Noch bevor das in der Heimat mit Spannung (wenn auch
nicht von allen) erwartete neue Album «Hoodoo» von
Krokus im nächsten Jahr, also 2010, das Licht der Welt
erblickt, legten Gotthard mit "Need To Believe" eine
sackstarke, neue Platte vor. Und je länger ich mir das
Teil anhöre, desto besser gefällt es mir! Der Trend hin
zu wieder klar rockigeren Tönen setzte spätestens mit «Lipservice»
(2005) ein, wurde bei «Domino Effekt» (2007)
konsolidiert und erfährt nun den vorläufigen Höhepunkt.
Vor den fünf, vorweihnachtlichen, Schweizer
Hallenkonzerten waren Steve Lee und Co. schon fleissig
unterwegs und konnten sich mit über 40 Auftritten
richtig warm spielen. Nach dem Auftakt in Chur nistete
sich der Tross in Sursee ein, wo ich vor dem Konzert die
Gelegenheit hatte, mit Gitarrist Freddie Scherer ein
paar Takte zu plaudern. Dabei kam auch die Zeitungs-Ente
der Pendler-Zeitung 20minuten zur Sprache, wo es hiess,
dass das Konzert von Hamburg mangels Interesse abgesagt
wurde. In Tat und Wahrheit lief es nämlich sehr gut auf
der Tour! (FS = Freddie Scherer)
MF: Ihr habt jetzt schon über 40 Gigs auf der neuen Tour
gespielt! Wie war's bisher, wo der Zuspruch am grössten
und wo allenfalls am schwächsten?
FS: Also ich würde sagen..., die grösste Überraschung
für uns war..., denke ich..., wo wir es nicht erwartet
haben..., wo wir dachten, da läuft etwas falsch, weil
die so extrem geschrien haben..., war als Vorgruppe von
Deep Purple! Diese Woche in Marseille..., also das haben
wir vielleicht als Headliner in Spanien, in Madrid so
erlebt, aber sonst nirgends. Als Antwort darauf..., also
danach, nach dem Gig kam Don Airey, der Keyboarder von
Deep Purple, zu uns in die Garderobe und sagte "Jungs,
ihr habt Glück gehabt, dass Richtie Blackmore (g) nicht
mehr bei uns ist, denn der hätte euch nach so einem
Erfolg noch am gleichen Abend wieder nach Hause
geschickt! Das war wirklich die grösste Überraschung und
das Schöne war noch, dass Steve Morse auch noch seinen
Kommentar dazu abgegeben hat. Das erhöht den Erfolg
natürlich noch ein bisschen. Spanien war super,
Deutschland sehr gut..., wir haben, wie immer wenn man
vierzehn Konzerte macht, einen oder zwei dabei die OK
sind, drei bis vier Sensationelle. Der Höhepunkt war
bestimmt München..., in der Olympiahalle, wo Anzahl
Leute, die Stimmung..., wie alles gelaufen ist..., der
Plausch der Band, sensationell gewesen, die Kulisse...,
England sehr gut, aber wie erwartet. Wo ist es schlecht
gelaufen? Vielleicht die ersten zwei Konzerte in
Deutschland (Bremen und Hamburg - MF), wo wir angefangen
hatten mit der Produktion..., das hat nichts mit
"Schlecht" zu tun, sondern eher damit, wieder richtig
rein zu kommen. Wir haben natürlich auch mehr Erfolg im
Süden als im Norden, das heisst bis dreimal so viel
Leute! Dem entsprechend..., aber weniger Leute muss
nicht unbedingt heissen, dass es Schlechtere sind.
Darauf sprach ich mit Freddie die Zeitungsente in der
Pendler-Postille «20minuten» vom 9.11.09 an, wo von
einer Konzertabsage in Hamburg die Rede war, weil es zu
wenig Fans gehabt haben soll. Mit keinem Wort wurde
jedoch erwähnt, dass es sich hierbei um ein
Zusatzkonzert gehandelt hatte, nachdem tags zuvor am
gleichen Ort vor ausverkauftem Haus gespielt werden
konnte. Freddie überflog den mitgebrachten Artikel kurz
und stellte fest, dass tatsächlich nirgends was von
diesem Zusatzkonzert zu lesen war. Er meinte darauf,
dass dies typisch für einen Journi sei, der sich einfach
profilieren will. Der Vorverkauf laufe sehr gut und man
spiele immer in sehr gut besuchten oder ausverkauften
Hallen. Von dem her sei diese Angelegenheit erledigt,
obwohl so ein Bericht schon dazu führen könne, dass sich
der eine oder andere überlegt, ob er jetzt ans Konzert
gehen soll. Aber eine solche Meldung bewirke nicht viel,
ausser dass der Journi in der Redaktion was davon hat,
positiv oder negativ.
