Es ist jetzt etwas mehr als drei Jahre her, seit ich
Delain (als Support von Kamelot) das erste Mal im Z7
livehaftig sah. Seither bin ich ein Riesen-Fan der
holländischen Band mit der sympathischen und total
natürlich wie bodenständig wirkenden Frontfrau Charlotte
Wessels. Und dass diese nebenbei auch noch recht hübsch
ist, verleiht dem Ganzen eh gleich die richtige Würze.
All das und was mir generell an Nightwish zu
Tarja-Zeiten missfiel, war bei Delain von Anfang an
nicht auszumachen. Mehr noch verzauberten einen die sehr
melodiös gehaltenen Songs und dass beim Debüt-Album «Lucidity»
(2006) einige Guests wie Sharon den Adel (Within
Temptation) und Marco Hietala (Nightwish, Tarot)
mitwirkten, erhöhte das Interesse zusätzlich. Das zweite
Album «April Rain» (2009) bestätigte den ersten, guten
Eindruck locker und legte gar noch einen drauf. Dazu
gehörten unter anderem einige Videos wie die von «Frozen»,
«See Me In Shadow», «The Gathering» und «April Rain».
Zum brandneuen Album «We Are The Others» konnte ich
bereits im Vorfeld einiges von Charlotte in Erfahrung
bringen.
MF: Nun ist Halbzeit für den ersten Teil der Tour. Wie
viele Konzerte als Band braucht ihr, um euch für den
Rest der Tour einge-spielt zu fühlen?
Charlotte: Um es ehrlich sagen, halten wir vorher immer
eine Art Vor-Produktion in Holland ab. Wir gehen dort in
ein Lokal, wo wir uns jeweils in die Lage eines
Konzertes versetzen und alles ausprobieren.
Normalerweise sind wir auf den ersten Tourtag hin
vorbereitet, was aber nicht heisst, dass man alles
voraussehen kann. Wenn wir auf Tour gehen, sind wir
jedoch grundsätzlich bereit.
Dann wies ich Charlotte auf unterschiedliche Setlisten
hin, wo zum Beipsiel der (neue) Song «Generation Me» von
der zweiten Stelle nach hinten rutschte und dafür «Stay
Forever» nach vorne gerückt wurde. Der Grund dafür lag
darin, dass vorher gleich drei stimmlich ziemlich
anspruchsvolle Songs am Anfang standen und man das
deswegen umgestellt hat, damit ihre Stimme
gleichmässiger belastet wird. Sonst sei die Setliste
grundsätzlich aber ziemlich fix, weil Tour-Gitarrist Bas
Maas (Doro, After Forever) zuerst ja alles lernen musste
und Änderungen deshalb nicht mehr möglich sind.
MF: Die Besetzung von Delain hat sich verändert: Ronald
Landa (g/v) und Rob van der Loo (b) haben euch verlassen
und sind durch Timo Somers (g) und Otto Schimmelpenninck
van der Oije (b) ersetzt worden. Darüber hinaus hilft
euch aktuell eben Bas Maas auf der Tour aus. Was
bedeutet das für die Geschlossenheit innerhalb der Band?
Charlotte: Auf Tour muss man sich stets aufeinander
verlassen können, aber es ist schon so und da stehe ich
dazu..., ich mag keine Musikerwechsel, aber wir sind
sehr glücklich mit den Ersatzleuten. Es braucht halt
seine Zeit, bis man sich kennen gelernt hat, was ja für
jede Art von Beziehung gilt. Wenn man unterwegs ist,
schläft und wacht man gemeinsam ein, respektive auf und
ich glaube das ist die schnellste Methode, um sich
jemanden anzunähern. Bas Maas, der zum ersten Mal mit
uns unterwegs ist, gehört bereits zum Team und es fühlt
sich so an, als wäre er schon lange dabei. Mit diesen
Jungs sind wir glücklich und es läuft sehr gut.
MF: «We Are The Others» ist das berühmt berüchtigte
dritte Album eurer Karriere, das "make it or break it"
Ding. Seid ihr darob unter Druck gestanden?
Charlotte: Ja, eigentlich schon, aber viele Leute sagten
uns das bereits beim zweiten Album. Aber diesmal standen
wir deutlich mehr unter Druck, weil wir immense Probleme
mit dem Label hatten. Es bestand eine grosse
Unsicherheit darüber, wann das Album erscheinen wird,
und als wir dachten, dass alles klar sei, mussten wir zu
"CNR Entertainment" wechseln. Wir sind zwar in einigen
Ländern immer noch bei Roadrunner lizensiert, aber die
machen fortlaufend dicht jetzt. Das war der totale
Albtraum, denn wir haben hart gearbeitet, sind sehr
glücklich damit und wir wussten, dass es ein wichtiges
Album ist. Doch selbst wenn die Qualität perfekt in
Szene gesetzt wurde, ist die dahinter stehende
Marketingstruktur für den Erfolg oder Misserfolg
verantwortlich. An dieser Stelle ist es dann sehr schwer
mit all den Labels.
