Die deutschen Teutonen-Metaller Grave Digger rocken
wieder im Schottenrock. „The Clans Are Rise Again“
widmet sich genauso wie das 1996er-Album Tunes Of War
der Schottland-Thematik. Wie die Schotten haben aber
auch Grave Digger mit dem Schicksal zu kämpfen. Nach der
einvernehmlichen Trennung mit dem lang jährigen
Gitarristen Manni Schmidt sah es zuerst düster für die
Deutschen aus. Neue Perspektiven ermöglichte die
Verpflichtung des Domain-Gitarristen Axel Ritt. Aber
auch dieser kann nichts ausrichten, wenn die Obrigkeit
ihre Rechte einfordert. Ein langer Aufenthalt beim
Schweizer Zoll verhinderte zum Glück nicht das Konzert
in der Luzerner Schüür, dafür das Interview mit dem
fleissigen Metalfactoryaner. Eine knappe Woche später
klappte das Gespräch dann doch noch ohne Zollauflagen
per Telefon. Und sogar die Leitungen hielten der
geballten Informationsladung stand.
MF: Ihr habt ja erst kürzlich in der Schüür Luzern
gespielt. Wie war das Konzert für dich?
Chris Boltendahl: Ich fand es eigentlich sehr schön. Es
ein sehr netter Ort und es war in einem überschaubaren
Rahmen. Es waren sehr nette Leute da, und auch die Jungs
vom Metal-Never Dies-Verein, die das Veranstaltet haben,
waren sehr nett und zuvorkommend. Das war eine sehr
runde Veranstaltung nach dem strengen Tag.
MF: Das heisst, dass sich der Aufwand dann trotzdem
irgendwie gelohnt hat?
CB: Der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt. Die
Stimmung war gut, und wir hatten eine Menge Spass auf
der Bühne. Da war schon alles super.
MF: Ihr habt ja anschliessend in Luzern übernachtet.
Konntet ihr da am nächsten Tag noch was anschauen gehen?
CB: Nein, wir sind da am nächsten Tag mit dem
überladenen Neun-Sitzer nach Deutschland zurückgefahren.
Wir hatten ja wieder 650 Kilometer vor uns.
MF: Aber von der Schweiz hast du in den 30 Jahren als
Musiker doch schon mehr gesehen als nur das Z7?
CB: Ja, auf jeden Fall. Ich bin früher oft nach
Griechenland gefahren und bin da in Italien auf die
Fähre. Darum war ich oft mit dem Motorrad in der
Schweiz. Von daher ist die Schweiz kein Neuland für
mich.
MF: Bleiben wir noch bei den Konzerten: Das war ja
sozusagen das Ende der Tour zum letzten Album. Ihr habt
dann aber trotzdem noch eines der neuen Lieder gespielt.
CB: Ja, das haben wir einfach mal so als Test für die
Tour gemacht. „The Clans Are Rise Again“ ist ja
sozusagen die offizielle Single, obwohl die nicht als
solche veröffentlicht wurde. Aber wir wollten einfach
mal sehen, wie sie live funktioniert. Wir fanden das
auch sehr zufrieden stellend, wie die Leute darauf
reagiert haben.
MF: Ihr geht ja dann im nächsten Frühling mit Grand
Magus und Sister Sin auf Tour.
CB: Ja, und ab Anfang Februar sind wir in Russland für
1½ bis 2-Wochen auf Tour. Da kommen noch ein paar
Konzerte dazu. Und ab dem 24. März sind wir dann in
Europa auf Tour mit Grand Magus und Sister Sin.
MF: Gehen wir zurück zu Anfang 2009. Ihr habt ja dazu
geschrieben, dass es damals für die Band nicht so gut
ausgesehen hat. Was bedeutet das? Dass ihr da
Auflösungserscheinungen hattet?
CB: Ja, gut. Wenn du den Gitarristen verlierst, dann
machst du dir schon mal ein paar Gedanken. Das war schon
eine recht traurige und blöde Angelegenheit. Aber das
war ja nicht der erste Rückschlag, den wir in unserer
Karriere hinnehmen mussten. Deshalb haben wir uns auf
unsere Tugenden besonnen und haben gesagt: „Gut wir
hatten zwei Gitarristen, lange hatten wir nun einen. Wir
werden nur einen ersetzen und das muss ein guter Mann
sein. Und so wollten wir dann wieder durchstarten.
MF: War Axel zuerst nur als Studiogitarrist und als
Aushilfe für die Tour gedacht? Oder hattet ihr den schon
immer im Hinterkopf als festen Gitarristen?
