Von Metalheads abgefeiert.
Von vielen als Plüsch-Rocker belächelt, tummeln sich doch immer
wieder die härtesten Musiker und Fans an den Konzerten von Europe.
Logisch, denn den Hit «The Final Countdown» kann jedes Kind locker
nachpfeifen und die Keyboard-Hymne hat unzählige Musikerhörer in den
80er-Jahren beeinflusst. Heute präsentiert sich die Band um
Sänger Joey Tempest und Meistergitarrist John Norum als das, was sie
wirklich ist. Eine hart rockende Truppe, die ihre Wurzeln in den
70er Hardrock-Bands hat. Dies bewies auch das letzte
Studioalbum «War Of Kings», bei dem selbst beinharte Thrash, Black
und Death Metal Fans mit der Zunge schnalzen und sich einig sind.
Genau dieses Album wurde kürzlich wiederveröffentlicht und dies
sollte mit Keyboarder Mic Michaeli und Trommler Ian Haugland
besprochen werden. Zwei Musiker, die sehr locker, sympathisch und
absolut ohne Starallüren Red und Antwort standen!
MF: Ihr
habt soeben das letzte Studioalbum «War Of Kings» mit einer
Bonus-DVD eurer Wacken-Show veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Ian: Ja, die Scheibe wurde gestern veröffentlicht! Wir
hatten die Möglichkeit, unseren Wacken-Auftritt mitfilmen zu lassen
und liessen Kevin Shirley den Sound abmischen. Auch wenn es nur
Bonusmaterial ist, sind wir absolut glücklich und zufrieden mit der
DVD. Der Fan bekommt «good value for the money». Es war unglaublich,
in Wacken spielen zu können!
Mic: Oh ja! Alleine aus
dem Grund, weil Wacken ja eher für die härteren Bands bekannt ist.
Die Leute empfingen uns aber als Band und nicht wegen dem einen Hit.
Mit ihnen zusammen durchlebten wir eine interessante musikalische
Reise, die von beiden Seiten genossen wurde. Zudem war es sehr
schlammig und nass. Warst du da?
MF: Nein!
Mic: Aha,
sehr gut für dich (alle lachen). Trotzdem war es eine fantastische
Show, und wir waren erstaunt, wie positiv das Feedback der Leute war.
Ian: All die ganzen Metalheads und Death Metal Musiker
kamen zu uns und erzählten, wie sie mit «Carrie» (die Ballade aus
dem Album «The Final Countdown») zum ersten Mal ihre Freundin
küssten. Es scheint, dass alle bösen Metaller doch auch eine weiche
Seite haben (lacht). Die ganze Skeptik uns gegenüber verschwand in
Wacken nach einem oder zwei Songs, und sie alle realisierten, dass
Europe eine richtig geile «kick ass» Rock' n Roll Live-Band ist.
Mic: Dies erlebten wir aber nicht nur in Wacken, sondern auch
bei anderen Festivals.
MF: Seid ihr denn eher eine Live-
oder eine Studio-Band?
Mic: Ich denke eine Live-Band…
Ian: …ich glaube eine Studio-Band (alle lachen). Keine Ahnung. Der
Grund wieso ich mit der Musik begann, war, weil ich auf der Bühne
stehen und performen wollte. Die Live-Reaktion zu spüren. Live war
mein Hauptgrund, wieso ich Musik spielen wollte. Stehst du aber im
Studio und arbeitest an neuen Songs, besteht die Möglichkeit, dich
als Musiker selber zu verbessern, wenn du an deinen technischen
Fähigkeiten arbeitest. Bist du auf der Bühne, tust du das, was du
bereits kannst.
MF: Nächstes Jahr sind spezielle Shows für
«The Final Countdown» geplant. Was können wir dabei erwarten?
