Keine sturen Egospiele
mehr.
Was mir Kai Hansen schon beim letzten Gamma
Ray-Interview im Vertrauen erzählte, setzen die
Kürbisköpfe nun in die Tat um. Was kaum jemand zu
glauben wagte, geht nun wieder gemeinsam auf Tour!
Sprich die aktuelle Helloween-Besetzung mit Sänger Andi
Deris, Gitarrist Michael Weikath, Gitarrist Sascha
Gerstner, Bassist Markus Grosskopf und Trommler Dani
Loeble, zusammen mit dem Helloween-Gründungsmitglied Kai
Hansen und Michael Kiske, der die beiden «Keeper Of The
Seven Keys»-Alben einsang. Tja, Grosses wirft bekanntlich seinen
Schatten voraus, zumal sich speziell die beiden Michaels
in den letzten Jahren nicht immer gut gesonnen waren und
dadurch zuerst verbrannte Erde erneuert werden musste. Bevor
der erste Ton auf der Bühne gespielt wird, sind schon
diverse Konzerte völlig ausverkauft, was beweist, mit
welcher Ungeduld Helloween in dieser Konstellation von
den Fans erwartet werden. Wie es zur «Pumpkins
United»-Geschichte kam, warum Roland Grapow und Uli
Kusch nicht dabei sind und welche Erwartungen Andi an
diese Reunion hat, berichtet der Sänger auf seine
gewohnt bodenständige wie entwaffnend ehrliche Art.
MF: Andi, wie geht's dir?
Andi: Mir
geht's super, aber ich muss mich da wieder aus dieser
Lethargie heraus reissen. Wenn man zu lange nur faul auf
der Haut liegt, dann willst du aus diesem Loch nicht
mehr heraus (lacht). Man hat Bock auf rein gar nichts
mehr und fühlt sich trotzdem super pudelwohl (lacht).
MF: Dann lass uns an die Arbeit gehen…
Andi (lachend): …genau!
MF:
Wann habt ihr das erste Mal über eine mögliche
Wiedervereinigung bei Helloween gesprochen?
Andi: Lass mich mal lügen… Ich glaube, ich habe damals
schon vor zehn oder zwölf Jahren, um zu sagen… Das war in
Tokyo in Japan am Stammtisch! Das Management und die
Plattenfirma sassen mit am Tisch, und es wurde
diskutiert, was es für Möglichkeiten gibt, den Leuten
nochmals so ein richtiges Highlight zu servieren. Wie so
oft bei solchen Diskussionen, wurde ziemlich viel
Schwachsinn gelabert (grinst), da jede Truppe schaute,
welche Specials sie noch für die Anhänger auspacken
könnte. Aus Bock habe ich in die Runde geworfen, dass
wenn wir alles toppen und noch viel mehr Leute hinter
dem Ofen hervorlocken wollen, dann muss man den Kiske
und den Hansen in die Band holen. Damals fielen bei
allen die Kauleisten unter den Tisch, da sich niemand so
was vorstellen konnte, da die Jungs alle einen
Riesenstreit miteinander hatten. Aber entschuldige… Ich
war damals nicht dabei, als das ganze Theater losbrach
und hatte weder mit Kai noch mit Michi Stress. Es zogen
dann zehn Jahre ins Land, bis die Jungs endlich mal nach
Karlsruhe an einen Tisch eingeladen wurden, damit man
feststellen konnte, dass keiner mehr ein Arsch ist.
Mittlerweile sollten wir auch alle alt genug sein, um
über der Vergangenheit zu stehen. Bei Kai war das
Annähern nicht so schwierig, da er schon zweimal mit seiner
Band Gamma Ray bei Helloween als Support tourte. Er
merkte schon damals, dass bei uns alles super läuft und
der ganze Stress weg ist. Mit Kai gab's keine
Berührungsängste mehr, aber Michi war sehr verunsichert.
"Jetzt kommt da der sängerfressende Deris um die Ecke!"
