Mit dem neuen Gitarristen sehr
zufrieden.
Eine Persönlichkeit wie Schmier, der
seit Jahren die Fahnen des Thrash Metals
stetig hochhält, findet man in der
heutigen, immer schneller lebenden
Musiklandschaft nur noch selten. Die
legendären, ersten Gehversuche, mit den
Klassikern «Mad Butcher», «Bestial
Invasion» oder «Curse The Gods»
verhalfen dem Trio nachhaltig schnell in
aller Munde zu sein. Das musikalische
Rückgrat, bestehend aus Schmier und Mike
(g), wurde 2019 vom Trio zum Quartett
erweitert. Gitarrist Damir Eskic verhalf
der Truppe mit seiner Malmsteen-artigen
Spielweise zu einem noch virtuoseren
Sound. Zusammen mit Neutrommler Randy
Black (ehemals Annihilator, W.A.S.P. und
Primal Fear) wurde letztes Jahr die
Studioscheibe «Born To Perish»
veröffentlicht, welche den
eingeschlagenen Weg von «Under Attack»
erfolgreich weiter voran trieb. Mit einem
kleinen Blick in den eigenen
musikalischen Rückspiegel, den
Fokus aber immer auf das Hier und jetzt
gerichtet, überzeugte die Truppe mit den
beiden letzten Studioveröffentlichungen.
Überraschend erblickte nun das
Live-Album «Born To Thrash – Live In
Germany» das Licht der Welt. Wie es zu
dieser Live-Scheibe kam und wie Schmier
mit seiner zusätzlichen Rolle als
Bandmanager von Burning Witches umgeht,
könnt Ihr im folgenden Interview nachlesen.
MF: Schmier, du steckst gerade in
einem Interview-Marathon! Macht es noch
immer Spass oder ist es inzwischen zu einer
Pflichtübung geworden?
Schmier: Da ist ein Teil des
Jobs. Wer den Fans keine Unterschriften
und nicht gerne Interviews gibt, der hat
in diesem Business nichts verloren und
sollte kein Musiker sein. Wie in jedem
Beruf gibt es Dinge, die man lieber
macht und anderes weniger gern. Klar
gibt es auch Gespräche die ermüdend sind,
vor allem wenn immer die gleichen Fragen gestellt
werden. Momentan sind wir in einer
interessanten Zeit, in der es viele
spannende Themen zum Besprechen gibt. Da
ich mit Leuten aus der ganzen Welt
spreche, bekomme ich vieles mit.
MF: Gibt es eine Frage,
die du schon immer beantworten wolltest,
welche dir aber noch nie gestellt wurde?
Schmier (überlegt): Das ist
eine gute Frage (grinst). Etwas, das
mich am meisten nervt ist, wenn mich die
Leute Marcel nennen. Irgendwann stand
dieser Vorname auf Wikipedia. Ich hasse
es, wenn sie dann sagen: "Aber du heisst
doch Marcel". Bei Destruction bin ich
Schmier, und dieser Spitzname kommt nicht
von ungefähr. Schon zu meiner Jugendzeit
hatte ich den weg, der irgendwann mein
Markenzeichen wurde, weil mich alle so
nannten. Wird man älter, denken alle,
dass sie mich nun mit meinem Vornamen
ansprechen müssen, da sie ihn auf
Wikipedia gelesen haben. Erstens hat
dies nichts mit der Musik zu tun,
zweitens habe ich den so nie
veröffentlicht und drittens, wenn immer
alle alles nachplappern, was auf
Wikipedia steht… Ich weiss, das war
nicht deine Frage, aber das ist eine,
die ich mir selber stellen würde. "Warum
glauben die Leute alles, was auf
Wikipedia steht?" Oder wieso ist das
Internet das Mass aller Antworten? Die
Leute googlen jeden Scheiss, therapieren
sich selber im Internet und sind
überzeugt, dass dort die einzige
Wahrheit zu lesen und zu finden ist
(lacht).
MF: Ist für dich
das Internet Fluch und Segen zugleich?
Schmier: Grundsätzlich bietet
das Internet mehr Vor-, denn Nachteile.
Aber, es gibt Momente in denen man sagt:
"Sorry, jetzt reicht's!" Man muss immer
erreichbar sein, und wenn wir ein Konzert
absagen müssen, dann prasselt zuerst
gleich mal ein Riesen-Shitstorm auf uns
nieder. Egal, ob die Band Schuld daran ist
oder nicht. Dann musst du gegen alles
und alle ankämpfen. Informationen
verbreiten sich schneller im Internet,
und die Leute hinterfragen kaum mehr
was. Die Fakten haben keine Bedeutung
mehr, und es gibt sehr schnell
vordefinierte Urteile. Auf der anderen
Seite ist das Internet toll, da ich alle
Fans auf der ganzen Welt schnell
erreiche. Auch mit Streamings kann ich
von heute auf morgen alle gleichzeitig
erreichen. Ob der Fan in Japan,
Guatemala oder am Ende der Welt sitzt,
sie konnten alle das neue Live-Album zum
gleichen Zeitpunkt anhören. Früher musste
man das Vinyl oder die CD verschicken.