MF: Auf der Deutschland-Tour im November waren ja Europe
mit dabei. Wie habt ihr sie erlebt, denn sie sind
stärker denn je?!!
FS: Sie sind stärker denn je..., einzig, worüber wir
etwas enttäuscht waren..., dass wir gehofft hatten, dass
sie etwas mehr Leute anziehen, stärker angesagt sind.
Die Platte ist also rausgekommen..., ich finde sie
sensationell, aber abgesehen davon..., findet sie
zumindest in Deutschland nicht so viel Zuspruch. Ich
Schweden haben sie sehr grossen Erfolg, in England auch
ein wenig..., aber in Deutschland..., das weiss
niemand..., wir hatten wirklich gedacht, dass da noch
ein Schub kommt, was auch damit zusammen hängt, dass wir
das letzte Mal (November 2008) mit Deep Purple als deren
Support unterwegs waren. Also wir hatten schon unser
Publikum..., so 90% waren Gotthard Fans dort. Wir
dachten halt, dass Europe noch etwas mehr Leute ziehen,
aber die Band war gut drauf..., über John Norum muss man
eh nichts mehr sagen und Joey Tempest ist ein geiler
Sänger und guter Entertainer. Die Jungs waren super
drauf..., wir hatten in Würzburg einen Abend zusammen
verbracht, die ganze Crew. Sie und wir waren zusammen
essen und der Promoter hatte alles bezahlt! Wir haben
uns sehr gut verstanden und unterhalten, das sind gute
Jungs.
MF: Ihr seid für ein einziges Konzert nach Japan
geflogen! Wieso habt ihr dort nicht noch ein paar
Konzerte drangehängt?
FS: Es war zeitlich effektiv nicht zu machen. Wir hatten
gerade noch Zeit gefunden heim zu kommen..., es wurde
erst einen Monat davor zugesagt und dann ist es zu spät.
Da kannst du kurzfristig nicht noch eines anhängen. Wir
hatten zu Hause zwei Tage Zeit, die Sachen zusammen zu
packen, um auf Tour zu gehen..., mehr wäre gar nicht
drin gelegen.
MF: «Need To Believe» ist mit Sicherheit das beste wie
reifste Album der letzten Jahre. Wie stark schätzt ihr
es selber ein?
FS: Momentan..., zum jetzigen Zeitpunkt ist jeder noch
voll Fan..., wir finden es wirklich geil. Wir bereuen
gar nichts, was wir gemacht haben, im Gegenteil. Aber
ich sage es ehrlicherweise immer so, du kannst es erst
zwei Jahre später beurteilen. Eigentlich..., wenn die
nächste heraus kommt, ist für mich immer die Zeit
gekommen, zurück zu schauen und sich zu sagen ok, du
hast jetzt ein neues Produkt..., wie stellt sich das zum
älteren? Dann kannst wirklich sagen zeitlos, weniger
zeitlos..., klar..., wir sind seit Februar fertig mit
den Aufnahmen, aber trotzdem..., das ist immer noch
frisch, und es wäre komisch, wenn wir jetzt schon nicht
mehr Fan davon wären. Dann hätten wir Vieles falsch
gemacht.
MF: Nicolò Fragile spielt auf den Alben Keyboards und
live ebenso. Wie wär's mit einem sechsten, vollwertigen
Member in der Band?
FS: Es ist so..., Nicolò Fragile ist hauptsächlich ein
Produzent und spielt nebenbei bei uns noch Keyboards.
Das heisst, wenn er Zeit hat, kommt er..., und Tourneen
sind für ihn wie eine Art Ferien von seinen
Produktionen, die er macht. Vom dem her, hat sich diese
Frage eigentlich erledigt. Er ist Produzent, aber auch
ein sensationeller Musiker.
