„Moral & Wahnsinn“ heisst das neuste Album der
Apokalyptischen Reiter. Auf diesem zelebrieren sie, dass
was sie bereits seit vielen Jahren tun: Einen
eigenständigen Mix aus verschiedenen Musikrichtungen,
garniert mit intelligenten deutschen Texten. Obwohl ihre
Shows sehr unterhaltsam sind, fürchten die Reiter den
Klamauk wie der Teufel das Weihwasser. Denn die Reiter
sind eine Band, die sich nicht hinter hohlen Phrasen
versteckt, sondern echte Botschaften verkündet. Wie
ernst es den Deutschen damit ist, erzählte mir Bassist
Volk-Mann.
MF: Ihr hattet heute Probleme mit dem Tourbus. Was ist
passiert?
VM: Na, der Tourbus machte keine Probleme, aber der LKW
hatte einen Plattfuss. Es hat sechs Stunden gedauert bis
wir Ersatzreifen auftreiben konnten. Es ist ja heute
Sonntag. Und die Autovermietung hat uns löblicherweise
noch zwei kaputte Ersatzreifen und einen kaputten
Wagenheber mitgegeben. Zum Glück ist dann aus Freiburg
eine Firma gekommen. Die hatte im LKW einen mobilen
LKW-Refenwechsel-Service. Also so eine richtig grosse
Maschine. Schliesslich sind wir mit vier Stunden
Verspätung hier angekommen. Es war heute also relativ
stressig und knapp, aber jetzt steht alles, der
Soundcheck ist durch und das Konzert kann beginnen.
MF: Reist ihr alle mit demselben Tourbus?
VM: Ja, Akrea, Turisas und die Reiter sind plus Crew
alle hier im Bus. Also 24 Personen. Das ist schon eine
grosse Familie.
MF: Das heisst, ihr macht nicht einen auf Rockstar im
Stile von „Wir können uns einen eigenen Tourbus
leisten“?
VM: Das ist immer so eine grundsätzliche Frage. Denn ein
einziger Bus ist bereits teuer genug. Man könnte sich
sicher noch einen zweiten dazu nehmen. Aber letztendlich
schlägt sich das alles auch auf die Ticketpreise. Wir
fühlen uns so aber wohl. Weil es ist über diese drei bis
vier Wochen sicher nicht so einfach mit all diesen
Leuten unterwegs zu sein. Aber dadurch dass die Rute
relativ gut ist und wir meistens nicht so lange fahren,
geht es. Meistens ist der Tourbus tatsächlich nur ein
fahrendes Hotel, und wenn du aufwachst bist du meistens
schon beim nächsten Club. (Original eigentlich: meistens
ist der Tourbus tatsächlich nur ein schlafendes Hotel,
und wenn du ankommst bist du meistens schon beim
nächsten Club). Und die Clubs sind meistens auch relativ
gross mit grossen Backstage-Räumen. Sprich man hockt
dann nicht wie in einer Ölsardine hier drin. Und deshalb
empfinde ich diese 24 Personen auch gar nicht als so
dramatisch. Zumal wir die Bands auch alle kennen.
MF: Mit Turisas seid ihr ja bereits 2005 auf Tour
gewesen.
VM: Ja. Und das war auch Zufall, dass die am selben Tag
wie wir ihr neues Album raus gebracht haben. Insofern
ist es für die Labels natürlich immer interessant, wenn
solche Supportanfragen da sind, und man Bands auf Tour
schicken kann, die gerade ein neues Album draussen
haben. Ja, und Turisas passte damals bereits musikalisch
zu uns, und tut es auch heute noch. Und man merkt es
auch anhand der Fanreaktionen, dass das ein sehr rundes
Package ist. Akrea spielen Melodic Death Metal und
Turisas sind irgendwas im Pagan-Bereich. Auf jeden Fall
trifft sich das gut und an jedem Abend sind die Clubs
voll. Das zeigt, dass das ein gutes Konzept gewesen ist,
die Bands so auszuwählen, auf jeden Fall.
