2005 war in mehrheitlicher Sicht kein wirklich gutes
Jahr – Cemetary respektive deren Mastermind, Mathias
Lodmalm, haben sich aus der metallischen Musikszene
verabschiedet, und auch Darkseed haben nach „Ultimate
Darkness“ das Handtuch geworfen. Doch frühestens seit
dem Reunion-Konzert und spätestens seit der neuen
Düster-Rille „Poison Awaits“ ist klar, dass sich die
Jungs nur eine etwas längere Auszeit gegönnt haben und
jetzt mit Harald Winkler (HW), welcher ja von Anbeginn
an die backing vocals gesungen und die Felle verdroschen
hatte, einen mehr als nur passenden Sänger gefunden
haben. Dies alles ergibt mehr als nur genug Stoff, um
mal ordentlich darüber zu reden, und netterweise hat
sich Harald dazu bereit erklärt, uns einen exklusiven
Einblick hinter die Kulissen, das Schaffen und in die
Welt von Darkseed zu gewähren.
MF: Hallo Harald, danke dir vielmals, dass du dir die
Zeit zum Beantworten meiner Fragen nimmst. Wie geht es
dir?
HW: Danke, mir geht es gut, ich befinde mich gerade im
Urlaub in Florida.
MF: „Poison Awaits“ hat ganz ehrlich alle meine
Erwartungen übertroffen, welche ich an Darkseed gestellt
hatte, gratulation! Kannst du in eigenen Worten das
Album beschreiben?
HW: Mit dem Abgang von Stefan, dem Mastermind von
Darkseed, und dem damit verbundenen Sängerwechsel, war
das neue Album für uns alle im Darkseed-Lager eine Art
Testballon - ein Experiment: Armin (keys) und Tom (git)
waren viel mehr ins Songwriting involviert, sodass das
neue Album sehr abwechslungsreich geworden ist. Wir sind
nach wie vor sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Es
passiert recht selten, dass ich mir ein fertiges Album
nach der Fertigstellung noch häufig selbst z. B. im Auto
anhöre, bei „Poison Awaits“ ist dies aber definitiv der
Fall.
MF: Was für ein Gefühl ist das, nach mehr als 14 Jahren
wieder mit der Band zusammen zu arbeiten, der du von
Anfang an angehört hast? Wenn ich so direkt fragen darf:
Was hat dazumals, nach der Veröffentlichung von „Midnight
Solemnly Dance“, dazu geführt, dass du nicht mehr bei
Darkseed dabei gewesen bist?
HW: 1996 waren meine Metal-Batterien leer, ich hatte bis
zum damaligen Zeitpunkt fast ausschliesslich Metal
gehört und gespielt. Es war Zeit, etwas Neues
auszuprobieren, sich neuen Musikstilen (Elektro, New
Wave etc.) zu öffnen. Ausserdem fing ich gerade mit
meinem Englischstudium an, und Darkseed starteten mit
Nuclear Blast als neuem Label im Rücken richtig durch,
so dass ich die Band zeit- und organisationstechnisch
nicht auf die Reihe bekommen hätte. Von der damaligen
Besetzung ist zwar nur noch Gitarrist und
Studiomastermind Tommy übrig, dennoch sind Darkseed 2010
mit den fantastischen anderen Musikern ein unglaublich
starkes Kollektiv, und es fühlt sich gut und organisch
an, dass ich wieder dabei sein darf.
MF: Soweit ich weiss hast du ja den Kontakt zu Stefan
Hertrich (ehem. Sänger, Anm. d. Verf.) nie abgebrochen
und ihr kommt nach wie vor gut miteinander aus. Wie hat
er darauf reagiert, als du plötzlich hinter dem Mikro
gestanden hast? Wie findet er das Album?
