Da sitze ich jetzt also vor dem Bildschirm und kann
es eigentlich immer noch nicht richtig glauben! Ich
durfte mit der amerikanischen Sängerin Fiona Flanagan
anlässlich dem Release ihres brandneuen Albums «Unbroken»
mein allererstes Skype-Interview führen, und das dauerte
sage und schreibe über 45 Minuten! Ich rief Fiona zu
Hause in New Jersey an und fand eine total gut gelaunte
Gesprächspartnerin vor, die sichtlich darüber erfreut
war, dass sich die Leute wieder nach ihr erkundigen.
Eigentlich hätte sie im Herbst 2011 ja als Support von
House Of Lords im Z7 auftreten sollen, aber aufgrund der
akuten Krebserkrankung von Frontmann James Christian
wurde alles auf anfangs 2012 verschoben. Der Aktualität
wegen wurde dieses Interview somit aufgehoben und steht
heute quasi "frisch" zur Verfügung. Fiona lachte viel
während unserem angeregten Gespräch und gab mir
bereitwillig Auskunft. Dabei nahm sie kein Blatt vor den
Mund und wusste noch einige Geschichten aus der guten,
alten Zeit zu erzählen. "Wir müssen jetzt Schluss
machen, da ich eins meiner Kinder abholen muss!"
beendete das Gespräch. Die 50-jährige Sängerin zeigte
sich somit sehr bodenständig und das stattet die
Rückkehr ins Business mit Lebenserfahrung aus, was allen
Beteiligten zu Gute kommen dürfte!
MF: Fiona..., was war der Hauptgrund für deine Rückkehr
als Sängerin und was hast du die letzten 19 Jahre nebst
Ehemann heiraten und dem Aufziehen von zwei Kindern
gemacht?
Fiona: Nun, ich wusste gar nicht, dass ich wieder zurück
bin..., es fühlte sich zumindest nicht so an. Ich war
mir nicht sicher, was geschehen würde. Am Anfang war es
einfach Spass..., bis mich eines Tages Robin (Beck - MF)
anrief und dazu ermunterte, ein paar Songs zu machen. So
geschah es..., und sie war überzeugter davon als ich und
ich letztlich überrascht, dass es schliesslich passiert
ist. Ich hatte eigentlich keine Ahnung, was ich da
machte und es ist eigentlich eine 19 Jahre alte Frage.
Es ist noch schwierig für mich, das zeitlich richtig
einzuordnen. Ich ging zur Schule, machte dies, arbeitete
hier, machte das und hatte ein Kind..., ich lebte
einfach mein Leben, weisst du. Ich dachte in dieser Zeit
nicht viel an die Musik, spielte aber zwischendurch mit
meinen alten Freunden. Das bereitete mir immer Freude
und manchmal machte ich auch lächerliche Dinge, als
Leute fragten, ob ich an ihrer Hochzeit singen würde,
weil wir ja befreundet waren. Nun..., ich empfehle das
nicht weiter (lacht laut) - es war stets etwas
komplizierter, als es sich zuerst anhörte. Und dann fing
man an mich zu fragen, ob ich an Beerdigungen auftreten
könne und das lehnte ich jedoch klar ab! (lacht wieder)
MF: Das neue Album «Unbroken» ist eine pure
Fiona-Scheibe mit spürbaren Vibes der 80er, wovon einige
Songs neu sind. Gibt es auch alte, wiederbelebte Ideen
von früher?
Fiona: Oh ja! Ich glaube drei oder vier Songs schrieb
ich noch für das Album «Squeeze» (1992 - MF). John
Kalodner, der mich damals über Geffen gesignt hatte,
beeinflusste die Auswahl der Stücke und Marc Tanner (war
der Produzent - MF) ..., na ja, vielleicht sprachen sie
sich damals im Geheimen ab und ich verstand nicht, warum
gewisse Songs nicht zum Zuge kamen, weil ich sie sehr
mochte. So schickte ich diese zu James (Christian, dem
Sänger von House Of Lords und Ehemann von Robin Beck -
MF), nur um zu erfahren, was er davon hielt. Er dachte
wie ich und fand auch, dass das Material sehr melodisch
klang und er fühlte, wie es sich anhören sollte. Das tat
er dann auch und mir gefiel das sehr. Mich interessierte
es schon immer, wie sich das Ganze wohl vervollständigt
anhören würde und ich bin froh, dass ich es gemacht
habe.
MF: Deine Stimme ist immer noch unglaublich und du hörst
dich wie 25 an und nie, um es jetzt einmal erwähnt zu
haben, wie eine Frau im reiferen Alter. Welchen
Jungbrunnen hast Du da angezapft?
