Zusammenspiel ist immer noch
wichtig.
Sie haben die US-Thrash-Welle mitbeeinflusst und die Metalwelt
mit Alben wie «Doomsday For The Deceiver» und «No Place For Disgrace»
revolutioniert. Die Arizona-Metaller von Flotsam And
Jetsam mussten nach diesen beiden Klassikern jedoch viel Lehrgeld zahlen.
Nicht alles was sich zu Beginn so einfach anhörte und anfühlte, ging
danach ebenso locker weiter. Besetzungswechsel und teils auch halbgare
Werke pflasterten den Weg der Jungs aus Arizona. Trotzdem fand der
Fünfer den Weg aus der Krise und ist heute nach wie vor eine der
beständigsten Truppen auf den Konzertbühnen, die noch immer eine
unglaubliche Macht darstellen. Mit dem letzten Studioalbum «Flotsam
And Jetsam» und den dazugehörenden Konzerten als Support von
Destruction stellten sie Abend für Abend unter Beweis, dass die
Jungs um Urmitglied Eric A.K. ohne Wenn und Aber killen. Wie der
Sänger die Vergangenheit, die Gegenwart und die schwierigen Zeiten
der Band sieht, liess uns Eric beim Interview wissen. Eines dieser
Gespräche, bei dem der Interviewte kein Blatt vor den Mund nahm und
ausführlich über Vergangenes und Prägendes Auskunft gab.
MF:
Wann hast du mit der Musik begonnen?
Eric (laut lachend): Wann begann alles? Ich war gerade mal
fünf Jahre alt, als ich zum ersten Mal als Sänger vor Publikum trat.
Da sassen 500 Leute in der Schule, und ich sang ein Weihnachtslied.
Den Anwesenden hat das so gut gefallen, dass sie auf die Stühle
gestanden sind und mir applaudierten. So hat alles begonnen (lacht).
In der Highschool traf ich auf Kelly Smith. Wir sassen im Auto und
rauchten einen Joint, als er fragte: «Meine Band sucht einen Sänger,
kennst du jemanden?» Daraus ergab sich eine Probe mit den Jungs und
von diesem Zeitpunkt an war ich der neue Sänger von Flotsam And
Jetsam. In der ganzen Zeit hatte ich einen Vocal-Coach. Das war
David van Landing, der bei der Michael Schenker Group und auch mal
bei Crimson Glory sang. Das war vor der vierten Flotsam-Platte.
Damals war meine Stimme in einer schlechten Verfassung.
MF: Wie hast du dich gefühlt, als du zum ersten Mal
eine Flotsam And Jetsam-Platte in den eigenen Händen gehalten hast?
Eric: Das war verdammt cool und ich wusste, das war der
Beginn meiner Rockstar-Karriere (grinst). Ich war bereit für alles
(lacht). Seit dieser Zeit durchlebe ich eine interessante und
prägende Lernphase. Noch heute lerne ich viel, wie die Industrie
funktioniert. Es ist wichtig, dass man mit offenen Augen durchs
Leben geht (grinst).
MF: Hast du dich jemals wie ein Rockstar gefühlt?
Eric: Oh ja!!! Damals bei der «Quatro»-Platte. Ich flog
nach New York, um Pressetermine wahr zu nehmen. Die Plattenfirma steckte
mich in eine Limousine und in die teuersten Hotels. Alles was ich
wollte, wurde mir hingestellt. Da fühlte ich mich wie ein richtiger
Rockstar, der es geschafft hatte. Allerdings nur für einen sehr
kurzen Moment (lacht)!
MF: Kurz aber intensiv?
Eric: Oh ja, sehr kurz und sehr intensiv (lacht)! Wir waren
auch in England, um das Album zu promoten, gaben Interviews und
spielten ein paar Shows. Ich fühlte mich noch immer wie ein
Rockstar, musste aber mein Lehrgeld bezahlen und habe einiges
gelernt seit diesem Zeitpunkt (lacht).
MF: Wie schwer ist es für einen Musiker auf dem
Boden zu bleiben und nicht abzuheben?
Eric: In der heutigen Zeit ist das völlig leicht. Diesen
Rockstar-Status gibt es nicht mehr. In diesem Geschäft musst du auf
allen Stellen verdammt hart arbeiten, um etwas zu erreichen. Es
spielt keine Rolle, welche Art von Musik du spielst. Ob es nun Rap,
Country, Pop oder Metal ist. Arbeitest du nicht hart genug dafür,
wirst du schneller weg vom Fenster sein, als du jemals ein Teil des
Business warst. Stehe früh am Morgen auf, sei ein professioneller
Musiker, gehe früh zu Bett, stehe früh am Morgen auf, sauge alles
auf, das dich zu einem noch professionelleren Musiker macht…
Verstehst du? Alles andere bringt dich schneller von deinem Traum
weg, als du denken kannst!
MF: Waren die ersten
beiden Scheiben für euch mehr ein Fluch oder ein Segen?
