England hat Anfang der 80er ohne Zweifel die
Vorherrschaft in Sachen harter Musik inne. Judas Priest,
Iron Maiden, Motörhead und noch härter Venom treiben
Eltern auf der halben Welt zur Weissglut und deren
Sprösslinge in taumelnde Headbang-Ekstase. Nicht einmal
ein halbes Jahrzehnt später jedoch sieht die Sache ganz
anders aus. Wie aus dem Nichts bildete sich in
Kalifornien, USA innert kurzer Zeit eine Szene heran,
die in Sachen Tempo, Aggressivität und Energie alles
Bisherige in den Schatten stellen sollte: der Thrash
Metal. Wenn auch die aus L.A. stammenden Metallica mit
ihrem 1983 veröffentlichten Debüt „Kill 'Em All“ als
erste Band dieses Stils gelten mag, so lag das Zentrum
der Szene doch etwas südlicher, genauer in der Region um
San Francisco herum. Hier fanden Bands wie Slayer,
Testament, Forbidden, Exodus oder Death Angel zusammen,
halfen sich gegenseitig aus, spielten und feierten
zusammen.
Zusammen feiern und spielen, das tun die beiden
letztgenannten Bands, Exodus und Death Angel, auch heute
noch. Ende 2010 ging es gemeinsam mit den Deutschen Kreator und den griechischen Youngstern Suicidal Angels
auf grosse Europa-Tournee. Dabei machten die beiden
Thrash-Koriphäen sowohl live, als auch auf ihren letztes
Jahr erschienen neuen Silberlingen „Exhibit B: The Human
Condition“ bzw. „Relentless Retribution“
unmissverständlich klar, dass sie auch nach über
20-jähriger Karriere noch lange nicht zum alten Eisen
gehören. Gerade davon lebt ja die seit einigen Jahren
wiederbelebte Thrash-Euphorie, dass bei den Originalen
noch kaum etwas von Altersschwäche zu bemerken ist. Über
das Damals und jetzt des Thrash Metal, über die neuen
Scheiben und natürlich auch darüber, wie es ist, nach
all den Jahren gemeinsam auf Tour zu sein, darüber
sprach Metal Factory mit den beiden Bandköpfen und
Gitarristen Gary Holt (Exodus, GH) und Rob Cavestani (Death
Angel, RC) vor ihrer Show im Dezember im Z7. Die
perfekte Ergänzung zum CD-Tipp dieses Monats, Onslaught,
und dem nicht mehr in weiter Ferne liegenden Gig von
Overkill, Heathen, Destruction und After All.
MF: Ich glaube die Antwort schon zu wissen, aber wie
geht es euch? Wie ist es, nach so langer Zeit wieder
gemeinsam auf Tour zu sein?
GH: Das ist eigentlich unsere erste Tournee zusammen.
RC: Natürlich haben wir über all die Jahre einige Male
zusammen gespielt, auf Festivals etc., aber getourt
haben wir noch nie zusammen. Es ist fantastisch, dies
endlich nachzuholen.
GH: Yeah, das ist es. Es macht lächerlich viel Spass.
Ich meine, meine Leber stimmt dem nicht zu, aber ich
habe eine unglaubliche Zeit!
MF: Wie kommt eine solche Thrash-Fest-Tour zusammen?
GH: Wir wurden einfach angefragt. Death Angel standen da
schon fest und da zögerten wir natürlich keinen Moment.
Andere Bands waren zu dieser Zeit immer im Gespräch und
wir sollten als Headliner spielen. Dann fragten die
Verantwortlichen, ob es uns was ausmachen würde, wenn
eine andere Band headlinen würde und ich sagte: Kein
Problem, dann muss ich weniger lange spielen! Das
heisst, ich kann früher von der Bühne und mich
betrinken.
RC: Hahaha... Gute Überlegung! So denk ich auch immer,
wenn wir nicht Headliner sind!
GH: Und dann kamen Kreator dazu und wir wussten, dass
die Tour der Hammer werden würde. Das hat sich ja auch
bestätigt. Die meisten Shows waren nahe am
„Ausverkauft!“.
MF: Im Sommer spielten Metallica, Slayer, Megadeth
und Anthrax unter dem Banner der „Big Four“. Wie würdet
ihr die beiden Tourneen vergleichen?