MF: Das letzte, ofiizielle Live-Album «Made In
Switzerland» ist von 2005. Wann kommt das nächste?
FS: Keine Ahnung! Also mit den Köpfen sind wir..., wir
haben jetzt noch vier Konzerte vor uns..., immer noch am
Set, am Studieren..., wollen wir dieses Intro jetzt
länger oder doch kürzer machen? Frag mich anfangs
nächstes Jahr wieder, dann kann ich dir vielleicht mehr
sagen. Momentan sind wir voll in der Tournee drin.
MF: Eure Musik der jüngeren Vergangenheit trägt viele
Vibes von Deep Purple, zum Beispiel zu «The Battle Rages
On»-Zeiten. Habt ihr das beim Songschreiben einfach im
Blut oder lasst ihr euch direkt inspirieren?
FS: Ersteres! Ich sag's mal so..., unbewusst. Wenn du
Riffs kreierst, spielst oder jammst, dann merkst du
vielleicht erst im Nachhinein uhmm, das tönt jetzt
womöglich wie Dies oder Das. Wenn es jetzt ein geiles
Riff ist und nicht 1:1 geklaut, dann lassen wir's
auch..., selbst wenn es gewisse Ähnlichkeiten besitzt.
Wenn der Song ansich nicht gleich ist..., dann klaut man
es nicht..., wenn man jammt, ist es schneller passiert,
als man denkt. Und es gibt halt weiss Gott mehr als
hundert geile Rock-Songs in den letzten vierzig Jahren.
Das passiert halt radibutz, oder... (dt: schnell
einmal). Wie gesagt, wenn es nun wirklich zu nah an
etwas ist, dann eliminieren wir es. Sonst halt in Gottes
Namen..., ist es halt passiert.
MF: Ihr seid bis jetzt (ausser dem Japan-Gig) nur in
Europa unterwegs gewesen. Was ist mit U.S.A, Kanada,
Australien, Russland, China?
FS: Ähh..., also jetzt muss ich zuerst überlegen, was du
alles gesagt hast..., Russland kommt sicher noch, davon
gehen wir aus..., Amerika kommt..., wenn es kommt,
kommts..., sonst ist es uns egal, weil wir in Europa
wirklich genug zu tun haben. Wir werden eben nochmals
nach Japan gehen, weil wir keine Zeit hatten..., das
heisst Asien und wenn wir nach Japan gehen, steht
Russland sowieso auf dem Programm, weil es auf dem
Rückflug liegt. Australien wäre spannend und ich sage
jetzt mal Kanada wäre auch mal spannend. Amerika...,
glaube ich, wenn nicht etwas Spezielles passiert, eher
nicht..., nein.
Dann zeigte ich Freddie eine Bootleg-CD mit dem Titel «B-Sides»,
die er bloss aufgrund des offiziellen Aufdruckes von SPV
(dem mittlerweile konkursiten Vertrieb) als offiziell
bezeichnete. Das ist sie aber mit Sicherheit nicht und
obwohl die Zusammenstellung ziemlich kultig ist (also
zum Beispiel auch viele der Japan Bonus-Tracks enthält,
stünde so ein (offizieller) Release als Goodie für die
Fans nicht
zur Diskussion.
MF: «Lift U Up» ist zwar unbestritten ein Live-Kracher,
mir persönlich aber viel zu platt, zu glatt, zu cheasy...,
was auch immer. Stand für «Need To Believe» eine
ähnlicher Song zur Auswahl, der es aber offensichtlich
nicht auf's Album geschafft hat?!
FS: Ich würde es mal so sagen..., wir haben am
Schluss..., wenn ich mich richtig erinnern mag, waren es
an die 20 bis 22 Songs. Da haben wir dann mehr darauf
geschaut, was zusammen passt für die 11 oder 12 Lieder.
Da kann es natürlich sein, dass der eine oder andere
Song zwar auf ein Album von Gotthard gepasst hätte, aber
von der Zusammenstellung her nicht auf dieses. Aber ich
habe das nicht mehr so genau im Kopf, welchen wir jetzt
links haben liegen lassen. Meistens kommen solche in die
Schublade und in der Regel, bevor wir mit der neuen
Platte anfangen, hören wir uns das alte Zeug ein Mal
komplett an und schauen, ob noch was da ist und dann
legen wir los.