Ich wusste nicht, wie sich die Leute gewisse Dinge gut
oder schlecht geredet haben. Damals war ich kein
Mitglied von Helloween und habe ihn auch nicht aus der
Band gekickt, sondern wurde gefragt, ob ich Bock hätte
bei den Kürbissen einzusteigen. Komischerweise waren
Michi und ich die zwei Ersten, die sich super verstanden
(lacht). Ich kannte ihn von einem kleinen Treffen in
Hamburg. "Hallo, wie geht's» und tschüss. Damals hing
ich immer mit Weiki und Ingo (Schwichtenberg,
verstorbener Trommler von Helloween) zusammen. Ingo ist
leider 1994 von uns weggegangen, was uns alle
supergeschockt hat. Als ich zu Helloween stiess, wollte
ich ihn unbedingt wieder dabei haben. Bevor es aber dazu
kam zu testen, ob Ingo wieder fit genug ist, hat er sich
leider vor den Zug geworfen. "Perfect timing", um es mit
schwarzem Humor zu sagen. Das war damals eine sehr
heftige Zeit für uns. Zurück zum Meeting in Karlsruhe
(grinst)… Mit Michi habe ich mich von Beginn weg super
gut verstanden.
MF: Wie haben sich bei diesem Meeting
Weiki und Michi verstanden, da bei den Beiden wohl das
Wiedersehen am schwierigsten war?
Andi: Da hast du recht, das war das Spannende an der
Geschichte. Jeder war zu Beginn etwas… ängstlich. Das
war vom Gefühl her ein bisschen zähflüssig. Keiner
wollte auf den anderen zugehen. Das war der klassische
"zwei Sturböcke begegnen sich nach über 20 Jahren wieder,
und jeder beäugt den anderen, dass er noch immer der
gleiche Sturbock wie damals ist". Aber dem ist gar nicht
mehr so. Weiki ist cooler geworden und hat auch eine
gewisse Sicherheit gekriegt. Er weiss, dass er so ein
bisschen das Maskottchen der Band ist und er von der
Truppe nicht wegzudenken ist. Er hat ja einen nicht ganz
unwichtigen Teil an Songs geschrieben, die der Band
damals zum Erfolg verhalfen. Er fühlte sich immer nach
hinten geschoben. Ich weiss das, weil Weiki, wie ich auch,
ein Löwe ist. Wir Löwen sind sowas von bekloppt manchmal
(lacht), dass wir uns von irgendwas bedroht fühlen, was
gar nicht existent ist. Er ist da ruhiger und weiser
geworden. Da nehme ich mich auch nicht aus (lacht). Bei
Michi ist es das Gleiche. "Ja klar, das war damals die
Sturm und Drang Reaktion, bei der man vieles in den
falschen Hals bekommen hat". Mit 20 oder 25 ist das auch
völlig normal. Irgendwann frisst man diesen Quatsch
nicht mehr in sich rein, sondern weiss, dass dies nur unnötig
Energie frisst und man nicht weiter kommt. So haben Beide
ziemlich schnell gemerkt: "Der stinkt ja gar nicht mehr
so wie früher, den mag ich ja schon fast" (lacht). So
haben sich die Zwei aneinander herangetastet, und es ist
echt schön zu sehen, wie die Beiden eine neue Verbindung
eingegangen sind. Weiki sagt, dass es fast so sei, wie
ganz früher. Er hat Michi damals kennengelernt und
geliebt. Erst später, als die Machtspiele bei Helloween
begannen, hassten sich die Zwei. Die klassischen
Egospiele, die man mit 20 oder 25 auslebt, sollten mit
45 oder 50 bitte vorbei sein (lacht). Sonst hast du in
deinem Leben gar nichts gelernt. Das ist zumindest meine
Meinung.
MF: Wieso sind Uli Kusch (Drums) und Roland Grapow (Gitarre, Masterplan)
bei der Reunited-Sache nicht mit dabei?
Andi: Das ist eine andere
traurige Geschichte. Die Beiden wären sicher sehr
schnell dabei gewesen, da sie eine nicht unwichtige
Geige spielten. Aber, um die Wahrheit auf den Tisch zu
legen, Roland hat uns damals betrogen und uns heimlich
sehr, sehr viel Geld gekostet. Uli hat die Arschkarte
gezogen, weil er zu Roland hielt, unwissentlich. Wo die
Treue hinfällt, denn er hätte ja auch uns glauben
können. So wurde Uli damals gleich mit entsorgt, denn
dieses Vertrauen hättest du nie mehr aufbauen können.
Lieber eine Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende.
