Nach über 20 Jahren im
Geschäft immer noch aufgeregt.
Mit dem selbstbetitelten Album «Dream Theater» haben die wichtigsten
Vertreter des Progressive Metal ihr erstes Werk veröffentlicht, an
dem Neuzugang Mike Mangini vollumfänglich mitwirken durfte. Metal
Factory durfte kurz vor dem Release der Scheibe mit Sänger James
LaBrie am Telefon plaudern und nachfragen, ob und wie es denn die
Band beeinflusst hat, seit Mike Portnoy nicht mehr dabei ist und was
das neue Album textlich so zu bieten hat. Zudem lässt es sich James
LaBrie natürlich nicht nehmen, auch ein paar Worte über sein aktuell
veröffentlichtes Solo-Werk «Impermanent Resonance» zu verlieren.
MF: Lass uns gleich zum wichtigsten Thema kommen. Das neue Album ist
grossartig, ich bin begeistert. Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen
Veröffentlichung, James!
James LaBrie: Oh toll! (lacht) - Das ist genau das, was ich hören möchte!
Exzellent!
MF: Du bist schon ziemlich lange im Musik-Business aktiv, bringen
dich neue Veröffentlichungen noch aus der Ruhe?
James LaBrie: Oh ja ich bin im Augenblick recht aufgeregt. Es
ist so, wenn du schon lange im Business bist und auch so weit gekommen
bist wie Dream Theater, dann ist es eine grosse Herausforderung,
dieses Level halten zu können. Wir sind jetzt über 20 Jahre aktiv und haben
weltweite Erfolge verzeichnen können, das ist ein grosses Geschenk.
Ich möchte gerne immer auf den letzten Release zurück blicken und
sagen können, dass es das beste Material ist, was wir je produziert
haben. Der Release trifft den Nagel auf den Kopf und mit dem neuen
Album konnten wir genau das aussagen, was wir aussagen wollten. Es
gibt einem ein grossartiges Gefühl und erfüllt mich mit grossem
Stolz, sagen zu können, dass das die Musik ist, die wir immer machen
wollten und wir konnten es endlich auch genau so umsetzen. Das ist
für mich ein grosser Erfolg.
MF: In wie weit war Mike Mangini dafür verantwortlich, dass ihr
eurem Ziel so nahe gekommen seid?
James LaBrie: Mike war von Anfang an in der Entstehungsphase mit dabei und
das hat einen grossen Einfluss gehabt. Mike ist unglaublich begabt
und gesegnet mit Talent was sein Schlagzeugspiel und die Technik
betrifft. Dass er von Anfang im Songwriting Prozess involviert
gewesen ist und instinktiv Inputs geliefert hatte, die einfach sehr
gut gepasst haben, war grossartig. Er lieferte sehr spontan Inputs
und daran wollten wir nichts mehr ändern, weil es einfach perfekt
gepasst hatte. Dazu kommt, dass er unendlich viel Energie besitzt,
er ist wie ein Feuerball. Die meisten seiner Schlagzeug-Parts wurden
beim ersten oder zweiten Take eingespielt. Uns hat es die Schuhe
weggezogen. Er hat was gespielt, wir waren total hin und weg und er
hat nur daran herumgenörgelt von wegen „Das geht noch besser!“.
Ich sagte „Nein, das geht nicht, das war ein aussergewöhnlicher
Moment den du da eingefangen hast, das kann man nicht wiederholen.“
(lacht) - Er ist sehr selbstkritisch. Ihn von Anfang an dabei gehabt
zu haben, hat einen wesentlichen Anteil zum Gelingen des Albums
beigetragen.
MF: Mike Mangini wurde von den Fans sehr schnell akzeptiert, obwohl
der Weggang von Mike Portnoy auf den ersten Blick für viele eine
Katastrophe darstellte. Hattet ihr mit dieser Akzeptanz gerechnet
oder kam da auch ein bisschen Unsicherheit innerhalb der Band auf?
James LaBrie: Nun, ich kenne Mike schon sehr lange, da er auch teilweise auf
meinen Solo-Alben mitgewirkt hatte. Wir haben mehr oder weniger seit
14 Jahren zusammengearbeitet und ich wusste, was für ein Typ er ist. Als
wir die ersten Shows mit Dream Theater geplant hatten, haben wir uns
schon gewundert wie er ankommen wird. Aber durch seine unglaubliche
Präsenz und Spielfreude verlieh er den Songs mehr Tiefe, es klang
sehr aufregend. Er ist ein Showman, ohne sich in den Vordergrund
drängen zu wollen. Das kam gut an und er überzeugte durch sein
Können.