Mic: Wir feiern den 30. Geburtstag dieses Albums. Es soll einige
Shows in Europa geben. Dies in den grossen Städten, vielleicht zehn
oder elf Konzerte. Dazu ist geplant, das komplette Album zu spielen
und mit ein paar weiteren Songs zu ergänzen. Das soll den Leuten die
Möglichkeit geben, Lieder zu hören, die wir noch nie oder schon
lange nicht mehr aus diesem Album gespielt haben. Somit auch Tracks, die
wir danach nie mehr performen werden. Geplant sind diese Gigs für
Oktober/November 2016. Das Ganze soll mit einer interessanten
Produktion ergänzt werden. Da geistern schon einige Ideen in unseren
Köpfen umher, aber noch nichts davon ist spruchreif. Ein bisschen früher,
im August, September wollen wir ein neues Album aufnehmen und unsere
Energie in die neuen Lieder stecken, damit wir die Fans mit einem tollen
Folgealbum zu «War Of Kings» begeistern können.
MF:
«The Final Countdown» war das erfolgreichste Album für euch. Aber
welches war für euch das Wichtigste?
Ian: Was denkst du Mic?
Mic (überlegt): Das ist eine gute Frage… Ich denke, dass es auch
«The Final Countdown» war. Einfach deshalb, weil diese Scheibe uns sehr viele
Türe öffnete. Wir erreichten damit ein viel breiteres Publikum.
Ian: Ich glaube… Hmm… Wahrscheinlich das letzte Album (lacht).
Wir waren mit den Songs sehr vertraut. Bevor wir ins Studio gingen,
spielten wir viel zusammen und probierten einige Dinge aus. Aus
diesem Grund denke ich, dass es das wichtigste Album für uns ist,
weil es uns als Band präsentiert und die Musik für sich spricht.
Mic: Das ist wirklich eine schwierige Frage, weil jedes Album
für uns sehr wichtig war und ist. Weil jede Scheibe ein Schritt zum
nächsten war. Ein Ding fügte sich dem nächsten an. «War Of Kings»
wäre nie so stark geworden, hätten wir vorher nicht «Bag Of Bones»
veröffentlicht. Und diese Scheibe wäre nicht entstanden, hätten wir
nicht «Last Look At Eden» komponiert. Darum ist deine Frage sehr
schwer zu beantworten. Wir befinden uns auf einer musikalischen
Reise und versuchen dabei neue Geschmacksrichtungen beizumischen.
Darum ist wohl immer das kommende Album das Wichtigste für uns
(lacht).
MF: Könnt ihr heute denn eher die Songs schreiben,
die ihr möchtet? Was hat sich für euch verändert?
Ian: Keine
Ahnung, ich schreibe keine Lieder und bin nur der Schlagzeuger
(grosses Gelächter).
Mic: Heute haben wir keine Angst davor,
Dinge auszuprobieren. Früher hatten wir einen klaren Raster, was wir
tun können und was nicht. Das war eine kleine musikalische Box in
der wir steckten. Jahr für Jahr haben wir eine neue Figur, neue
Nuancen entwickelt. Heute unterwerfen wir uns keinen Grenzen mehr.
Die Zusammenarbeit mit Dave Cobb (Produzent von «War Of Kings») war
seltsam, aber auch fantastisch dank all seinen Sixties
Hippie-Ideen. So was haben wir vorher nie gemacht. Das war sehr
reinigend und hat uns auch aus einer kleinen Sackgasse heraus geführt.
Trotz allem sind wir noch immer Europe, eine Truppe, die sich in den
letzten Jahren die Freiheit genommen hat, sich musikalisch keine
Grenzen zu setzen. Heute komponieren wir einen Akustiksong mit
fetter Bassdrum und einer Mandoline. Dabei versuchen wir nur Dinge
zusammen zu setzen, die wir uns früher nicht trauten. In den 80er-Jahren
standen die Bands alle sehr unter dem Einfluss der
Plattenfirmen. Der Industrie, den Medien und dem Druck, einen neuen
Hit zu schreiben. Mit dem Bild dessen, was du selber als Hit siehst.