Realistisch gesehen schaust du einer Person, die dich
betrügt, nie mehr richtig in die Augen. Oder nie mehr
voller Vertrauen in die Augen. Es war eine tolle Zeit
mit den Jungs, schade, dass es so auseinander gehen
musste.
MF: Thema Vertrauen. Wie einfach ist es
für dich oder die anderen Kürbisse, nun wieder mit Michi
und Kai zusammen zu spielen? Schlussendlich habt ihr
über all die Jahre die Fahne von Helloween hochgehalten.
Andi: Die Frage habe ich mir zu Beginn
auch gestellt. Für unsere Fans haben wir einen Gratis
Downloadtrack aufgenommen, und dabei hat sich sehr
schnell herauskristallisiert, dass dies alles verdammt
geil ist. Sehe ich, als Hauptsongschreiber der letzten
Jahrzehnte bei Helloween, einen Hansen, der auch vor
Ideen sprudelt, dann fällt mir ein Stein vom Herzen.
Klar nicht alles ist super und du würdest dich tot
lachen, wenn du gewisse Lieder hören würdest (grinst).
"Mensch Alter, wo hast du den Dreck her?". Wo viel
gehobelt wird, da fallen auch Späne. Hat ein anderer
auch so viele Ideen, bist du selber Fan. Irgendeine Sache
wird dich voll ankicken. Dafür habe ich immer gelebt,
und darum bin ich Musiker geworden. Fan zu sein von
einer Idee, und dann ergänzen wir das und jenes dazu.
Weisst du, das ist der Moment, wo du Gänsehaut kriegst.
Wenn du die Songs zusammenbasteln kannst. Das passiert
aber nur, wenn man sich gegenseitig Ideen zuwerfen kann.
MF: Wie stehst du zum neuen Masterplan
Album «PumpKings» mit neueingespielten Helloween-Songs?
Ist das für dich zum jetzigen Zeitpunkt auch ein Schlag
ins Gesicht von Roland?
Andi: Ich habe dies nur am Rande mitbekommen, dass er
partizipieren will, und das ist völlig legitim. Roland
ist ein Geldmensch. Das wissen wir alle, speziell
nachdem er uns betrogen hat. Ich würde meine Bandkumpels
nicht mal betrügen, wenn ich sie nicht leiden kann. Ich
muss nicht jeden mögen, das habe ich bei der vorherigen
Truppe auch nicht. Aber schlussendlich ziehen wir alle
an einem Strick. So muss ich den Respekt vor diesen
Menschen bewahren. Ich weiss nicht, wie man seine
Bandkumpels bestehlen kann. So ist es schlussendlich
legitim, wenn man so ist wie Roland, dass man mit einem
solchen Album noch ein paar Cents verdienen will. Ich
wünsche ihm alles Gute dabei. Ich weiss, dass viele, und
da gehört er dazu, diese Reunited-Geschichte als
Ausverkauf ansehen und es letztendlich belächeln. Ich
hätte mir die Blösse aber nicht gegeben (grinst).
MF: Wie lange denkt ihr mit der
(Re-) United-Geschichte unterwegs zu sein? Gibt es einen
Masterplan? Sind schon weitere Schritte geplant oder
geht nach der Tour wieder jeder seines Weges, respektive lasst
ihr euch alles offen?
Andi: Das Letztere
wird passieren, wenn man nach einem Jahr Bauchweh
kriegt, wenn man die anderen sieht. Was ich im Moment
nicht glaube, da alles sehr gut läuft. "In a perfect
world" gehst du raus, machst eine Welttournee, dann
folgen ein Album und eine weitere Welttour. Das wäre
natürlich super. Ob dies aber so sein wird… Alter,
greifen wir uns alle mal selber an die Nase und wissen,
dass wir alle für uns selber nicht die Hand ins Feuer
legen können (grinst). Ob wir nächstes Jahr die anderen
noch gut finden und mit ihnen auf Tour gehen wollen?
Das kann gut gehen, kann aber auch nicht gut gehen.
Traumhaft wäre es, aber auch da sind wir mittlerweile zu
alte Säcke, als dass wir sagen, wir gehen jetzt nur wegen
der Kohle auf Gedeih und Verderben los. Das machen wir
jetzt und war der Ansporn von «Pumpkins United», um die
alten Fans auch noch hinter dem Ofen hervor zu locken. Was
letztendlich auch stattfindet, um nochmals eine Mark mehr
zu verdienen. Das brauche ich jetzt niemandem zu
erklären. Würde ich das verleugnen, würde auch jeder
sagen: "Was ist der Deris für ein Arschloch!"» (lacht).