MF: 2009 war wirtschaftlich gesehen ein ziemlich
schwieriges Jahr. In welcher Form färbt das auf eine
Rockband wie Gotthard ab?
FS: Es färbt..., ich habe immer das Gefühl..., wenn es
der Wirtschaft, den Leuten schlecht geht, wenden sie
sich mehr und intensiver der Musik zu. Das heisst die
Leute brauchen mehr Erholung, mehr Fun, mehr neben ihrem
grauen Alltag. Eigentlich..., die Musik profitiert. Wo
sie wiederum nicht profitiert, ist, wenn die Leute kein
Geld mehr haben, um an Konzerte zu gehen. Also..., was
ist jetzt Plus und was Minus? Also ich denke, man
gewinnt und man verliert. Klar..., für die Leute ist das
keine schöne Geschichte, aber deine Frage war ja, wie
sich das auf Musiker abfärbt..., zum Teil..., würde ich
sagen..., profitieren gewisse Bands von dieser
Situation.
MF: Was ist eure Meinung (wenn ihr denn eine habt) zur
ganzen Islam-Debatte, auch von wegen der
«Minarett-Initiative»? Spürt ihr unterwegs als Schweizer
bereits etwas davon?
FS: Nein! Ich habe eigentlich mehr wegen unserem
Kollegen da..., den wir in den Käfig gesteckt haben und
der jetzt wieder draussen ist..., Polanski! An unserem
Day-Off in Paris sind wir mit einem Taxi-Fahrer in ein
Restaurant gefahren und da fragte er, woher wir sind...,
ah Schweizer..., Schweizer Band..., jaaa..., was macht
ihr da mit unserem Polanski? Du sorry haben wir
erwidert..., da können wir nichts dafür. Also ich glaube
in Frankreich damals, also das war noch vor der
Minarett-Initiative, war das ein Thema. Du..., wir sind
keine politische Band und ich will hier nicht mein
Statement abgeben. Gotthard sind nicht wie Bruce
Springsteen oder Sting..., auch nicht Bono.
MF: Die Schweiz ist 2010 bei der Fussball-WM in
Südafrika mit dabei! Werdet ihr auch die Spiele der
Schweizer Mannschaft anschauen und die WM generell?
FS: Ja, und zwar definitiv! Wenn es irgendwie möglich
ist..., weil das ist für mich was vom Geilsten..., WM,
EM..., das hat für mich absolute Top-Priorität. Also da
muss schon ein wichtiges Konzert anstehen, dass man
nicht jedes Spiel anschaut, aber sonst stellen wir halt
einen kleinen Fernseher auf die Seite der Bühne hin.
MF: Nächstes Jahr findet ja in Balingen das 15.
BYH-Festival statt. Krokus sind ja gesetzt und werden
das neue Album mitbringen und Songs performen. Wie steht
es mit euch? Wäre das was (mit oder ohne Krokus) für
euch?
Freddie meinte, dass es unerheblich sei, ob Krokus (als
zweite Schweizer Band) mit dabei wären oder nicht. Ob
eine Anfrage für Gotthard hängig sei, wisse das
Management in England und falls beide Bands tatsächlich
aufspielen würden, sollte es womöglich nicht gerade am
gleichen Tag sein, um Stress-Situationen zu verhindern,
zumal Gotthard aufgrund der Chart-Platzierungen ja nach
Krokus dran wären. Diese möchten aber in Zusammenhang
mit dem neuen Album sicher ihr Ding durchziehen, aber da
habe ja der Organisator das letzte Wort.
MF: Last famous words an unsere Leser und die Schweizer
Gotthard Fans...
FS: Du..., ja..., ich weiss nicht, ob es noch reicht...,
kommt an unsere Konzerte..., aber ich denke, bis das
Interview raus kommt, sind unsere Konzerte durch...
MF: ...., ja..., wahrscheinlich schon... (Recht sollte
er haben... - MF)
FS: Ja..., ich würde sagen..., nächstes Jahr spielen wir
wieder in der Schweiz. Das Wichtigste ist immer: Kommt
an unsere Konzerte, schaut rein, feiert ein Fest und...,
that's it! Die Schweizer kennen Gotthard und ich denke,
ein geiler Gotthard-Gig ist immer angesagt.
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