Schlecht über J.B.O. reden ist
auch Werbung.
Freitagabend, Open Air Gränichen: Das Wetter zeigte sich von der
schönsten Seite. Zusammen mit unserem Cheffe fanden wir Hannes, Vito
und Wolfram von J.B.O. zum entspannten Interview. Die Blödel-Barden
waren bestens gelaunt und freuten sich, über ihr elftes Studio-Album
zu quatschen. Dabei wurde offensichtlich, dass ich in meiner CD-Kritik
ein paar Liedtexte wohl nicht immer Sinne der Band interpretiert
hatte. J.B.O. stellen sich nämlich als noch intelligenter heraus,
als dass aufgrund der Texte (ernsthaft) sonst schon zu erahnen war.
Bevor es aber losgehen konnte, entwickelte sich zwischen unserem
Cheffe Roxx und den beiden J.B.O.-Gitarristen Hannes und Vito ein
heiteres Fachsimpeln über Gitarrenequipment. Jetzt aber Vorhang auf
für ein Gespräch über die Rüstungsindustrie, Steinzeit-Videoclips
und Böhse Onkelz-Parodien mit Hannes Holzmann, Veit «Vito C»
Kutzer und Wolfram Kellner.
MF: Ihr habt euren eigenen Sound
gefunden. Die Gitarren klingen bei euch immer typisch nach J.B.O.
Hannes: Wir sind auch immer die gleichen Gitarristen.
MF: Ja schon, aber trotzdem habt ihr einen speziellen
J.B.O.-Klang, den ich bei keiner anderen Band hören kann. Auch von
der Verzerrung her.
Vito: Geil!
Hannes: Es ist eigentlich so, dass wir
beide schon einen deutlich unterschiedlichen Gitarrensound haben.
Und die Mischung aus beidem ist dann eben charakteristisch.
Vito: Aber wir haben trotzdem beide Geräte, die wir seit ganz,
ganz vielen Jahren verwenden und die live und auf der Produktion
sind. Und bei Hannes ist es ein...
Hannes: Digitech GSP 21. Und
bei dir ist es eine modifizierte Metalzone.
Vito: Ja, genau.
Wobei ich da noch verschiedene andere Geräte dran gehängt habe. Ich
habe also eine Sammlung von Metalzones.
MF: Also wer
den gleichen Sound möchte, der weiss es jetzt und kann ihn kopieren.
Hannes: Das stimmt leider nicht. Ohne uns zu sehr
beweihräuchern zu wollen, hat der Sound doch auch viel mit den
Fingern zu tun. Und wenn jetzt ein anderer Gitarrist auf meiner
Gitarre und meinem Verstärker spielt, wird es anders klingen.
Vito: Und man muss es dann halt auch so einstellen.
Hannes: Der Mensch macht schon immer noch was aus. Ich bin mir
sicher, dass wenn Ritchie Blackmore über meine Anlage spielt, dann
würde es nach Ritchie Blackmore klingen. Da bin ich mir ganz sicher.
Vito: Unsere Anlagen stehen auch auf unserer Homepage. Da
gibt es die Bandseite, da sind die Mitglieder, und da haben wir im
Grunde unsere Gitarren-Anlagen drauf. Da steht, was da alles drin
ist.
MF: Habt ihr da schon Leute gehört, die dasselbe
aufgestellt haben?
Hannes: Das klappt nicht. Wir haben vor ein oder zwei
Jahren auf der "Metal Cruise" gespielt, und da ist mein Digitec
abgekackt. Das hat gar nicht mehr funktioniert. Und da habe ich so
einen Engl-Amp bekommen. Beim ersten Mal hat das auch nicht
funktioniert, und am zweiten Abend hatte ich dann Zeit, es
einzustellen, und dann klang es wieder nach Hannes. Es liegt nicht
hauptsächlich am Equipment.
Vito: Das stimmt. Der Hannes
klingt wirklich so nach Hannes. Der hat so ein paar Einstellungen.
Wenn Hannes diese macht, klingt er immer nach Hannes, egal worüber
er spielt.
MF: Ihr habt ein neues Album draussen, welches «11»
heisst.
Vito: Ja, richtig.
MF. Ist ein tolles Album.
Vito: Vielen Dank.