MF: Würdest du mir zustimmen wenn ich sage, dass die Band nun seit
dem Einstieg von Mangini endlich zu einer Einheit zusammen-gewachsen
ist und die Zusammen-arbeit nun besser funktioniert als zuvor?
James LaBrie: Ja absolut, es herrscht mehr Friede und Beharrlichkeit
innerhalb der Band. Wir haben richtig Spass miteinander. Wir haben
grossen Respekt voreinander und behandeln uns gegenseitig auch so.
Das macht sich vor allem auf Tour bemerkbar. Jeden Abend gehen wir
mit einem grossen Lächeln auf die Bühne und haben riesig Freude.
Jeder, der die letzte Tour besucht hatte, kann das sicher bestätigen,
dass die gute Stimmung die wir untereinander haben, zu spüren war.
Jede Band die sich nicht einig ist und unter Missstimmung leidet,
bringt das auch in der Live-Performance entsprechend rüber.
MF: Kommen wir zurück zum neuen Album und die Texte dazu. Kannst du
mir ein wenig über den Inhalt erzählen?
James LaBrie: Eigentlich habe ich mich bezüglich dem Schreiben der Texte auf
dem neuen Dream Theater Album zurückgezogen. Ich wollte für dieses
Album keine Texte schreiben, da ich noch ziemlich mit meinem Solo
Album «Impermanent Resonance» beschäftigt gewesen bin. Aber auf der
nächste Scheibe möchte ich das gerne wieder in Angriff nehmen, da
mir das Texten sehr viel Spass macht, wie man auf meinen Solo-Alben
erkennen kann. Auf dem aktuellen Album gibt es neun Songs, von denen zwei
hauptsächlich auf instrumentalen Parts basieren. Von den restlichen
sieben Songs wurden bei sechs die Texte von John Petrucci (Gitarre)
geschrieben und John Myung (Bass) schrieb «Surrender To Reason».
Inhaltlich befasst sich das Album mit alltäglichen Themen, die uns
als menschliche Wesen beschäftigen, wie wir durchs Leben gehen mit
allen Ups und Downs. Es gibt viele Vorkommnisse im Leben, die einen
prägen, aber auch weiterentwickeln. Schwierigkeiten, die wir mit
grossem Kraftaufwand gemeistert haben, werden beschrieben. Am Ende
profitieren wir genau von solchen Situationen, denn sie machen uns
zu einem stärkeren Wesen, das mit hoch erhobenem Haupt durch die
Welt gehen kann. Man muss erst wirklich harte Zeiten durchgemacht
haben, um diese Stärke und Spiritualität erlangen zu können.
Der
Song «Along For The Ride» zum Beispiel handelt davon, dass wir
nicht immer alles unter Kontrolle haben können. Das ist nicht
möglich. Wir müssen uns versuchen, irgendwie durch das Leben
durch zu navigieren, so gut es möglich ist. Wir sind hier, wir sind „along
for the ride“ so zu sagen. «Behind The Veil» behandelt die
Entführung eines jungen Mädchen aus Colorado, das für viele Jahre
gefangen gehalten wurde und man dachte, sie sei bereits tot. Sie
wurde jedoch gefunden und sollte nun zu ihrer Identität zurück finden
und lernen, wer sie wirklich ist. Sie bittet um Hilfe und
Unterstützung, um sich wieder zu finden und hofft die Menschen um sie
herum können durch den Schleier, den sie aufgebaut hat, hindurch
schauen («Behind The Veil») und ihre wahre
Identität erkennen. Uuuhhh. (lacht) - Jesus, ist das genug oder
möchtest du noch mehr zu den Texten wissen?
MF: (lacht) - Nein, da hast du mir schon einen guten Einblick geben
können. Gehen wir zurück zur Musik. Ich habe die Reaktionen zum
ersten Song-Release («Enemy Inside») vom neuen Album im Internet
verfolgt und kritische Stimmen beklagen sich, dass dies für sie
nichts Neues ist und der Song gleich klingt, wie das Material auf der
letzten Scheibe «A Dramatic Turn Of Events». Wie überzeugst du sie
vom Gegenteil?
