Reise in die
Vergangenheit und zurück.
Es war ein regnerischer Tag, an welchem Christian
'Chrigel' Glanzmann und Fabienne Erni im ehrwürdigen
Warner Music-Tempel zur Audienz baten. 'Evocation II -
Pantheon' war einerseits das Hauptritual, andererseits
ein Small-Talk der etwas anderen Art, um Einblicke ins
Eluveitie-Buch zu gewähren. So lasst uns gemeinsam das
Ritual beginnen, um euch nicht länger auf die Folter zu
spannen...
MF: Erstmal 'Hallo zämmä' und gleich
zum ersten Kapitel - sprich: Frage - Wie ist die Idee
entstanden und gereift zu «Evocation II - Pantheon»? Es
sind doch mittlerweile acht Jahre ins Land gewandert
seit der Veröffentlichung von «Evocation I - Arcane
Dominion»!
Chrigel: Ja, es sind
mittlerweile acht Jahre ins Land gewandert und es war
von Anfang an klar, dass wir ein zweiteiliges,
akustisches Konzeptalbum aufnehmen wollten. Die
Grundidee bei beiden Alben war von Anfang an die
keltische Mythologie. Musikalisch - sprich eben
akustisch - versuchten wir die keltische Mythologie in
akustischer Intonation zu verwandeln. Das waren die
Grundideen hinter «Evocation I & II»
MF:
Wie seid ihr denn an «Evocation II» heran getreten?
Denke, es ist schon ein Unterschied zwischen den beiden
Werken. Denke auch, dass es einen Unterschied gibt
zwischen den härteren Scheiben von Eluveitie und den
akustischen Werken.
Chrigel: Mmh, für
mich gab es eigentlich keine grossen Unterschiede, ob
wir nun ein akustisches Album oder ein hartes Werk
komponieren und schreiben. Für mich ist es allgemein ein
sehr organischer Prozess mit ganz viel Intuition. Was
vielleicht ganz speziell gewesen ist, dass vieles
spontan entstanden ist. Es mag auch die Konsequenz sein,
wie wir uns als Band die letzten zwei bis drei Monate
entwickelt hatten. Was auch schön gewesen ist, dass wir
wieder mal seit einer Ewigkeit so intensiv und gemeinsam
an der Musik arbeiten und feilen haben können. Im
Entstehungsprozess hatte es daher sehr viel Platz für
Spontanes. Drei Tracks sind daher völlig spontan im
Studio entstanden. Wie sagt man so schön: "Spontaneous
creativity", aus dem Jam heraus entstanden. Wir
tüftelten bis morgens um zwei, drei Uhr an Melodien
herum, und plötzlich sind daraus dann Songs entstanden.
Das war jetzt für mich zumindest sehr speziell gewesen
an «Evocation II - Pantheon».
Fabienne: Es ist
das erste Album mit Eluveitie für mich gewesen. Es hat
auch mir sehr viel Spass bereitet und es ist einfach
cool gewesen, habe diese Zeit sehr genossen. Jede und
jeder hatte ja seine Zeit im Studio mit den Aufnahmen
verbracht, doch kamen dann auch immer wieder
Bandmitgliederinnen und -mitglieder vorbei, auch wenn
sie nichts aufnehmen mussten, dafür haben sie mal
gekocht oder sind einfach beigestanden.
MF: Also einfach ein sehr gutes Bandgefüge, wenn man das
so sagen darf...
Fabienne: Absolut...
Chrigel: ...ja, ein absolut gutes Bandfeeling.
MF: Eluveitie hatten ja in der Vergangenheit einige
Besetzungswechsel durchlaufen müssen, aber ich muss
ehrlich sagen, dass es am Sound "nicht geschadet" hat.
Ich finde «Evocation II» so richtig erfrischend. Es ist
mir beim mehrmaligen Anhören der Scheibe stets ein Film
abgegangen. Daher meine nächste Frage: Wie sieht der
musikalische Fundus bei euch aus? Woher holt ihr euch
die Ideen? Musikalisch muss ich euch einfach sagen, es
ist eine absolut geile Leistung, was ihr da wieder
abgeliefert habt. «Evocation II» ist und hört sich so
an, wie wenn man ein Buch von A-Z durchliest, da passt
einfach alles.