GH: Ich nenne diese Tour: „Die Betrunkenen Zwei und zwei
andere Bands“!
RC: Oder: Die „Nicht annähernd so grossen Vier“!
GH: „Die nicht annähernd so grossen aber hungrigen
verdammt motivierten Vier“!
MF: Wie würdet ihr eure Bands gegenseitig
charakterisieren?
GH: Death Angel treten live sowas von Arsch. Das ist so
ungewöhnlich für uns. Normalerweise rennen wir einfach
auf die Bühne und zerstören unser Publikum. Dieses Mal
mussten wir uns jeden Abend verdammt ins Zeug legen. Ich
denke, dass motiviert uns gegenseitig. An einem Abend
leckst du deine Wunden, weil du weisst, dass Death Angel
dich gerade fertiggemacht haben, am nächsten Abend
trittst du ihnen live dafür umso mehr in die Eier. Die
Fans sind letztendlich diejenigen, die durch diesen
Wettkampf gewinnen.
MF: Und was halten Death Angel von Exodus?
RC: Ich kann dem nur zustimmen. Wir sind wirklich auf
die Welt gekommen auf dieser Tour. In den letzten Jahren
waren wir ziemlich überzeugt davon, dass wir einfach
alles nieder malmen, auch viele andere Bands. Nun, mit
Exodus als direktem Gegner, wenn du so willst, müssen
wir zugeben, dass wir nicht immer so leicht gewinnen
können und auch mal eine Niederlage einstecken müssen.
Und Exodus sind die grossen Helden unserer Anfangstage.
Wir haben ja ein paar Jahre später begonnen, und man
könnte fast sagen, „Bonded By Blood“ ist mitschuldig
dafür, dass Death Angel überhaupt existiert. Einer
unserer ersten und auch besten Gigs in meiner Erinnerung
war ein Support-Gig für Exodus in San Francisco. Wenn
solche Erinnerungen wieder aufleben, wie auf dieser
Tour, dann ist das verdammt inspirierend.
MF: Könnt ihr euch noch an eure erste Begegnung
erinnern?
GH: Natürlich! Das erste Mal zusammen gespielt haben wir
im Stone, einem Klub in San Francisco, oder?
RC: Ja, das stimmt.
GH: Ich glaube aber, wir haben uns sicherlich schon
vorher, auf einer dieser unzähligen, völlig aus dem
Ruder laufenden Garagen-Partys in der Bay Area
getroffen.
RC: So wird es wohl gewesen sein. Ich weiss nicht, ob du
das noch weisst Gary, aber Kontakt hatten wir schon
vorher einmal: Lange bevor ich dich überhaupt
kennenlernte kaufte ich mir eine neue Gitarre mit
Tremolo dran und ich hatte keine Ahnung, wie ich das
Teil bedienen sollte. Irgendjemand gab mir dann deine
Nummer und sagte, ich solle dich fragen. Ich darauf:
„Ich kann doch nicht einfach Gary Holt von Exodus
anrufen. Der Typ kennt mich nicht einmal!“ Man
versicherte mir, dass du ein netter Typ seist und ich
rief dich an.
GH: Daran erinnere ich mich! Wir haben über eine halbe
Stunde gequatscht.
RC: Und ich hab dich einfach aus heiterem Himmel
angerufen und wir haben über Tremolos gesprochen und
über Saiten und Verstärker und was weiss ich nicht mehr
alles. Scheisse ist das lange her...
MF: Und nun, gute 25 Jahre später, seid ihr immer
noch unterwegs und habt auch neue Alben draussen. Exodus
„Exhibit B: The Human Condition“ und Death Angel „Relentless
Retribution“. Machen wir das selbe Spiel wie vorher: Was
haltet ihr jeweils vom neuen Album des Anderen?
GH: Die neue Death Angel ist einfach der Hammer. Vor
allem Jason Suecof hat als Produzent so einen echten
Killer-Job abgeliefert. Auch, finde ich, hört man den
Einfluss der beiden Neuen, Damien Sisson am Bass und
Will Carroll hinter den Drums. Das hat den Jungs echt
neue Power gegeben.