In Ecuador war Geld kaum vorhanden,
Tonträger zu kaufen. Das Album kostete
20 Euro, dazu kam der Versand und bald
war ein ganzer Monatslohn für die
Menschen da unten weg. Streaming hat den
Vorteil, dass es die Fans mit der Musik
versorgt und man die Bands dadurch supportet.
Klar kommt nicht so viel Geld zusammen.
Die grösste Scheisse für eine Truppe ist
aber YouTube. Da bekommst du als
Künstler keinen Euro und andere
verdienen an dir. Eigentlich gehört
YouTube verboten. Wobei auch ich diese
Plattform immer wieder benütze, um mich
zu informieren. Trotzdem ist YouTube die
grösste Gaunerstelle im Netz.
MF: Wie kam es zur neuen
Live-Scheibe? Geplant oder spontan?
Schmier: Das war NULL geplant
(grinst). Wir bekamen diese
Live-Aufnahme des PartySan-Festivals und
wussten, die klingt richtig geil! In der
Corona-Zeit, in welcher alles wegbrach,
erinnerten wir uns an die Show und
stellten fest, dass der Gig wirklich
absolut geil war. Da die Grenzen
geschlossen waren, konnten wir nicht in
das Schweizer Studio. So sprachen wir
uns mit der Plattenfirma ab und
entschieden zusammen, dass wir zuerst
das Streaming veröffentlichen und danach
das Album. Das war alles sehr, sehr,
sehr spontan (grinst). Wäre Corona nicht
gewesen, hätten wir das ganze Jahr
getourt und das Live-Album garantiert
nicht veröffentlicht. So dachten wir,
dass es eine gute Möglichkeit ist, die
Fans zu unterhalten und unser neues
Line-up zu präsentieren, wenn wir schon
nicht auf Konzertreise gehen können. Da
im Moment viele Fans zu Hause sitzen und
zum Nichtstun verdonnert wurden, ist
dieses Album sicher eine gute Ablenkung
zum momentanen Alltag. Auch als Musiker
ist die aktuelle Situation sehr
frustrierend. Aus diesem Grund gibt es
viele dieser Live-Streams. Ich bin kein
grosser Fan davon, weil ich der Meinung
bin, dass die Meisten einfach scheisse
klingen. Für einen guten Live-Stream,
brauchst du eine gute Technik. Vieles
wird billig gemacht und sieht dann auch
nicht geil aus. Ausserdem kann dies ein
Konzert nicht ersetzen.
MF: Hast du noch
Lampenfieber, wenn du auf die Bühne
gehst?
Schmier: Ein bisschen
Lampenfieber gehört dazu! Das ist der
notwendige Respekt vor der Arbeit und
dem Publikum. Es ist auch mit einem
Adrenalinschub verbunden, was wichtig
ist. Hätte ich kein Lampenfieber, wäre
ich wohl zu abgestumpft und dann macht
das Musik machen auch keinen Spass mehr.
Der Nervenkitzel gehört dazu.
Wahrscheinlich ist der Bungee Jumper
nach dem 200. Sprung auch nicht mehr so
nervös, wie beim ersten (grinst). Aber
ich bin mir sicher, das Lampenfieber ist
auch beim 201. Sprung noch immer da
(grinst).
MF: Auf dem neuen
Live-Album sind viele Klassiker zu hören
und nur zwei Tracks der letzten sieben
Scheiben. Wie schwer ist es, diese
kultigen alten Lieder durch neues
Material zu ersetzen?
Schmier: Am Ende des Tages
schaut man, welche Songs beim Publikum
am besten ankommen. «Born To Thrash» war
eines der ersten Konzerte mit der neuen
Platte. Auf einem Riesen-Festival finde
ich es schon sehr gewagt zwei neue
Nummern zu spielen, wenn alle nur deine
Hits hören wollen. Zudem kannte zu dem
Zeitpunkt die Leute das neue Material
noch nicht. Spielen wir eine
Headliner-Show, packen wir vier bis fünf
neue Tracks in das Set. Dazu kommt
einiges aus den 2000er Jahren, die sich
mittlerweile zu Klassikern entwickelten.