Dass hinter dieser Geschichte geschäftlich was steckt,
ist völlig klar. Abseits vom Geschäftlichen, würde es
weiterhin so gut laufen wie jetzt, wäre es super, wenn
sich noch das eine oder andere anhängen lassen würde.
Geht man nach dieser Konzertreise nochmals gemeinsam auf
Tour, abseits des Geldes das man verdient, dann wirklich,
weil man sich mag (lacht). Zu viel Ehrlichkeit ist
manchmal auch schlecht. Aber ganz ehrlich, wir sind ja
alle nicht doof. So eine Entscheidung kommt nicht nur
aus dem Bauch, sondern auch aus dem Kopf.
MF: Trotzdem finde ich deine
entwaffnende Ehrlichkeit sehr gut und äusserst löblich,
da in den meisten Fällen die Herren Musiker doch gesagt
hätten, dass sie diese Reunion nur wegen der
Freundschaft und den Fans machen…
Andi:
…ganz ehrlich. Jeder Musiker, der eine Familie hat, und
die meisten Musiker haben komischerweise eine Familie
(lacht), wäre pervers, wenn er länger als drei Monate
seine Familie verlassen würde, und schon das ist eine
lange Zeit. Wir sind fast ein Jahr unterwegs, auch wenn
wir zwischendurch Pausen einlegen... Da kann mir doch
keiner erzählen, dass er das nur macht, weil er Bock
drauf hat. Bei jedem den ich kenne, mich eingeschlossen, ist
die Luft schon nach zwei Monaten raus (lacht).
Natürlich geniesse ich es, zwei Monate auf Tour zu sein.
Das ist supergeil. Neue Städte zu sehen, 'rum zu reisen…
Aber nach zwei Monaten will ich wieder heim, da habe ich
die Schnauze voll. Du weisst aber, dass du noch weitere
zehn Monate vor dir hast und versuchst das Beste
raus zu ziehen. Aber ganz ehrlich, ich habe keinen Bock
den 40. Tag am Flughafen damit zu verbringen, drei
Stunden zu warten. Da soll mir doch keiner erzählen,
dass dies toll ist. Die zwei Stunden auf der Bühne ist
das Einzigste, welches geil ist. Das ist aber der
kleinste Teil einer Tour (lacht).
MF: Einige Konzerte sind schon
ausverkauft. Überrascht euch das?
Andi:
In der Schnelligkeit, wie sich die Konzerte ausverkauft
haben, ist es sehr überraschend! Alles andere erwünscht
du dir, und es fällt dir ein Stein vom Herzen, wenn das
Konzert gut besucht ist, oder sich die Halle
ausverkaufen lässt. Aber es gab einige Riesendinger, die
sich innerhalb von ein bis zwei Tagen ausverkauften. Da
sitzt du da und denkst: «Wooooowwww, GEIL!» Wir dürfen
nicht vergessen, dass wir eine Nischenmusik spielen. Wir
sind weder Iron Maiden noch Metallica! Wir spielen teils
schneller und härter. Somit stecken wir in einer noch
kleineren Nische. Da bist du schon überrascht, wenn sich
die Porsche-Arena in Stuttgart innerhalb kürzester Zeit
ausverkaufen lässt oder die grösste Halle in Sao Paulo
in kurzer Zeit sogar zweimal "sold out" ist. Das ist
unfassbar. Da kommt Adrenalin und Angst zugleich, und du
fragst dich, ob man den Erwartungen auch gerecht wird.
Das ist eine Liga, in der hat die Band noch nie
gespielt. Auch damals nicht in der «Keeper»-Zeit. Da
kriegst du schon Muffensausen. Ich bin aber vielleicht
der falsche Ansprechpartner, da ich eh immer unter Strom
stehe. Ich bin immer aufgeregt (lacht). Dabei bin ich
nervöser, wenn wir in den USA im Westen vor 800 Leuten
spielen, als in Wacken vor 100'000 Menschen. Da liegt
daran, dass ich bei den Wenigen ich immer das Gefühl
habe, dass jeder sehen kann, ob ich gerade einen Popel in
der Nase habe (lacht).