Chrigel: Erstmal danke dir für das Kompliment, freut
mich extrem. Wenn musikalisch inspiriert, dann ist es
für mich musikalische Tradition. Mmh, es ist wirklich
rein intuitiv, es fliesst einfach aus mir heraus. Ja,
das gehört einfach dazu, einfach mal fliessen zu lassen
und Ideen sammeln.
Fabienne: Was sich gut
anfühlt, das macht man, würde ich es beschreiben. Da
kann ich Chrigel nur zustimmen, geht mir auch so. Ich
stelle mir aber auch einfach Szenarien vor aus dieser
keltischen Welt, wie ein Film sozusagen, und dann lass'
ich es auch fliessen.
MF: Geh' ich recht
in der Annahme, dass die gallische Sprache, welche ihr
auf der Scheibe benutzt, wenig bis gar nichts mit der
gaelischen Sprache, welche heutzutage in Wales
gesprochen wird, zu tun hat?
Chrigel: Also,
doch, die gallische Sprache ist verwandt mit der
gaelischen Sprache. Klar liegen mittlerweile 2000 Jahre
dazwischen, aber die noch heute gesprochenen Sprachen
wie gaelisch, bretonisch und weitere haben den Ursprung
in der gallischen Sprachkultur. Die heutigen, keltischen
Sprachen haben sich natürlich auch weiterentwickelt. Man
erkennt den einzelnen Wortstamm noch, wie zum Beispiel "Bitu" in
der alten, keltischen Sprache ist heute gleich "Bid" in
der modernen, keltischen Sprache und bedeutet "Welt".
MF: Woher holst du dir dein Grundwissen darüber, die
geschichtlichen Hintergründe? Gibt es eventuell sogar
noch Kurse und/oder geht man gar nach Wales in einen
Sprachkurs?
Chrigel (schmunzelnd): Nein
nein, Kurse gibt es in diesem Sinne so nicht. Aber ich
hab' das schon ewig so im Hinterkopf, das würde ich
tatsächlich gerne mal machen, als Onlinekurs zum
Beispiel. Wir arbeiten da sehr wissenschaftlich und
natürlich auch mit Kennern und Fachleuten der keltischen
Mythologie.
MF: Wie ist das gelungene
Coverartwork für «Evocation II» entstanden? Durch die
Musik und die geschichtlichen Hintergründe kann man
durch's Anstarren des Coverartworks sehr gut in diese
Zeit eintauchen.
Chrigel: Ist eigentlich
auf dem Küchentisch zuhause entstanden (allgemeines
Gelächter). Ich versuchte einfach etwas zu erschaffen,
was das Konzept dieses Albums auszudrücken vermag,
sprich quasi das Pantheon. Es ist relativ ein komplexes
Bild von diversen, recht tiefgründigen Symbolen aus der
keltischen Mythologie.
MF: Es stellt ja
auf eine Art auch eine Gottheit dar...
Chrigel: ...ja, das Zentrum stellt den Gott Leucetius
dar, aber darum herum sind sehr viel Symboliken
zusätzlich noch verwendet worden.
MF: Wie
habt ihr aufgenommen? Mehr im Studio oder dann doch
zuhause? Habt ihr gar "vorgearbeitet"?
Chrigel: Nein nein, wir haben nichts sozusagen
"vorgearbeitet". Das einzige Instrument, welches wir
nicht im Studio aufgenommen hatten, war die Drehleier.
Das war leider aus Zeitgründen nicht möglich und so
konnten wir doch parallel arbeiten. Die Drehleier wurde
in einem Studio, ganz in der Nähe des Wohnsitzes von
Michalina Malisz (Hurdy-Gurdy), aufgenommen. Das Studio
war bereits schon sehr ausgebucht und darum mussten wir
so entscheiden. Wir waren ja im selben Studio seit 2010,
bei Tommy Vetterli (Coroner) im New Sound Studio in
Pfäffikon/SZ.
MF: Komme nochmals auf den
Film zurück, welcher mir beim Anhören von «Evocation II -
Pantheon» abgeht. Habt ihr euch schon mal Gedanken
gemacht, eventuell gar einen Film und/oder Comic dazu zu
veröffentlichen? Als ich erst vor ein paar Tagen den
Film «Northmen - A Viking Saga» gesehen hatte, kam mir
spontan auch euer Sound als Soundtrack, beziehungsweise Untermalung
sogleich in den Sinn. Auch gab es mal das Album (1989)
«The New Machine Of Liechtenstein» von Holy Moses, wo
sie parallel zum Album einen Comicband veröffentlichten.
