Die drei Jungs und die Frontdame muss man wohl
niemandem mehr vorstellen, denn anno 1997
veröffentlichten sie mit ihrem Debut „Proud Like A God“
eine Scheibe, die verdammt hohe Wellen schlug – nicht
zuletzt dank solchen Hits wie „Lords Of The Boards“ oder
„Open Your Eyes“. Die darauf folgenden Alben „Don’t Give
Me Names“ und „Walking On A Thin Line“ bestachen
ebenfalls durch musikalisch grob im Crossover
angesiedelte Tracks wie „Big In Japan“ (ursprünglich
übrigens von Alphaville), „Kumba Yo“ mit einem
Gastauftritt von Michael Mittermeier und „Break The
Line“. Dann, im Jahre 2005, löste man die Band auf, um
sie gegen 2009 wieder zu vereinen. Nun, 2011 erscheint
im April endlich der lang erwartete Nachfolger namens „Bel
Air“. Metal Factory traf an einem sonnigen Dienstag
Morgen auf den Gitarristen Henning Rümenapp (HR) und die
Sängerin Sandra Nasić (SN), um von den beiden zu
erfahren, was zum Split und zur Reunion geführt hat, wie
sich die erneute Zusammenarbeit anfühlt und was die
weiteren Zukunftspläne sein werden.
Nach einer kurzen Wartezeit erscheint ein sichtlich
gut gelaunter Henning, begrüsst alle Anwesenden und
meint, dass Sandra bald nachkommen werde und er sich bis
dahin schon mal den ersten Fragen stellen werde.
MF: Henning, danke, dass du dir für uns Zeit genommen
hast.
HR: Ja du kein Problem, wir freuen uns, wieder hier in
Zürich zu sein, ist schön hier! Wir sind zwar nur kurz
hier, weil wir ja auf Promo-Tour sind, wir sind jetzt
heute Nacht hierher gekommen und fliegen dann später
nach Berlin weiter. Letzte Woche haben wir ja eine
Radiosender-Reise in Deutschland gemacht, das geht
morgen weiter, und zwei Wochen davor haben wir eine
Promo-Reise in Deutschland auch absolviert. Klar ist das
ein wenig stressig, aber es macht doch auch Spass, vor
allem deswegen, weil wir den Leuten darlegen können, was
wir denn so gemacht haben.
MF: Nun gut, ich mein, eure Geschichte ist ja auch
nicht ganz alltäglich: Ihr habt seit eurer Entstehung
drei Platten produziert, welche auch sehr erfolgreich
waren, habt euch dann getrennt und seid wieder zusammen
gekommen. Kannst du das alles ein wenig näher erläutern?
HR: Nun, wir haben ja damals angefangen, da waren wir
allesamt so 18 oder 19 Jahre alt, haben das mit der Band
und allem 365 Tage im Jahr durchgezogen, was nach all
den Jahren dazu geführt hat, dass wir uns nicht mehr
wirklich so lieb hatten, es war für alle recht
schwierig, zwischenmenschlich gesehen, und
schlussendlich haben wir wie auch den Spass an der ganze
Sache verloren. Der Druck von Aussen war auch
problematisch, wir waren ja auch so in dieser ganzen
Maschinerie drinnen: CD machen, Video machen, Tour
machen und dann alles wieder von Vorne – und eben,
irgendwann merkten wir, dass wir nicht mehr vorwärts
kamen und deswegen dringend getrennte Wege gehen müssen,
weil sonst einfach alles explodiert. Wir haben das dann
eigentlich als abgeschlossene Sache angesehen, wobei
keiner von uns wirklich daran geglaubt hat, dass da
wieder was draus entstehen könnte. Dann haben wir erst
mal unser Privatleben wieder aufgebaut oder weiter
entwickelt, und diese Zeit hat uns allen echt gut getan.
Dennis (Poschwatta, dr. – Anm. d. Verf.) war dann glaub
ich der erste, der musikalisch wieder was gemacht hat,
sein Solo-Projekt, ich hab viel im Bereich
Musikförderung gemacht, Workshops, Förderkonzepte, was
mir sehr viel Spass gemacht hat, Sandra hat glaub ich
das erste Jahr lang nur geangelt, um wieder runter zu
kommen (lacht). Danach hat ja auch sie sich auf ihr
Solo-Projekt konzentriert, und wir alle mussten im
Nachhinein sagen, dass das wirklich ein heilsamer
Prozess gewesen ist, bis dann Ende 2008 Stefan, unser
Bassist, dann mit der Idee ankam: Du, ich bring die Band
wieder zusammen! Er war da wirklich wie ein Terrier
hinterher, hat so lange mit uns allen telephoniert, bis
wir alle schlussendlich an einem Tisch gesessen sind.