MF: Ihr müsstet eine Nuclear Blast Band sein...
Charlotte: ..., yeah..., nun...., weisst du..., das ist
halt eine Sache, die niemand prophezeien kann.
Glücklicherweise sind wir gerade noch rechtzeitig vom
sinkenden Schiff abgesprungen und ausschliesslich in
Holland stehen wir jetzt bei "CNR Entertainment" unter
Vertrag. In allen anderen Ländern ist es eine Vermutung,
dass noch was unter Roadrunner läuft.
MF: Das Cover-Artwork ist ein Bild von Glenn Arthur. Wie
seid ihr auf ihn gestossen?
Charlotte: Wir haben ihn angefragt! Da der Titel des
Albums, «We Are The Others» fest stand, baten wir ihn,
dazu, also zum Song, ein Bild zu machen. Das ist also
kein Zufall, dass er dies für uns gemacht hat. Wir gaben
ihm die Texte als Inspiration und ja..., wie wir ihn
gefunden haben..., ich bin seit langer Zeit ein Fan von
ihm und habe dies, also seine Kunst, auch in meinem Blog
zum Ausdruck gebracht. Ich mag ihn sehr und wir waren in
Kontakt, weil ich ihn anfragte, ob ich seine Bilder im
Blog verwenden darf, was ihm auch gut gefiel. Dann kamen
wir mal an den Punkt, wo es um das Cover ging und
seither gehört er zu meinen Favoriten.
MF: Eine gute Wahl...
Charlotte: .., danke vielmals! Ich liebe seinen Stil
wirklich..., Art Nouveau und Einflüsse von Steampunk. Er
hat einen riesen Job gemacht und ich bin stolz, was von
ihm zu haben.
MF: Und auf dem Cover..., das bist du..., oder?
Charlotte: Ich denke ja... (lächelt)
MF: Sie sieht dir ähnlich...
Charlotte: ...ja..., mit den Sommer-sprossen und den
roten Haaren.
MF: «April Rain» war..., nein ist immer noch ein sehr
gutes Album. Ist das ein Fluch oder ein Segen, wenn es
ans Schreiben von neuen Songs geht?
Charlotte: Ab einem gewissen Punkt, wenn das neue
Material draussen ist, schaue ich nicht mehr zurück. Es
ist aber so, unabhängig davon was du machst, dass das
Ganze auf der gleichen Linie wie zuvor sein sollte. Dann
schaut man natürlich immer darauf, sich zu verbessern.
Ich hatte jedoch nie das Gefühl im Sinne von "oh mein
Gott, wir werden das nie toppen können" - wir waren
vielmehr richtig begierig darauf, uns für das
Komponieren und Schreiben wieder an den Tisch zu setzen.
Ich bin wirklich sehr glücklich mit all dem Material,
das für «We Are The Others» veröffentlicht wurde, und
darum waren da keine Ängste auszumachen.
MF: Was kommt zuerst..., die Musik oder die Texte? Und
wie oder allenfalls wo sind die neuen Songs entstanden?
Charlotte: Das kommt ganz auf den Song drauf an, aber zu
Beginn ist es schon so, dass Martijn grundsätzlich mal
die Musik komponiert und ich dann mit den Texten und den
Gesangslinien ankomme. Seit «April Rain» machen wir aber
auch verschiedene Dinge und manchmal habe ich ein paar
Songs strukturell beisammen und gehe damit zu Guus
Eikens, der ja auch für uns schreibt. So kann es gehen
und bei dieser Platte war das eine und das andere zum
Zug gekommen. Letztlich ist es jedoch ein
gemeinschaftliches Werk..., von wegen was du gefragt
hast. Die neuen Songs entstanden hingegen mehrheitlich
auf eine Art und Weise, wie wir es bisher noch nie
gemacht hatten. Also wir drei (Martijn, Guus und ich)
sowie teilweise Oliver Philipps, der uns in der
Vergangenheit co-produziert hat. Das war eine
überraschende Erfahrung, weil du normalerweise deine
eigene Arbeitsweise einbringst. Daraus entsteht die
Leichtigkeit, aus zehn Ideen das Beste heraus zu picken
und deinen Bandkollegen vorzustellen. Wenn man das
gemeinsam tut, dann spielt man alles vor und das ist
eine echte Herausforderung. Dazu gab es diesmal noch
Re-Writing Sessions in Stockholm. Du siehst hiermit,
dass wir verschiedene Dinge angewandt haben.