MF: Ihr habt also selber „Ja“-sagen dürfen?
VM: Ja. Wir sind als Headliner auch die Band, die
letztlich entscheidet, wer da mitgeht. Weil es soll ja
auch ein schlüssiger Abend werden und wir hatten in der
Vergangenheit vielleicht nicht immer ein ganz so
glückliches Händchen beim Auswählen von Supports. Der
war vielleicht auch mal zu bunt und zu chaotisch. Aber
ich glaube, so klappt es. Und man hat ja in der Regel
nicht nur eine Lieblingsband, sondern verschiedene.
Turisas haben im Vergleich zu andern Bands wie Finntroll
oder Ensiferum den Vorteil, dass sie in den letzten
Jahren sehr, sehr wenig hier gespielt haben, und so noch
eine gewisse Attraktivität haben. Dazu kommt, dass wir
sie auch musikalisch sehr gut finden. Gerade das neue
Album hat für mich einen grossen qualitativen Schritt
nach vorne gemacht. Es ist sehr episch und gut
arrangiert. Da hat man auch Spass, wenn man natürlich
das Tourpackage jeden Abend hört. Das ist besser, als
wenn man eine Band hat, wo man denkt: „Oh Gott, was ist
denn das für ein Sound!“. Also man kann sich zu Turisas
super warm machen und so ein Bisschen fürs Konzert in
Stimmung kommen.
MF: Ihr habt ja sowieso den Vorteil, dass ihr
musikalisch zu vielen Bands passt…
VM: Ja, die Reiter sind sicherlich ein Unikum. Es haben
ja schon viele versucht, die Reiter in irgendeine
stilistische Richtung rein zupressen, und sind daran
grandios gescheitert. Die Reiter sind halt so wie sie
sind. Und es gibt jetzt auch keine andere Band, die das
geben kann, was die Reiter einem geben. Also diesen
grossen musikalischen Umschlag von sehr heftigen Parts
bis sehr epischen verträumten Geschichten. Da ist
eigentlich alles dabei. Und insofern ist es auch immer
wieder schön zu sehen, wenn so viele Leute zu den Shows
kommen und wenn das Feedback fürs neue Album gut ist.
Wir haben eigentlich schon immer die Erfahrung gemacht,
dass die Fans eigentlich viel toleranter sind, als es in
manchen Foren oder manchen Zeitschriften so beschrieben
wird. Weil der Mensch lebt auch selten nur strikt nach
einer Devise. Bei den Reitern kriegst du eine Bandbreite
an musikalischer Vielfalt geboten, bei der du sonst
drei, vier verschiedene Bands brauchst. Und das macht
sicherlich auch den Reiz der Band aus.
MF: Zwischen dem neuen und dem letzten Album habt ihr
den Posten an der Gitarre neu besetzt. Das ging ja sehr
unspektakulär von statten, in dem ihr den neuen Mann
einfach auf der Homepage angekündigt habt. Was ist da
passiert?
VM: Die Geschichte fängt eigentlich bereits da an, als
uns Petrone nach dem Riders On The Storm-Album verlassen
hat. Dann hatten wir die Lady-Catman in der Band. Was
allerdings nicht so funktioniert hat, wie wir uns das
vorgestellt haben. Und der Ady war dann die perfekte
Besetzung für den Posten und ist jetzt bereits seit über
zwei Jahren dabei. Das harmoniert wunderbar, und das
sowohl im Proberaum wie auch auf der Bühne, und auch
zwischenmenschlich. Wenn man so lange zusammen unterwegs
ist, ist das schon entscheidend. Und ich denke, dass die
Reiter noch nie so ein starkes Line-Up hatten wie
zurzeit. Das wirkt sich sicherlich auch positiv auf die
Show aus. Wir hatten damals auch keine Lust auf die
üblichen Schlammschlachten. Wir hatten das da im Kleinen
geklärt. Und das sollte dann auch nicht so
Yellow-Press-mässig abgehen.
MF: Das heisst, ihr habt euch da auch gütlich geeinigt?
Es war also eine natürlich Entwicklung?