CB: Nein. Zuerst war er als Ersatz für die Konzerte
gedacht. Das hat sich aber wirklich gut angefühlt, von
Anfang an. Die Stimmung war gut. Okay, ich kannte Axel
ja auch schon seit sehr langer Zeit. Dann waren wir
zusammen in Brasilien und das war schon eine Art
Härtetest. Er kam aber wirklich auch gut an. Und die
Stimmung in der Band war gut. Über seine musikalischen
Qualitäten braucht man sich ja nicht zu unterhalten. Die
kennt man ja von Domain und weiss, dass er ein sehr
guter Gitarrist ist. Ende des letzten Jahres kam er dann
mit ganz vielen Riffs um die Ecke. Und so haben wir uns
gesagt, dass das der richtige Mann ist, und dass er halt
gleich zwei Gitarristen ersetzt.
MF: Das heisst, dass er auch bereits am Songwriting
vom neuen Album beteiligt war?
CB: Ja, er war ein ganz wichtiger Teil. Die Songs haben
Jens, Axel und ich zusammen geschrieben.
MF: Axel hat also bereits eine wichtige Rolle bei den
neuen Liedern gespielt?
CB: Ja, wir haben uns Ende 2009 entschieden, in fest in
die Band zu holen und von da an war klar, dass er auch
ein ganz elementarer Teil des Songwritings sein würde.
MF: Axel arbeitet ja als Studiogitarrist und ist auch
bei Domain. Macht er das auch weiterhin?
CB: Also die nächsten zwei Jahre sind eigentlich schon
für Grave Digger-Aktivitäten geplant. Es ist auch
relativ viel, was wir da vorhaben. Wir machen jetzt die
Live-Konzerte im nächsten Jahr und die Festivals. Wir
gehen nach Südamerika und fangen ab Mai mit dem
Songwriting der neuen Lieder an, die wir Ende des
nächsten Jahres aufnehmen und sie im April 2012
veröffentlichen wollen. Und so bleibt im Moment sehr
wenig Zeit für Domain. Aber er soll das auf keinen Fall
aufgeben, weil ich das völlig okay finde, was er da
macht.
MF: Das heisst die Band liegt bei ihm erst mal auf
Eis?
CB: „On hold“.
MF: Ich fand Manni zwar auch ziemlich toll, aber mit
Axel habt ihr jetzt neben dir noch einen weiteren
Frontmann auf der Bühne, der auch eine ganz grosse
Ausstrahlung hat.
CB: Ja, er macht eine gute Show und er kann sich auch
gut in Szene setzen. Und das macht schon relativ viel
aus. Weil Jens ist ja eher so der ruhigere Teil. Und
wenn neben mir noch einer gut agiert ist das für die
Band umso besser, weil es für die Fans optisch
attraktiver ist.
MF: Axel soll ja auch die Schottland-Thematik wieder
bei Grave Digger eingebracht haben. Stimmt das so?
CB: Ja, er hat sozusagen den Stein mit der
Schottland-Geschichte ins Rollen gebracht. Er hat uns
erzählt, dass er ein grosser Fan der Tunes of War sei,
und dass das ja auch unser grösster Erfolg gewesen sei
und wir doch versuchen sollten, da wieder
anzuschliessen. Das kam mir eigentlich sehr gelegen,
weil ich sowieso wieder ein Bisschen mehr in die
klassische Richtung komponieren wollte. Mit Manni war
das schwieriger, weil er doch schon von seinem Spiel her
etwas progressiver agierte. Mit Axel ist das relativ
einfach, weil er aus derselben Zeit wie wir kommt und
auch dieselben Bands gut findet. Er hat die Diskussion
in Gang gesetzt und dann haben wir uns entschieden, dass
zu machen. Das hat sich gleich von Anfang an super
angefühlt und das Resultat habt ihr ja jetzt vorliegend.
MF: Was fasziniert dich an der Schottland-Thematik?
Klar, es sind die Kämpfe, aber die gibt es in jedem
Land. Wieso gerade Schottland?
CB: Es ist schon ein einzigartiges Land. Es ist sehr
rau. Und wenn man mal da war, kann man sich das auch
sehr gut vorstellen. Die Highlands haben schon eine
gewisse Faszination. Es ist schon ein sehr schöner
Landstrich.
MF: Hinter der Tunes Of War steckte ja ein textliches
Konzept. Wie sieht es bei der neuen Scheibe aus?
Schliesst die textlich bei Tunes Of War an?
CB: Textlich würde ich nicht sagen. Es sind Songs über
Schottland; natürlich über die Helden, aber auch über
andere Themen. „Highland Farewell“ behandelt die
Verbundenheit der Schotten zu ihrem Land selber. Es ist
zwar auch da in eine Geschichte verpackt. Tunes Of War
war damals ein geschichtlicher Abriss, was das neue
Album auf keinen Fall ist. Es ist diesmal keine
historische Abhandlung.