MF: Wie wichtig war es deiner Meinung nach, bei Sonata
Artica (auf deren letzter Tour - MF) als Gast vor einem
grossen Publikum dabei sein zu können?
Charlotte: Oh..., ich denke, das war sehr bedeutsam! Wir
spielten jetzt zum Beispiel in Städten, wo wir zuvor mit
ihnen das erste Mal waren. Als wir jeweils nach den
Shows in die Lokalitäten gingen, um mit den Leuten zu
sprechen (was wir ja immer tun), hörten wir dann, dass
sie uns zuerst mit Sonata Arctica gesehen haben. Das
stellte eine gute Gelegenheit dar, neue Seelen zu
finden. (lacht)
MF: Eine steigende Popularität bringt mit sich, dass die
Nachfrage der Fans, wo auch immer diese sind, zunimmt.
Wie gehst du damit um?
Charlotte: Ich habe keine Probleme damit..., also
grundsätzlich haben wir coole Fans. Nach den Shows
kommen wir ja immer raus und sprechen mit ihnen, machen
Fotos. Das ist bekannt und die Leute fragen eigentlich
auch nicht nach mehr. Generell mögen wir den Kontakt und
geben das, was man von uns erwartet.
MF: Und die Nachfrage in dem Sinne, dass nun Fans aus
aller Welt nach euch fragen..., Brasilien zum Beispiel,
wo ihr auch schon wart oder ich habe etwas von glühenden
Fans in Spanien gelesen...
Charlotte: ...das ist richtig! Wir haben noch einige
Reisen vor uns..., das ist wirklich cool. Als wir
beispielsweise letztes Jahr in Südamerika weilten, war
das eine besondere Erfahrung für uns. Und es gibt in der
Tat noch eine Menge Länder, die wir noch nicht besucht,
respektive gesehen haben. Das ist gut und man muss sich
halt die Wünsche entsprechend aufheben.
MF: Es gibt mittlerweile eine ganze Menge Bands mit
Frauen an der Gesangsfront. Welche magst du besonders,
wenn es denn eine gibt, und spielt ihr zum ersten Mal am
"Metal Female Voices Fest", das im Oktober in Belgien
stattfinden wird?
Charlotte: Ich glaube, das wird dann das vierte oder
fünfte Mal sein, dass wir dort spielen werden (ups! -
MF). Meine Lieblingsband mit Frau am Mikro? Nun..., es
gibt viele Gruppen, die ich mag..., also mehr persönlich
dann, aber ich höre mir diese Art von Musik nicht sehr
oft an, weil man immer untereinander verglichen wird.
Andere Musik höre ich mir hingegen viel an..., doch ich
mag Within Temptation sehr, Stream Of Passion,
Evanescence gehören dazu..., ja..., viele von ihnen.
Und..., ich liebe Trillium! Das neue Projekt von Amanda
Somerville, die nun mit uns unterwegs ist. Als ich ihre
Songs zum ersten Mal zu Ohr bekam, war ich hin und
weg..., so gut hörte sich das an. Wir sind wirklich
froh, sie bei uns auf der Tour zu haben, denn sie ist
einfach eine grossartige Sängerin.
MF: Bis zum Ende des Jahres werdet ihr in eurer Heimat
einige Club-Gigs spielen. Warum so viele und werdet ihr
das in Zukunft wiederholen?
Charlotte: So eine Club-Tour muss definitiv sein und wir
wollen möglichst in jeder Ecke von Holland spielen. Es
ist zwar ein kleines Land, aber es hat ganz viele
Lokale, wo man auftreten kann, und wir werden sie uns
alle anschauen gehen! (lacht)
MF: Ihr habt einige sehr gute Videos produziert wie die
von «Frozen», «See Me In The Shadow», «The Gathering»
oder «April Rain». Arbeitet ihr immer mit der gleichen
Crew und wer schreibt die Drehbücher?
Charlotte: Nein! Ich denke, wir haben nie zweimal mit
den gleichen Leuten gearbeitet. Die Videos von «April
Rain» und «Frozen» wurden von einer Firma als Aufträge
hergestellt. Sie schicken dir verschiedene Drehbücher,
die du lesen und, mit Kommentaren versehen, wieder
retournieren kannst. Du teilst dabei mit, was dir
gefällt und was nicht, respektive kannst deinen eigenen
Ideen anbringen. Das ist bis heute eine gute Erfahrung,
aber das Video zu «Stay Forever» haben wir jetzt selber
gemacht und die Story stammte von mir. Für «The
Gathering» und «Get The Devil Out Of Me» verwendeten wir
beispielsweise Live- und Backstage-Material. Mir gefällt
eigentlich «The Gathering» am besten und weisst du was?