Fiona: (Kichert laut) - Was..., du bezeichnest mich als
alte Frau? Oh mein Gott... (lacht weiter) - Ich fühle
mich nicht wirklich älter als damals. Sheryl Crow ist
etwa gleich alt wie ich und ich denke nicht, dass andere
Leute ihr diese Frage stellen. Nun..., was ist mein
Jungbrunnen? Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung! Ich
bin über diese lange Zeit immer die Gleiche geblieben,
that's it! Und meine Stimme hat sich gut gehalten, wenn
man realistisch darüber nachdenkt. Darüber hinaus habe
ich weiter Gesangsunterricht genommen und die Power wird
aufrecht erhalten, wenn ich meine Kinder zurecht weisen
muss (lacht weiter) - Ich habe mir nie Sorgen um meine
Stimme machen müssen.
MF: Ich vermute jetzt mal, dass du das selber auf dem
Cover von «Unbroken» bist?
Fiona: Ja!
MF: Warum verdeckst du da dein Gesicht, du bist ja nicht
hässlich!?
Fiona: Das war eine gezielte Wahl und eigentlich steckt
ein künstlerischer Ansatz dahinter. Die Fotos entstanden
in kurzer Zeit..., wir mussten uns beeilen. Meine
Schwester arbeitet für die Vogue und ihr Mann ist
Fotograph. Wir machten dann ein paar Shots und ich muss
gestehen, ich war sehr ungeduldig. Als wir uns dann die
digitalen Bilder ansahen, dachten sie und ich zusammen,
dass es interessant aussah. Mit der künstlerischen
Brille betrachtet sah es dann eben anders aus als alles
andere. Auf vielen Covers sieht man sonst irgendwie das
Weltall, Graphik mit Engeln und so Zeugs. Da fand ich,
dass das Bild doch ganz speziell war und wir wählten es
aus. Robin hatte was dagegen, aber das war mir egal!
(kichert laut)
MF: War es schwierig, James Christian und Tommy Denander,
in Zusammenhang mit dem neuen Album, zur benötigten
Zusammenarbeit zu bringen, respektive sie davon zu
überzeugen?
Fiona: Nein! Ich denke, Robin sagte James, er solle es
tun! (lacht wieder) - Sie sagte wohl was in der Art
"James..., du musst das Album von Fiona bis am 30.
Januar fertig stellen!" Und er antwortete womöglich
entrüstet mit "was?". Wie dem auch sei..., vom House Of
Lords Album «Demon's Down» (1992) gab es noch weiteres
Material, aber an sich sprachen wir ein-, zweimal über
Tracks von Tommy, die eigentlich für die nächste Scheibe
von Robin angedacht waren. Sie dachten dann wow, das
hört sich ja ziemlich rockig an, also lass es uns Fiona
zusenden und mal sehen, was sie darüber denkt. Und ich
war sehr erfreut über die Qualität der Songs. Er
schickte einfach das Rohmaterial, ohne ausgearbeitete
Melodien und Texte, doch es waren ganze Stücke von vorne
bis hinten, nicht nur ein paar Ideen. "Boom!" - und
darauf ging alles ziemlich schnell von statten. Wir
buchten die nötige Lokalitäten und schauten, wann James
neben House Of Lords und anderen Dingen mal Zeit hatte.
Da brauchte es keine Überzeugungsarbeit.
MF: Aus total ungefähr wie vielen Songs wurden die elf
definitiven für das Album ausgewählt und wie stark
wirkte sich dein persönlicher Einfluss bei deren Auswahl
aus?
Fiona: Ich arbeitete eng mit James zusammen und sprach
nur mit ihm über die Songs. Als ich ihm dann mal was
schickte das ich mochte, war er nicht gerade angetan
davon. Für «Broken» hatte ich zu Beginn einige Melodien
am Start, die für ihn aber zu fest nach Aerosmith
klangen. Ich sang da ein paar schräge Sachen, worauf er
mir per e-Mail mitteilte, ich solle aufhören damit! (kicher)
- Meinem Ego schadet das nicht, wenn die Leute sagen, es
klinge schrecklich. Das ist mir egal und bringt mich
eher noch zum Lachen. James hielt aber an der Richtung
fest und meinte, ich solle auf der Schiene von
klassischem AOR und melodiösem Hardrock bleiben. Selbst
wenn ich es lieben würde, einen auf Country/Western zu
machen, solle ich es bleiben lassen. Zu einem Song, den
er toll fand, meinte ich, nein, der passt nicht zu mir.
So lief das ab und je länger das dauerte, desto besser
war das, was übrig blieb im Sinne von beidseitiger
Zustimmung.
MF: Ist «Unbroken» nun dein Abschiedsalbum oder doch
nicht? Wie sehen deine Zukunftspläne nun aus?
