“The Invalid”, das Debut-Werk der 4 Amis, hat mich
persönlich sehr überzeugt, sowohl in technischer wie
auch in inhaltlicher Hinsicht, dass die Platzierung in
der März-Ausgabe unserer CD-Reviews mehr als nur gerecht
ist. Doch damit ist es alleine nicht getan, denn
Clandestine haben dermassen viel in ihre Songs
eingewoben, dass eine einfache Rezension nicht ausreicht
– hier müssen mehr Fragen gestellt werden! Und die
überaus sympathische Frontfrau June Park (JP) war so
nett, auf meine Fragen
ausführliche Antworten zu geben und zu erläutern, was
denn hinter „The Invalid“ steckt und wie sie sich und
die Band in diesem Kontext sieht…
MF: Hallo June, danke dir vielmals, dass du dir Zeit zum
Beantworten meiner Fragen nimmst. Zuallererst einmal:
Wie geht’s dir?
JP: Mir geht’s super! Ich habe eben gerade meine
Halbjahresarbeit über Plagiarismus in der Musik fertig
geschrieben.
MF: “The Invalid” ist ja euer erstes Album nach der
Single, wie sind denn die Reaktionen darauf bis jetzt
und seid ihr zufrieden damit?
JP: Die Reaktionen waren sehr gut. Alles bekommt sehr
viel mehr Beachtung und auch Promotion seit dem
Label-Release, was wir alleine nicht gepackt hätten. Es
ist sehr schön, zu wissen, dass wir Leute um uns herum
haben, die an uns und an das, was wir machen, glauben.
Ich selber bin nie wirklich zufrieden mit dem, was ich
mache, also wäre es unehrlich zu sagen, dass ich alles
am Album mögen würde. Wie auch immer, ich weiss, dass
wir unser Bestes während der Produktion gegeben haben,
und das ist alles, was wir tun konnten. Ab einem
gewissen Zeitpunkt musst du dich einfach von deinem Baby
trennen und es die Welt erkunden lassen, so, wie es eben
ist.
MF: Auf eurer Homepage habt ihr den musikalischen Stil
von Clandestine als eine ‘neue Art von Metal’
bezeichnet. Was bedeutet das für euch?
JP: Dies bedeutet, dass wir eine Band sind, die danach
strebt, einen unbekannten Pfad in der Metal-Szene
aufzusuchen und den zu beschreiten. Wir haben sehr viele
widersprüchliche Elemente in „The Invalid“
eingearbeitet, und die CD ist ein gutes Beispiel für
diese Art und Weise, Musik zu erschaffen. Es ist schwer,
Clandestine in nur einem Wort zu beschreiben, und das
ist auch ein Grund, weshalb wir das Ganze eine neue Art
von Metal nennen.
MF: Was genau ist denn die Idee hinter “The Invalid”?
Ist dies eine Person oder hat es eine metaphorische
Bedeutung? Und hat der Name Clandestine einen gewissen
Einfluss darauf? Ich frage deshalb, weil ja ‚klandestin’
so viel wie ‚verborgen’ oder auch ‚geheim’ bedeutet…
JP: Der Name des Albums hat mehr als nur eine Bedeutung.
Zuallererst einmal ist es der Titelsong, in welchem es
um einen Patienten geht, der an einer unheilbaren
Krankheit leidet. Das Wort ‚invalid’ hat in diesem
Zusammenhang eine interessante Bedeutung, denn es
bedeutet sowohl ‚Patient’ wie auch ‚inakzeptabel’ im
gleichen Atemzug. Die Person in den Songs leidet an
grausamen Schmerzen, was sie dazu bringt, ihr Leben
beenden zu wollen, was von der Gesellschaft und ihren
Normen nicht akzeptiert wird. Die Texte sind allesamt
von mir selbst inspiriert, von der Zeit, als ich
chronisch krank gewesen bin, ohne jeglichen
offensichtlichen Grund. Schlussendlich stellte sich
heraus, dass es nichts Gravierendes gewesen ist, aber
diese Erfahrung hat mich sehr nachdenklich gemacht
bezüglich denjenigen, welche sich die ganze Zeit mit
Schmerzen herumschlagen müssen. Als ich krank war,
stellte ich mir das Leben einer Person vor, die auf
immer und ewig in einem Spitalzimmer eingeschlossen
worden ist, sich selber überlassen, mit der Agonie
fertig zu werden um überleben zu können. Im Song „The
Invalid“ wollte ich die raue Emotion und Verzweiflung
zum Ausdruck bringen, ohne über die Debatte über das
Sterberecht nachzudenken. Das Albumcover beschreibt die
Figur des Invaliden ebenso – Sie ist unfähig, irgend
etwas Anderes denn Schmerz zu empfinden, und dabei
verflüchtigt sich ihr Inneres und sie existiert kaum
noch in dieser Welt. Der Bandname stimmt mit dieser
Thematik ebenso überein, weil Clandestine dafür steht,
die dunklen Geheimnisse hinter unseren Geistern sichtbar
zu machen.