Es war das Billigste von allen und zeigte Dinge, die wir
erlebt hatten. Manchmal gefällt mir sowas besser als
wenn da eine Geschichte dahinter sein muss. Die Songs
beinhalten das ja schon und klar, ich würde schon gerne
was Grosses machen, aber das, was wir bisher zu Stande
gebracht haben, finde ich echt cool, wenn ich mir dies
so anschaue.
MF: Bei «Where Is The Blood» (einem der neuen Songs -
MF) hat Burton C. Bell von Fear Factory (!!) mitgewirkt.
Wie kam das denn?
Charlotte: Nun..., ich liebe Fear Factory sowie Burton
und seine Jungs wirklich. Wir trafen uns mal in Wacken,
quatschten miteinander und hatten viel Spass. Danach
blieben wir in Kontakt und als wir an «Where Is The
Blood» arbeiteten, fragten wir ihn einfach mal an und er
war darob echt happy, dass er seinen Beitrag leisten
durfte. Ich bin sehr stolz auf das Resultat und er
machte seine Sache sehr gut...
MF: ...und ich bin sehr gespannt darauf!
Charlotte: Ja..., und ich hoffe, dass es dir gefallen
wird.
MF: Ich war nur etwas verwundert als ich das las, weil
Fear Factory eine echt harte Band ist!
Charlotte: Ja natürlich! Ich sah sie am "Sonisphere
Festival", wo wir auch aufgetreten sind und dann eben in
Wacken. Ich mag das zwar, wenn du jemanden fragen
kannst, den du sehr verehrst, aber noch nie zuvor
gesehen hast, doch es ist ungemein cool, wenn man so
eine Begegnung wie diese hatte und weiss, dass derjenige
deine Musik auch mag und sich das Ganze auf einem
freundschaftlichen Level bewegt. Das ist wirklich schön.
MF: Auf der limitierten Ausgabe (also dem Digipak) wird
es vier Bonus-Tracks haben. Ich nehme jetzt mal an, dass
dies Live-Aufnahmen sind?!
Charlotte: Ja, so ist es! Wir haben sonst schon noch
viel anderes Studio- und Bonus-Material in Reserve, aber
auf der Special Edition hat es nur zusätzliche
Live-Tracks.
MF: Wie wichtig ist Social Media wie Facebook, Twitter
und so weiter für dich, für Delain..., für die
Menschheit?!
Charlotte: (blubbert vor sich hin) - Für mich...,
nun..., das ist noch schwierig. Zum einen mag ich das
sehr und zum anderen hat man aber manchmal das Gefühl,
dass man gar keine andere Wahl hat! Aber du musst das
tun und seit das so ist..., na ja. Der Text von
«Generation Me» handelt davon..., dass sich jeder
produziert, ausstellt und Bilder von sich hochlädt.
Grundsätzlich ist da nichts Falsches, aber es hat eine
ziemlich grosse Rolle im Leben (der Leute) eingenommen
und ich weiss nicht, ob das wirklich was Gutes ist...,
ich denke eher nicht. Ich bin übrigens die
Twitter-Königin und poste dort mindestens achtmal am
Tag, wobei es jetzt gerade etwas weniger ist und ich
muss dann über "aaalleees" berichten weisst du. Ist
irgendwie noch lustig, wobei ich Twitter mehr als
Facebook mag, weil dort alles kompakter ist.
Dann erzählte mir Charlotte noch, was sich bei "Google
Plus" alles so machen lässt in Sachen Group-Chats mit
Webcams, wo sie zwischendurch und angekündigt sich
jeweils um eine Viertelstunde herum mit ihren Fans
unterhält. Bevor sie auf Tour gingen, sei sie aktiv
gewesen und sie fände es sehr schön, auf diese Weise
persönlichen Konktakt zu den Fans zu unterhalten.
Charlotte: Das wird geschätzt und manch einer ist dann
aufgeregt, dass er sich jetzt wirklich mit mir
austauschen konnte und dies in Echtzeit. Fan-Mails gibt
es eigentlich gar nicht mehr, man kommuniziert direkt.
MF: Ok Charlotte..., was möchtest du zum Schluss den
Lesern von Metal Factory und den Schweizer Delain Fans
noch mitteilen?
Charlotte: Herzlichen Dank für die Unterstützung und ich
hoffe, dass wir uns einmal auf Tour begegnen und...,
dass die Leute «We Are The Others» mögen!
MF: Vielen Dank!
Charlotte: Ich habe zu danken und hoffe, dass du alles
hast, was du wolltest.
Charlotte Wessels mit unserem Rockslave >>>
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