Es waren harte Zeiten.
Don Dokken hat den US-Rock in den 80er-Jahren
mit seinen Songs nachhaltig beeinflusst und geprägt.
Dass er aber auch schwierigere Momente in seinem Leben
hatte und diese auch auf die Bühne einen Einfluss
nahmen, verschweigt der Sänger nicht beim Interview.
Eines, das sich mit zunehmender Dauer immer lockerer
entwickelte, so dass mir Don am Schluss sogar
Handy-Videos seines Hundes zeigte. Sein zweiter Auftritt
beim «Bang Your Head!!!» war ein kleiner Siegeszug, bei dem Don
gesanglich wieder eine sehr gute Figur abgab. Mister
Dokken findet auch klare Worte zu seinem Headliner-Gig
beim diesjährigen «Bang Your Head!!!» und driftet beim
Interview immer wieder in andere, sehr interessante
Themen ab. Lest selbst und lasst Euch überraschen.
MF: Zuerst besten Dank für die tolle Show…
Don: …es hat dir gefallen? Grossartig! Wir haben
versucht, die Klassiker mit ein paar Überraschungen zu
vermischen. Songs, welche die Fans seit fast zwnazig Jahren
nicht mehr gehört haben wie «Don't Close Your Eyes»,
oder «Dream Warriors». Allerdings konnten wir
keinen Headlinerset spielen, sondern standen leider nur
eine Stunde auf der Bühne. Darum fehlten «Unchain The
Night», «Just Got Lucky», «It's Not Love» oder «When
Heaven Comes Down». Aber hey, was für ein komfortables
Problem wir haben (lacht). Viele Bands haben überhaupt
nicht so viele Hits, die sie spielen können, und wir
zerreissen uns die Köpfe, welche wir streichen müssen
(grinst). Wir haben so viele Top Twenty Hits
geschrieben. Wenn ich sehe, dass der Headliner gestern
Abend noch drei Cover-Songs spielen musste, um
überhaupt über die Runden zu kommen..., ich war richtig
geschockt.
MF: Wie wichtig war Deutschland für den
Start deiner Karriere?
Don: Deutschland
war sehr wichtig für mich. 1979 kam ich zum ersten Mal
nach Germany und spielte eine kleine Club-Tour. So kam
ich in Kontakt mit anderen Musikern und hatte die
Möglichkeit bei den Scorpions auf dem «Blackout»-Album
Backingvocals zu singen. Ich lernte Gaby, die Managerin
von Accept kennen. Der Rest ist Geschichte (grinst). Der
Hardrock war damals, zwischen 1979 und 1981, tot in
L.A. - Es brauchte zuerst eine Band wie Van Halen, die
einen Plattenvertrag bekamen, dass die Firmen merkten,
dass Rock noch immer auf das Interesse der Menschen
stiess. Plötzlich schossen all die Rock-Bands wie Pilze
aus dem Boden. In den Magazinen konnte man über Saxon,
Accept, Raven, King Diamond und all die anderen Truppen
lesen, die in Deutschland durchstarteten. In Amerika
waren diese Combos zuerst völlig unbekannt, wie Judas
Priest. Ich sah die Jungs im Whisky in L.A. vor 400
Leuten. Das Gleiche passierte den Scorpions, bevor sie
mit «Blackout» berühmt wurden. Y&T und Journey waren
erfolgreich bei uns.
MF: Wieso spielst du nicht mehr in Europa?
Don: Das würde ich gerne, aber das rentiert sich nicht.
Alleine die Flüge kosten ein Vermögen, und wenn du dann
noch deine Unkosten gedeckt haben möchtest, kommt einiges
zusammen. Wir wollen nicht Geld verdienen. Das ist nicht
der Beweggrund, wieso wir auf die Bühne gehen. Sondern,
weil wir den Fans beweisen wollen, dass wir «still
kicking ass» sind! Dass wir noch immer in der Verfassung
sind, unsere Songs zu spielen und die Fans nicht
verarschen wie jemand letzte Nacht. Das Gute ist, dass
alle Promoter von Italien, Spanien, Finnland, der
Schweiz, Deutschland und England hier sind und gesehen
haben, was wir auf der Bühne noch immer abliefern. Sie
wollen uns für eine Tour buchen. Wir werden mit ihnen
sprechen und sehen, was machbar ist. Aber bevor wir mit
ihnen sprechen, wollen wir, dass sie sich die Show
ansehen und dann können wir reden! Es ist uns wichtig,
dass wir noch immer einen gewissen Standard abliefern.
MF: Welches waren für dich die
Höhepunkte in deiner Karriere?