MF: Kannst du in eigenen Worten erklären, wie all dies
geschah? Ich meine damit die Idee, Rock und Metal auf
eine Art und Weise zu spielen, die man als progressiv
mit einer Kick Ass-Attitüde bezeichnen kann.
JP: Viele Leute haben mich schon gefragt, wie ich in
dieses Genre gelangt bin, denn es ist ziemlich unüblich
für eine Koreanerin in einer Band wie Clandestine eben
eine sind zu sein. Ich war, seit ich Musik ausgesetzt
worden bin, von Rock und Metal auf eine ganz natürliche
Art und Weise angezogen worden. Ich denke, meine
Erfahrungen in der Vergangenheit und wie meine
angeborene Persönlichkeit damit umgegangen ist hat in
mir den Drang erschaffen, mich selbst in einem
kraftvollen wie auch vertrackten Weg auszudrücken. In
mir drinnen sind Dinge, die mein Herz zum Bersten
bringen wollen, aber gleichzeitig bin ich sehr in mich
gekehrt. Über was ich so normalerweise nachsinniere ist
nicht zwingend für alltägliche Konversation geeignet.
Über was auch immer ich nachdenke, ich singe lieber
darüber als zu reden. Progressive Rock ist ein
hervorragendes Medium dafür, mich selbst auszudrücken,
weil diese Art von Musik die Heavyness besitzt, die
implodierende Energie und die Komplexität auszudrücken,
welche meine inneren Gedanken miteinander verschlingt.
MF: Wessen Hauptidee war es, diese Band zu erschaffen
und wie habt ihr euch gefunden?
JP: Ich besuchte eine Musikschule in Los Angeles, und es
war mein Ziel, nach meinem Abschluss in einer Band zu
sein. So habe ich also nach Mitstreitern während meiner
Schulzeit gesucht, und das war dann auch der Zeitpunkt,
als ich Dan Durakovich, unseren Gitarristen, getroffen
habe und wir beide zu den Gründern von Clandestine
wurden. Zuallererst wollte ich ja, dass Clandestine mehr
in Richtung Symphonic/Gothic Metal tendierten, aber das
funktionierte nicht weil Dan mehr in der progressiven
Richtung zuhause war, und ich mochte diese Richtung mehr
und mehr. Alles in allem bin ich glücklich darüber, wie
sich alles entwickelt hat. Und man kann eventuell immer
noch ein wenig Gothic Metal im Sound heraushören, wie
zum Beispiel Klavier und Streicher.
MF: Dein Stimmumfang ist ja sehr variabel, du singst,
schreist und growlst zwischendurch und du sprichst die
Vocals dennoch ziemlich deutlich aus. Hast du dafür
irgendeine Art von Training absolviert?
JP: Ich bin in eine Schule für das Training der Stimme
gegangen, aber das war lediglich für den Sing-Bereich.
Ich hab in meinem Zimmer zu schreien gelernt, einfach
zum Sound aus meinem CD-Player, was die Nachbarn ein
wenig verschreckt haben dürfte. Das ist jetzt etwas, das
ich nicht die ganze Zeit machen könnte; ich schreie,
wenn es sich richtig anfühlt zu schreien. Was die
Betonung anbelangt, ich habe da noch einiges zu lernen
da ich ja Englisch nicht als Muttersprache spreche. Ich
denke aber, genau aus diesem Grund bin ich vorsichtiger,
was die Worte angeht die ich spreche oder singe, damit
mich die Zuhörer auch wirklich verstehen können.
MF: Was auf “The Invalid” eine Besonderheit darstellt,
ist, dass ihr nicht einfach Songs erschaffen habt, die
alle ähnlich klingen: Balladeske Songs wie “Silent Sin”
oder auch “Phantom Pain” wechseln sich mit krachenden
Rockern wie “Philistine” mit gar einem thrashigen Touch
oder “Fracture” ab, und wie schon erwähnt trägt die
Variation der Vocals ebenfalls dazu bei. Kannst du mir
den Songwriting-Prozess näher erläutern und wie ihr auf
all diese Ideen gekommen seid?