VM: Es gibt keinen Stress oder so. Man hat sicherlich
gemerkt, dass es eine gewisse Disharmonie im Bandgefüge
gibt. Und dann kann man nur ein offenes Wort finden. Es
muss in einer Band einfach immer rund laufen, weil es
ansonsten viele Reibungspunkte gibt, und immer viele
Emotionen im Spiel sind. Man hat dann auch einen
Anspruch an die Show: Man will einen guten Sound haben
und das Best mögliche Erreichen. Man will sich gut
präsentieren und da müssen auch alle in eine Richtung
marschieren. Es kommt bereits von aussen sehr viel auf
eine Band zu, wogegen man als Band als eine Einheit
darstellen muss. Und es wir dann schwierig, wen es nach
innen auch nicht harmonisch ist. Aber wie gesagt, gab es
keine bösen Worte oder so was.
MF: Ihr verzichtet ja als Band auch auf sehr viele
Dinge. Sonntag abends bei der Familie und so weiter…
VM: Ja, na gut. Das ist das Leben, dass wir uns auch so
ausgesucht haben. Das ist so ein Bisschen verdrehte
Welt. Wir haben ja eigentlich einen Full-Time-Job. Das
Konzertspielen und auf Tour-sein, das macht nur so ein
kleines Fenster aus dem Leben einer Band aus. Weil es
unheimlich viel zu klären und zu besprechen gibt. Vor
allem weil wir die Band eigentlich komplett selbst
betreuen. Uns obliegt in der Regel alles, was zu den
Bereichen wie Show-Entwicklung oder Bau von
Bühnenelementen, Merchandising, Design-Auswahl,
Homepage- und Fan-Betreuung gehört.
MF: Ihr habt das also alles innerhalb der fünf Musiker
aufgeteilt?
VM: Genau. Wir haben so eine gewisse Aufgabenteilung
innerhalb der Band, wo jeder seine Stärken einbringen
kann. Wir proben zwei bis dreimal in der Woche und haben
davor eigentlich auch immer so Business-Stunden oder
manchmal auch Business-Tage, weil viele Dinge im Vorfeld
zu klären sind, damit man dann nicht auf die Nase fällt.
Es ist schon ein grosser Aufwand, den wir jetzt
betrieben haben. Wir haben jetzt einen grossen Nightliner gemietet, einen riesen grossen LKW, der bis
unters Dach mit Technik vollgeladen ist. Wir haben für
die Tour Techniker engagiert. Und unter dem Strich musst
du davon auch deinen Lebensunterhalt bestreiten können.
Sprich man muss dann im Vorfeld auch Rechnen, ob sich
das dann auch auszahlen kann. Weil die Entscheidung
tatsächlich zu sagen, dass man Musik jetzt nicht mehr
nur so ein Bisschen nebenbei Hobby-Mässig machen will,
sondern Fulltime-Musiker sein möchte, ist schon ein
einschneidender Schritt. Nicht nur für einen selbst,
sondern auch für den Partner, der Zuhause ist. Das
betrifft auch die Kinder, die dann eine Zeitlang ohne
ihren Vater auskommen müssen. Aber auf der anderen Seite
gibt es auch viele Sachen, die dann auch positiv sind.
Wir gehen halt einfach meistens von Freitag bis Sonntag
arbeiten und die anderen gehen von Montag bis Freitag
arbeiten. Wir spielen ja auch sehr viele Einzelshows an
Wochenenden. Aber ich sehe das eigentlich ganz und gar
nicht negativ sondern eher als Privileg, so zu leben und
auch den Support jeden Abend von den Fans erfahren zu
können. Und dieser Zuspruch ist etwas, was man auch
nicht vergessen darf. Deswegen ist es an jedem Abend
auch das Ziel, die Leute wieder aufs Neue zu begeistern.
Und wenn es die Zeit erlaubt und wir nicht zeitig mit
dem Bus wegfahren müssen, dann geben wir auch mal
Autogramme und Small-Talken mit den Fans. Die schätzen
es, dass wir nicht so abgehoben sind. Das wären
ansonsten auch nicht wir.