Hannes: Das finden wir
auch.
MF: Ihr habt Promofotos gemacht, bei dem ihr euch als
spitzohrige Trolle verkleidet habt...
Vito: Elfen!
Hannes: Elf-en!
MF: Ach ja, jetzt...
Vito: Ja, jetzt versteht er es!
MF: Das war für mich ein wenig merkwürdig: Trolle und «11»?
Hannes: Ja, aber das Album heisst nicht «Troll», sondern
«11».
MF: Ja, das ist dieses Wortspiel.
Vito: Ja, dieses Wortspiel. (zeigt auf seine
Haselnussstangen). Das ist was typisch Schweizerisches?
MF: Ja, das sind Haselnussstangen.
Vito: Die
sind total hart, aber die sind geil.
MF: Kam dieses
Wortspiel einfach so oder war das sehr naheliegend. «Ah, 11-Elfen!»
Hannes: Ich kann es kurz ernsthaft erklären. Wir hatten
mehrere Albumtitel in Diskussion. Und wir haben uns für den Titel
«11» entschieden, weil es erstens das elfte Album ist, aber vor allem
auch, weil wir grafische CD-Covers mögen. Wir hatten zwar auf dem
letzten Studioalbum «Nur die besten werden alt» ein Foto als Cover.
Aber eigentlich stehen wir sehr auf plakative, simple, grafische
Lösungen. Die Elf mit den beiden Einsen war grafisch sehr gut zu
lösen. Und dann haben wir gedacht: Das Album heisst jetzt «11», was
machen wir denn für Bandfotos dazu. Und dann kamen wir auf die Idee
mit den Elfenohren. Also die Zahl «11» war vorher, und danach kamen
die Elfenohren. Es gibt auf dem Album auch kein Lied, das mit «11»
zu tun hätte.
MF: Beim Text-Video zum Wackensong habt
ihr die Fans aufgerufen, sie sollen euch Fotos von Wacken oder
anderen Festivals schicken. Wie waren die Resonanzen?
Vito: Gut. Das hast du ja gesehen.
MF: War
da auch viel Schrott darunter oder konntet ihr doch das meiste
verwenden?
Hannes: Da waren natürlich auch Fotos dabei, die wir nicht
verwenden konnten. Aber es kommt halt einfach daher, dass wir in
unserer Karriere schon auf sehr vielen solchen Festivals gespielt
haben. Nicht nur auf Wacken selber, sondern auch auf vielen anderen
Festivals, und da gibt es dann halt einfach Erinnerungen. Ich kann
mich an - wann war das genau? - Wacken 2004? Oder so? erinnern - wo
300 Meter Schlange vor jedem Dixi-Klo war. Da hatten wir die «Kacken
2004»-T-Shirts verkauft, und das ist halt so. Wenn du auf ein
Festival gehst und dann fünf Tage vor Ort bist, dann musst du
einfach genug Bier trinken, und dann erträgst du das schon. Das ist
halt das Festival-Leben. Da darf man nicht zimperlich sein.
MF: Dieses Jahr auf Wacken hat es überall nach Urin
gestunken. Sie hatten jetzt überall Plakate mit dem Spruch «Don't
Pee»- Also pisst nicht auf das holy Wacken-Land.
Hannes: (Lacht)
Vito: Wir waren dieses Jahr nicht
da. Aber ach komm jetzt... - Don't Pee on the holy Wacken Land!
MF: Also im Dorf verstehe ich das ja, aber auf dem
Festival-Gelände...
Hannes: Also eine unserer schönsten Erinnerungen an Wacken
ist ja, als wir mit dem Shuttle oder unserem eigenen Bus zum Gelände
hingefahren sind. Und wir fahren an einem Einfamilienhaus mit einem
schön gepflegten Garten vorbei und am Zaun steht einer...
Vito:
Das war nicht am Zaun, das war mitten auf der Wiese. Er stand oben
ohne, hatte seinen Hosen offen und sein Schwanz hing raus, hatte
eine Bierflasche in der Hand und hat gepisst. Das war so unser
Anblick.
Wolfram: Das war so das erste Haus von Wacken, nach
dem wir das Ortsschild passiert hatten.