Fiona: Ich weiss es nicht und eigentlich überrascht,
dass ich es gemacht habe. Ehrlich gesagt bin ebenso
überrascht, jetzt gerade mit dir über Skype zu sprechen.
Ich habe keine konkreten Pläne, ausser dass ich mich
dazu entschlossen habe, die Sache mit dem Singen wieder
aufzunehmen. Ich würde auch gerne wieder mehr machen und
denke, dass ich das auch tun werde. Geplant ist aber
nichts..., ich habe..., keine Ahnung was ich habe...
(lacht wieder)
MF: Auf jeden Fall viel Spass...
Fiona: ..., ja, den habe ich.
MF: Diesen Herbst waren ja einige Konzerte in
Deutschland, Österreich und der Schweiz als Support von
House Of Lords geplant. Wegen der Krankheit von James
Christian wurden diese abgesagt. Wirst du House Of Lords
nun auch im kommenden Februar begleiten?
Fiona: Oh ja! Vorher werde ich aber im Dezember
(19.12.11 - MF) noch einen gemeinsamen Auftritt mit den
Jungs in Connecticut absolvieren. Da kann ich gleich
selber hinfahren! (lacht) - Und dann im Februar, und das
finde ich wunderbar, werde ich mit dabei sein. Ich habe
schon mit BJ Zampa (Schlagzeuger von HOL) über die Songs
gesprochen und in den nächsten paar Wochen mit der Band
zusammen kommen, um das Ganze auf die Reihe zu kriegen.
Das geht nächstens ab, aber eigentlich möchte ich die
Band jetzt gerne mal selber spielen sehen und auch
andere Konzerte besuchen, um wieder richtig auf den
Geschmack zu kommen. Das wird lustig.
Danach fragte ich Fiona, ob sie das "Sweden Rock
Festival" kenne (was sie verneinte) und lieferte ihr ein
paar Hintergrundinformationen dazu. Ausserdem erwähnte
ich den Comeback-Auftritt von Lee Aaron und auf die
Frage, ob sie auf Anfrage auch dort auftreten würde,
sagte sie sofort ja und fragte mich sogleich, welchen
Booker sie anrufen müsse. Zu Schweden fiel ihr sonst nur
Joey Tempest (Europe) ein und dass dieser eine
megafeiner Kerl sei.
MF: Weisst du, was zur Zeit in der Hard- und Heavy Szene
so abgeht, bist du interessiert an neuen, jungen Bands
oder magst du lieber noch das alte Zeug?
Fiona: Nun..., weisst du, ich mochte schon immer Ratt...,
sowas halt, aber sonst war ich kaum wirklich hinter was
her. Ich liebe das kraftvolle Feeling der Musik...,
AC/DC und so, aber was es heute so an wirklich dunklen
Bands gibt, hat nichts mit meinem alltäglichen Leben zu
tun. Ich kenne Mötley Crüe...
MF: ...und Chickenfoot vielleicht?
Fiona: Ja! Chickenfoot..., denn ich habe hier das "Fireworks
Magazine". Sammy Hagar ist ein unglaublicher Sänger und
das ist doch der (Ex-) Bassist von Van Halen, oder? Und
wer ist das hier? (Fiona hält mir die Zeitschrift
entgegen)
MF: Joe Satriani!
Fiona: Joe Satriani??? (sie sagt es ganz verwundert,
schon fast entsetzt)
MF: Ja natürlich...
Fiona: Holy cow..., und wer ist das mit den
Schlagstöcken in der Hand?
MF: Das ist Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers!
Fiona: Wow..., ich bin richtig ahnunglos, habe keinen
Schimmer! (kichert laut)
MF: Du musst unbedingt ihre Alben und auch die DVD
kaufen, am besten legst du dir die Dinger gleich unter
den Weihnachtsbaum!
Fiona: Genau das werde ich tun! Die letzte neue CD, die
ich mir gekauft habe, war die von Gavin Rossdale...
(singt die Melodie eines Songs) - Als ich das hörte, war
ich hin und weg und musste das Teil gleich haben. Aber
live, da liebe ich es, wenn es richtig rockt, darum
werde ich zu Chickenfoot gehen.
MF: Wenn ich eine gute Fee wäre, welche drei Wünsche
könnte ich dir erfüllen?
Fiona: Dass die drei Typen von vorhin in meiner
Supergroup spielen! (lacht sich fast einen Schranz in
den Bauch) - den Namen des Burschen (sie meinte den
Booker) vom "Sweden Rock" und..., dass die Leute mich
ins Z7 anschauen kommen!