RC: Da kann ich nur zustimmen. Übrigens muss hier einmal
erwähnt werden, wie verdammt inzestuös in der Bay Area
alles abläuft. Nicht nur, dass alle Bands, bis auf uns,
sich gegenseitig immer wieder, über die ganzen 25 Jahre
hinweg, Mitglieder ausgelehnt und abgeworben haben. Auch
bei den Produzenten ist es nicht besser. Als wir „Relentless
Retribution“ schrieben, fragten wir Andy Sneap als
Produzenten an. Dieser lehnte ab mit der Begründung,
dass er gerade das neue Exodus-Album aufnehmen würde. So
landeten wir bei Jason Suecof, was auch fantastisch
funktioniert hat. Wenn du aber hörst, wie mächtig die
Gitarren auf „Exhibit B“ klingen, dann weisst du,
weswegen wir Andy Sneap haben wollten. Das Album klingt
so übertrieben brutal, Mann! Ich meine, ich höre mir
ihre Scheibe sogar manchmal noch im Bus an, wenn ich sie
gerade live gesehen habe.
GH: Ich höre mir meine Sachen nicht mehr an, wenn sie
fertig sind. Wenn wir den Mix hinter uns haben, dann
habe ich das Zeug mindestens 1000 Mal gehört. Von den
letzten drei Scheiben habe ich nicht einmal die
endgültige Version ein einziges Mal geöffnet.
RC: Yeah, da kann ich zustimmen. Erst nach einigen
Jahren kannst du dein eigenes Zeug wieder hören.
Hingegen kann ich von „Downfall“ von eurem neuen Album
nicht genug kriegen. Ich liebe diesen verdammten Song.
GH: Wir spielen die Nummer normalerweise auch. Auf
dieser Tour bekommen wir aber keinen Soundcheck und
jetzt müssten wir den Song vorher erst üben, bevor wir
ihn spielen.
RC: Ich will „Downfall“! Das ist mein Wunsch an euch.
MF: Eure beiden Bands sind klassische Vertreter des
„Bay Area Thrash“. Da Thrash Metal heutzutage wieder
„in“ ist, können es sich viele Plattenlabels nicht
verkneifen, ihre neuen Bands als „Bay Area Thrash“
anzupreisen. Was ist „Bay Area Thrash“ überhaupt?
GH: Naja, nicht ganz unwichtig wäre wohl, dass man auch
wirklich aus der San Francisco Bay Area stammt!
RC: Hahaha... das stimmt! Heute findest du Bands aus
Skandinavien, die sich „Bay Area“ nennen und die noch
nicht einmal Ferien gemacht haben.
GH: Auch wenn du vielleicht etwas südlich davon
herkommst oder nördlich, dann kannst du dich vielleicht
noch „Bay Area“ nennen, aber nicht wenn du aus Kanada
kommst. Ich sag ja auch nicht: „Hey! Ich mag Bagles, ich
bin New Yorker! Oder: „Ich trink gerne Weissbiere und
mag Weisswürste, ich bin Deutscher!“
RC: Wenn du hingegen den Sound meinst, dann... Aber dann
bist du auch nicht „Bay Area“, sondern machst einfach
Sound der klingt wie aus der Bay Area.
MF: Und wie klingt Thrash aus der Bay Area eurer
Meinung nach?
GH: Das ist eben auch so eine falsche Annahme. Jede Band
aus der Bay Area klingt anders. Das Gemeinsame aber ist
vielleicht der Vibe. Dieser kalifornische, rebellische
Vibe, den man im Metal vielleicht nicht so oft findet.
Ich würde sagen, dass „Bay Area Thrash“ die
rebellischste aller Metal-Spielarten ist.
MF: Wenn man heute Death Angel und Exodus hört, dann
findet man die Death Angel und Exodus von vor 25 Jahren
auf jeden Fall wieder im Sound. Trotzdem klingt ihr ja
nicht mehr genau gleich wie früher. Wie würdet ihr eure
musikalische Entwicklung in den letzten 25 Jahren
beschreiben?
GH: Ich denke, keiner von uns ist heute noch daran
interessiert „Bonded By Blood“ oder „The Ultra-Violence“
Part 2 zu schreiben. Diese Scheiben haben wir vor
Jahrzehnten gemacht und sind immer noch stolz darauf.
Gleichzeitig ist das abgehackt und wir wollen uns
weiterentwickeln, im selben Stil zwar, aber doch. Alles
andere wäre uninspiriert.