MF: Das ist also wie ein Kleinunternehmen, das seine
Beziehungen zu den Kunden, den Fans, pflegt?
VM: Ich mag in diesem Zusammenhang nicht in dieser
Business-Sprache darüber zu sprechen. Weil es bei Musik
vor allem um Emotionen und Gefühle geht und um viel
Energieaustausch. Ich denke, was wir von der Bühne ins
Publikum geben, das kriegen wir vom denen genauso
zurück. Und deswegen ist es auch möglich eineinhalb bis
zwei Stunden Shows zu spielen, in denen du dich physisch
völlig herausgabst, aber wo einem die Leute auch pushen.
Aber andersherum gilt das auch. Wenn die sich eineinhalb
Stunden lang die Köpfe einschlagen und danach alle
komplett geschlaucht aber glücklich da sitzen. Das ist
ja irgendwie auch wichtig an einer Live-Show. Man geht
weg von zu Hause, weil man etwas erleben möchte. Man
will ja auch nicht den Alltag auf dem Konzert erleben.
Deswegen ist unser Anspruch als Band tatsächlich auch
etwas Unterhaltsames zu machen ohne, dass das jetzt
klamaukisch ist oder humoristisch. Wir finden, dass Live
spielen mehr ist, als nur die Songs von der Platte
runter zu spielen. Man muss das auch mit Show
verknüpfen. Und da haben wir auf dieser Tour jetzt auch
sehr viel im Vergleich zu letzte Tour ausgetauscht. Also
sprich, viele Sachen die jetzt so Standard im Set
gewesen sind, sind jetzt teilweise auch rausgeflogen.
Wir spielen zum Beispiel das gesamte neue Album live,
was auch ungewöhnlich ist. Aber das Feedback ist
grossartig und ich bin gespannt wie heute die Schweizer
mitsingen. Also bisher haben wir die Erfahrung gemacht,
dass die Fans extrem Textsicher gewesen sind. Und gerade
die neuen Songs, die jetzt gerade Mal eineinhalb Monate
auf dem Markt sind, beherrschen die schon sehr gut. Es
ist auf jeden Fall eine tolle Zeit auf Tour zu sein.
MF: Euer neues Album ist ein gutes Stichwort. Beim
Titelsong singt ja Fuchs: „Moral ist eine Hure, und
wechselt gern das Kleid.“ Wie schon bei früheren Liedern
spricht auch aus diesen Zeilen eine gehörige Portion
Lebenserfahrung.
VM: Das ganze Thema Moral oder Doppelmoral ist auf dem
neuen Album sehr, sehr präsent. Es war ein relativ
langer Weg ein Albumtitel zu finden. Das ist bei einem
achten Album aber auch nicht so einfach. Aber als er
dann stand, merkte man auch, wie in der Band eine rege
Diskussion entstanden ist, für was Moral in der
Gesellschaft eigentlich steht - Wer gibt eigentlich
moralische Werte vor? Welche moralischen Instanzen sind
da und wer kontrolliert die Leute, die Normen und Werte?
Das ist dann zum Teil auch wirklich sehr philosophisch
geworden. Das ist natürlich klar, weil sich gerade die
Geisteswissenschaftler bereits seit Jahrhunderten mit
moralischen Werten auseinander setzen und versuchen, was
Schlüssiges aufzuschreiben. Es gibt ja keine universale
Moral, die in allen Ecken der Welt Gültigkeit hat. Das
ist ja das erstaunliche. Obwohl man natürlich immer
wieder daran glauben könnte, wenn man einige Leute
sieht, die hier mit dem erhobenen Zeigefinger da stehen.
egal aus welcher Ecke die auch immer kommen. Es ist eine
gefährliche Geschichte, dass man sagt, man könnte ein
Wertesystem, welches hier sicherlich seine Berechtigung
hat, auf einen anderen Teil der Welt übertragen. Weil
das meistens zur Verwerfung führt. Die Apokalyptischen
Reiter sind letztlich eine Band, die einen inhaltlichen
Anspruch hat. Wir wollen die Leute auch zum Nachdenken
anregen. Dazu haben wir jetzt auf Facebook einen
Wettbewerb gestartet, bei dem sich die Leute zum Thema
„Moral & Wahnsinn“ visuell Gedanken machen können.