Eric: Alles was wir in unserer Karriere taten, war eine
gute oder schlechte Entscheidung und hat uns dahin gebracht, wo wir
heute sind. Darum sehe ich in unserer Karriere nichts als Hindernis
an. Alles war eine gute Erfahrung und hat uns dahin geführt,
wo wir heute sind. Speziell die schlechteren Entscheidungen! Was
nicht bedeuten soll, dass uns nur schlechtes widerfahren ist
(lacht). Oder dass wir nur solche machten…
MF: …tu
dies nie wieder…
Eric (lachend): …genau! Für unsere Fans sind die ersten
beiden Scheiben die wichtigsten in unserer Karriere. Viele davon
haben sich nicht mit dem befasst, was danach von uns veröffentlicht
wurde. Schreiben wir neue Lieder, stellen wir die Setliste zusammen
und gehen auf Tour, sind diese beiden Alben immer im Hinterkopf.
Keine Scheibe sehe ich als Blocker oder Untergang an, sondern als
ein Lernprozess. Darum glaube ich auch, dass unser neustes Werk das
Beste ist, das wir je veröffentlicht haben. Es gibt keine Songs, die
ich schlecht finde oder die ich hätte besser machen können. Schaue
ich auf alle Flotsam-Scheiben zurück, finde ich immer wieder Füller,
welche nur das Produkt zusammenhalten. Bei «Flotsam And Jetsam» sehe
ich die Lieder nicht als Füller, sondern dass sie für die
unterschiedlichen Geschmäcker der Fans der jeweilige neue Favorit
sein können. Ich bin verdammt stolz auf die Scheibe (grinst). Ich
denke auch, dass uns das Songwriting einfacher von der Hand geht
als früher. Alleine die Technik im Studio hat vieles vereinfacht. Du
klickst heute auf ein paar Knöpfe und der Sound fühlt sich
voluminöser, oder wie ein Tape aus den 80er-Jahren an (grinst).
Jeden Effekt, alles kannst du heute auf völlig einfache Art
hinzufügen oder wegretouchieren. Es ist aber viel schwieriger,
dieses warme Gefühl hinzubekommen. Jenes, welche eine Band
verbreitet, wenn sie im gleichen Raum steht und die neuen Songs
einspielt. Es ist alles eine Frage, wie man sich die Technik zu
eigen macht und sie anwendet. Für uns ist es wichtig, dass wir alle
im gleichen Raum stehen, die neuen Stücke spielen und fühlen oder
an ihnen arbeiten. Logisch arbeiten alle zu Hause ihre Parts aus,
aber es ist wichtig, dass wir diese Elemente zu einem Stück
verbinden und sie zumindest einmal zusammen gespielt haben, bevor
wir ins Studio gehen. Alle zusammen, Kopf an Kopf, das ist ein Muss!
Das kann anders nicht funktionieren! Sendest du dir irgendwelche
E-Mails und Dateien zu, kann dabei kein Bandfeeling entstehen
(lacht). Spiel den neuen Stoff laut, brich im Mittelteil ab und
diskutiere, wie sich das anders anhören muss (grinst). Diese
Diskussionen, wie sich der Song anfühlen muss, sind in der kreativen
Phase unglaublich wichtig. Das entpuppt sich viel einfacher im
Proberaum, als wenn du über deinen Laptop Dinge verschickst.
MF: Wieso haben Kelly (Kelly David-Smith, Drums) und Ed
(Edward Carlson, Gitarre) die Band verlassen?
Eric: Kelly hatte das Gefühl, dass er seine Familie zu
stark vernachlässigte. Um nicht noch mehr Ärger zu bekommen, hat er
die Band verlassen. Er wollte bei seinen Kindern sein. Zudem bekam
seine Frau noch gesundheitliche Probleme. Es war sein Wunsch bei
seiner Familie zu sein. Er hat uns Jason Bittner (Shadows Fall)
empfohlen. Nun haben wir Jason und sind verdammt traurig… (lautes
Lachen!) Nein, er tritt uns jeden Abend in den Allerwertesten und
macht einen verdammt guten Job! Ed hatte andere Probleme. Er hatte
ein Drogenproblem und soff sich die Birne weg. Ausserhalb der Band
wurde ihm das klar, spielte er bei uns, tauchte er in dieses
Rockstar-Klischee ein. Er konnte nicht mit uns auf Tour gehen und
clean bleiben. Ed ist ein grossartiger Freund, wie ein Bruder zu
mir. Es ist mir viel wichtiger, dass er clean und glücklich ist, als
dass er bei mir in der Band spielt. Heute gehts ihm gut und das ist
für mich immens wichtig und macht mich glücklich.
MF: Wenn wir schon dabei sind: Sex, Drugs And
Rock'n'Roll..., ein Klischee oder das Wahre?
Eric: Du kannst dich nicht von diesen Dingen befreien! Das
ist der wahre Teil des Rock'n'Rolls (lacht). Noch heute! Es ist
unglaublich, noch heute stehen plötzlich Leute neben dir und bieten
dir eine Kokslinie an. Verpiss dich Alter oder zieh dir den Scheiss
selber rein (grinst)!