RC: Dem kann ich nur zustimmen und das ist doch auch die
Kunst: Dass man den Kern behalten und in immer anderem
Gewand wieder präsentieren kann. Das macht eine Band
gleichzeitig konstant und kreativ.
MF: Über all die Jahre hinweg ist jedoch viel
passiert im Musikbusiness. Im Thrash insbesondere gibt
es zwei einschneidende Momente. Der erste war Anfang der
90er: Viele Bands, darunter Death Angel, lösten sich
damals auf, andere, wie etwa Metallica, änderten ihren
Stil. Insgesamt schien Thrash Metal ziemlich am Ende.
Was waren die Gründe dafür? Ich meine, es konnte nicht
nur an der Grunge-Welle liegen.
GH: Es war sicherlich nicht nur das. Ich glaube ganz
ehrlich, dass viele von uns zu dieser Zeit vielleicht
nicht mehr ganz bei der Sache waren. Zu dieser Zeit,
Ende der 80er, Anfang der 90er hatten wir alle einen
gewissen Erfolg erreicht. Dies geschah für uns alle in
relativ kurzer Zeit, innerhalb von einer handvoll Jahre.
Wenn man dann soweit ist, ist es schwer das Niveau oben
zu halten und vielleicht will man auch einmal etwas
anderes machen. Und dass das musikalische Klima, das,
was „in“ war, sich änderte hatte sicherlich auch etwas
damit zu tun.
RC: Das ist es. Was damals passierte, das war einfach
der Lauf der Zeit. Schnell verlieren Dinge, die vor
einigen Jahren noch Euphorie auslösten, ihren Glanz und
ihre Kraft. Das passierte auch mit uns. Einerseits sinkt
die Nachfrage, andererseits vielleicht die Kraft der
Band. Mit diesem Wechsel waren einige überfordert oder
hatten keinen Bock drauf und lösten sich auf, andere
schlugen sich irgendwie durch und andere, wie Metallica,
änderten ihren Stil und blieben oben auf.
GH: Vielleicht kann man daran auch erkennen, was heute
anders läuft. Damals, in den 90ern, hatten wir Verträge
mit riesigen Plattenlabels. Die wollten verkaufen und
wir wollten verkaufen. Heute ist es wieder anders. Heute
schreiben wir Songs in erster Linie für uns. Wir
schreiben sie, weil es die Songs sind, die wir machen
wollen und die uns gefallen, egal ob es Leute gibt, die
sich dafür interessieren, was momentan glücklicherweise
der Fall ist. Nur deswegen bringen Bands wie wir, Death
Angel oder auch Testament und Forbidden so gute Scheiben
raus. Weil genau auf diese Weise, mit dieser „Fuck
You!“-Mentalität Alben wie „Bonded By Blood“ oder „The
Ultra-Violence“ entstanden sind. So haben wir unsere
ersten Alben geschrieben. Ich hatte damals keine Ahnung,
was ich machte. Ich wollte einfach brutalen, schnellen
Metal schreiben und hatte keine Ahnung, dass dabei ein
Album rauskommen würde, das 25 Jahre später als
wegweisend gelten würde.
RC: Und manchmal muss man auch gewisse Krisen
durchmachen, um wieder Klarsehen zu können. Durch die
90er habe ich das wiedergefunden, was mich 10 Jahre
vorher überhaupt dazu bewegt hat, Musiker zu werden. Du
kommst wieder an den Punkt zurück, welcher dir durch das
Musikbusiness, dein Privatleben usw. abhanden gekommen
ist. Und wenn du das Ehrliche und Spontane der
Anfangstage wiedergewonnen hast, dann funktioniert es
auch wieder.
GH: Das ist genau, was ich sagen will. Nach über 20
Jahren im Business weisst du, was du willst. Ich weiss,
wie meine Musik klingen soll, wie Exodus klingen sollen
und tue es einfach und hoffe, dass es jemandem gefällt.
Nur so ist die Musik ehrlich.
MF: Lasst uns über den zweiten Wendepunkt in der
Geschichte des Thrash sprechen. Meiner Meinung nach
handelt es sich dabei um das Benefizfestival „Thrash Of
The Titans“, welches 2001 stattfand, um den an Krebs
erkrankten Testament-Sänger Chuck Billy zu unterstützen.