HW: Stefan hat sich sogar stark für mich als Sänger
eingesetzt. Nachdem ich 2008 einen Song im Gothic
Metal-Stil für das PC-Spiel „Going Downtown“ im Studio
von Tommy eingesungen hatte, kamen die beiden auf die
Idee, mich zu fragen, ob ich Lust auf eine Rückkehr zu
Darkseed hätte. Stefan steht nach wie vor in regem
Kontakt zu mir und der Band, und ihm gefällt das neue
Album auch gut.
MF: A propos Vocals: Kannst du genauer erläutern, wie
sich das alles entwickelt hat, dass du jetzt wieder bei
Darkseed dabei bist?
HW: Der erste Schritt war die CD-Produktion meines
Side-Projects Soul Sabotage, die bei Tommy im Studio
entstand. Tommy gefiel meine Art zu singen, so dass es
zu der schon erwähnten „Going Downtown“-Produktion kam.
Danach fragten mich die Jungs, ob ich Lust hätte, einen
Reuniongig im Rahmen des Helionfestivals 2008 in München
zu singen, der eigentlich als einmalige Sache geplant
war. Da auch dies gut funktionierte, der alte
Darkseed-Vibe wieder da war und der Plattendeal mit
Massacre Records noch lief, beschlossen wir, ein neues
Album mit mir als neuem Sänger und Michi (Ex-Eisbrecher)
als neuem Bassisten nachzulegen.
MF: Es gibt einige Tracks, welche sofort hervorstechen,
und wiederum andere, welche entdeckt werden wollen. „Incinerate“
und „Striving For Fire“ sind solche eingängige Tracks,
wie sind diese entstanden und was steckt dahinter?
HW: Wir hatten im Vorfeld der Produktion keine
Marschrichtung à la „das neue Album muss kommerziell
werden“ oder „lass uns mal was Progressives versuchen“ -
Files wurden ausgetauscht, Riffs wurden
zusammengebastelt und letztendlich entstanden eben viele
recht straight rockende Songs und nur wenig sperriges
Material. Dies kann beim nächsten Album aber schon
wieder ganz anders sein, wer weiss, wohin uns die Reise
führen wird...
MF: Hattet ihr für das Album, welches ja zuerst „Seeds
Of Sorrow“ hätte betitelt werden sollen, eine bestimmte
Idee oder entstand alles nach und nach?
HW: Richtig, „Seeds of Sorrow“ war der Arbeitstitel des
Albums, den wir jedoch kurz vor Schluss doch noch einmal
verwarfen, da der Ausdruck uns recht billig und
klischeebehaftet vorkam und „Poison Awaits“ einfach
musikalisch und textlich besser zum Gesamtkontext
passte.
MF: Welches Gesamtkonzept steckt denn hinter „Poison
Awaits“? Kannst du uns die Kernaussage dieses Albums
erläutern?
HW: Es handelt sich bei „Poison Awaits“ nicht um ein
Konzeptalbum, dennoch sind die Songs inhaltlich lose
miteinander verbunden. Das ‚Gift, das einen erwartet’
wird in jedem der Songs metaphorisch thematisiert - was
das Gift genau ist, ist der Interpretation des Hörers
überlassen (Macht/Drogen/Materialismus/Frauen/etc.)
MF: Auf der Digipack-Version, welche meiner Meinung nach
sehr gelungen ist, finden sich ja noch zwei zusätzliche
Tracks, „The Demon Within“ und das instrumentelle „Comptine
d’un autre été“, Kannst du uns zu diesen Songs noch
etwas erzählen? Meines Wissens nach ist dies nach
„Fusion“ vom „Give Me Light“-Album erst das zweite
Instrumental, das Darkseed jemals gemacht haben…
HW: Da wir mit den regulären Tracks bereits eine recht
hohe Gesamtspielzeit erreicht hatten, beschlossen wir, „The
Demon Within“ für das Digipack zu verwenden. Das
Instrumental ist ein Cover aus dem Soundtrack zum Film
„Die fabelhafte Welt der Amélie“, den uns Tom eines
Tages als Demoversion online schickte und den wir
unbedingt auf dem Digipack haben wollten, da er mit
seiner melancholischen Atmosphäre und der tollen Melodie
einfach gut zu Darkseed passt.