Hannes: Ich muss ein
grosses Kompliment an die Bevölkerung von Wacken aussprechen, die
das wirklich jedes Jahr so humorvoll erfahren oder mitmachen und
dann selber halt auch ein wenig mitfeiern. Da gibt es keinen
Protest. Das wäre nicht in jeder Stadt so möglich.
MF: Ich habe einen Nordländer gesehen, der hat
abends vor der Hauptbühne mitten im Publikum gepisst...
Vito: Naja, wenn du da mal im Pulk drin bist, und deinen
Platz nicht aufgeben möchtest.
MF: Genau, da bin ich jetzt und da bleibe ich!
Hannes: Da hätte ich eine Geschäftsidee. Ich ziehe von
Metalfestival zu Metal-festival und verkaufe Erwachsenen-windeln,
damit man nicht mehr aus dem Pit raus muss.
Vito: Haha!
Hannes: In schwarz und mit Ledernieten besetzt.
Vito: Na,
das ist doch eine Idee!
Hannes: Das ist voll geil.
Wolfram: Da kann ich noch eine lustige Geschichte beisteuern. Das
war schon sehr lange her. Das war wohl an einem "Monsters of Rock" in
den 80ern, und da gab es bei uns in Nürnberg immer wahnsinnig viele
Amerikaner, weil die dort halt ihren Stützpunkt hatten. Und da gab
es so einen kurzen, das war so ein kleiner Knirps. Der stand dann
auf seinem Kanister, den er mitgebracht hatte, und hat angefangen zu
pissen.
Vito: Haha!
Wolfram: Das war auch geil. Und
da bildete sich schnell ein Kreis von Menschen drum herum, also weil
die Menschen ausgewichen sind. Das sah ziemlich grotesk aus.
Vito: Damit alle ja Abstand hatten.
Wolfram: Der Typ stand
auf seinem Kanister mitten im Publikum und hat gepisst!
Hannes: Ich sag es euch. In drei Jahren ab jetzt bin ich reich. Ich
habe das Komplettangebot. Ich verkaufe einen Rucksack, in dem
gekühltes Bier drin ist mit einem Schlauch, dass du saugen kannst
und die dazu passende Windel, wo du es einfach laufen lassen kannst.
Das ist das Komplettangebot: Oben rein, unten raus! Und dabei im Pit
stehen bleiben. Ich werde damit reich werden, ich sag es euch!
Vito: Schreib das auf!
MF: Ja, es nimmt auf.
Hannes: Nein, nicht! Sonst klaut mir einer meine
Geschäftsidee! Ah, Mist!
MF: Aber eure Wacken-Hymne
ist cool geworden. Spielt ihr 2017 auf Wacken?
Vito: Ja.
Hannes: Voraussichtlich.
Vito:
Nönö. Das ist jetzt glaube ich schon...
Hannes: Wirklich? Ich
habe noch kein...
Vito: Doch, doch. Es ist auf jeden Fall
bestätigt, aber ich weiss nicht, ob es bereits öffentlich bestätigt
ist. Es ist intern bestätigt. Also wir spielen dort, auch wenn es
eventuell noch geheim ist.
Hannes: Aber irgendwann werden
wir da wieder spielen.
MF: Beim Song «Panzer Dance»
hatte ich das Original nicht gekannt. Vom Text habe ich mich
gefragt, ob es wohl eine Parodie auf Sabaton ist.
Vito: Haha!
Hannes: Warte mal. Mit dem Original
meintest du DJ Ötzi mit dem «Burger Dance».
MF: Genau. Den kannte ich nicht.
Hannes: Hast du «Ramsamsam» auch nicht gekannt? Das
Kinderlied?
Vito: (sing) Ah ramsamsam, ah ramsamsam, gulli
gulli gulli, ah ramsamsam.
MF: Doch, das kommt mir
bekannt vor.
Hannes: Denn eigentlich ist es ein Kinderlied, und deswegen
kamen wir auf unsere Idee. Wir fanden die Tatsache, dass jemand ein
Kinderlied (betont es) nimmt, und es dann verwurstet mit den
Fastfood-Ketten, mit der höchsten Kommerzialisierung, wie es
überhaupt nur geht - Das fanden wir für uns so ernsthaft empörend
und bizarr, dass wir nicht anders konnten, als das irgendwie zu
parodieren.