Wir haben uns dann erstmal vorsichtig angenähert, weil
sich ja alle auch zwischenmenschlich verändert haben,
und wir mussten feststellen, dass die Chemie von früher
nach wie vor da ist – wir haben uns dann auch darüber
amüsiert, als wir die alten Songs gespielt haben, da
sind dann auch gleich zwei neue Stücke entstanden, unter
anderem „All I Wanna Do“, und da haben wir gemerkt: Da
geht noch was! Ein neues Album war aber bis Ende 2009
eigentlich keine Option, wir haben einfach so für uns
Musik gemacht, und eben erst dann haben wir uns zu
diesem Schritt entschieden. Das war jetzt ne lange
Antwort auf eine relativ kurze Frage (lacht).
MF: Richtig, aber besser so als umgekehrt. Du sagst
also, Stefan war die treibende Kraft hinter allem, und
ohne ihn wäre das alles jetzt nie passiert?
HR: Ja, also man glaubt es kaum, dass Stefan, der
normalerweise kaum die Zähne auseinander kriegt, so sehr
dahinter her war. Und man muss sagen, dass wir das alles
jetzt hier gar nicht auf dem Zettel hatten, also uns
wieder mal zu treffen und sogar ein neues Album zu
produzieren, ja und dann kam Stefan da plötzlich an und
meinte, Mensch, ich hab mir da mal Gedanken darüber
gemacht, was wir früher gemacht und wofür wir früher
gestanden haben, das wäre was Besonderes gewesen und so
weiter. Ich mein, Stefan ist ja eh der, der gesagt hat
er wolle nur mit uns Musik machen, mit anderen Leuten
würde er darüber nicht mal reden. Und so kam dann alles
zusammen.
MF: Also war es schlussendlich die Freundschaft, die
euch wieder zusammen gebracht hat?
HR: Ich würde es anders formulieren, ich würde sagen,
dass es mehr die Liebe zur Musik generell gewesen ist,
weil sie uns ja erst überhaupt zusammen gebracht und
dann auch zusammen gehalten hat. Irgendwann wird aus
einem Hobby dann eben auch ein Job, und so bitter das
auch klingt: Wenn man das halt jahrelang macht und sich
praktisch jeden Tag sieht, dann ist man auch mal ganz
froh, wenn man sich aus dem Weg gehen kann. Das ist ja
nicht nur bei Bands so, das kennt man von Beziehungen
oder Freundschaften her, da ist es genau dasselbe. Und
wir haben es damals einfach übertrieben und nicht genug
auf uns aufgepasst, und deshalb haben uns dann auch die
Auszeiten gefehlt. Man lernt aus allem, und da wir nun
auch entspannter an die Songs herangehen konnten, klingt
nun die ganze Platte auch erwachsener und relaxter. Ich
glaub, das war die entspannteste Produktion, die wir je
hatten.
MF: „Bel Air“ hat mich persönlich ja ziemlich
überrascht, weil ich so eine Scheibe von euch nicht
erwartet hätte. Kannst du ein wenig mehr zum Titel
sagen, also ist es quasi eine Liebeserklärung an die
amerikanische Stadt Bel Air, oder steckt da was Anderes
dahinter?
HR: Naja, also früher hatten wir ja die Tradition, aus
Sandra's Texten Fragmente als Titel zu benutzen, und die
waren früher eher düster und bedeutungsschwanger, und
diesmal wollten wir auch das anders angehen, wie einen
Neustart wagen. An die Sache herangehen wie eine neue
Band an ein neues Album. Deswegen ist jetzt auch das
Cover völlig anders geworden, sehr klar, weisser
Hintergrund und so weiter, auch zum ersten Mal mit der
gesamten Band und erkennbaren Gesichtern. Und „Bel Air“
steht dabei auch für eine gewisse Leichtfüssigkeit, die
wir auf das Album übertragen konnten. Früher war ja
alles eher martialisch ausgerichtet, also auf die
Brecher-Songs wie „Lords Of The Boards“ oder „Big In
Japan“, und dabei sind vielleicht einige Songs
überstrahlt worden, die wir aber schon immer im
Repertoire haben, und diesmal konnten wir das alles
anders machen. Die ganze Energie ist nun nicht mehr auf
einzelne Songs konzentriert, sondern eher gleichmässiger
verteilt. Und „Bel Air“ steht da vielleicht auch ein
wenig für eine Traumwelt, in welche wir die Hörer
entführen wollen. Klar, wir alle waren lange genug in
Bel Air selbst und haben dort auf der faulen Haut
gelegen, dennoch ist der Albumtitel eher metaphorisch zu
verstehen.