MF: Wie werden die
Reunited-Shows aufgebaut sein?
Andi: Oh ja (leichtes Stöhnen), da sind die Jungs gerade
am Rotieren. Wir haben ein paar richtig geile Video- und
Screen-Operators. Das sind Fans der Band und die arbeiten
sonst bei den grössten Firmen, die ich nicht nennen darf
(lacht). Zum Glück sind sie Fans, sonst wäre dies
unbezahlbar gewesen für eine Dreistunden-Show. Diese
Kosten würdest du nicht mehr einspielen (lacht). Die
Beiden zaubern da Sachen, da fliegt mir das Ei aus der
Hose und ich hoffe, dass dies jedem auch so gefällt, wie
mir. Nicht, das jetzt jeder sein Ei verliert (lacht).
Wir haben auch Video-Material, auf welchem Ingo noch zu
sehen ist. Das ist Gänsehaut pur. Da gibt es ein
Schlagzeugbattle zwischen Ingo und Dani zu sehen. Ich
habe immer eine Träne in meinem linken Auge und auf der
anderen Seite Gänsehaut ohne Ende. Es sind über 30 Jahre
Metal, da hast du vieles zu erzählen. Wir sind von der
Konstellation her so was von "God blessed" und können
auch dank den drei Sängern den Leuten die ganzen 30
Jahre bieten. Das hätte ich mir damals von Van Halen
gewünscht, einer meiner Lieblingsbands. Ich liebte David
Lee Roth und Sammy Hagar. Aber leider haben es die Jungs
nicht auf die Reihe gekriegt, sich zusammen auf die Bühne
zu stellen. Es gibt nicht viele Bands, die das machen
können, darum habe ich auch richtig Bock darauf. Zudem
spielen wir ein dreistündiges Programm, und ich muss
trotzdem nur 90 Minuten singen (lacht). Wir müssen nur
aufpassen, dass wenn der andere Sänger auf der Bühne
steht, ich nicht zu viel Wein trinke hinter der Bühne
(lautes Lachen). Pausen sind immer gefährlich (lacht).
Deswegen werden Michi und ich auch einige Lieder
zusammen singen. Kai hat auch seine Ecke, schliesslich
spielen wir auch Songs von der «Walls Of Jericho». Das
wird sehr interessant und sehr geil.
MF: Wie wir das Set aufgebaut sein? Beginnt alles in der
Frühphase und endet mit dem Heute?
Andi: Es gibt eine gute Mischung aus
Historie und Vermischen. Wir starten nicht mit der
«Walls Of Jericho». Das würde bedeuten, dass nach einer
Viertelstunde die Halle tot ist (lacht) und dann käme
erst das Hauptprogramm (lautes Lachen). Nein, es wird
ganz interessant. Dabei singt Michi Songs von mir und
ich aus seiner Zeit.
MF: Das zeigt aber auch auf, dass mehr als nur
das Geld als Beweggrund hinter dieser Geschichte steht…
Andi: …nun gut, ich kann ja viel behaupten…
Michi war drei Wochen bei mir auf Teneriffa. Wir sind
viel rumgekurvt, und ich kam mir wie ein blöder
Touriführer vor (lacht). Er hat sich in die Insel
verliebt, und ich denke es ist eine Frage der Zeit, bis
wir Nachbarn werden, wie Weiki. Aber wie gesagt, das
kann man raus plaudern und die Leute können es dann
glauben oder nicht. Das muss man fühlen, wenn man die
Leute auf der Bühne sieht. Es wird schon eine
Herausforderung sein für die Herren Musiker. Bei einem
dreistündigen Programm wird es speziell für Dani und
Maggel (Markus Grosskopf) ein Mammutprogramm werden.
Darum bin ich sehr glücklich, ausnahmsweise mal Sänger
zu sein (hämisches Lachen), weil Michi und ich nur die
Hälfte des Programms lernen müssen. In der Probe
funktioniert alles bestens, aber auf der Bühne kommt
noch ein grosser Schub Adrenalin dazu, und da hoffe ich,
dass Dani und Maggel das Programm Abend für Abend
stemmen können.
MF: Welches war für dich die
schwierigste Zeit als Musiker?
