Sie schippern momentan auf einer richtigen Erfolgswelle und kein
Ende ist in Sicht. Die hamburgischen Kürbisse konnten mit dem
neusten Werk «Straight Out Of Hell» hervorragende Chart-Einstiege
verbuchen und mit dem zweiten Teil der «Hellish Rock»-Tour, zusammen
mit Gamma Ray, füllten Helloween die Konzertsäle. Vor dem Konzert im
Z7 sass mir Gitarrist Sascha Gerstner gegenüber. Zusammen mit
Schlagzeuger Dani Loeble ist er das jüngste Bandmitglied und sie
ergänzen perfekt die alten Helloween-Recken Sänger Andi Deris,
Gitarrist Michael Weikath und Bassist Markus Grosskopf.
MF: Schaut man sich die Chartplatzierungen an, Deutschland 4, Japan
2, Finnland 4, sogar in der Schweiz 14, reitet ihr ja förmlich auf
der Erfolgswelle.
Sascha: Wenn das was zu sagen hat, dann ja. Wir sind eher die
Pessimisten. Für uns war dieser Erfolg überraschend, weil wir nicht
gewohnt sind, dass wir in den Top 20 vertreten sind. Die Erwartungen
sind gleich Null. Erwartungen hat man, wenn man jung ist (lacht). Am
Anfang zum neuen Werk starteten wir völlig konzeptlos und machten
das, auf was wir Bock hatten. Klar gaben wir unser Bestes. Und
stehst du im Studio bist du immer sicher, dass was Geiles
abgeliefert wird. Aber wie gesagt, wir sind eher die Pessimisten und
sagen nicht, dass wir das beste Album abliefern, das wir jemals
komponiert haben. Helloween sind da bodenständig.
MF: Gab es einen Masterplan, wie das neue Album zu klingen hat?
Sascha: Seit der «Gambling With The Devil» haben wir einen Weg
gefunden, wie wir in der jetzigen Konstellation klingen wollen.
Auch, wer welche Sparte innerhalb von Helloween abdeckt. So hat sich
alles entwickelt.
MF: Kommt es euch entgegen, dass ihr im Studio von Andi aufnehmen
könnt? Entfällt so der Zeitdruck?
Sascha: Nicht unbedingt, der Zeitdruck ist trotzdem da. Seitens
der Industrie hast du immer einen Druck. Es bleibt aber ein
finanzieller Vorteil. Wir kommen alles aus den unterschiedlichsten
Winkeln, dann wird es doch sehr, sehr teuer, wenn wir an einem Ort
hinfliegen müssten und dort ein teueres Studio zu bezahlen wäre.
Seit «Better Than Raw» hat Helloween im Studio von Andi aufgenommen.
Man weiss, was uns erwartet, hängt da ab und macht seine Arbeit
(grinsend).
MF: Wie wichtig war für das neue Werk auch, dass ihr auf den letzten
Tourneen einiges Material der «Keeper Of The 7 Keys»-Alben gespielt
habt?
Sascha: Wir haben damals auf die Anfragen des Publikums
reagiert. Das hat sich für uns als Band gut angefühlt und liess uns
musikalisch noch mehr zusammenwachsen.
MF: Du schreibst viele Songs und spielst sicher auch am liebsten die
eigenen...
Sascha: ...ne, das ist nicht so! Es gibt Lieder, die sind eher
konzertant und solche die mehr Party machen. Von den zweiten haben
wir einige im Lager. Meine Nummern sind eher konzertant und passen
nicht in einen Party-Set. Jeder bei uns hat seinen eigenen Stil.
Markus schreibt eher die traditionellen Songs, Andi macht alles
mögliche und ich fahre eher die progressivere Schiene. So passen
manche Stücke gut in einen Live-Set und andere wiederum nicht.
MF: Auf der neuen Tour spielt ihr bis zu sieben neue Songs. Bei
diesem Backkatalog eine doch stattliche Anzahl?
Sascha: Es ist immer schwierig eine Setliste zu kreieren. Es
werden viele Fans sich wieder beschweren, wieso wir ihre
Lieblingssongs nicht spielen. Es ist egal, was wir tun, es ist eh
falsch (lacht). Helloween haftet seit Jahren ein Kummerkästchen an.
Weil jeder denkt, er kann was reinschmeissen und dadurch die Band
besser machen. Die Truppe war früher schon geil und ich finde es
super, dass wir jetzt das machen, worauf wir Bock haben. Das kann zu
Missverständnissen führen oder zu Momenten in denen die Combo nicht
so angesagt ist. Das hat man in der Vergangenheit erlebt mit dem «Chameleon»-Album.
Oder man veröffentlicht eine «Unarmed», die missverstanden wird. Wir
hatten einfach Bock darauf. So verhält es sich mit der Setliste
genau gleich. Wir haben Lust diese neuen Lieder zu spielen und die
passen auch gut zu den anderen Vorschlägen. Dabei schauen wir, dass
wir eine gute Dramaturgie in die Show kriegen. So haben sich die
neuen Songs angeboten und die machen Spass sie auf der Bühne zu
interpretieren.