Die
Fans haben nun Fotomontagen gemacht und uns Bilder
geschickt. Man merkt, dass das Thema ganz nah an den
Leuten ist. Ich meine, schau nur nach Nordafrika oder
nach Japan. Das sind alles Sachen, die irgendwas mit
„Moral & Wahnsinn“ zu tun haben. Das ist einfach eine
sehr, sehr verlogene Gesellschaft in einer sehr
verlogenen Zeit. Was war aber früher sicherlich auch so.
Moral & Wahnsinn ist glaube ich auch ein sehr guter
Aufhänger für das Album. Es ist zwar nicht das Ziel,
aber ich glaube dass wir uns auf jedem neuen Album
sowohl musikalisch wie auch inhaltlich neu erfunden
haben. Obwohl das wohl der falsche Ausdruck ist. Aber
auf jeden Fall sind die Reiter etwas anders als letztes
Jahr, obwohl es noch die Reiter sind. Es ist in gewisser
Weise mehr Ernsthaftigkeit da, obwohl die Unterhaltung
immer noch vorhanden ist. Wir wollen einfach nur nicht
nur in eine satirische oder Klamauk-Ecke abdriften. Das
würde dem Thema auch nicht gut tun. Ich glaube das Thema
muss man schon sensibel anpacken, weil es bei bestimmten
Formulierungen schon Gratwanderungen sind, die man
betreibt. Wo man sicherlich… Natürlich will man auch
anstossen. Und mit einer drastischen Aktion oder einem
drastischen Wort kann man das natürlich auch
provozieren, dass die Leute sagen: „Pah, was hat er da
gerade gesungen? Oder was hat er da gerade gemacht?!“ So
sehe ich eigentlich auch Kunst im gesamten
gesellschaftlichen Kontext. Kunst darf für mich immer
mehr als Politik. Politik ist immer sehr rational obwohl
es in der Wirklichkeit verhaftet ist. Und Kunst darf
ausbrechen und muss eigentlich immer Impulse geben, um
Dinge weiterzudenken, als es vielleicht auch möglich
ist. Aber letztlich wäre eine Welt ohne Vision auch eine
verlorene Welt.
MF: Klamauk und Moral ist auch so ein Thema, dass
Beispielsweise Knorkator sehr gut verarbeiten. Zuerst
lacht man und dann denkt man darüber nach.
VM: Knorkator ist für mich so eine Paradebeispiel, wo
die Band natürlich nach aussen dieses chaotische
teilweise auch vollkommen humoristische Bild abgibt.
Aber wenn man das mal beiseite tut und sich tatsächlich
auch mal ein paar Texte anschaut, dann merkt man, dass
da verdammt viel Leben drinsteckt. Sehr viel Wahrheit
eigentlich. Sie verarbeiten es halt einfach nur anders.
Das ist auch okay. Das ist aber genau dass, was wir auf
dem neuen Album vermeiden wollten. Weil Knorkator immer
wieder Steilvorlagen geben um zu sagen: „Das ist ja
alles nicht ernst gemeint.“ Oder „Das ist ja irgendwie
humoristisch.“ Was sicherlich auch okay ist. Aber
genauso in diese Ecke sind die Reiter immer wieder
gepackt worden, was uns nicht immer unbedingt gefallen
hat. Ich denke, wir haben in unserer Karriere vielleicht
nur eine Handvoll Songs gemacht, die auch mit einem
Augenzwingern zu verstehen, eher nicht so ernst gemeint
waren, rein von der textlichen Botschaft. Wir möchten
aber auch nicht die ganze Zeit darauf reduziert werden.
Deswegen muss man das auch nicht weiter fördern, in dem
man das immer wieder tut.