James LaBrie: Oh ok, nun was soll ich sagen? Die Leute sagen, was sie zu sagen
haben, und Musik ist sehr subjektiv. Es ist unmöglich, es jedem recht
zu machen. Wenn jemand sagt, dass wir uns mit dem neuen Material
wiederholen, dann darf er das ruhig äussern. Das ist die eigene
kritische Meinung, die man aussprechen darf so zu sagen. Ich stimme
dem ganz und gar nicht zu. Das aktuelle Album klingt so, wie wir zum
jetzigen Zeitpunkt unserer Karriere klingen möchten. Die einzige
Verbindung, die ich zum letzten Album sehe, ist, dass die Härte und
der Metal Faktor genau so weiter geführt wurde. Aber nicht nur das
letzte Album, auch wenn man durch den ganzen Back Katalog geht, findet
man dieses Element wieder. Weisst du, ich bin offen für Kritik und
ich finde, jeder sollte seine Empfindungen frei äussern dürfen.
Das ist völlig in Ordnung. Ich hoffe, sie werden genauer hinhören
und erkennen, was wir eigentlich damit aussagen wollen, so sehe ich das.
MF: Dein Solo-Album und das neue Dream Theater Album kommen fast
zeitgleich auf den Markt. Wenn du beide vergleichst, was waren für
dich persönlich die grössten Herausforderungen auf jeder Scheibe?
James LaBrie: Musikalisch gesehen sind das zwei ganz unterschiedliche Alben
und jedes hat seine eigene Identität. «Impermanent Resonance»
besteht aus einer harten Metal Basis, und gleichzeitig hat es viele
sensible Pop-Elemente vorzuweisen. Das neue Dream Theater Album
spricht meiner Meinung nach für sich. Aufgrund der Stilrichtung und
der Herangehensweise als Einheit, wie wir vorgegangen sind und wo
wir hin möchten als Band, ist das was ganz Besonderes und es ist für
mich einfach, die beiden Alben auseinander zu halten. Ich kann mich
mit beiden Alben sehr gut identifizieren und beide
Veröffentlichungen vermitteln eine bestimmte individuelle Botschaft.
Auch wenn ich als Sänger auf beiden Alben vertreten bin, gibt es
meiner Meinung nach keinen Grund, Parallelen zu ziehen.
MF: Eine zusätzliche Veröffentlichung, die noch dieses Jahr auf dem
Plan steht, ist die DVD «Live At Luna Park». Sie sollte bereits im Frühjahr
(Mai 2013) diesen Jahres erschienen, warum wurde das
Veröffentlichungsdatum so weit nach hinten geschoben (November
2013)?
James LaBrie: Es gab unglaublich viel Material. Wir haben zwei Auftritte in
Buenos Aires aufgenommen. Das waren sechs Stunden Material, Live
Auftritt, Backstage-Dokumentationen und so weiter, das alles musste
erst mal gesichtet und bearbeitet werden. Dazu kam, dass wir zu
diesem Zeitpunkt auch das neue Dream Theater Album aufgenommen
hatten. Zu dem ganzen visuellen Aspekt kommt natürlich auch noch der
Sound, der in 5.1 gemixt wurde. Da gab es richtig viel Arbeit. Es
ist ja auch die Blu-ray erhältlich in High Definition. Das Ganze
gibt es jetzt noch mit einem 60-Seiten Booklet. Wir wollten nicht
etwas schnell schnell auf den Markt bringen und am Ende hätte noch
die Qualität darunter gelitten. Wir wollten uns einfach noch Zeit
dafür nehmen, um es richtig gut zu machen. Wir wollen den Fans auch
das Beste abliefern, denn das haben sie verdient. Daher haben wir uns
zusammen mit Eagle Rock Entertainment entschieden, das Release-Datum
nach hinten zu schieben. Wir hätten uns sonst keinen Gefallen damit
getan.
MF: Der Trailer, den es im Internet zu sehen gibt, wirkt schon extrem
vielversprechend. Schade, gibt es davon keine Kino-Aufführung in der
Schweiz, so wie es für Amerika geplant ist. Jetzt freuen wir uns mal
auf das neue Album, die DVD und natürlich die darauffolgende Tour,
welche euch auch in die Schweiz bringen wird.
James LaBrie: Danke, ja das wird toll. „See you on the road!“
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