept, W.A.S.P., Dio oder Rainbow. Eine
der wenigen Bands, die ich in diesem Jahrtausend
entdecken durfte, sind Atlantean Kodex aus Deutschland.
Die finde ich schweinegeil. Iced Earth ist auch eine
Truppe, die ich erst später entdeckte, mit der ich heute
aber sehr viel Spass habe. Aber, viel Neues kommt bei
mir nicht dazu (grinst).
MF: Wie bist du Sänger geworden?
Alexx: Ich wollte Gitarrist werden. Als Teenager kaufte
ich mir eine Gitarre und versuchte darauf zu spielen.
Anhand von Lernbücher. Das betrieb ich monatelang mit
grossem Eifer. Ein Kumpel eines Kumpels wollte eine Band
gründen und suchte einen Sänger. Er fragte mich und ich
antwortete, dass ich überhaupt nicht singen kann
(grinst). Er hat nicht locker gelassen und so haben wir
einen Deal ausgehandelt. Er zeigt mir ein paar Dinge auf
der Gitarre und ich versuche zu singen. Irgendwann hat
mir das Singen mehr Spass gemacht, als das Üben auf der
Gitarre (grinst). In den Anfangstagen nahm ich für ein
Jahr Gesangsunterricht. Das war nicht unbedingt
hilfreich, weil wir samstags geprobt und leider mehr
Bier gesoffen haben. Ich übte nicht und konnte mich so
auch nicht verbessern. 2014 sah ich einen sehr guten
Sänger und stellte fest, dass bei meiner Technik doch
einiges im Argen lag. Besser spät als nie, war mein
Gedanke. Ich kontaktierte einen guten Lehrer, lernte
komplett neu zu singen und bin heute da, wo ich hin
wollte.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Alexx: Die April-Tour wurde auf September
und Oktober verschoben, teilweise bis ins Jahr 2021. Wir
hoffen, wie die Veranstalter, dass wir im September
wieder loslegen können. Zudem haben wir eine
Startnext-Kampagne gegründet. Einige in der Band haben
zurzeit keinerlei Einkommen. Staatliche Hilfen kommen
nicht an allen Orten an, oder werden von den
Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. So gibt es
leider innerhalb von Bonfire ein existenzielle Krise.
Aus diesem Grund haben wir eine Funding-Kampagne
gestartet, um das Überleben zu sichern, packten viele
Goodies auf unsere Homepage (www.bonfire.de) und
verkaufen diese. Dabei sind alte T-Shirts von Hans aus
den achtziger Jahren, Gitarren, Amps, oder
Bühnenklamotten. Momentan arbeiten wir an einem
Akustik-Album. Da setzen wir gerade unsere
brachliegenden Energien ein (grinst). Die Aufnahmen
haben begonnen und die Scheibe soll im September
veröffentlicht werden.
MF: Dann freuen wir uns auf das kommende
Album. Besten Dank für die Zeit und das Interview und
alles Gute für die Zukunft.
Alexx: Danke
dir Martin.
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