Don: Die
«Monsters Of Rock»-Shows in den Staaten, zusammen mit
Van Halen, den Scorpions, Dokken, Metallica und Kingdom
Come. Jeden Tag spielten wir vor mehreren zehntausend
Leuten. In sechs Wochen haben wir vor mehr als 1 Million
Menschen gespielt. Es war aber auch ein sensationelles
Line-Up (grinst). Es war hart nach Metallica auf die
Bühne zu gehen, aber wir waren kampferprobt von den vierzig
Shows zusammen mit AC/DC in Europa. Die Stadion-Shows
als Support der Jungs, das war hart erkämpftes Lehrgeld.
Zusammen mit AC/DC zu spielen, ist, als würdest du mit
Gott spielen. Die Leute haben uns bespuckt, mit Urin
gefüllten Behältern beworfen und zeigten uns den
gestreckten Mittelfinger. Es war eine harte Lernphase.
Wir hörten, dass sie irgendwas schrien und dachten es
wäre «Dokken, Dokken!» Aber als wir richtig hinhörten
wussten wir, dass sie «Angus, Angus» brüllten. Du
brauchst eine starke Persönlichkeit, um bei solchen
Reaktionen nicht alles hinzuschmeissen und die Bühne zu
verlassen. Stell dir vor, du gehst auf die Bühne und
15'000 Leute kreischen "Angus, Angus"! Du beginnst die
erste Strophe zu singen und hörst nur "Angus, Angus".
«Oh fuck! This is tough!!!»
MF: Gibt es
Pläne für ein neues Album?
Don: Ja, im
September starten wir, und wenn alles klappt, sollten
wir im Januar/Februar in Europa in acht Ländern auf Tour
gehen. Als Support, aber ich darf noch nicht sagen mit
wem (grinst). Wir haben ein Angebot für Dänemark,
Finnland, Schweden, Deutschland, Spanien, Italien, die
Schweiz. Da spielen wir sehrwahrscheinlich zwei Shows.
Alles passt. Das Budget, wir haben einen Tourbus… Wir
werden nicht gross Geld dabei verdienen, diese Zeiten sind
vorbei…
MF: …dafür hattest du die
80er-Jahre…
Don: …oh mein Gott. Da
haben wir wirklich Geld verdient (grinst). Heute sind
wir in der komfortablen Lage, dass wir auch mal "Nein"
sagen können. Viele Bands müssen alles annehmen, da sie
eine Frau, Kinder, ein Haus und Rechnungen haben, die
bezahlt und ernährt werden müssen. Sie müssen spielen,
damit sie Geld verdienen. Das ist ein ganz grosser
Unterschied. Wir spielen hier am «Bang Your Head!!!», weil
wir dies wollen, nicht weil wir müssen. Jeder hat einen
Job. Jon (Levin, Gitarre) ist Anwalt. Dies sehr
erfolgreich. Chris (McCarvill, Bass) hat eine eigene
Firma und druckt T-Shirts oder Magazine. Das erleichtert
vieles, und man kann spielen wann man will und nicht weil
man muss. Ich sah und sehe viele Bands, die grosse Hits
hatten… Die hatten grosse Häuser, viele Autos, die
eigenen Stripperinnen und bringen heute nicht einmal
mehr eine eigene Headliner-Show zu Stande. Ich bin
geschockt. Logisch, wir alle waren jung und dachten uns
kann nicht passieren, weil wir berühmt sind und immer
berühmt sein werden. So kann ich mir einen Ferrari
leisten, die nächste Harley kaufen und meiner Gattin für
100'000 US-Dollar einen Ring kaufen. Dann reicht es noch
locker für eine 20'000 teure Rolex. Das alles ist
Bullshit. Irgendwann wird dich deine Frau wegen einem
anderen verlassen und dann merkst du, dass du ein Nichts
bist. Das war aber nie meine Situation.
MF: Ist es für dich heute leichter einen
Song zu schreiben als früher?
Don: Bedeutend einfacher! Aus dem einfachen Grund, weil
in den 80er-Jahren dir die Plattenfirma gesagt hat,
wie und was du zu schreiben hast. Du brauchtest einen
grossen Refrain, schreib einen Vers, dann eine Bridge
und versuche mit möglichst wenig Worten, in der Regel
drei, den Refrain, den Titel zu schreiben (beginnt «Into
The Fire» und «In My Dreams» zu singen). "Keep it
simple!" Heute kann ich schreiben was ich will und bin
keinen Regeln mehr unterstellt. «Dysfunctional» war die
erste Platte, bei der wir aus diesem Regelbereich
ausgebrochen sind. Darum ist dies auch meine
Lieblingsplatte. Da haben wir plötzlich mit einer Sitar
gespielt, einfach weil wir Lust dazu hatten. "Lass uns
das Solo rückwärts spielen." Wir taten, was wir wollten.