Würde ihr zustimmen, dass dies die Wiedergeburtstunde
des Thrash war?
GH: Naja, Exodus hatten sich ja niemals aufgelöst. Es
lief zu dieser Zeit nur nicht so flüssig. Ich lebte in
Sacramento, es gab die üblichen Drogenprobleme. Für mich
war die Stunde der Wiedergeburt erst 2002, als ich
endlich clean wurde. Erst dann konnte ich wieder kreativ
werden.
RC: Für uns hatte des „Thrash Of The Titans“ schon etwas
von einer Wiedergeburt. An diesem Festival stiegen wir
zum ersten Mal nach 15 Jahren wieder gemeinsam auf die
Bühne. Das war vielleicht der erste Schritt. Wir hatten
aber damals noch nicht wirklich vor, wieder als Band
zurückzukehren sondern machten das nur für Chuck Billy.
Als es dann aber passierte brachte dies einen Stein ins
Rollen. Weitere Festival-Auftritte folgten und plötzlich
waren wir wieder zurück. Eigentlich hat sich das einfach
so ergeben.
MF: Und wie ist es nun, zum zweiten Mal wieder
richtig im Business zu sein? Da müssen sich doch schon
einige Unterschiede eingeschlichen haben...
GH: In erster Linie ist es einfach nur fantastisch!
Natürlich, es ist anstrengender geworden. Wir sind nicht
mehr 25 und 24 Mal innerhalb eines Monats auf die Bühne
zu gehen und alles zu geben ist kein Zuckerschlecken.
Wenn wir eine gemeinsame Garderobe haben, auch nicht
unsere Bandnamen an der Tür sondern sie schreiben dann:
„Midlife-Crisis Dressing Room“. Der Name passt, weil wir
uns trotzdem immer noch so benehmen, als wären wir 21.
RC: Und wie mit 21 feiern wir vielleicht auch heute
wieder. Wer weiss, die Nacht ist noch jung.
GH: Ob ich will oder nicht, ich bin überzeugt, dass es
auch heute wieder so weit kommt. Immer wenn ich sage,
dass ich es diesen Abend gemütlich nehmen will und
gleich schlafen gehen will passiert es. Anstatt „Direkt
ins Bett“ heisst es dann „Direkt zur Flasche“.
RC: Zeit zum Entgiften hast du ja dann zuhause wieder.
Natürlich ist es anstrengend. Wir haben das vor einigen
Jahren kennengelernt. Als wir vor einigen Jahren wieder
zurückkamen waren alle verdammt euphorisch, wir wie die
Fans. Schnell aber endeten diese Flitterwochen und wir
mussten uns erst einmal wieder richtig beweisen. Da dies
nun nach zwei Alben schnell hintereinander und
intensivem Touren geschafft ist dürfen wir jetzt auch
feiern.
GH: Das stimmt. In 2003 fragten mich Leute nach meiner
Meinung zum Thrash-Revival. Damals antwortete ich: „Ich
sag dir meine Meinung, wenn es wirklich passiert!“ Denn
damals war es gar noch nicht so weit. Denn wir alle
spielten damals noch winzige Headlinershows mit New
Metal oder Industrial Bands oder so. im Vorprogramm.
Erst in den letzten zwei Jahren ist das anders. Erst
jetzt haben wir Bands im Vorprogramm , die wieder Thrash
machen, und Jugendliche kommen zu unseren Konzerten, die
angezogen sind wie ich 1985.
MF: Ist aber überhaupt Platz für junge Bands? Ihr
seid alle stärker denn je zurück, spielt Shows,
veröffentlicht Alben. Braucht es da überhaupt neue
Thrash-Bands?
GH: Auf jeden Fall! Es ist immer Platz für neue Bands.
Sie müssen einfach mit uns in den Ring steigen und
beweisen, dass sie etwas drauf haben.
RC: Bands wie wir sind ja auch die beste Plattform für
junge Bands. Trotz Internet und dem ganzen Zeug musst du
als Band immer noch live spielen und was passt da
besser, als wenn du als Support für Bands wie uns
auftreten kannst? Und überhaupt kriegt der ganze Stil
durch alte Bands mehr Aufmerksamkeit, sodass die neuen
überhaupt erst die Möglichkeit erhalten, sich zu
beweisen.