Wäre das auch eine Option für Eluveitie?
Chrigel: Ja, ich erinnere mich an den Film und auch den
Comic von Holy Moses, geil. Ja, auf jeden Fall, da ich
sowieso für solche Ideen grundsätzlich immer offen bin.
MF: Ihr spielt ja mit sehr alten, antiken
Instrumenten. Nehmt ihr da auf einer Live-Tournee,
beispielsweise, alle Instrumente mit? Denke, wenn mal
was defekt gehen könnte, hat man nicht unbedingt
sogleich ein Ersatzteil zur Hand...
Chrigel: Also die Instrumente kommen alle mit, keine
Frage. Klar, man muss halt extrem aufpassen und
vorsichtig damit umgehen (allgemeines Gelächter). Nein,
klar ist, wir haben sichere Cases dabei für diese alten
und antiken Instrumente, und wir haben auch eine sehr
gute Crew, die ganz genau weiss, wie man mit diesen
Instrumenten umgeht. Also Matteo (Sisti; Flöten,
Dudelsäcke, Mandola und so weiter) ist ein
Instrumenten-Fetischist. Er spielt elf Instrumente und
das auch noch auf einem sehr guten Niveau. Er will bei
den Songs spüren, welches Instrument, beziehungsweise welche
Instrumente er einsetzen könnte. Das war so geil, da war
mal der Gotthard-Tunnel wieder gesperrt und er hatte
eine 14-stündige Fahrt hinter sich. Da kam er im
Studio an und sein Kombi war wirklich proppenvoll mit
den Instrumenten. Am nächsten Tag hat er dann im
kleineren Studio mal angefangen die Instrumente
reinzutragen und auszupacken. Das war so geil, einfach
weil sein Kombi einfach bis an den Anschlag gefüllt war
und wie er dann die Instrumente im kleinen Studio so
eins nach dem anderen reintrug und auspackte
(allgemeines Gelächter).
MF: Letztens habe ich im TV "Rock The Classics" gesehen,
wo ihr ja auch mal eine Episode zusammen mit Beat
Blättler, dem Fagottsolist der Luzerner Sinfoniker und
Wigald Boning, dem deutschen Tausendsassa, das Stück von
Edvard Grieg «In der Halle des Bergkönigs» («The Hall Of
The Mountain King», zum Beispiel auch von Savatage) intoniert
hattet. Was denkt ihr, würdet ihr das nochmals
machen oder war das einfach einmalig? Es gibt ja nur die
TV-Aufnahme von diesem Event, right?
Chrigel: Ja, genau, cool dass du dies erwähnst. Wir
wurden seinerzeit mal angefragt und haben zugesagt. Der
Blättler ist einfach einer der geilsten und coolsten
Menschen. Er ist ja wirklich ein Vollblutmusiker durch
und durch, er ist ja Konservatoriumabgänger und so ein
Angefressener der Musik. Es war sehr schön mit ihm
zusammen zu arbeiten. Musikalisch gesehen ist er ja top.
Er kannte den Begriff "Heavy Metal" vorher gar nicht. Er
ist sowas mit einer Offenheit und Unvoreingenommenheit
an uns herangetreten, das war wirklich cool. Wir sind im
Herzen von der Musik gar nicht soweit davon entfernt,
obwohl er und wir in einer total anderen Welt sind, und
doch sind wir wirklich ganz nah dran. Er hatte uns
seinerzeit mal angeboten, etwas mit dem Orchester zu
machen, genau, jetzt wo wir darüber sprechen. Das war ja
echt der Hammer, das müssten wir mal in Angriff nehmen.
Genau, das würde sehr gut passen zusammen. Ich glaub',
ich muss den Blättler mal anrufen. Abgesehen davon, es
existiert tatsächlich nur die TV-Aufnahme als
Zeitdokument.
MF: Wie sieht's mit den
nächsten Tourneen aus? Gibt es etwas Kombiniertes, das heisst
einen Teil akustisch und den anderen Teil im härteren
Soundgewand?
Chrigel: Also, die nächste
Welttournee steht an, jedoch ist nur der 1. Teil davon
geplant bis Ende dieses Jahres, danach schauen wir
weiter, da ist wirklich alles noch offen. Eine rein
akustische Livetournee mit «Evocation II - Pantheon» ist
zurzeit nicht geplant, ehrlich gesagt, haben wir uns
auch noch nicht überlegt. Wir werden jedoch für den 1.