Wichtig ist, dass die Nummern Klassiker
sind und da ist es mir schlussendlich
scheissegal, ob der Song ein alter oder
neuer ist. Sehe ich mir Accept an und
sie spielen die neuen Tracks, aber «Fast
As A Shark» oder «Restless And Wild»
nicht, dann gehe ich nach Hause und
finde das Konzert scheisse (lacht)! So
gehts doch den meisten Fans, dass sie
ihre Klassiker hören wollen. Natürlich
versuchst du als Band, auch
Überraschungen oder Lieder, die man
schon lange nicht mehr gespielt hat,
einzubauen. Bei einem Festival-Auftritt
musst du ein knallhartes «Best
Of»-Programm abliefern. Auf der letzten
Tour spielten wir seit 20 Jahren nicht
«Total Desaster», sondern «Thrash
Attack». Jeden Abend gab es Beschwerden
der Fans. Hast du ein Konzert mit 1'000
Besuchern, finden es trotzdem 990 geil,
dass sie immer die gleichen Songs hören
(grinst). Der Fluch der Klassiker ist da
(grinst). Ob dies nun bei AC/DC oder
vielen anderen der Fall ist, die schon
seit Jahrzehnten im Business tätig sind.
«Born To Thrash» ist eine
Festival-Aufnahme. Hätten wir die Tour
spielen können, würde man vielleicht
noch ein paar Songs mehr hören. So sind
fünfzig Minuten zu hören, die voll in die
Fresse gehen, ohne Pausen. Ein Hit jagt
den andern, was will man mehr? Ein
Kritiker hat neulich geschrieben: "Wieso
soll ein Thrash Metal Konzert länger
als eine Stunde dauern?" Da bin ich
gleicher Meinung, auch wenn ich weiss,
dass einige das anders sehen.
MF: Wie stark verspürst du einen
Legendenstatus in der Thrash-Szene?
Schmier: Viele Bands lösten
sich auf und Musiker haben die Gitarre
an den berühmten Nagel gehängt. Nicht
immer der Beste ist auch der
Erfolgreichste. In den letzten zwanzig Jahren
(seit der Reunion von Schmier und Mike)
waren Destruction sehr konstant. Das ist
eine lange Zeit. Die ersten Scheiben
(aus den achtziger Jahren) werden bei
uns immer legendär sein. Dass diese
Klassiker noch immer gekauft werden, ist
unglaublich (grinst zufrieden). Ich sehe
mich nicht mit einem Legendstatus. Das
ist viel zu hochgehypt und macht mich
weder zu einem besseren noch zu einem
reicheren Menschen. Man sollte Spass an
dem haben was du machst und wer du bist.
Ob man dabei eine Legende ist oder
nicht, das entscheiden andere. Ich bin
kein grosser Fan davon, dass man
angehimmelt wird.
MF: Was hat sich für dich
mit Randy und Damir verändert?
Schmier: An allen Orten wurde
es enger (lacht), die fressen und saufen
uns alles weg (lacht). Wir haben uns
sehr gefreut, dass wieder eine zweite
Gitarre am Start ist, und Randy ist einer
meiner Lieblingsschlagzeuger. Dass er zu
Destruction kam, ist für uns ein tolles
Privileg! Ich denke, wir waren schon
immer eine gute Live-Band, aber jetzt
sind wir eine richtig geile Live-Combo
geworden. Die Stimmung in der Band wurde
sehr gut. Damir ist immer gut drauf und
hat immer gute Laune. So einen Typen
brauchst du in einer Band, da es immer
wieder Probleme gibt und man an
schwierigen Tagen froh ist, einen Mann
in der Truppe zu haben, der deswegen
nicht gleich den Kopf in den Sand steckt,
sondern dazu beiträgt, dass das Klima
gut bleibt oder besser wird. Die neue
Band-Chemie spürt man. Das überträgt
sich auch auf die Bühne und man spielt
einfach noch einen Zacken besser.
MF: Ein ganz wichtiger
Punkt bei euch ist Randy, der mit
seiner erdigeren und organischeren Art
viel Positives zum Sound beiträgt und
nicht mehr alles, wie bei seinem Vorgänger,
so kühl und mechanisch klingt.