MF: Ihr geht insofern noch einen Schritt weiter, in dem
ihr auf der Homepage eine Ecke habt, wo ihr Links zur
Vertiefung der Themen habt. Das ist etwas, was andere
Bands nicht machen, was ich bei euch auch sehr speziell
und spannend finde.
VM: Ja, das ist tatsächlich so, dass es über die Band
hinaus auch immer Themen gibt, wo wir denken, da müsste
man mal irgendetwas dazu sagen. Wenn man als Band eine
gewisse Aufmerksamkeit hat, viele Leute jeden Tag die
Homepage besuchen, und man so im Kleinen Denkimpulse
geben kann, dann finde ich das auch wichtig. Es prangt
jetzt auch nicht überprominent auf der Homepage, so von
wegen „ich bin prominent! Charity! Ich spende für
Thailand, Japan und irgendwas!“ Es ist stattdessen eher
dezent, aber der, der sich dafür interessiert, der kann
dann immer mal… Es ist ja ein Wechselspiel. Das heisst,
dass die Leute dann auch Kommentare schreiben, wo man
dann sagt: „Okay, da hat er ja auch noch einen Link
gepostet, den ich vorher vielleicht noch nicht gesehen
habe. Insofern möchte ich das auch nicht nur bei der
Musik belassen und sicherlich noch ein paar Schritte
weiter gehen.
MF: Zur Musik habe ich gelesen, dass es von der
Licht-Session noch den Titel „Ich bin der Teufel“ gab.
Da war der Kommentar zu lesen, dass es der vielleicht
aufs neue Album schaffen wird. Ist der jetzt auf dem
neuen Album in irgendeiner Form verarbeitet?
VM: Der Text ist mittlerweile glaube ich weggeflogen.
Die Musik gibt es wahrscheinlich noch. Der Song ist
nicht gerade halbfertig, aber er schwebt schon im Raum.
Es gab dieses Mal vor dem Aufnahmeprozess ein gewisses
Auslesen von Songs, die einfach nicht zu „Moral &
Wahnsinn“ gepasst haben. Und das ist so ein relativ
leichter flockiger tanzbarer Song, der genau das wieder
torpediert, was wir mit „Moral & Wahnsinn“ zu vermeiden
versuchten. Das Album ist in der Ernsthaftigkeit und den
Songs wie sie angeordnet sind, einfach sehr schlüssig.
Es sollte passieren, dass man gepackt ist und einfach
auch dem zuhört, was da passiert. Und gerade der besagte
Song, der nicht auf dem Album ist, der wäre mir dafür
auch eine Spur zu leicht gewesen. Wir haben dann so beim
letzten viertel Jahr, wo die Songs dann richtig fertig
geworden sind, an dem auch nicht weiter gearbeitet.
Jeder hat gespürt, dass der sicherlich mal ein toller
Song wird, weil er einen tollen Refrain und eine coole
Melodie hat, aber er hätte für das neue Album nicht
richtig gepasst.
MF: Der wartet also noch darauf, dass die Zeit für ihn
Reif ist?
VM: Der wird bestimmt nochmals angefasst. Wir hatten ja
noch einen Song, der mit aufs Album kommen sollte, und
der auch komplett im Studio aufgenommen worden ist, der
dann aber irgendwie von allen das Handzeichen bekommen
hat. Und ja, das Album ist deswegen auf keinen Fall
schwächer. Im Gegenteil. Ich finde, wenn man sich nicht
sicher ist, ob es der Song ist oder nicht, dann sollte
man ihn im Zweifel lieber weglassen, weil das Album dann
für alle Ewigkeiten so bleiben wird. Also sollte man in
diesem Fall lieber nochmals an den Song rangehen und ein
paar Sachen ausmerzen, weil er einfach sicherlich
ebenfalls ein sehr interessantes Stück ist, aber
vielleicht einfach noch nicht genau so ist, wie er
letztlich sein sollte.
MF: Ihr wartet also darauf, dass er die nötige Reife
erlangt hat.
MV: Genau. Also wie ein gutes Stück Käse, das jetzt ins
Lager gekommen ist.