Dann sprach ich Fiona noch auf ihre zarten Erfahrungen
als Schauspielerin an, da sie ja zum einen 1986 in der
«Miami Vice»-Folge «Little Miss Dangerous» mitspielte
und im Jahr darauf an der Seite von Bob Dylan und Rupert
Everett im mässig erfolgreichen Streifen «Hearts Of Fire»
mitwirkte. Im Film «The Doors» (1991) gereichte es noch
zu einer Nebenrolle als Groupie und das letzte
Engagement war schliesslich 1999 in einer mexikanischen
TV-Serie. Das war nie ihr Ding und sie sang lieber.
Trotzdem wollte sie die Erfahrungen nicht missen. Es
waren arbeitsreiche, hektische Zeiten. Für «Hearts Of
Fire» verweilte sie eine Zeit lang in England, was ihr
gut gefiel. Sie mochte den Regisseur Richard Marquand,
meinte jedoch, dass sie von Rupert Everett gehasst
wurde. Sie lernte viel, auch darüber, wie man einen Film
macht. Bei «Miami Vice» ging alles sehr schnell, man
wurde gecastet, eingeflogen und nach einer Woche war
alles vorbei. Weiteres Vorsprechen nach 1999 fand zwar
statt, aber sie wurde nicht mehr berücksichtigt und
somit die Sache gegessen.
MF: Wenn du dann als Support von House Of Lords
auftrittst, wie lange kannst du spielen? 45 Minuten oder
nur 30 Minuten?
Fiona: Wenn es nach mir ginge, könnte ich für vier
Stunden auf der Bühne stehen, aber ich weiss nicht, wie
lange sie mich lassen werden! (lacht)
MF: Ohne Facebook wäre dieses Interview in dieser Art
und Weise nicht möglich gewesen. Wir beide kennen aber
auch einen Lebensabschnitt ohne Handys, Smartphones und
so weiter. Trauerst du deshalb gewissen Dingen aus der
Vergangenheit nach?
Fiona: Mir war es damals recht, kein Handy zu haben. Als
das Ganze aufkam, trieb es schon seltsame Blüten. Ich
wollte nicht einfach ohne triftigen Grund angerufen
werden, aber die heutige, neue Technik ist schon toll
und die Vorteile wunderbar.
MF: Charakterisiere jedes deiner Alben mit drei (Stich-)
Wörtern! Wir beginnen mit «Fiona» von 1985...
Fiona: «Rescue You» (Song daraus), Peppi Marchello
(Produzent) und Jason Flom.
MF: «Beyond The Pale» (1986)...
Fiona: Beau Hill (Produzent), «Tragedy» (Song daraus)
und das Kennenlernen von Kip Winger (spielte Bass und
steuerte Backing Vocals bei) und Reb Beach (spielte
Guitar-Parts)
MF: «Heart Like A Gun» (1989)...
Fiona: Lynn Goldsmith (Photographin), Keith Olson
(Produzent) und Naldo (?), vielleicht meinte sich auch
Aldo Nova.
MF: «Squeeze» (1992)...
Fiona: Laura McDonald (Bassistin), Jimmy DeGrasso
(Drummer) und Marc Tanner (Produzent)
MF: «Unbroken» (2011)...
Fiona: Robin Beck (Freundin von Fiona), James Christian
(HOL), West Palmbeach.
MF: Lieben Dank an dich Fiona, es war mir eine grosse
Freude!
Fiona: Ich danke dir und wir werden uns in ein paar
Monaten sehen.
MF: Was möchest du zum Schluss deinen alten und
hoffentlich auch neuen Fans noch mitteilen?!
Fiona: Es ist ein Privileg für mich zu singen und dass
die Leute dies auch mögen. Ich bin total überrascht und
glücklich, liebe es zu singen und live aufzutreten. Ich
kann es kaum glauben, dass dies wieder geschieht und bin
sehr dankbar dafür. Ich hoffe, alle mögen die Musik,
denn es rockt wirklich!
Nachtrag: Dieses Interview mit Fiona Flanagan war wie
gesagt das Erste per Skype (Bild und Ton) überhaupt und
ich habe in all den Jahren noch nie so eine aufgestellte
und fröhliche Sängerin, respektive Künstlerin erleben
dürfen. Es sprudelte nur so aus ihr heraus und ich
musste jetzt aus über 45 Minuten Kontakt einfach das
Beste für die Leserinnen und Leser von Metal Factory,
wenn auch mit ein paar Monaten Verspätung, auf jeden
Fall noch aufbereiten! Inzwischen, das heisst am 12.
Februar 2012 fand das Konzert in der Galery in Pratteln
statt. Nach dem Kurzauftritt konnte ich unser Gespräch weiter
führen und sah mich darin bestätigt, eine wirklich tolle
und bodenständige Sängerin "aus meiner Zeit" kennen
gelernt haben zu dürfen.
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