Vito: Und deswegen haben wir den Zeigefinger
gehoben.
MF: Das heisst, z.B. Thyssen-Krupp ist eine
Rüstungsfirma.
Hannes: Ja, das sind alles Rüstungsfirmen.
MF: Auch Rheinmetall...
Hannes: Ja, alles. Auch Krauss Maffei. Heckler und Koch.
MF: In der Schweiz wäre es die RUAG.
Hannes: Das einzige, was ja noch moralisch verwerflicher
als Fastfoodketten für uns sind, sind Rüstungsfirmen.
MF: Für mich war das in Kombination mit diesem
«Glori Glori Halleluja» ein Hinweis darauf, ob das eine Anspielung
auf Sabaton ist.
Hannes: Nein, ist es nicht.
Vito: Nein, denn im
Original «Burger Dance» ist das auch mit drin. Ich fand das so bizarr,
wie das da rein getropft ist, dass wir uns gedacht haben, das müssen
wir genauso machen.
Hannes: Ganz ehrlich ist Sabaton für uns
in der Band nicht so wichtig, als dass wir darüber singen würden.
Das nehmen wir gar nicht so wahr.
MF: Bei mir war da
eher der Gedanke, dass dieses Lied, diesen vielleicht denn eher
unkritischen Umgang von Sabaton mit dem Thema Krieg behandelt.
Hannes: Also, auf Menschen, die am Krieg verdienen, zielt
es schon ab, aber nicht auf die Band Sabaton.
MF: Zum Videoclip von «Ich hätt gern mehr». Wie kamt
ihr da auf diese Familien Feuerstein-Geschichte?
Vito: Das hat der Videoproduzent so arrangiert. Wir haben
dem quasi den Song geschickt und dann zu ihm gesagt: «Fällt dir was
dazu ein?» - Und dann kam er mit dieser Idee. Sein Link war im Grunde
am Anfang diese «öhöhö»-Schreie. Das klang für ihn wie
Steinzeitgesänge, und dann ist ihm dieses ganze Zeug eingefallen. Er
hatte Leute an der Hand, die den ganzen Kram bauen konnten.
MF: Das sieht krass aus!
Vito: Das ist der Oberhammer! Wir kamen dahin und uns haben
echt die Augen getropft, wie geil das Zeug alles ausgeschaut hat.
Das kam nicht von uns. Wir sind nur zu diesem Video-Dreh
hingefahren, und der hat das alles gemacht. Wir haben wirklich nur
unsere Fressen in die Kamera gehalten.
MF: Ich finde den Doctor Stoned cool.
Vito: Das ist der Hammer. Das ist wirklich so geil!
Wirklich das Ganze. Und dann auch diese Mädels mit den diesen
Kostümen und der kleine Dino an der Leine und der Walkman mit dem
Steinkopfhörer. Die Kamera mit dem Säbelzahnhamster, das Raddrehen!
Wolfram: Da sind so viele Details drin, die man eigentlich gar
nicht wahr nimmt.
Vito: Das musst du dir mindestens fünfmal
ansehen, bevor du überhaupt alles gesehen hast. Du siehst jedes Mal
wieder was Neues.
MF: Das überfordert einen am Anfang
ein wenig.
Vito: Ja, das muss man gleich nochmals anschauen.
MF: Wieviel Mut hat es gebraucht, um diese Schlussszene nach dem
Abspann rein zu nehmen (Bassist Ralph hat da Sex mit einem Skelett)?
Hannes: Was heisst da Mut? Das war eigentlich nicht
geplant. Das hat der Ralph spontan gemacht.
Vito: Das stimmt
nicht, das war geplant.
Hannes: Das war geplant?
Vito: Das schon, aber dass der Tisch zusammengebrochen ist, war
nicht geplant.
Hannes: Ich glaube, dass das übrigens öfters
passiert, also wenn Ralph eine Frau auf dem Tisch nimmt, dann bricht
der öfters zusammen. Wir brauchten da also auch noch eine Portion
Realismus.
MF: Mit «Wir lassen uns das Blödeln nicht
verbieten», übt ihr ja auch Kritik gegen aussen. Den empfinde ich
als sehr ernsthaften Song.
Alle drei: Jain. Naja...
Hannes: Wie verstehst du den
Text?