Teil der Welttournee hauptsächlich unsere Metalsongs
spielen. Für jetzt machen wir sicher kein rein
akustisches Set. Aber wir wollen uns auch nicht
festlegen, mal schauen was kommt.
MF: Was
bevorzugt ihr eher: Live oder Studio? Grosse Konzerte
oder Gigs in einem kleinen Club?
Fabienne: Also, meine ersten Endrücke konnte ich erst im
Studio machen. Es ist schon was anderes im Studio
aufzunehmen, als live zu spielen. Es ist schwierig sich
zu so zu entscheiden, aber live ist noch etwas
spezieller, da bin ich kürzlich auf den Geschmack
gekommen (allgemeines Gelächter).
Chrigel: Also,
ich finde, je grösser umso besser und zwar einfach aus
dem Grunde, weil du bei den grossen Events einfach mehr
Platz auf der Bühne hast (allgemeines Gelächter).
MF: Nun noch eine kleine Frage zu den Anfangstagen
von Eluveitie. Ganz am Anfang warst du ja ganz alleine,
als Ein-Mann-Band, so zu sagen. Erzähl doch mal bitte
etwas davon, Chrigel.
Chrigel: Also,
eigentlich wollte ich schon immer eine Band gründen, die
Idee war seit der Entstehung von Eluveitie da. Nur, zu
dieser Zeit und die Idee zu Eluveitie, damals war es
einfach schwer, geeignete Musikerinnen und Musiker zu
finden, welche diese Mischung von Eluveitie spielen
konnten und wollten. Ich hatte bereits früher stets
versucht eine Band auf die Beine zu stellen, welche den
Sound von Eluveitie spielt, aber es war zu dieser Zeit
einfach nicht möglich. Damals war schon die
Kombination zwischen Metal und Folk nicht etabliert,
keineswegs. Für mich war es schon damals einfach sehr
wichtig, dass alle Instrumente dabei sein sollten. Es
war echt crazy gewesen, seinerzeit einen Dudelsack- und
Drehleierspieler zu finden. Klar hatte ich dann
Folkmusiker aus der Szene gefunden, aber es waren halt
doch Gastmusiker, beziehungsweise Studiomusiker. Es war auch ein
Antasten an die genannten Musikrichtungen, denn
seinerzeit, wenn du einem Death-Metaller gesagt hast, du
hast einen Dudelsack oder Piano in der Band, dann
schauten die dich an, als wärst du nicht ganz dicht. Es
war einfach ein Novum. Eluveitie war eigentlich mein
letzter Versuch, bevor ich dann aufgegeben hätte,
ehrlich gesagt. Es hat mich halt nie losgelassen.
Deshalb habe ich dann Gastmusiker eingeladen und
Eluveitie erstmal als Projekt betrachtet. Klar, dann gab
es zu der Projektzeit von Eluveitie auch keine
Bandproben. Ich habe dann allen die Tracks gesendet,
gesagt, wann und wo man sich im Studio trifft und so
entstand dann die erste Scheibe. Das war der Grund,
weshalb Eluveitie anfangs ein Studioprojekt gewesen ist.
Danach wurde es dann einfacher, da die CD da war, so
konnte ich dann die Mitglieder suchen gehen, denn man
hörte den Sound, welcher Eluveitie spielte und so
erkannten die einen schnell einmal, dass es doch nicht
so hirnverbrannt ist, was da entstanden ist. Danach, und
durch die CD, formten sich dann Eluveitie langsam als
Band.
MF: Was wollt ihr noch
abschliessend sagen und erwähnen?
Chrigel & Fabienne: Danke nochmals für das Interview und
einen Gruss an Roxx!
Nichts zu danken,
Chrigel & Fabienne, und der Gruss wurde an Roxx auch
postwendend weitergeleitet. Also, Metaller/-innen aller
Genres, zieht Euch mal bei einer der nächsten
Gelegenheiten Eluveitie live rein, es lohnt sich auf
jeden Fall, denn mit ihrem erfrischenden, zeitlosen und
einmaligen Sound lassen sie Euch in die keltische Welt
miteintauchen und nehmen alle mit auf ihre Zeitreise
durch die keltische Mythologie.
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