MF: Und wer sollte nun eurer Meinung den Award für
das beste Thrash-Album der letzten Jahre gewinnen?
GH: Das ist eine schwierige Frage. Ich bin zwar stolz
auf unsere Sachen, würde mich selbst aber natürlich
nicht nominieren. Im Rennen wären sicherlich Death Angel
oder Heathen. Auch die letzte Overkill-Scheibe ist
überwältigend, genauso wie die „Hordes Of Chaos“ von
Kreator.
RC: Nicht zu vergessen „The Formation Of Damnation“ von
Testament! Die Entscheidung wäre wirklich schwierig.
Eigentlich alle alten Thrash-Bands haben verdammt starke
Alben gemacht in den letzten Jahren.
MF: Das ist doch schon ziemlich erstaunlich. Wie
erklärt ihr euch dieses Phänomen der durchwegs starken
Platten?
GH: Wir sind alles Veteranen. Ich denke, wir haben alle
so ziemlich das Gleiche durchgemacht und die selben
Lektionen gelernt: Geh einfach raus da, mach dir nicht
zu viele Gedanken und tu was du für richtig befindest,
genau so wie in den Anfangstagen. Steh zu dem, was du
machst und die Fans werden dir folgen.
MF: Würdet ihr das Gleiche über die „Big Four“ sagen?
GH: Na ja... Slayer sind immer noch die härteste und
böseste Band der Welt, live wie auf ihren Scheiben.
RC: Das stimmt! Die kannst du in Sachen Brutaliät
einfach nicht schlagen, egal wie hart du es versuchst.
GH: Auch bei den anderen Bands bin ich optimistisch
eingestellt. Die letzte Megadeth-Scheibe war der Hammer,
Metallica scheinen endlich wieder die Kurve zu kriegen
und Anthrax... die haben seit neun Jahren keine neue
Scheibe mehr veröffentlicht.
RC: Ich glaube, Anthrax haben jetzt die schwierigste
Aufgabe von uns allen. In den letzten neuen Jahren haben
so viele von uns hervorragende Alben veröffentlicht.
Gegen all diese müssen sie sich jetzt behaupten. Dafür
hatten sie neun Jahre Zeit, also erwartet man einen
richtigen Knüller!
GH: Wenn du so lange Zeit hattest für ein Album, dann
ist das nicht leicht. Das hast du bei „Chinese Democrazy“
von Guns'n'Roses gesehen. Die Erwartungen sind so hoch,
dass es kaum möglich ist, sie nicht zu enttäuschen. Wenn
du mich fragst besitzt Scott Ian eine der besten rechten
Hände im ganzen Metal und wenn er die richtig einsetzt,
dann kommt es schon gut. Ich hoffe für sie.
MF: Nach Anekdoten aus der Vergangenheit und Analysen
der Gegenwart kommen wir nun zu Prognosen für die
Zukunft: Was sind eure Pläne für die kommende Zeit? Ihr
spielt beide auf der „70'000 Tons of Metal“-Kreuzfahrt,
oder?
GH: Das wird eine heftige Dosis Trinken geben. Denn
alle, wirklich praktisch alle Bay-Area-Bands werden auf
diesem metallischen Ausflug dabei sein. Nicht nur Death
Angel und wir, sondern auch Testament und Forbidden. Ich
befürchte, dass sie uns nach einem Abend in Gummiboote
setzen und zur Küste zurückpaddeln lassen werden.
RC: Das wird ein Riesenspass, so etwas wie eine
inoffizielle Klassenzusammenkunft.
GH: Deswegen habe ich danach so viel freie Zeit wie seit
Jahren nicht mehr. Seit „Tempo Of The Damned“ (2004) hab
ich wohl nicht mehr so viel Ferienzeit am Stück gehabt,
wie ich mir dann nehmen werde. Lee Altus wird mit
Heathen, Overkill und Destruction in Europa unterwegs
sein. So haben wir bis im Frühling nichts gebucht und im
Mai wird meine Tochter die High School abschliessen, was
ich auf keinen Fall verpassen will. Gleichzeitig wird
meine zweite Tochter dann definitiv ins Teenager-Alter
kommen, was auch einige Zeit beanspruchen wird.