MF: ich verstehe ihn so, dass ihr das Gefühl
habt, als Blödelband nicht ernst genommen zu werden.
Vito: Also, dass wir als Blödelband nicht ernst genommen
werden?
Hannes: Da hast du recht! Denn worunter wir am
meisten leiden, ist - und das wird heute wieder passieren: Wir
fahren um 08:00 Uhr los. Wir fahren mit einem riesen Bus, mit Anhänger
voller Equipment und mit 12 Mann-Crew. Wir fahren hier in die
Schweiz, bauen hier alles auf, gehen auf die Bühne, fangen an zu
spielen und was passiert? Die Menschen lachen! (schnieft) Da fühlst
du dich als Künstler nicht ernst genommen in deiner Botschaft.
Vito: (schnieft und heult) Ja!!!!
Hannes: Das ist
wirklich traurig! Nein - so ist das Lied nicht gemeint.
MF: Nicht?
Hannes: Hast du schon irgendwann in deinem Leben einen Song
der Böhsen Onkelz oder von Frei.Wild gehört?
MF: Ja.
Hannes: Ist dir schon mal aufgefallen, dass die Aussagen
von vielen Böhsen Onkelz- und Frei.Wild-Liedern ist, dass "Wir sind
die Ausgestossenen, die Outlaws, die vom Mainstream unterdrückt
werden"?
MF: Das ist das Haupttema bei beiden Bands.
Vito: Genau.
Hannes: Exakt, und das wollten wir parodieren. Wir wollten sagen:
(äfft nach) "Wir sind die Armen, Ausgestossenen! Nur weil wir lustig
sind, werden wir unterdrückt!" Das ist eigentlich so unsere Absicht
mit dem Lied. Vielleicht ist dir aufgefallen, dass dieser Song auch
so ein bisschen den Sound beider Bands aufweist, und so ist der
Song eigentlich gemeint. Wir fühlen uns nicht wirklich unterdrückt.
Wir haben nämlich in den 27 Jahren J.B.O. gelernt, dass es Leute
gibt, die uns wirklich sehr gerne haben, lieben und toll finden.
Und es gibt Menschen, welche uns abgrundtief hassen, und wir haben
in den 27 Jahren gemerkt, dass dies das Beste ist, was uns passieren
kann.
MF: Also ihr müsst den Stinkefinger gar nicht den
Leuten zeigen, die euch hassen, sondern findet es gut, dass es diese
gibt.
Hannes: Nein, denn wenn jemand schlecht über uns schreibt,
macht er auch Werbung für uns. Das habe ich nicht immer gewusst. Als
die ersten Leute schlecht über uns geschrieben haben, dachte ich
(äfft nach) "böhh, wir machen doch nur Spass. Wieso sind jetzt
plötzlich alle böse auf uns?" Inzwischen habe ich gelernt, dass es
das Beste ist, was uns passieren kann. Deswegen fühlen wir uns davon
nicht unterdrückt. Wir wollten diese Bands parodieren. Ich habe
mittlerweile Zugang zu den Menschen hinter den Kulissen. Zum
Beispiel zu den Böhsen Onkelz. Ich finde nicht und ich weiss es,
dass die Böhsen Onkelz keine Nazis sind. Das stört mich auch nicht.
Was mich an den Onkelz stört ist, dass sie so tun, als wären sie die
armen Ausgestossenen, aber gleichzeitig das Geld mit dem Lastwagen
nach Hause fahren. (äfft nach) "Aber wir sind die armen, welche vom
Mainstream keine Chance gegeben kriegen, und die Gesellschaft
schliesst uns aus. Das ist ja okay, aber sie geben uns Millionen von
Euros. Aber sie stossen uns aus!!!" Das finde ich lächerlich, und
das wollten wir parodieren. Und deswegen haben wir uns etwas
gesucht, wie wir als J.B.O. denn unterdrückt werden könnten.
MF: Wie viele Leute waren da bei den letzten
Onkelz-Konzerten?
Hannes: 100'000 oder 130'000. Das ist also eine arme kleine
Band, der keine Chance gegeben wird.
MF: Genau. Wir gegen den Rest der Welt.