Heute, seit dem Zeitpunkt was aus dem Business geworden, wie es
heute ist, denken wir nicht mehr darüber nach. Europe schreiben
Lieder, die sich für uns gut anfühlen.
MF: War somit «The
Final Countdown» eher ein Fluch, denn ein Segen?
Ian: Das
muss wohl jeder sehen, wie er will! Für mich ist es ein Segen, denn
dieses Album hat uns unzählige Türen geöffnet. Wir konnten auf der
ganzen Welt touren und fantastische Dinge erleben. Spielen wir heute
den Titelsong, ist es noch immer unglaublich, was im Publikum
passiert. Danke an dieses Lied, das uns ermöglichte, ein Comeback zu
feiern und zu tun, was wir noch immer tun. Darum ist es für mich
absolut kein Fluch. Was meinst du Mic?
Mic: Es ist klar mehr
ein Segen, denn ein Fluch. Auch wenn du der Meinung sein solltest,
dass es ein schlechter Song ist, jeder kennt dieses Lied und weiss,
welche Band dahinter steckt. Das können nicht viele Truppen von sich
behaupten. Es ist erstaunlich und wahnsinnig toll. Lieder wie
«Stairway To Heaven» oder «Smoke On The Water» kennen alle Leute. Von
jung zu alt. Ich will nicht sagen, dass «The Final Countdown» die
gleiche Bedeutung wie diese beiden Tracks hat, aber du erkennst
«Smoke On The Water» sofort am Riff, wie man «The Final Countdown»
sofort an der Keyboardmelodie erkennt. Das ist wirklich unglaublich
und damit hätten wir nie gerechnet.
MF: Viele Bands trennten
sich oder wechselten Musiker aus. Ihr seid seit Jahren immer in der
gleichen Besetzung unterwegs. Was ist das Geheimnis?
Ian:
Keine Ahnung, was wir anders machen als andere Truppen. Als wir jung
waren… Wir waren Teenager, als «The Final Countdown» zum Hit wurde.
Damals standen uns mehr unsere Egos im Weg (schmunzelt). Das
jugendliche Ego (alle lachen). «It's my way or the highway, you
know?»
MF: Young wild and crazy…
Ian: …exakt. Wir
lernten die Qualität der Bandchemie zu schätzen und akzeptierten,
wie wir funktionieren und sind. Auf eine coolere, ruhigere Art.
Mic: Ein wichtiger Punkt… Als wir mit «Prisoners In Paradise»
tourten… Der letzte Gig war 1992, und dann brauchten wir eine Pause.
Keiner wusste, dass dieser Break zwölf Jahre dauern würde. Als wir
uns wieder trafen, standen zwei Gitarristen auf dem Plan. Kee
Marcello und John Norum. Da realisierten wir, als wir in diesen
zwölf Jahren mit unterschiedlichen Musikern in unterschiedlichen
Bands spielten, was wir an der Besetzung
Tempest-Norum-Levén-Michaeli-Haugland hatten. Etwas, das wir in
keiner anderen Band fanden. Das war eine ganz wichtige Feststellung
oder besser gesagt Wahrnehmung.
MF: Was sind die Pläne für
die Zukunft?
Mic: Bis Ende Dezember 2015 sind wir noch auf
Tour. Im Januar und Februar 2016 spielen wir einige Wochen quer
durch die Staaten, gefolgt von ein paar Konzerten im Frühling. Und
dann steht schon die Festivalzeit auf dem Plan (wo Europe zusammen
mit den Scorpions am «Rock im Ring» in Hinwil spielen werden!). Dann
wollen wir die neuen Songs schreiben und aufnehmen. Im Oktober und
November stehen die Anniversary-Shows für «The Final Countdown» auf
dem Plan und 2017 soll schliesslich das neue Album erscheinen.
MF:
Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft.
Ian:
Danke, das ist sehr nett, dir auch alles Gute!
Mic: Ja, danke
dir für das nette Gespräch!
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