Seit 25 Jahren stets freundlich
und überall gerne gesehen.
Ein Blick ins Archiv zeigte auf, dass seit meinem letzten
Interview mit Brainstorm (damals als Begleitung von unserer
ehemaligen Mitarbeiterin Liane, die mit Andy B. Franck sprach) fast
vier Jahre vergangen sind. Ein Jahr zuvor, also im Herbst 2009
gastierten die Schwaben ebenfalls im Z7, und damals wie heute stand
mir Gitarrist Torsten „Todde“ Ihlenfeld Red und Antwort. Diesmal
fand das Interview im Backstage-Bereich statt, während das letzte
Gespräch draussen (!) abgehalten wurde. Nach dem Konzert von
Troldhaugen erfuhr ich von Todde, was in der Zeit vor «Firesoul»,
dem aktuellen, im Frühling erschienen Album, alles so lief und ob
das Package mit Alestorm die Erwartungen erfüllt. Darüber hinaus
drehte die ganze Band ein lustiges Video vom Titeltrack, worüber ich
Näheres in Erfahrung bringen wollte. Nicht fehlen durfte natürlich
ein Statement zum bevorstehenden Auftritt beim nächstjährigen „ICE
ROCK“- Festival in Wasen im Emmental. Bevor es soweit ist, gibt es
aber in diesem Jahr noch was zu feiern, denn ob man es glaubt oder
nicht: Brainstorm wurden, noch vor der Zeit mit Andy als Sänger,
1989 gegründet und wie das gefeiert wird, erfahrt Ihr nun.
MF: Zwischen dem neuen Album «Firesoul» und «On The Spur Of The
Moment» liegen drei Jahre! Was habt ihr in der Zeit alles so
gemacht, da 2013 nur sieben Konzerte gespielt wurden.
Todde: Das ist richtig, aber 2013 haben wir die Platte geschrieben!
(lacht laut) – deswegen…, und eigentlich sind es nur zweieinhalb
Jahre…, 30.09.2011 bis zum 04.04.2014. Aber das halbe Jahr extra…,
normalerweise schaffen wir es ja, alle zwei Jahre eine Platte raus
zu hauen. Das hat uns gut getan und wir haben uns auch bewusst die
Zeit genommen, weil wir gemerkt haben, dass die Songs und die ganze
Stimmung im Proberaum es verdienen, dass man nochmals ein paar
Monate dran hängt.
MF: Stilistisch seid ihr heute
Abend Exoten. Warum diese Konstellation und werden auf dieser Tour
neue Fans dazu gewonnen?
Todde: Auf jeden Fall,
klar! Also wir stehen ja am Anfang der Tour, aber das kann man auf
jeden Fall sagen. Das war mit Sicherheit auch ein Teil der
Überlegung, warum man das Angebot angenommen hat. Wir treffen jetzt
auf neue, junge Leute, während unsere letzten Tourneen schon sehr
direkt auf unser Zielpublikum ausgerichtet waren. Darum tut so eine
Tour wieder mal ganz gut, um zu sehen, wie die Leute darauf
reagieren, die mit unserer Musik nicht so vertraut sind. Heute ist
die vierte Show und die ersten drei haben bereits aufgezeigt, dass
es wunderbar passt. Am Schluss spielen zwei super Live-Bands, egal,
ob man musikalisch beieinander liegt oder nicht. Alestorm sind
genauso eine klasse Liveband, wie man das von uns so behauptet…
(lacht) – und als zusätzlichen Bonus haben wir noch zwei Opener
(Troldhaugen und Crimson Shadows – MF) dabei, die echt klasse sind.
Man mag bei Troldhaugen vielleicht „schräg“ dazu sagen, aber das hat
man am Anfang zu Faith No More auch geäussert und später vor allem
über Mike Patton mit seinen Fantomas. Musikalisch wie menschlich
klasse und die Kanadier sind aus unserer Sicht über jeden Zweifel
erhaben. So hat man vier unterschiedliche Richtungen auf einer Tour
und es gibt viele Leute, die das echt toll finden.
MF: Die vergangenen Schweizer Konzerte waren vergleichsweise sehr
spärlich besucht. Ist das nur hier so oder ein allgemeiner Trend,
weil es mittlerweile unzählige und letztlich zu viele
Konzertangebote gibt?
Todde: Jeder sucht sein Heil
bei Livekonzerten, weil die Plattenverkäufe aufgrund des ganzen
digitalen Unsegens einfach nicht mehr zulegen können. Auf dieser
Tour ist es aber so, dass wir in Nürnberg mit über 600 und Bochum
mit fast 800 Leuten echt nicht meckern können. Ich nehme an, heute
wird es ein bisschen weniger sein (etwa 450 – MF), ist halt ein
Montag und mitunter ein wichtiger Grund. Dann weiss ich nicht, wie
es noch mit den Schulferien bei euch aussieht. In Ludwigsburg war es
auch der letzte Ferientag und deshalb etwas weniger, doch die
Stimmung war dafür ungebrochen super.