Schmier: Ein Trommler ist ein
wichtiges Rückgrat einer Band. Randy
kommt mehr aus dem Rock, während Vaaver
seine Roots im Death Metal hatte. Darum
groovt und swingt Randy mehr, so wie du
das auch herausfühlst. Er spielt weniger
Fills. Technisch gesehen ist Vaaver der
noch bessere Schlagzeuger, da er
unglaublich jazzige Dinge spielte, da
er Musik studierte. Randy groovt aber
besser und spielt songdienlicher, trotz
seiner technischen Klasse. Wieso sonst
haben wir Mister Black in die Band
genommen? Weil er einer der geilsten
Schlagzeuger ist! Er verleiht den Liedern
einen anderen Drive. Beim letzten
Studioalbum hört man, zu was er fähig
ist und mit welcher Power er die Stücke
spielt. Speziell beim Thrash Metal ist
der Trommler wichtiger, als bei allen
anderen Bereichen des Metals.
MF: Gab es Zeiten, in
denen du das Augenmerk mehr auf
Geschwindigkeit wie Härte gelegt hast
und weniger auf den Song? Ich habe das
Gefühl, seit «Under Attack» ist es
songdienlicher geworden und klingt mehr
wie zu Beginn eurer Karriere.
Schmier: Man will sich als Band
stetig weiter entwickeln, und dabei
probiert man immer wieder Neues aus.
Sich neu zu erfinden ist so eine Sache,
da man sich nicht selber wiederholen
will. Natürlich hatten wir diese Phasen
auch und stopften zu viel in einen Song
rein. Verrückte Riffs waren das Thema.
Irgendwann fällt dir auf, dass die
Nummern darunter leiden. Versuchst du
die Lieder live zu spielen, merkst du
plötzlich, dass es nicht flutscht. Es ist
eckiger und kantiger. Im Studio hat es
Spass gemacht die Tracks einzuspielen
und zu komponieren, aber am Ende ist die
Live-Situation der Gradmesser. Das musst
du als Musiker zuerst lernen und deine
Erfahrungen sammeln. Aus diesem Grund
versuchte ich die Lieder wieder mehr für
eine Live-Situation zu schreiben.
Eingängiger und trotzdem anspruchsvoll
genug. Dieser schmale Grat zwischen
stumpf, aber trotzdem eingängig… Die
Riffs "catchy" und interessant zu
gestalten und somit den Anspruch an sich
selber zu erfüllen... So sind wir bei
den letzten beiden Studio-Scheiben auf
einem guten Weg gewesen und haben uns
songdienlicher orientiert. Das ist der
Lernprozess einer Band, bei dem man
immer wieder in gewissen Phasen mehr den
Punk… Wie bei jedem Beruf lernt man
durch seine Fehler oder profitiert von
seinen Stärken und versucht dies auf der
nächsten Platte wieder umzusetzen. Aus
diesem Grund, denke ich, ist «Under
Attack» wieder eine sehr starke Scheibe
geworden. Weil wir aus den vergangenen
Fehlern lernten und den eingeschlagenen
Weg mit «Born To Perish» weiter führten.
MF: Du bist bekannt als
Mentor und Manager von Burning Witches.
Wie kam es dazu?
Schmier: Romana (Gitarristin
von Burning Witches) war immer wieder
auf Destruction-Konzerten anzutreffen.
So sind wir in Kontakt geblieben und es
wurde Freundschaft daraus. Sie hat mir
erzählt, dass ihr grösster Traum eine
reine Frauenband sei. Ich versprach ihr,
wenn sie die richtigen Mädels finden
sollte, würde ich sie unterstützen.
Irgendwann kam eine SMS, dass sie eine
Sängerin gefunden habe und ihre beste
Freundin am Bass mitspielt. So war ich
mit im Boot. Es kam zum ersten Demo, und
ich wurde zum Band-Daddy auserkoren
(grinst). Seit diesem Zeitpunkt arbeiten
wir sehr eng zusammen. Ich kann den
Mädels viel weitergeben und ihnen
einiges an beschissenen Verträgen und
falschen Kontakten ersparen. Im
Musikbusiness ist es als Frau echt noch
schwieriger, weil dich die Leute
verarschen wollen. Viele denken, dass
den Mädels alles in den Schoss gelegt
wurde. Aber die haben für diesen Erfolg
echt hart gearbeitet und viel dafür
aufgegeben. Der erste Plattenvertrag
kam erst mit der zweiten Scheibe zustande.
Für mich hat sich vieles wie damals angefühlt,
als wir mit Destruction starteten.
Der Enthusiasmus der Band und die
Begeisterung für die Musik, die oft
durch die Routine des Lebens abhanden kommt,
sind bei den Girls da. Deswegen macht die
Zusammenarbeit sehr viel Spass.
MF: Ich danke dir für
das Interview…
Schmier: …es war mir eine
Freude, wie immer mit dir…
MF: …besten Dank und weiterhin alles
Gute, beste Gesundheit und auf dass wir
uns bald wieder sehen.
Schmier: Danke! Ja, das ist das
Wichtigste, bleib gesund Martin.
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