Zwanzig Jahre später verstehen die Fans, was uns damals dazu
antrieb, ein solches Album einzuspielen. «Too High To
Fly» ist noch heute ein fester Bestandteil in der
Setliste. Als wir mit diesem Werk zur Plattenfirma kamen
hiess es nur: "What the fuck are you did? Wart ihr zu
bekifft solche Songs aufzunehmen. Ihr könnt das nicht
veröffentlichen!" Aber, wir brachten die Scheibe raus.
Ich liebe sie. Das gleiche war bei «Maddest Hatter» aus
dem Album «Erase The Slate». Wir waren nicht Mötley Crüe
und packten Stripperinnen in «Girls Girls Girls». Das
soll nicht bedeuten, dass die Mötley-Tracks schlechte
Songs sind, aber es war nicht unsere Welt. Wir haben
«Kiss Of Death» geschrieben und schon damals (1987) über
das Thema Aids geschrieben. Lange bevor den Leuten
bewusst war, wie riskant diese Krankheit ist.
MF: Hat sich Don Dokken über all die
Jahre verändert?
Don: Gute Frage! Ich
hoffe, dass ich ein grösserer Gentleman geworden bin.
Dass ich talentierter und friedvoller bin. Es macht mich
wütend, dass es Leute gibt, die zu Gott beten und dann
in seinem Namen andere Menschen umbringen. Das ist so
unglaublich verlogen und passiert in Deutschland, in
Frankreich oder in England. Mittlerweile erleben wir
überall diese Scheisse. Meine Kinder waren gerade in
Europa unterwegs, als der Anschlag in Belgien stattfand.
Ich bin kein Gefangener dieses radikalen Glaubens. "Wie
kannst du jetzt nach Deutschland fliegen und dort ein
Konzert spielen? Bist du wahnsinnig?" Was willst du?
Immer in Angst leben? Ich bin älter geworden…
MF: …älter und klüger?
Don: Ich
hoffe es! Ich kann dir dies aber nicht beantworten.
Heute sehe ich die Welt "with different eyes"! Da waren
die 80er, in denen sich alles so leicht anfühlte und
der Erfolg immer grösser wurde. Zu der Zeit dachte ich
nur an mich! Ich denke, das ist aber eine ganz normale
Sache, wenn man berühmter wird. Alle lieben dich und du
bist der Beste. Du glaubst das und beginnst erst später
zu realisieren, was wirklich dahinter steckt. Es ist ein
Geschenk, Sänger und Songschreiber zu sein und dass die
Menschen mögen, was du machst. Vielleicht liegt es bei
mir auch an der DNA, da mein Vater und meine Mutter in
der Musik verwurzelt waren. Meine Tochter ist
Konzertpianistin und mein Dad singt noch heute. Meine
Mutter ist leider gestorben, sie war eine Pianistin und
ihr Vater spielte Gitarre. Dafür ist mein Sohn Pilot
(grinst). Er steuert mit 29 Jahren die ganz grossen
Flieger. Als meine Band ihn als Pilot der Airbus A 320
sahen, waren sie sehr erstaunt (lacht). Als Kind hast du
immer deinen Traumberuf. Polizist, Feuerwehrmann, aber
mein Sohn wollte immer Pilot werden. Seine Schulkollegen
spielten Kampfspiele und er sass schon damals an den
Flugsimulatoren (grinst). Ich bin auf Beide sehr stolz,
weil sie ihren Weg konsequent gingen. Meine Tochter
spielt all diese komplexen Stücke von Bach und Mozart.