MF: In welchem Land habt ihr anhaltend die stärkste Fanbase?
Todde: Definitiv in Deutschland!
MF: Und wart ihr
auch schon mal in Russland unterwegs?
Todde: Nein!
MF: Wäre das, die Politik mal ausgeklammert, eine Option?
Todde: Ja, natürlich! Wir wollen so viel wie geht und
neu wie geht…, sag‘ ich mal…, immer gerne. Da kommen wir auch noch
hin…, da machen wir uns keine Sorgen.
MF: Brainstorm
befinden sich von der musikalischen Klasse her längst in der
Oberliga. Der Grosserfolg ist bisher aber nicht eingetreten. Seid
ihr als Band immer noch voll motiviert dabei?!
Todde: Ja, mit Sicherheit…, klar…, weil wir das machen dürfen, was
uns Spass macht, und das ist für uns mittlerweile, auch etwas
rückblickend betrachtet, unbezahlbar. Ein unbezahlbarer Glücksfall
so zu sagen…, uns kann niemand vorschreiben, wann wir ein Album
machen müssen, wie lange auf Tour zu gehen oder mit wem. Wenn wir
„nein“ sagen, dann passiert es nicht und das ist doch wunderbar. Ob
man jetzt dem grossen Erfolg hinterher trauert oder nicht…,
„hunderttausende“ Bands wären froh, wenn sie unseren Status hätten.
Wir haben eine treue Fanbasis, können mit jedem Album auf Tour gehen
und sind überall herzlich willkommen. Es gibt schlechtere
Ausgangspositionen, würde ich sagen.
MF: Dank
zahlreichen Festivals hat man die Gelegenheit, vor deutlich mehr
Metalheads als in der Halle zu spielen. Welcher Auftritt war bislang
der Allerbeste von allen?
Todde: Ja, es gibt mit
Sicherheit ein paar, die man mehr in Erinnerung hat, aber speziell
einen könnte ich nicht heraus picken, wirklich nicht. Es gibt so
viele schöne…, zum Beispiel das erste Mal in Amerika vergisst man
nicht oder Wacken 2004. Genau solche Anlässe nimmt man dann auf eine
DVD mit drauf…, so…, wie wir das 2007 gemacht haben. Momentan
sichten wir einiges Material, das wir vielleicht Ende des nächsten
Jahres veröffentlichen können…, mit ein paar schönen Konzerten
drauf. Unvergessen für uns sind aber die Release-Shows von Anfang
Jahr. Die vier Konzerte in Deutschland, wo wir die ganze neue Platte
am Stück gespielt haben…, und nur davor wie hinterher ein paar
Klassiker gespielt haben. Das ist für uns zur zehnten Scheibe eine
Herzensangelegenheit und die Fans hatten es super angenommen. Wir
wussten vorher ja nicht, wie die Reaktionen darauf sein werden…,
keiner kannte die Sache und es war unbeschreiblich! Erstmal haben
wir nur aufgenommen für die DVD, das war eine unglaublich gute
Stimmung und fast ausverkauft…, das darf man auch nicht vergessen.
MF: Ich nehme an, dass die neuen Songs wieder aus der Feder von
Milan und dir stammen, sowie nach dem gleichen Muster ausgearbeitet
worden sind. Wer ist für den Titel «Firesoul» verantwortlich und
welche Geschichte erzählt der Titelsong?
Todde: Eigentlich stecken ganz viele Titel hinter der Geschichte.
„Feuerseelen“ gibt es ja nicht nur zu einem religiösen Hintergrund,
sondern irgendwo hat auch jeder ein Feuer in sich, das brennt und
jeder trägt was mit sich herum wo er sagt, „dafür würde ich viel
geben“. Wir fanden einfach, dass es gut zu dem gepasst hat, was wir
in den letzten zweieinhalb Jahren gemacht haben. Die zehnte Platte
ist etwas Besonderes, obwohl du dir sagst, dass die Songs so wie
immer entstanden sind. Die ganze Stimmung im Proberaum war
irgendwie…, besonders und darum sind wir vielleicht etwas stolzer
darauf als auf die anderen Scheiben. Deshalb sind wir umso froher,
dass sie so gut angekommen ist.
MF: Nun eben zum
coolen wie lustigen Video zu «Firesoul», wo der geschminkte Andy
hammermässig aussieht und überhaupt ist sein schauspielerisches
Talent augenschein-lich! Wer hatte die Idee zu diesem Clip?