Sandra kommt in diesem Moment zu uns, in der Hand eine
Schüssel mit Frühstücksflocken in der Hand und begrüsst
alle anwesenden, setzt sich zu uns und isst nebenbei,
während sie sich ebenfalls den Fragen stellt.
MF: Ihr hattet doch früher immer dieses Fledermäuschen
als Zusatz auf den Covers mit drauf, aber auf dem neuen
Cover habe ich es gar nicht mehr gesehen. Wolltet ihr es
nicht mehr mit drauf haben?
HR: Also damals hatte ja unser Grafiker die Idee, das
noch zusätzlich einzubauen und es quasi dann auch
durchzuziehen, aber eben auch im Zuge dieses Neustarts
haben wir uns dazu entschlossen, dies nicht mehr weiter
zu führen. Manche sagen zwar, die Pose, die Sandra auf
dem Cover eingenommen hat, erinnere immer noch leicht
daran (lacht und Sandra grinst). Wenn man es so sehen
will, kann man es immer noch irgendwo finden. Obwohl,
also ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte ich
deswegen schon, denn 2009, als wir in Portugal gespielt
haben, da hat ein Mädel im Publikum den Ärmel
hochgezogen und darauf unsere Fledermaus eintättowiert
gehabt. Ich dachte mir nur: Mein Gott, so ernst war das
doch gar nicht gemeint!
MF: Es ist ja so, dass ihr jetzt mit dem neuen Album
auch wieder einen Neustart der Band markiert habt, quasi
ein Neubeginn auch der ganzen Guano Apes-Geschichte. Da
stellt sich doch die Frage, warum ihr nicht einfach
einen neuen Bandnamen und ein völlig neues Konzept
genommen habt – wäre rein theoretisch einfacher gewesen,
als jetzt vielleicht auch Erwartungen zu schüren, die
eventuell gar nicht befriedigt werden können.
HR: Das ist jetzt mal eine interessante Frage, hatten
wir so in der Form glaube ich noch nie.
SN: Warum hätten wir das tun sollen? Ich mein, warum es
sich schwer machen, wir sind ja keine Werbeagentur oder
so, die sich einfach einen neuen Slogan ausdenkt. Wir
sind mit dem Namen gross geworden, und dazu stehen wir
auch, wir sind ja auch noch in der Original-Besetzung –
also da wären wir jetzt vermutlich als Letztes drauf
gekommen. Ich persönlich finde da die Herausforderung
viel spannender, was Neues unter einem Namen zu machen,
von dem die Leute glauben zu wissen, was da kommen wird.
HR: Das war ja eigentlich immer ein Konzept, in welchem
wir uns alles erlaubt haben, und wir nehmen uns da auch
die Freiheit, das zu tun, was wir wollen. Vielleicht ist
auf dem nächsten Album ja Polka drauf, wer weiss?
(lacht)
MF: Gut, das verbuchen wir jetzt mal unter
‚künstlerische Freiheit’. Gehen wir doch noch ein wenig
auf die Songs ein, die klingen ja auf „Bel Air“ sehr
erwachsen, wenn man dem so sagen darf, mit teils
Fragmenten aus alten Tagen und gänzlich neuen Elementen.
HR: Das kann man definitiv so sehen, ja. Ich meine, es
ist ja schon so, dass jetzt das neue Album für die Fans,
welche uns von den vorherigen Alben her kennen, schon
eine Herausforderung darstellen wird. Wir haben uns ja
auch weiter entwickelt, und all die Eindrücke, die Musik
und alles, was wir in der Zwischenzeit erlebt haben, das
hat natürlich alles auf uns und eben die neue Platte
abgefärbt, kein Thema. Wir hatten ja nicht wirklich eine
Vorstellung davon, wie wir jetzt weitermachen wollten,
wir wussten eigentlich nur, dass wir nicht dasselbe wie
früher machen wollten – aber das war’s dann auch schon.
Natürlich haben wir zig Layouts und Demos gemacht, und
vieles davon ist dann in der Tonne gelandet, und zum
Glück haben wir uns alle Zeit genommen und genau das
aussortiert, was unserer Meinung jetzt am besten passen
würde. Wir hatten ja schon auch einiges, das total
schräg und auch extremer war, aber da mussten wir uns
auch sagen: Nee, das passt jetzt mal überhaupt nicht.