Andi: Das
Ende bei Pink Cream 69, als ich ausstieg und für mich
eine Welt zusammenbrach. Wenn deine Band zu dir als
Bandgründer und Hauptsongschreiber sagt, deine Songs
wollen wir nicht mehr spielen, sondern nach Alice In
Chains klingen. Hast aber eine Band, die mit dem
Debütalbum in Deutschland und Japan in den Top 20 war...
Das war ein Traumstart und ich verstand nicht, wie man
seine eigene Identität wegwerfen kann, um Alice In Chains
zu kopieren. Heute verstehe ich es und weiss dass sich
die Jungs nie mit den Songs identifiziert haben, weil
ich alles schrieb. So war die Truppe mein Baby. Für mich
war undenkbar etwas weg zu werfen, das Erfolg hat. Nur um etwas
zu kopieren, das in den USA erfolgreich war. Heute
verstehe ich es, damals dachte ich, dass wir Pink Cream
69 sind und immer zusammenhalten werden. Wir gegen den
Rest der Welt, aber so war es leider nicht. Nachdem mir
mein damaliger Gitarrist sagte, dass ich in der falschen
Band spielen würde, sagte ich: "Gut, dann bin ich jetzt
weg!" Damals hatte ich mit dem Sony-Chef schon
ausgemacht, dass ich mir neue Musiker suchen werde und
von vorne beginne mit PC69.
Da rief aber schon
Weiki an. Das war Silvester 1993. Neujahr 1994 bin ich
nach Hamburg gekachelt, und einen Tag später war ich bei
Helloween eingestiegen. Der Grund war… Ich spielte den
Kürbissen meine Demos vor, bei denen die Pinkies sagten,
dass sie das Material nicht spielen wollten. Maggel
meinte aber nur: «Wow ist das GEIL!» Dabei sah ich das
Leuchten in den Augen der anderen und Weiki antwortete
Maggel: "Ich hab's dir ja gesagt, dass der Arsch Songs
schreiben kann» (lacht). Da wusste ich, das ist meine
Band. Wo willst du spielen? Da wo deine Songs geliebt
werden! Geld war kein Thema, denn nach der «Pink Bubbles
Go Ape» und der «Chameleon» waren Helloween am Arsch und
hatten Schulden bis zum Abwinken. Ich stieg in ein
sinkendes Schiff mit Riesenschulden ein und wusste
nicht, ob ich jemals Geld für meine Arbeit sehen würde.
Das war die schwierigste Zeit, und ich hatte echt auch
Bauchweh, wie es weitergehen würde. Nach der «Master Of
The Rings» war das Thema aber ganz schnell gegessen. Es
war unfassbar, und ich wünsche jedem Musiker, dass er
dieses Gefühl jemals in seinem Leben geniessen darf.
Wenn du alleine mit den Vorverkäufen schon Gold- und
Platinstatus erreichst. Was für ein schönes Gefühl und
eine Bestätigung. Da fiel echt ein grosser Druck weg.
Weiki hat damals nur gegrinst und ein Arsch wie er ist,
gemeint: "Das habe ich dir doch gesagt!" (lacht).
Logisch hatte ich auch Schadenfreue meinen
Ex-Mitgliedern gegenüber. Aber ich habe mich auch immer
scheisse gefühlt und konnte es trotzdem nicht abstellen.
Sie haben weitergemacht mit meinem Namen, und ich hätte
es ihnen gewünscht, dass sie mit der Neuausrichtung
wenigstens einigermassen erfolgreich gewesen wären. Klar
nicht einen grösseren Erfolg, als meiner (lacht). Da
muss ich ehrlich sein, denn so viel Arschloch bin ich.
Damals war ich noch echt stinkig auf die Jungs. Aber es
tut einfach weh, wenn meine Band so nach unten
gewirtschaftet wird. Das wollte dann selbst ich nicht
(lacht).
MF: Ich danke dir für dieses sehr ehrliche, offene und
interessante Gespräch, wünsche dir viel Erfolg
auf der anstehenden Tour, und wir sehen uns in
Dübendorf am 10. November 2017, in der Samsung Hall.
Andi: Ich danke dir mein Grosser für das wie immer
lockere Gespräch. Alles Gute, und wir sehen uns nach dem
Konzert!
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