Todde: Der Grossteil der Ideen stammt von Andy, da er
auch mit dem Text am meisten vertraut ist. Uns war es aber schon
immer ein Bedürfnis, links und rechts über den Tellerrand hinaus zu
schauen. Wenn man sieht, wie viele Leute Millionen auf dem Rücken
und zum Leidtragen der Ärmsten scheffeln, dann ist es echt
bedenklich, wenn man die Entwicklung der Menschheit anschaut, der
zunehmend alles egal ist. Es herrscht ein immer grösseres „Ich“ und
ein kleineres „Wir“. Das kann es nicht sein…, so leben wir als Band
nicht. Der Milan und ich…, wir kennen uns, seit wir fünfzehn,
sechzehn sind und hatten bestimmt nicht nur gute Zeiten…, privat und
je nachdem. Das wäre nie ein Thema gewesen…, und bis heute…, wenn
einer nachts um halb drei Uhr anruft, setze ich mich gleich ans
Steuer und fahre hin! Auch wenn es im Video etwas ironisch rüber
kommt, ist uns das Thema an sich schon ernst.
MF: Und
es ist ja wirklich gut geworden…
Todde: …es ist
schön, dass man ein wenig darüber schmunzeln kann, aber jeder
ertappt sich dabei und sagt, dass es wirklich so ist.
MF: Das Coverartwork ist wieder grandios ausgefallen und ähnelt
dem von «Soul Temptation». Stammt es wieder von Tom Thiel?
Todde: Nein! Diesmal hat es ein mexikanischer Künstler angefertigt
und der hat das super gemacht. Es sagte, dass er ein Riesenfan von
uns sei und das unheimlich gerne umsetzen würde. Wir griffen das
Thema auf, weil die Songs den ganzen Spirit und die Stimmung von
damals atmeten und es kam uns so wie eine Art Jungbrunnen vor. Das
mag auch am Alter liegen, wo der Alltagskampf etwas weniger auf uns
einwirkt. Wenn man mal vierzig Jahre alt ist, läuft alles etwas
geordneter ab. Man steckt dann mehr in seine Leidenschaft rein und
so ähnlich hat es sich angefühlt…, wie damals eben. So sagten wir
uns, dass wir das Thema wieder aufgreifen und so eine Brücke zur
Vergangenheit schlagen. Dies auf eine Art, wo die Leute merken, dass
uns dabei die neuen Ideen nicht ausgehen und es so verstanden wird.
MF: Und wie heisst der Mann eigentlich?
Todde:
Ich würde es dir jetzt gerne auswendig aufsagen, aber ich kann es
nicht! (lacht laut)
MF: Die aktuelle Tour startete
vor drei Tagen in Nürnberg. Wie bereitest du dich jeweilen darauf
vor und gibt es da gewisse Rituale, respektive hast du in diesem
Zusammenhang schon mal was Wichtiges vergessen oder gar verloren,
was dich dann geärgert hat?
Todde: Nun ach…, man
verliert immer was auf Tour! Und wenn es nur das Duschgel ist, das
du in der Dusche liegen gelassen hast und man dann am nächsten Tag
merkt „schön wärs gewesen“. Das ist aber normal und man ist
heutzutage ja nicht fern der Welt. Ich kann mir das Gel hier in
Pratteln und genauso gut in Buxtehude wieder kaufen. Aber man
verliert sonst schon das eine oder andere, das einem hinterher
ärgert, doch essenzielle Sachen sind uns bisher nicht abhanden
gekommen. Schlagzeugteppiche werden zum Beispiel nachts beim
Einladen ganz gerne vergessen und gegenseitig haben wir uns auch
schon mal verloren! Wir dachten, der pennt eh schon…, war aber nicht
so! (lacht) - Doch es gibt ja zum Glück Handys…, also alles halb so
schlimm.
MF: Und sonst auf Tour…, öffnest du deinen
Gitarrenkoffer und gehst umgehend raus auf die Bühne?
Todde: Genau! Ich freue mich vorher innerlich schon viel länger
darauf, aber die Sachen zusammen packen…, da herrscht viel Routine.
Man weiss, was man
braucht,
was einem gut tut und das geht so nebenher. Die innerliche Freude
stellt sich aber schon zwei bis drei Monate vorher ein, weil man
weiss, dass es wieder losgeht und man hat endlich mal wieder seine
Kumpels vier Wochen lang, 24 Stunden am Tag um sich herum. Wir
treffen uns zwar auch privat immer mal wieder, aber längst nicht
mehr so oft wie früher und jeder hat (s)eine eigene Familie.
Unser Rockslave (links) mit Torsten „Todde“ Ihlenfeld >>
MF: Ihr seid heute Abend „Special Guest“ von Alestorm. Das
heisst ihr spielt in dem Fall rund eine Stunde lang?