MF: Wie war es für dich, all die unterschiedlichen
Nuancen zu singen, welche die Tracks sehr
abwechslungsreich machen? Ich meine, du singst clean,
flüsterst, singst auch ziemlich rockig mit einem rauen
Unterton und growlst sogar… Hier muss ich dir übrigens
ein Kompliment machen: Selten habe ich jemanden so
verständlich growlen hören, und deine Aussprache ist
ebenfalls sehr gut, nicht so vernuschelt und abgehackt,
wie das bei manch anderen Sängern der Fall ist.
HW: Danke für das Kompliment, ich lege tatsächlich sehr
viel Wert auf Aussprache und Intonation und finde viele
der so angesagten Deathcore-Shouter, die zwar oft ein
heftiges Organ haben, jedoch den Gesang meist nur als
Impuls bzw. zusätzliches Instrument einsetzen, auch
schrecklich. Schlimm finde ich auch, wenn Wörter falsch
ausgesprochen werden oder der Sänger einen hörbaren,
deutschen Akzent hat. Das macht für mich eine eigentlich
vielleicht gute Produktion zunichte. Ich glaube aber,
dass so etwas den meisten Leuten völlig egal ist,
haha...
MF: Darkseed waren leider nie gross für ihre Tourneen
bekannt, was dazu geführt haben mag, dass die breite
Öffentlichkeit nicht so Notiz von euch genommen hat, wie
ihr es verdient gehabt hättet. Werdet ihr jetzt wieder
mehr Konzerte spielen und ist dies für dich überhaupt
möglich?
HW: Wir suchen derzeit eine Bookingagentur und haben
fest vor, viele Gigs zu spielen, weil wir nach wie vor
viele Fans haben und diese in den letzten Jahren
wahrlich nicht sehr verwöhnt wurden in Sachen
Darkseed-Livepräsenz. Es sind auch Festivalgigs für 2011
geplant, noch ist aber nichts spruchreif - checkt also
immer mal wieder Darkseed.com für etwaige Updates!
MF: Besteht die Chance, dass ihr, solltet ihr auf
Konzertreise gehen, auch mal in die Schweiz kommt?
HW: Wenn ich mich recht erinnere, haben Darkseed zuletzt
im Rahmen der Europatour 1997 das letzte Mal in der
Schweiz gespielt, vor einer gefühlten Ewigkeit also.
Daher ist es höchste Zeit, dorthin zurückzukehren, mal
sehen, was sich bookingmässig alles in nächster Zeit tun
wird.
MF: Wie siehst du jetzt das weitere Vorgehen von
Darkseed? Was werdet ihr als nächstes unternehmen, was
denkst du, wo die Band in nächster Zeit stehen wird?
HW: Derzeit kann ich dir lediglich sagen, dass wir uns
in einer Planungsphase befinden und rege miteinander
kommunizieren, was die weitere Ausrichtung von Darkseed
angeht. In naher Zukunft ist mit neuem Merchandise und
Gigs zu rechnen, aber auch die Planungen für das nächste
Album haben bereits begonnen. Wir wollen nicht noch
einmal fünf Jahre verstreichen lassen bis zu einem neuen
Output, haha.
MF: Die letzten Worte gehören dir: Was möchtest du allen
Musikfreunden und speziell natürlich den
MetalFactory-Lesern mit auf den Weg geben?
HW: Ich freue mich, dass die Metalheads in der Schweiz
uns nach der langen Darkseed-losen Zeit noch nicht
vergessen haben und hoffe, dass man sich bald mal auf
einem Gig oder in unserem Forum auf Darkseed.com trifft!
Ciao!
MF: Harald, ich danke dir, dass du dir Zeit für mich und
meine Fragen genommen hast. Ich hoffe, man sieht sich
mal bei einem Konzert. Take Care!
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