Ich denke, in ihr steckt eher meine DNA (grinst). Sie
machen mich glücklich, wuchsen auf, lernten und wissen
zu überleben. Weisst du, so viele Eltern leiden
darunter, dass ihre Kinder im Drogensumpf oder Alkohol
enden. Es ist ja bekannt, dass dies gerade bei den
Kindern von Rockstars passiert (lächelt). Ich versuchte
immer meinen Kindern die Welt zu zeigen, schon als sie
noch sehr jung waren. Ich nahm meine Tochter und meinen
Sohn mit und zeigte ihnen die unterschiedlichen
Kulturen. Deutschland, England, Tschechien, Japan oder
Frankreich. So lebten sie nie in dieser Blase, dass die
Welt nur aus Kalifornien besteht und sie mit ihren
Freunden rumhängen und Jägermeister trinken (grinst). Dass
sie die Welt sahen, hat ihnen die Augen geöffnet und ich
denke, das hat auch dazu beigetragen, dass sie ihren Weg
gehen konnten und nicht abgedriftet sind.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Don: Gesund zu bleiben. Jon und ich hatte eine schwere
Zeit. Jon hatte starke Probleme mit einem Nerv in seiner
Schulter. Der Arzt war sich nicht sicher, ob er nach der
Operation überhaupt noch Gitarre spielen kann. Seine
Hand war sehr schwach. Die rechte war stärker als seine
linke. Wir konnten einige Monate nicht touren. Dann war
ich sehr krank. Ich musste viele Medikamente schlucken
und wurde fetter und fetter, sah wie Vince Neil aus und
meine Stimme hätte eher zu einer Death Metal Band
gepasst. Das war der Grund, wieso wir das letzte Album
«Broken Bones» tauften. Ich war mir nicht sicher, ob es
unser letztes Album sein würde. Ich nahm das Album
liegend in meinem Bett auf. Der Recording-Raum war in
meinem Haus im Schlafzimmer. Ich sagte: "Okay, lass uns
diesen Part mit dem Bass nochmals aufnehmen" und schlief
wieder ein. "Hey Don! Was machen wir als nächstes?" Das
war eine verdammt verrückte Zeit. Heute bin ich wieder
gesund. Mit meinen 64 Jahren geht's mir verdammt gut.
Vielen können das wegen meines Baby-Face nicht glauben
(grinst). Der Grund dafür ist relativ simpel. Ich nahm
nie Drogen. Kein Kokain, kein Speed. Klar habe ich meine
Drinks getrunken. Aber, du kannst nicht besoffen auf die
Bühne gehen oder während des Konzertes saufen. Nach dem
Gig genehmige dir einen Drink, aber lass die Finger
vor und während des Auftritts davon. Gestern Abend sah
ich eine Band, die während des Konzertes trank. Da ging
eine Person von der Bühne und goss sich Champagner ein.
"You drink during the concert? That's such a fucking
bullshit!" Als Musiker hast du eine Verantwortung deinen
Fans gegenüber. Du kannst nicht auf die Bühne gehen,
dich als fetten Star benehmen, die alten Hits schlecht
singen und das Gefühl haben, dass dich deine Fans dafür
lieben. Das funktioniert nicht und ist respektlos deinen
Anhängern gegenüber. Sie haben Geld bezahlt, um dich zu
sehen. Okay, auch ich kann nicht mehr jeden Abend die
ganz hohen Parts singen. Das ist auch nicht der
kritische Punkt. Aber nenne mir einen Sänger in meinem
Alter, der dies noch kann. Rob Halford? David Coverdale?
Es gibt nur einen Shouter im Rock'n'Roll, der dies
heute noch hinbekommt. Der Einzige, der noch so singt,
wie mit 25 Jahren ist Glenn Hughes. Er muss von Gott
besessen sein (lacht). Der schwarze Mann in einem
weissen Körper (grinst). Es gab viele Kommentare auch
über mich, dass ich nicht mehr singen kann. Für die
damaligen gesundheitlichen Verhältnisse habe ich sehr
gut gesungen und «Broken Bones» ist ein wirklich tolles
Werk geworden. Heute sind Jon und ich wieder fit. So
flogen wir wieder nach Balingen und hatten heute diese
Show. Als wir das letzte Mal da waren, spielten wir
nicht gut. Ich sang nicht gut. Jon spielte nicht gut.
Ich war krank und sang mit Schmerzen. Der Arzt warnte
mich. Sollte ich singen, würde es mich umbringen. Es gab
eine Stelle an meinem Körper, wenn er diese drückte,
dachte ich mein ganzer Körper fällt auseinander. Für
alles gibt es einen Grund im Leben und manchmal muss man
Erfahrungen machen, um inne zu halten und sich neu zu
orientieren. "Now we survived and still kicking ass!"
Wir gingen ohne Soundcheck auf die Bühne, hatten kaum
Licht…
MF: …und es war eine Killer-Show!
Don: Danke, ja ich denke, es war ein
wirklich gutes Konzert. Die Harmonien klangen sehr gut.
Jon spielte grossartig auf, "he's amazing!" Es ist
verrückt. Ich traf Mick (Brown) zum ersten Mal in
Hamburg, als er 23 Jahre jung war. Noch heute sind wir
in der gleichen Band. Das Wichtigste in meinem Leben
ist, dass ich glücklich bin. Ich habe tolle Kinder und
einen wundervollen Hund. Ich liebe sie alle.
MF: Don, herzlichen Dank für die Zeit
und das interessante Interview, bleib gesund und bis
bald!
Don: Danke Martin für deine Zeit.
Pass auf dich auf, wir sehen uns auf Tour.
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