Todde: Siebzig Minuten!
MF: Im nächsten Jahr, genauer
am 10. Januar 2015 steht ihr auch auf dem Billing des bei uns
mittlerweile legendären „ ICE ROCK“-Festivals. Was ist bei euch
darüber schon jetzt bekannt und wer hatte die Idee dazu, dort zu
spielen?
Todde: In München kam jemand im April auf
uns zu und irgendwer hat uns angeschrieben. Ob sich das jetzt
allenfalls überschnitten hat, weiss ich nicht mehr genau. Wir haben
jedoch schon vorher vernommen, dass es da sehr schön zum Spielen
sein muss. Da habe ich nachgeschaut und gesehen, dass Morgana Lefay
ja am gleichen Tag wie wir spielen. Mit dieser Band haben wir 1997
unsere erste Tour bestritten und von daher ist es ein zusätzlicher
Grund, sich darauf zu freuen. Wie haben die Jungs schon lange nicht
mehr gesehen. Den Schlagzeuger hatten wir ja bei den Release-Shows
mit Bloodbound dabei…, also wir freuen uns sehr drauf, und jeder,
der bereits mal da war, sagt, das wird klasse…, darum passts!
MF: Brainstorm als Band wurden 1989 gegründet. Wird das
25-jährige Bandjubiläum, nebst dem zehnten Studio-Album,
entsprechend gefeiert?
Todde: Jedes Mal, wenn wir
live spielen, feiern wir uns selber! (lach laut) – Das ist für uns
das grösste Fest überhaupt. Wir gehen jetzt auch nicht extra was
essen…, wir kucken mal…, das machen wir sowieso. Aber einfach
dieses..., du stehst da oben, vielleicht ist es im Z7 etwas
speziell, weil wir schon oft hier waren. Du denkst…, 1997 hat das im
Prinzip alles angefangen und die ersten acht Jahre hat das keinen
interessiert…, zum Glück muss man rückblickend sagen. Wir bekamen
nämlich die Zeit und Gelegenheit, als Band richtig zusammen zu
wachsen und das geht heutzutage ja gar nicht mehr. Wenn wir nachts
im Tourbus sitzen, haben wir uns jeweils so viele Geschichten zu
erzählen, die der eine schon wieder vergessen hat. Nach einer
Flasche Wein kommt dann „ah…, weisst du noch?!“ Das und das ist
passiert und da bist du mal ins falsche Auto eingestiegen, die Leute
sind zu Tode erschrocken…, an der Tankstelle…, da standen zwei
gleiche Autos nebeneinander. Im einen Wagen sassen wir und im
anderen vier ältere Herrschaften. Einer von uns ging dann rein um zu
bezahlen und ist danach einfach auf das andere Auto zugelaufen. Es
sah ja gleich aus…, hat die Türe aufgemacht und sich reingesetzt. Er
war dann recht schnell wieder draussen, wir haben das nebenan
mitangeschaut und Tränen gelacht! Das kann doch nicht wahr sein…,
steigt der in die falsche Karre ein. Die anderen konnten dann aber
dennoch auch darüber lachen, erschraken im ersten Augenblick jedoch
heftig. Solche kleine Geschichten kann einem niemand mehr weg nehmen
und man muss aber dabei gewesen sein, um es richtig nachvollziehen
zu können.
MF: Ich denke, dass man nach 25 Jahren, im
Gegensatz zu vielen Bands die nicht mehr existieren, auch mit Stolz
und Genugtuung realisiert, dass man selber immer noch da ist?!
Todde: Natürlich! Es gibt viele Gruppen die schon
gemeint haben, ouhh…, sie werden jetzt in der nächsten Runde scharf,
haben sich dementsprechend aufgeführt und waren dann auf einmal weg.
Wir gaben uns stets so, wie wir sind, sind immer noch da und werden
überall, wo wir hinkommen, mit einem Lächeln begrüsst. Was gibt es
Schöneres? Und wir haben so viele Orte auf der Welt gesehen, die wir
ohne die Musik nie besucht hätten. Monterey in Mexiko zum Beispiel…,
da geht niemand freiwillig hin…, da gibt es keinen Strand, sondern
nur Wüste, dafür aber ein wunderbares Festival! Allein sowas und vor
allem die Freundschaft, die schon über ein halbes Leben lang
besteht, kriegt man nicht einfach so geschenkt.
MF:
Was möchtest Du zum Schluss unseren Lesern von Metal Factory noch
mitteilen?
Todde: Eigentlich nicht viel…, lasst uns
zusammen Spass haben, lasst uns rocken und das noch ganz lange! Das
wars…
MF: …perfekt, danke!
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