MF: Sandra, du hast ja früher vor allem eher diesen
Sprechgesang, wie er damals ja im Nu Metal üblich war,
benutzt. Jetzt auf „Bel Air“ hast du einiges mehr aus
deiner Stimme herausgeholt, wie kam das zustande, also
war dies mehr zufällig oder ein logischer Prozess?
SN: Mir war halt einfach danach. Klingt jetzt vielleicht
seltsam, aber so war es. Es hat sich halt einfach so
angefühlt, dass ich jetzt mit melodiöseren Vocals mehr
erreiche. Und als die Songs dann entstanden, da war das
ebenfalls einfach etwas, das so passierte und sich
richtig anfühlte. Ich meine, wenn man einen Song wie
„Sunday Lover“ nimmt, dann würde da das Aggressive von
früher überhaupt nicht dazu passen. Ich finde halt auch,
dass das Songwriting sehr viel schöner ist als früher,
alles in allem ist das Gesamtwerk nun auch sehr viel
melodiöser ausgefallen, und ich hör mir jetzt die Platte
auch gerne rauf und runter an, was vorher nicht wirklich
der Fall gewesen ist.
HR: Das war früher effektiv nie der Fall, also Stefan
hatte unsere alten Alben nach der Fertigstellung kaum je
nochmals angehört, und beim neuen jetzt hat sich das
geändert, das mag er total gerne.
SN: Ich hab halt einfach gemerkt, dass man auch auf eine
andere Art und Weise intensiv sein kann, man muss nicht
immer nur schreien.
MF: Der letzte Track namens „Running Out The Darkness“
ist ja nicht zwingend typisch für die Guano Apes, aber
typisch für die neue Platte – und du Sandra bist ja
alleine dafür verantwortlich, du hast den Text und die
Musik dazu geschrieben. Kannst du den Song ein wenig
näher erläutern?
SN: Der Mann liest tatsächlich die Promo-Beilagen durch!
(lacht) Ja es stimmt, also der Song ist alleine von mir,
ich hab den damals für meine Solo-Platte geschrieben („The
Signal“, Anm. d. Verf.), und ich hab den damals einfach
nicht unterbringen können. Er ist ein sehr starkes
Stück, und auch sehr persönlich, von dem her möchte ich
dazu eigentlich lieber nichts mehr sagen.
MF: Ok, das ist kein Problem. Ich hab gesehen, ihr seid
ja nicht nur auf Promo-Tour, sondern werdet ja auch
bereits einige Konzerte in nächster Zeit spielen. Wie
sieht das denn aus, also werden dies nur wenige Konzerte
und ein paar Festivals sein oder geht ihr da auf grosse
Tour?
HR: Naja, also das muss ja schon alles gut geplant sein,
wir haben eine ordentliche Latte an Festivals, auf denen
wir spielen werden, dann geht’s aber auch los Richtung
Osteuropa, Skandinavien, Russland, und so gegen Herbst
kommen wir dann wieder auf Europa-Tour, das wird so
gegen Oktober sein, Januar und Februar auch, ja und wir
werden sicherlich auch wieder in der Schweiz spielen.
MF: Das wäre super. Gut, wir sind jetzt auch am Ende des
Interviews angelangt, gibt es etwas, das ihr den
Metalheads da draussen und speziell den Lesern der
Metal Factory noch mitteilen wollt?
HR: Also wir arbeiten zur Zeit daran, auch auf Festivals
in der Schweiz vertreten zu sein, und wir hatten bisher
echt gute Erfahrungen in diesem Bereich gemacht, nicht
nur, dass das Essen und die Aussicht meistens
fantastisch gewesen ist, man denke an das Gampel Open
Air oder auch das Gurten-Festival…
SN: (unterbricht) Aber wie ist das mit all dem Lärm? Ich
meine, die Natur und die Tiere, wisst ihr überhaupt, wie
schön ihr’s bei euch habt?
MF: Ich denke mal, wir selber wissen das alles viel zu
wenig zu schätzen.
SN: Das solltet ihr aber!
MF: Richtig, und ich denke, das kann man als
unkonventionelles Schlusswort stehen lassen. Sandra,
Henning, danke vielmals, dass ihr euch Zeit genommen
habt!
HR: Keine Ursache, danke dir!
SN: Danke dir auch, mach’s gut.
Sandra Nasic, Henning Rümenapp
mit unserem Toby (rechts) >>>
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