Bei den letzten drei Shows in Spanien merkten wir, dass die neuen
Nummern sehr gut beim Publikum ankommen. Für den eingefleischten Fan
ist es eine gewagte Setlist, dessen waren wir uns bewusst. Aber, sie
ist definitiv eine Abwechslung. Du kannst die Zeit damals von
«Keeper» nicht wiederholen. Persönlich finde ich es schade, wenn
Fans denken, dass man diese Zeit wiederholen müsste. Das ist nicht
machbar. Mit 16 Jahren damals das Tape von «Keeper Of The 7 Keys –
Part 2» zu hören und das erste Konzert zu sehen, das war ein
Lebensgefühl. Das kannst du nicht wiederholen. Die Band ist heute
musikalisch viel, viel besser. Das sind echt Welten. Nicht weil ich
dabei bin. Einfach, weil die Musiker älter und erwachsener geworden
sind. Das Songwriting ist noch besser geworden, finde ich. Aber
dieses Lebensgefühl von damals bekommst du nicht wieder hin. Viele
junge Fans, speziell auch aus Südamerika haben uns erst mit «7
Sinners» erlebt und kennen gelernt, oder für die ist «Rabbit Don’t
Come Easy» DAS Helloween-Album (grinsend). Für viele alte Fans ist
dieses Album scheisse, die alten Zeiten sind das Ultimative, während
für viele neue Anhänger die Zeiten von «Better Than Raw», oder
«Keeper Of The 7 Keys – The Legacy» die Überalben sind. Du kannst
nicht neue Musiker in einen Topf schmeissen und erwarten, dass es
gleich klingt wie früher. Kai Hansen (Gamma Ray, früher singender
Gitarrist bei Helloween) ist ein ganz eigenständiger Gitarrist. Hast
du eine solchen Spieler und Songschreiber in der Band entwickelt
sich eine ganz eigenständige Charaktere. So ist es bei der jetzigen
Formation auch.
MF: Wie ist es für dich bei Helloween zu spielen? Du warst zuerst
bei Freedom Call, dann hat man eine Zeitlang nichts mehr von dir
gehört...
Sascha: ...ganz klar, das war aufregend. Ursprünglich hatte ich
keine Lust mehr in der Richtung noch was zu machen. Musikalisch bin
ich sehr offen. Das hört der Metal-Fan nicht so gerne. Zuerst war
das ein reines Beschnuppern bei Helloween. Man hat mich nicht
konkret gefragt... Ich spielte bei den Jungs, habe Songs geschrieben
und bin mit ihnen auf Tour gegangen. Okay, und plötzlich war ich
dabei (lacht). Klar, das war aufregend. Vieles hat sich bei mir
komplett verändert. Das viele Reisen hat meinen Horizont ein
bisschen aufgesprengt. Für mich war die Band viel grösser, als ich
mir das vorgestellt habe. Das bemerkt man erst, wenn man ein Teil
davon ist. Die ganzen Mechanismen, wie das Management, war alles
sehr gross.
MF: Ihr seid zusammen mit Kai und Gamma Ray zum zweiten Mal zusammen
auf Tour. Wie kam es dazu?
Sascha: Einerseits war es ein Anliegen der Fans, weil sie damals
die beiden Truppen nicht sehen konnten. Die Nachfrage nach «Hellish
Rock – Part 2» war gross. Wir überlegten uns, mit wem wir dies
umsetzen könnten. Mit Gamma Ray merkten wir, das hat richtig Spass
gemacht. Die Bands verstehen sich gut und für den Fans ist das eine
Vollbedienung. Es ist ganz schwer im Moment Geld zu verdienen. Da
überlegen sich die Besucher schon, für wen sie das Geld ausgeben.
Mit einem solchen Paket anzurollen, ist sehr gut. Für
Power-Metal-Fan eine absolute Vollbedienung. Darum war für uns klar,
würden wir einen zweiten Teil von «Hellish Rock» machen, dann nur
zusammen mit Gamma Ray. Darum nannten wir die Tour damals zusammen
mit Stratovarius nicht «Hellish Rock – Part 2».
MF: Wie gefährlich ist es, dass der alte Fan davon ausgehen könnte,
dass Kai wieder bei Helloween einsteigen könnte?
Sascha: Das wird immer erwartet, ganz klar. Selbst ich rechne
irgendwann mit einer solchen Konstellation. Was heisst rechnen, ich
finde es nicht abwegig. Das sieht man andauernd, dass sich Bands
reformieren. Helloween, wie damals, wird es niemals wieder geben.
Selbst wenn Kai einsteigen würde, es wäre anders als damals. Das
kann aber jeder anders sehen. Weiki hat sich verändert und Ingo (Schwichtenberg,
Schlagzeug, starb 1995) gibt es leider nicht mehr. Wie die
Auswirkung wären, müsste man sehen. Vielleicht gibt es mal was
Klassisches wie bei Iron Maiden mit drei Gitarristen. Keine Ahnung.
Mir macht es Spass mit diesen Jungs Musik zu spielen und ich bin
sehr hart im Nehmen. Da würde ich mich auch mit einem
Rhythmusgitarrenjob abfinden. Wirst du Mitglied von Helloween und
musst in so grosse Fussstapfen treten, wirst du immer der ewig neue
Saitenzupfer sein. Egal wie viel du machst und wie lange du dabei
bist. Das wird keinen interessieren, bei einem solchen
Legendenstatus wie ihn Kai und Weiki haben. Diesen Bonus werde ich
nie haben, weil ich die Band nicht mitgegründet habe. Auch wenn ich
einen Drittel des Lebenszyklus miterlebt habe. Langsam werde ich
sicher akzeptiert, aber ich mache mir da nicht so grosse Gedanken
darüber.
MF: Besten Dank fürs Interview und weiterhin viel Erfolg!
Sascha: Isch huere geil gsi (auf Schyzerdütsch)
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