MF: Es sind also mehr so einzelne Geschichten?
CB: Genau. Also einzelne Geschichten über Schottland.
MF: Das Video zu „Highland Farewell“ ist toll
geworden. Es gibt da einen Hügel im Hintergrund, der
mich an Schottland erinnert hat. Wo habt ihr das
aufgenommen?
CB: (lacht) Also es ist in England aufgenommen worden.
30 Kilometer südlich von London.
MF: Also immerhin wurde es schon mal auf der
richtigen Insel aufgenommen.
CB: Es war schon mal in die richtige Richtung. Aber es
ist nicht in den Highlands aufgenommen. Es wäre ein
Bisschen kostspieliger geworden, dass dort zu machen.
Aber das Flair kommt glaube ich sehr gut rüber. Wir
haben uns sehr viel Mühe gegeben beim Aussuchen der
Lokalität.
MF: Sind die Leute, die man Kämpfen sieht denn auch
Engländer oder ist das dieser Deutsche Schottland-Clan,
mit dem ihr auch bereits zusammengearbeitet habt?
CB: Nein, nein. Das sind auch Engländer. Das sind
Engländer, die in einer Kampfgruppe vereint sind. Die
Stellen Kämpfe nach.
MF: Du hast dieses Jahr in Wacken deine Bühnenkleider
der Schottland-Thematik angepasst. Wird das künftig dein
normales Bühnenoutfit oder war das mehr eine einmalige
Sache?
CB: Wir werden auf der Tour zwei Blöcke spielen. Der
erste Block wird ein Schottland-Block sein, bei dem wir
nur Lieder von Tunes Of War und The Clans Are Rise Again
spielen werden. Und da werde ich auch im
Schottland-Outfit auftreten. Und danach werden wir einen
Best-Of Classics-Block spielen. Bei dem werde ich dann
im normalen Outfit auftreten.
MF: Das gibt dann auch wieder eine spezielle
Atmosphäre.
CB: Auf jeden Fall. Das ist auch der Sinn der Sache. Ich
wollte halt an Wacken, als wir die Tunes Of War
aufgeführt haben, auch authentisch wirken. Und da gehört
halt dieser Art Braveheart-Dress dazu.
MF: Wird dann der Rest der Band verkleidungsmässig
mitziehen oder machst du das alleine?
CB: Ich konnte die Jungs bisher noch nicht dazu
begeistern. Aber es ist auch okay, wenn ich das alleine
mache. Die anderen müssen das nicht unbedingt machen, um
authentisch rüberzukommen. Wir sind ja schliesslich
nicht Alestorm.
MF: An Wacken waren ja auch Van Canto dabei, denen du
bei ihrer Version von Rebellion die Stimme geliehen
hast. War das eine Sache der Freundschaft? Was hältst du
von der Band?
CB: Ich finde es sehr interessant und sehr experimentell
was sie da machen. Sie haben mich gefragt, ob ich das
machen würde und ich habe ja gesagt. Im Gegenzug habe
ich gesagt: „Okay, ich singe für euch das Ding ein und
ihr müsst dafür die Tunes Of War-Chöre Live in Wacken
machen.“ Und so kam eines zum anderen. Und jetzt singen
noch zwei der Jungs auf der neuen Platte mit. Wir hatten
jede Menge Spass zusammen und haben da schon eine
gewisse Beziehung zueinander aufgebaut.
MF: Das sind dann Freundschaften, die irgendwie
entstehen.
CB: Ja, das ist einfach nett so. Da gibt es keine
Konkurrenz untereinander. Wir helfen uns gegenseitig und
haben Spass zusammen. Es ist sehr nett, dass man auch in
diesem Geschäft Kontakte knüpfen kann.
MF: Du hast im Frühling mit The Fyredogs ein
Rock’n’Roll-Album rausgebracht. Wurden dir Grave Digger
stilistisch zu eng?
CB: Ach nein, überhaupt nicht. Ich wollte einfach mal
zwischendurch etwas anderes machen, um meine Stimmer
immer schön geölt zu halten. Die Jungs kommen wie ich
aus dem Raum Köln. Das kam eher durch Zufall. Ich kenne
die Jungs seit etwa zwölf Jahren. Ich fand die Band
schon immer Klasse. Und ich sagte okay: „Ihr habt im
Moment keinen Sänger. Dann leihe ich euch meine Stimme.“
Und so haben wir ein Album gemacht. Ich finde die
Scheibe nach wie vor Klasse. Ich habe im Moment einfach
zu wenig Zeit um mit den Jungs konkret an neuen Sachen
zu arbeiten.
MF: Das heisst dass mit The Fyredogs auch keine
Touraktivitäten geplant sind?
