Wie auch Sodom gehört Destruction zu den Bands,
welche schon bald ihr dreissigstes Bühnenjubiläum feiern
können. Was Marcel «Schmier» Schirmer (MS) zu diesem
Fest plant, beziehungsweise was sich alles so in der
Vergangenheit getan hat, wie man zum neuen Schlagzeuger
Vaaver gekommen ist und wie Schmier zum letzten Streich
«Day Of Reckoning» steht, das erzählte die gutgelaunte
Thrash-Ikone im folgenden Interview. MF: Schmier, gibt
es Pläne für eine Jubiläumsshow? MS: Eigentlich möchten
wir wieder zusammen mit Kreator und Sodom auf Tour
gehen. Das wäre mein kleiner geheimer Wunsch. Das Ganze
wurde schon ein bisschen vorgequatscht und ich denke es
sieht gut aus.
MF: Viele Truppen haben aus Jubiläums-Zwecken schon
komplette Alben auf einer Tour gespielt. Für welches
Werk von Destruction würdest du dich entscheiden?
MS: «Infernal Overkill», das wäre auch das Album,
welches die meisten Fans verlangen würden. Diese Platte
hat Destruction geprägt. Allerdings stammt mein
Lieblingssong «Curse The Gods» nicht von dieser Scheibe.
Trotzdem hat «Infernal Overkill» die grösste
Klassikerdichte.
MF: Wenn du auf die letzten drei Jahrzehnte
zurückblickst, welche Höhepunkte und welche Tiefschläge
musstest, oder durftest du erfahren?
MS: Die Neunziger waren für mich nicht einfach. Diese
Zeit war eine grosse Herausforderung. Allerdings ist
daraus die Reunion entstanden und dies gehört
zweifelsohne zu meinen Höhepunkten. Auch als wir
anschliessend in Wacken aufgetreten sind. Hast du mit
etwas abgeschlossen, denkst es ist vorbei, bist mit
einem Schlag zurück und wirst mit einer solchen
Begeisterung aufgenommen, dann ist das einfach Wahnsinn.
Highlights... Das ist immer so eine Sache. Alleine in
den letzten zehn Jahren gab es viele Höhepunkte. Wir
wurden oft ausgelacht, als wir mit dem Comeback
starteten. Aber! Wer zuletzt lacht, lacht am längsten
(grinst). An diesen Erfolg, den wir hatten, daran hätte
niemand gedacht. So etwas kann man auch nicht
beeinflussen. Wir hatten Glück, dass wir einen Sound
mitkreiert haben, der eine ganze Generation
beeinflusste.
MF: Du wirst ja auch oft als Ikone der Szene
angesehen. Ehrt dich das?
MS: Natürlich ist das cool. So was bringt viele Freunde,
aber auch viele Neider (lacht). Das ist der Nachteil
dieser Geschichte. Bist du erfolgreich, hast du Neider.
Das ist eher bei kleineren Truppen der Fall. Neid
herrscht unter den grossen Combos nicht. Diese Truppen
sind meistens alle miteinander befreundet. Die anderen,
die es noch nicht geschafft haben, beneiden dich.
MF: Mit Headhunter hattest du zwischendurch eine
andere Band am Start, die musikalisch auch ein bisschen
anders unterwegs war. Wo liegt dein Herz mehr? Bei
Headhunter oder bei Destruction?
MS: Das kann man nicht miteinander vergleichen.
Headhunter war vom «New Wave Of British Heavy Metal»
beeinflusst. Da konnte ich ohne gross nachzudenken
musizieren. Mit Destruction verbinde ich einen grossen
Teil meiner Jugend. Da ist so viel Herzblut drin. Das
ist eine Lebenseinstellung, während Headhunter mehr ein
Hobby ist. Mit Destruction haben wir viele treue Fans.
Das hält sich bei Headhunter in Grenzen.
MF: Du hast damals auch mit deiner Pizzeria ein neues
Standbein eröffnet. Wie kam es dazu, dass du plötzlich
wieder voll auf die Karte Musik gesetzt hast, obschon
die Zeiten dafür nicht besser wurden?
MS: In der Vergangenheit ist viel passiert. Dabei
konnten wir viel mehr spielen, als früher. Speziell im
Ausland konnten wir neuen Boden gut machen. Ist der Chef
dann nicht in der Pizzeria, kann das zu Problemen
führen. Das hat mich zu stark belastet und so musste ich
eine Entscheidung treffen. Ohne mich selbst zu loben,
aber meine Pizzas waren genial (lacht). Die vermisse ich
echt. Die Zeit möchte ich nicht missen, aber ich
vermisse sie auch nicht. Heute verdiene ich sicherlich
weniger Kohle, aber Geld ist nicht alles.
MF: Wäre es für dich eine Alternative, wenn du die
Musik an den Nagel hängen würdest, dass du dich wieder
deinen Pizzas widmen würdest?
MS: Ja, aber dann irgendwo, wo es warm, ist (lacht).
MF: Damals hat es dich ja auch nicht abgehalten Musik
zu machen, obschon der Markt schwächelte.