MF: Ihr habt das Album „Adrenalin Live“ als Beilage vom
Metal Hammer getan. War das eine Promo-Sache?
VM: Ja, das war sowas. Zeitschriften haben ja auch das
Problem, dass immer weniger Leute diese kaufen. Und das
ist so ein Synergie-Effekt. Mit so einer Aktion
erreichst du als Band natürlich eine unheimliche Menge
Menschen, die vielleicht sonst nie ein Reiter-Album auch
nur angucken würden. Und insofern, war das eine
klassische Win-Win-Situation für uns alle. Das Heft hat
sich extrem gut verkauft und wir hatten auf alle Fälle
ein extrem grosses Promo-Tool. Wir hatten auch die
Aufnahmen ordentlich abgemischt und noch ein Booklet
dazu gemacht. So dass es auch einen gewissen wertigen
Charakter hat. So dass man sich das tatsächlich auch in
die Sammlung stellen kann. Und ich finde, dass das eine
sehr schöne Sache gewesen ist.
MF: Ich finde die Aufnahmen sehr gut. Besonders die
Stimmung kommt toll.
VM: Wir hatten da Publikumsmikrofone mit am Start. Weil
ich denke, das macht ja eigentlich Live auch aus, dass
man was von der Atmosphäre mitkriegt. Weil wenn man nur
die Band hört, dass ist es irgendwie auch nicht live.
Das funktioniert nicht.
MF: Ihr schreibt das Moskau für euch unvergesslich war.
In wie fern?
VM: Moskau war damals die erste Show in Russland. Man
hat in Russland immer einen sehr intensiven Eindruck der
Fans, weil die Russen nicht so verwöhnt sind wie die
Mitteleuropäer, wo jede Woche drei Bands um die Ecke
spielen. Also wenn da jemand hingeht und die Strapazen
mit dem Transport, dem Visum und den Behörden geschafft
hat und dann auch da ist. Ich glaube die wissen das auch
zu schätzen. Da war die Stimmung einfach toll, und ein
sehr interessantes Erlebnis vor und hinter der Bühne.
MF: Wie sieht es dieses Jahr aus mit Festivals. Da ist
ja noch nicht sehr vieles bestätigt.
VM: Wir spielen in diesem Sommer auf nicht so vielen
Festivals. Wir spielen nur am White Full Force und in
Lichtenfels. Es ist jetzt erstmals Tour. Man muss auch
in dem Jahr, in dem man tourt, nicht unbedingt auf jedem
Festival spielen, weil man natürlich will, dass die
Leute erst mal zur eigenen Show kommen. Am Metalcamp in
Slowenien spielen wir noch, und es liegen noch ein paar
andere Angebote da. Ich glaube, dass erst 2012 Openair
mässig wieder mehr passiert.
MF: Heisst das, dass ihr im nächsten Herbst oder
Frühling nochmals auf Tour geht? Oder kümmert ihr euch
da bereits wieder ums nächste Album?
VM: Nein, nein, nein. Das auf keinen Fall. Ich glaube
2012 ist auch noch touren angesagt. Wahrscheinlich im
Winter oder im Frühjahr. Möglicherweise kommt auch in
der Schweiz noch was dazu. Momentan ist relativ viel
telefonieren und relativ viel Termine checken ob was
geht, ob die Band kann oder nicht.
MF: Wir sind am Ende. Was möchtest du deinen Fans noch
sagen?
VM: Vielen Dank all denjenigen, die die Reiter seit so
vielen Jahr unterstützen. Wir freuen uns immer sehr,
wenn wir in die Schweiz kommen um zu spielen. Ich freue
mich jetzt aufs Konzert heute Abend. Ansonsten, wer
wissen will, was bei den Reitern immer abgeht, der soll
die Facebook-Seite der Reiter besuchen. Das ist facebook/reitermania.
Da posten wir fast täglich irgendwelche News. Das
passiert auch jetzt auf Tour. Das kann man da relativ
nah erfahren. Und wenn es irgendwelche Fragen gibt, kann
man uns auch dort sehr schnell erreichen.
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