CB: Nein. Wir haben zwar mal Live gespielt. Das waren
Präsentationshows. Das war total spassig und komplett
anders als mit Grave Digger. Aber im Momentan ist es vom
Zeitaufwand nicht möglich. Wir bereiten gerade die neue
DVD vor. Und es kommt noch eine Mini-CD raus. Und das
nimmt mich natürlich auch zeitlich sehr in Anspruch.
MF: Du hast gesagt, dass es die Band bereits vorher
gab. Waren die auch damals schon unter dem Name The
Fyredogs aktiv?
CB: Ja, die Band gab es unter dem Namen schon immer.
MF: Die haben aber vorher noch keine Alben
veröffentlicht?
CB: Also eher Singles und die Online. Aber so ein
richtiges Album haben die vorher noch nie
veröffentlicht.
MF: Du bist ja noch als A&R Manager bei Locomotive
Records tätig…
CB: Nein, das bin ich schon lange nicht mehr.
MF: Nicht mehr? Dann waren das noch alte Angaben.
Aber bist du nicht bei Dolphin oder so was?
CB: Ja, also das habe ich auch aufgegeben. Ich bin nur
noch Musiker. Die Locomotive-Sache war bereits Anfang
2009 zu ende. Der ist dann mehr oder weniger Pleite
gegangen und die Dolphin-Geschichte habe ich Mitte des
letzten Jahres an den Nagel gehängt. Das ist jetzt auch
gut so. Denn Grave Digger machen mir sehr viel Spass und
ich habe noch so viele Pläne mit der Band. Und so habe
ich mir gesagt, dass ich mich nur noch auf die Band
konzentrieren möchte.
MF: Das heisst also, dass Grave Digger auch
finanziell genug einbringen.
CB: Also für mich und meine Familie reicht es. Meine
Frau arbeitet ebenfalls. Aber wir leben schon von dem
Geld, was wir da einbringen.
MF: Konntest du von der A&R-Management-Sache für
Grave Digger profitieren?
CB: Ich kenne mich natürlich sehr gut aus im
Musikbusiness. Mir kann keiner mehr was erzählen. Und
das hilft schon viel. Viele Sachen kann ich aus selber
regeln. Ich habe keinen Manager oder so und manage alles
selber. Und da helfen mir natürlich meine zig Jahre
Erfahrung im Musikbusiness.
MF: Wie viel konntest du dann noch lernen als
A&R-Manager?
CB: Sehr viel. Ich habe eine grossen Erfahrungsschatz,
was die Musikszene angeht und kenne auch alle Leute. Und
das ist natürlich schon sehr nützlich.
MF: Von Wacken wird ja eine Live-DVD erscheinen. Wie
sieht es damit aus?
CB: Die DVD ist momentan in der Endphase. Sie wird wohl
nächste Woche fertig sein und dann am 25. Februar
rauskommen. Wir hatten ja auch Gäste: Den Hansi von
Blind Guardian und die Doro. Und mit ihnen haben wir
nochmals neue Studioversionen von Rebellion und von
Queen Mary aufgenommen. Die kommen als Single zusätzlich
mit der DVD raus. Aber mit eigenem Cover und halt mit
Hansi und Doro mit dabei im Studio. Die beiden neuen
Versionen sind wirklich super geworden. Doro singt
Klasse und Hansi auch. Wir haben einfach das, was wir
auf Wacken gemacht haben, nochmals im Studio wiederholt.
Den Leuten wird es gefallen.
MF: Jetzt bin ich nicht sicher, ob ich es akustisch
richtig verstanden habe. Hast du gesagt, dass ihr das im
Studio nochmals nachgesungen habt?
CB: Nein, nein. Wir haben das Live gesungen. Aber es
gibt eine Studioversion von „Rebellion 2010“ und „Queen
Mary 2010“.
MF: Das heisst, das Live-Album kommt dann ungefiltert
raus. Weil Jon Oliva hat mir erst kürzlich erzählt, dass
er bei seinem Live-Album den Gesang nachträglich
nochmals im Studio aufnehmen wird.
CB: (lacht) Dann ist er auf jeden Fall ehrlich. Aber bei
uns wird das nicht der Fall sein. Auch wenn dafür der
ein oder andere Fehler zu hören sein wird. Aber ich
denke, dass das einfach zu einer Live-Aufnahme dazu
gehört.
MF: Wir sind am Ende. Gibt es etwas, was du deinen
Fans noch mitteilen möchtest?
CB: Ich danke euch auf jeden Fall für die Luzern-Show.
Das war schon ein Appetizer auf die Schweiz und wir
freuen uns auf jeden Fall tierisch, wenn wir dann wieder
in Pratteln auf die Bühne dürfen. Wir freuen uns auf
jeden, der kommt. Das wir sicher ein gutes Konzert.
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