MF: Wie ist es, Töchter in diesem Alter zu haben,
wenn man weiss, wie Typen sein können?
GH: Oh, ich weiss schon, wie ich diesen Jungs zeige, wie
ein Mann sein kann. Da soll mir nur keiner auf falsche
Gedanken kommen. Nein, ehrlich gesagt ist meine Tochter
ein wundervolles Kind. Sie ist anständig und verdammt
clever.
MF: Und wie sehen Death Angel's Zukunftsaussichten
aus?
RC: Ich werde in nächster Zeit sicherlich keine so
grosse Pause haben. Wir sind mitten in einem
Hardcore-Zeitplan und werden richtige Ferien wohl erst
in der zweiten Hälfte von 2012 wieder geniessen können.
Das ist aber auch richtig so, denn in der Vergangenheit habern wir etwas getrödelt, insbesondere zwischen „The
Art Of Dying“ (2004) und „Killing Season“ (2008). Das
müssen wir jetzt einfach aufholen. Nach dem „70'000 Tons
Of Metal“ geht es für uns gleich weiter. Am Abend darauf
startet direkt in Miami unsere US-Tour. Headlining in
den USA, das ist nicht so spassig wie hier drüben, aber
es wird auf ganz andere Art unterhaltsam sein. Das wäre
cool, wenn man in den USA eine Tour mit einem solchen
Package machen könnte. Danach kommen wir hoffentlich
bald wieder nach Europa zurück, spielen Festivals und so
weiter.
GH: Wir werden dieses Jahr nur sehr limitiert Festivals
spielen. Bis jetzt sind erst das Tuska in Finnland und
Wacken vorgesehen. Wir planen aber noch ein, zwei und
dann mach ich Familienferien draus. Ich werde meine
Freundin und meine beiden Mädchen mitnehmen und den
Sommer über durch Europa reisen. Tuska – eine Woche
Reisen – Wacken – eine Woche Reisen mindestens. Das wir
sicherlich super werden.
RC: Ich hoffe, wir können auch an Wacken spielen. Dann
können wir euch treffen und mit Priest auf ihrer
Abschlusstournee zusammenspielen. Das wäre der Hammer.
GH: Das wäre wirklich cool.
MF: Und die letzte Frage, die ich immer stelle: Wie
sieht für euch ein perfekter Tag aus?
GH: Ein perfekter Tag verbringe ich mit meiner Freundin
und meinen Kindern. Nichts schlägt das. Das ist
eigentlich auch der Grund, warum ich jetzt hier stehe.
Ich habe keine anderen Jobqualifikationen. Das ist das
einzige, was ich wirklich kann! Und ich will damit
einfach alles für meine Töchter tun. Ich muss mich
selbst sogar zwingen, etwas für mich zu kaufen. Sogar,
um mir Socken zu kaufen, muss ich mich überwinden. Meine
Frauen kaufen mir, was ich brauche.
RC: Mein perfekter Tag würde ziemlich ähnlich aussehen,
bis auf das Detail, dass er in Hawaii stattfinden würde.
Und wenn wir gerade schon am Träumen sind: Abends würde
ich dann natürlich noch ein Konzert spielen. Die Kinder
bekämen einen coolen Babysitter und ich und meine Frau
würden dann noch richtig einen drauf machen. Von der
Bühne kommen fühlt sich einfach gut an. Feiern und
Trinken macht danach einfach mehr Spass.
MF: Gary und Rob, nach diesen Worten danke ich euch
für eure Zeit!
GH: Gern geschehen!
RC (schaut auf die Uhr:) Ah, es bleibt noch mehr als
genügend Zeit, mich auf unseren Gig vorzubereiten.
MF: Wie bereitest du dich denn auf ein Konzert vor?
RC: Es klingt vielleicht etwas komisch, aber vor unseren
Konzerten mache ich gerne noch eine halbe Stunde oder so
Krafttraining. Ein paar Gewichte heben, ein paar Hanteln
stemmen und ich fühle mich gleich wieder fit nach
stundenlangem Herumsitzen in Bus und Garderobe. Wenn ich
dann auf die Bühne komme bin ich schon schweissnass und
adrenalingeladen und muss mich nicht erst warm spielen.
|
|
|