MF: Wie oft wolltest du den
Bettel bei der Band hinschmeissen?
Eric: Es war oft frustrierend wenn man mitansehen musste,
wie andere mehr Geld verdienten und weniger dafür taten. Das führte
auch dazu, dass ich für ein geregelteres Einkommen kurzzeitig bei
Flotsam ausgestiegen und durch James Rivera (Helstar, Vicious
Rumors) ersetzt worden bin. Es dauerte aber nicht lange, dass ich
die Jungs und die Truppe vermisste und mich völlig beschissen
fühlte. Weisst du, des Geldes wegen musst du in keiner Band spielen.
Trotzdem musst du deine Rechnungen daheim zahlen können. Die Fans
helfen mir das tun zu können, was ich schon immer wollte. Sei es
hier mit einem Interview, oder weil die Fans unsere CDs kaufen. So
habe ich viele Freunde auf der ganzen Welt getroffen und wir sind
mittlerweile zu einer grossen Familie zusammengewachsen. Sie
diktieren mir immer, welche Lieder wir auf Tour spielen sollen, aber
das ist okay (lacht).
MF: Nach über 35 Jahren im Musikbusiness, welches
Fazit ziehst du?
Eric (überlegt lange): Das ist eine verdammt gute Frage…
Über all die Jahre habe ich Millionen von Bands gehört oder auf der
Bühne gesehen. Die einzigen, welche in all den Jahren überlebten,
hatten Talent und fakten nicht mit technischen Hilfsmittel ihre
Unfähigkeit weg. Klar gibt es viele Truppen, die sich mit Tonnen von
Geldscheinen für eine Reunion locken lassen. Auch wenn alles nach
Scheisse klingt, finden es die Leute noch immer geil (grinst). Das
passierte in den letzten Jahren oftmals. Aber eines hat sich
bewahrheitet, hast du kein Talent, wird dich die Zeit einholen und
nicht mehr ausspucken. Gute Musiker können alles spielen und sich
so an der Wasseroberfläche halten. Es ist eine Frage dessen was du
liebst und was dich selber glücklich macht.
MF: Was war früher für dich wichtig, und was ist es
heute?
Eric: In der Vergangenheit! «Who is the next chick? Where
is the next line of cocaine? Who's got the next joint or Jack
Daniels?» Das war wichtig, damit wir unser Rockstarleben geniessen
konnten. Heute… Ich brauche dieses Rockstar-Ding nicht mehr, um zu
glauben, dass mich alle Leute lieben und vergöttern. Es ist wichtig,
dass ich mental auf der Höhe bin. Die Musik bedeutet mir mehr als
vieles anderes. Ich liebe es mit den Fans auf Tour zu sprechen.
Leute, welche über all die Zeit zu unseren Freunden wurden und uns
immer unterstützten. Es wurde wichtiger, dass wir gute neue Lieder
schreiben. Glücklich damit zu sein, dass wir noch immer Platten
veröffentlichen können und zu vermeiden, dass wir Füller auf einem
neuen Werk haben. Ich möchte heute auch in zehn Jahren meine Alben
hören und stolz auf sie sein. Es gab ein Album, bei dem ich alle
Texte im Studio schrieb, bevor ich die Songs einsang. Damals dachte
ich, dass die Lyrics unglaublich toll sind. Höre ich sie mir heute
an, schäme ich mich dafür (grinst). Die Musik ist wirklich viel
wichtiger geworden als alles andere.
MF: Was ist das
Geheimnis, dass deine Stimme immer noch dermassen gut klingt?
Eric: Ich habe keine Ahnung! In der Vergangenheit fühlte
ich mich wie Superman, zog mir die nächste Linie Koks rein, soff
mir die Birne weg und legte das nächste Mädchen flach. Dabei sang
ich am nächsten Tag noch immer grossartig! Heute ist das ein
verdammt harter Job geworden, alles im Gleichgewicht zu halten
(grinst). Drogen gibts bei mir nicht mehr. Ein paar Jack Daniels
sind okay, aber erst nach der Show. Jeden Tag muss ich meine Stimme
aufwärmen, trinke viel Wasser und mache viele Dinge, die ich nie
tat, als ich jünger war (lacht). Wärme ich meine Stimme heute Abend
auf, tue ich dies für morgen Abend. Lasse ich dies weg, kacke ich
morgen auf der Bühne völlig ab.
MF: Was machst du in deiner Freizeit?
Eric: Einiges, ich habe eine Putzfirma, welche Häuser
für die nächsten Mieter wieder in Ordnung bringt. Dann fliege ich
Helikopter, und dies aus purem Spass. Zudem hänge mit meinen Kindern
herum. Das sind meine Beschäftigungen, wenn ich zu Hause bin. Mein
jüngstes Kind ist 16 und mein ältestes 32 (lacht).
MF: Dann wünsche ich dir alles Gute für die Zukunft
und danke für das tolle Interview!
Eric: Keine Ursache, ich danke dir für die Zeit.
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