JP: Was “The Invalid” betrifft, so denke ich, dass wir
nach wie vor daran sind, unsere eigene Nische zu finden.
Wir hatten alle diese verschiedenen Ideen, die wir
ausprobieren wollten, damit wir herausfinden konnten,
was wir am liebsten haben. Wir sind bis zum heutigen
Tage uns aller Songs sehr bewusst, weil wir sie alle
mögen. Manche mögen die Variabilität der Songs, andere
wiederum nicht. Aber ich denke, dass Musiker dazu
ermutigt sein sollten, verschiedene Werke in
verschiedenen Alben zu erschaffen, vor allem etwas, das
nicht ihrem eigentlichen Stil entspricht. Es ist eine
gute Gelegenheit, aus seinen eigenen Gewohnheiten
auszubrechen und verschiedene Seiten von sich selbst zu
erkunden. Der Songwriting-Prozess besteht darin, dass
die Musik an erster Stelle steht, erst dann folgen die
Melodien und die Lyrics. Für „The Invalid“ haben Dan und
ich zusammen an der Musik gearbeitet, und ich bin dann
mit dem ganzen Rest nachgekommen. Der musikalische Teil
ist der längste zum Beenden, und ich schreibe selten die
Texte oder Melodien davor.
MF: Glaubst du, dass du in einer schwierigeren Position
als Sängerin bist, auch heutzutage noch, oder haben sich
die Klischees, dass du als Sängerin beispielsweise nicht
so tough wärst wie deine männlichen Kollegen, endgültig
erledigt?
JP: Ich denke, der beste Weg, mit all dem umzugehen,
ist, nicht daran zu denken, dass du eine Frau bist oder
über all die Unsicherheiten und Restriktionen bezüglich
des Frauseins nachzudenken. Du musst dich einfach gehen
lassen und akzeptieren, wer du bist. Je mehr du dich
beklagst und an diesen alten Rollenbildern festhältst,
desto schwächer wirst du und deine Probleme werden
offensichtlich. Ich kümmere mich nicht darum, was andere
über Frauen im Metal denken. Wie bei allem Anderen auch
wird es immer Leute geben, die es mögen oder hassen.
Natürlich wäre es unerfreulich, wenn mich Leute nicht
respektieren, aber das verändert nicht das, was ich tue
oder woran ich glaube. Ich bin hier, um mich selber zu
sein und meine Träume zu realisieren und nicht, um mich
mit anderen Frauen oder Männern im Metal zu vergleichen.
MF: Wie sehen denn eure weiteren Pläne für die Zukunft
aus? Werdet ihr ausserhalb der USA touren, eventuell
sogar in die Schweiz kommen?
JP: Wir haben einige Pläne, um in den USA diesen Sommer
zu touren, aber die Details stehen noch nicht fest. Aber
es wäre grossartig, in der Schweiz zu spielen! Ich war
einmal dort und habe die Erfahrung wirklich sehr
genossen.
MF: Wir sind jetzt auch schon wieder am Ende des
Interviews angelangt, eine letzte Frage: Möchtest du
allen Metalheads da draussen und speziell euren Fans und
den Lesern von MetalFactory mitteilen?
JP: Versucht, unsere Musik mit einem reinen, offenen
Geist zu geniessen, weil es das ultimative Ziel ist,
euch lebendig mit positiver Energie fühlen zu lassen.
Dies entsteht aus der Verbindung zwischen euch und der
Musik im persönlichen Bereich, nicht aus Streitereien,
welche Band denn nun die beste sei. Das gibt es nicht.
Diese Gedanken helfen mir, die wahre Kraft der Musik zu
finden.
An unsere Fans in der Schweiz: Ich kann es kaum
erwarten, euch alle eines Tages sehen zu können. Bitte
supportet uns weiterhin wie bisher, damit wir in näherer
Zukunft aufeinander treffen können. Und ich liebe
Schweizer Schokolade ;-)
MF: June, danke dir nochmals vielmals dafür, dass du
meine Fragen beantwortet hast. Keep on rocking, und ich
hoffe, euch alle irgendwann auf Tour sehen zu können.
Take care!
JP: Ich danke dir! Ich habe deine guten Fragen sehr zu
schätzen gewusst, genauso wie ich es genossen habe, sie
zu beantworten. Ich wünsche der Metal Factory alles Gute
und hoffe, euch alle on the road sehen zu können!
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