MS: Man muss das machen, woran man glaubt. Geht man es
richtig, an, hat man in der Regel auch Erfolg. Du darfst
dich nie wie ein Fähnchen im Wind orientieren. Als wir
mit Destruction zurückkamen, hat der Metal Hammer
geschrieben: «...wer braucht noch eine alte Thrash-Band?»
Über solche Dinge darfst du als Musiker nicht
nachdenken, sondern musst dein eigenes Ding durchziehen.
MF: Ihr hatten mal einen zweiten Gitarristen in der
Band. Wäre das nochmals eine Option?
MS: Das weiss man nie, was noch alles kommt. Sag niemals
nie. Wir funktionieren als Trio super. Als
Ausweiterung... Ich könnte mir das vorstellen. Dazu
müsste aber zuerst die Chemie stimmen. Mike wurde mal
kurzfristig von einem anderen Gitarristen ersetzt, der
hätte gepasst. Aber der hat seine eigene Truppe und wir
suchen ja auch keinen vierten Mann. Würde sich das
ergeben... Wer weiss schon, was noch alles passieren
könnte? Allerdings mag ich solche Trio-Besetzungen. Ich
bin gross geworden mit Rush und Motörhead. Diese
Konstellationen sind heute verschwunden, alleine deshalb
ist unsere Zusammenstellung eine Herausforderung. Viele
sind auch der Meinung, dass Mike dies alles nicht
alleine spielen kann und denken, dass noch ein Tape
mitläuft während unseren Konzerten.
MF: Euer Metzger («Mad Butcher») hätte sich gut als
Maskottchen gemacht. Allerdings ist er nicht auf allen
Covern zu sehen. Wieso nicht?
MS: Wir sind nicht Iron Maiden. Der Schlächter macht
sich gut, aber wir haben mit unserem Schädel noch ein
anderes Erkennungsmerkmal. Der Butcher ist im neuen
Booklet zu sehen. Einfach nicht auf der Front, denn die
sollte dieses Mal so richtig knallen. Zum Titel haben
diese Schlange und dieses Auge super gepasst. Die beiden
vertreten das Konzept der Platte bedeuten besser, als
der Metzer es hätte tun können.
MF: Wieso hat euch Marc der alte Schlagzeuger
verlassen?
MS: Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen
getrennt. Hätten wir ihn rausgeschmissen, hätte das
nicht so gut ausgesehen. Es ging nicht mehr und so haben
wir einen klaren Schlussstrich nach der Arch Enemy-Tour
gezogen. Es hat nicht mehr funktioniert, musikalisch und
auf der persönlichen Ebene und so ging jeder seinen Weg.
Letztes Jahr haben wir den ganzen Sommer neue Trommler
gestestet. Dabei haben sich zwei Kandidaten
herauskristallisiert. Schlussendlich entschieden wir uns
für Vaaver. Auch wenn musikalisch beide gleichwertig
waren. Der eine war jazziger und der andere eher im
Latino bewandert. Wichtig war für uns auch, wie man sich
auf einer langen Tour versteht. Geht man sich da sehr
schnell an den Kragen, wird das auf die Dauer nur Stress
bringen. Vaaver hat sich bei uns hervorragend
eingegliedert und bis jetzt funktioniert alles bestens
mit ihm. Er musste sich einer langen Testphase
unterziehen, wir haben ein paar Shows mit ihm gespielt
und im Studio hat er uns förmlich weggeblasen. Unserem
Produzenten, Mike und mir ist der Kinnladen
runtergefallen. Vaaver hat uns schon auf Tour überzeugt,
aber was er im Studio ablieferte hat ihm den Job bei uns
zugesichert. Zudem spielt er noch beim Warschauer
Symphonie Orchester mit. Er hat Musik studiert und in
Kanada zusätzlich Percussion studiert. Nach dieser Tour
wird er für Orchester-Aufnahmen zur Verfügung stehen. Er
hat genügend zu tun (lacht). Vaaver ist ein versierterer
Schlagzeuger als Marc. Spielt einen Tick schneller und
ist logischerweise besser ausgebildet. Vaaver hat ein
sehr, sehr gutes Timing. Du könntest die Zeit nach ihm
stellen. Klar kannst du das lernen, aber das muss auch
in dir verankert sein. Aus diesem Grund sind einige
Nummern noch eine Spur tighter geworden.
MF: Wo würdest du das neue Album einordnen?
MS: In der neuen Phase, zusammen mit «The Antichrist»,
ist sie sicherlich die beste Scheibe. «Day Of Reckoning»
gehört klar zu den Top Five unserer Werke. Dieser
Meinung sind auch die Fans. Oft kann man dies als
Musiker selber schlecht beurteilen, aber die Leute,
welche sich die neue Scheibe schon gekauft haben, sind
klar der Meinung, dass «Day Of Reckoning» eines unserer
besten Alben ist.
MF: Welches sind die Pläne für die Zukunft?
MS: Nach dieser Tour kommt die nächste, dann die
übernächste und dann die überübernächste, das Jahr ist
vorbei (lacht) und dann schauen wir mal weiter. Als Band
wird man immer am Erfolg gemessen und mit der neuen
Scheibe haben wir sicher eine gutes Eisen im Feuer.
MF: Ich wünsche dir auf jeden Fall weiterhin viel
Spass und viel Erfolg.
MS: Ich danke dir.
|
|
|