Hannes: Dazu muss ich sagen, dass wir am Lausitz-Ring
gespielt haben. Da waren 120'000 Leute und das Publikum hat sich in
meiner Wahrnehmung von einem Wacken oder Rock im Park-Publikum nicht
unterschieden.
MF: Da war ja auch diese Angst für Wacken 2004, als
die Onkelz aufgetreten sind. Da kommen jetzt die Nazi-Fans, und dann
war es doch total friedlich.
Hannes: Schau dir mal an, wie viele Autos den Böhse
Onkelz-Heckkleber hinten drauf haben. Das sind nicht alles Nazis. Da
war auch nicht mehr Gewalt oder irgendwie.
Wolfram: Die
fühlen sich halt teilweise etwas benachteiligt. Die fühlen sich halt
schon ein bisschen ausgestossen.
Hannes: Was mich eher an
der Band stört, ist, dass der Sound für mich eher eindimensional
klingt. Ich würde mir nie eine Onkelz- oder Frei.Wild-CD kaufen,
weil es mich musikalisch langweilt.
Vito: Es ist halt ein
wenig stumpf.
MF: Aber das machen sie perfekt.
Hannes: (lacht) Aber von wegen stumpf. Das sind Lieder von
Jennifer Lopez auch, aber ...
Vito: Und gewisse Lieder von
J.B.O. sind auch stumpf.
Hannes: Nein (lacht)!
MF: Euer Lied «Angie» wurde an verschiedenen
GIDA-Demonstrationen gespielt.
Wolfram: Wusstet ihr eigentlich, dass die Sammelbezeichnung
dieser Vereinigungen «Gedisten» heisst?
Hannes: Wir sind
nicht die einzige Band oder die einzigen Künstler, denen so was
passiert. Die nehmen halt, was sie brauchen. Zum Glück kann man
dagegen rechtlich vorgehen. Es ist nur die Frage, wie lange es
dauert.
Vito: Man kann dagegen rechtlich vorgehen, dass
dieses Video gelöscht wird.
Hannes: Genau.
Vito: Aber
man kann ihnen nicht verbieten, den Song zu spielen.
Hannes:
Aber das Video im Internet kann man wirklich löschen lassen.
MF: Ich finde es lustig, dass ihr jetzt den Spruch "immer pink
und niemals braun" benutzt. Schandmaul hatten mal dasselbe Problem und
daraus "lieber bunt statt braun" gemacht.
Hannes: Schau dir an, was momentan in Amerika passiert.
Wenn der Donald Trump «We Are The Champions» spielt, müssen Queen
auch dagegen klagen. Es dauert dann aber drei Monate für alles. Wir
sind nicht die einzige Band, die so ein Problem hat. Je älter ich
werde, desto besser kann ich mich damit abfinden, dass es Idioten
gibt. Es gibt nun mal, genauso wie es Glatteis und Rosenkohl gibt,
gibt es auch Idioten.
MF: Mir ist der Sketch auf der
«Nur die Besten werden alt» haften geblieben. «Ich sehe Idioten -
überall!»
Vito: Genau.
Hannes: Beim Autofahren merkt man es besonders.
MF:
Wenn wir schon bei "Nur die besten werden alt" sind. Zum Lied
«Waldfee»: Den Ausdruck gibt es in der Schweiz nicht.
Hannes: Den gibt es hier nicht? "Am Arsch, die Waldfee"?
MF: Nein, aber ich finde den herrlich. Den müsste man hier
einführen.
Vito: Das ist lustig.
Wolfram: Das wussten wir
jetzt auch nicht, dass es den Ausdruck in der Schweiz nicht gibt.
Vito: In Wirklichkeit heisst es ja immer: "Holla, die Waldfee".
Hannes: Aber "Am Arsch, die Waldfee" gibt es auch. "Am
Arsch, die Räuber" kenne ich noch.
Vito: Ja genau. Ich habe
gerne solche Sprüche.
Hannes: Wie kann man das erklären? Das
heisst so viel wie...
MF: Gut, der Song erklärt es ja
eigentlich.
Vito: Genau, der Song erklärt es.
MF: Ist das ein generell deutscher Ausdruck oder
eher ein typischer aus Erlangen?
Vito: Ich glaube jetzt nicht, dass das ein regionaler
Ausdruck ist. Das verwenden manche und manche auch nicht so.
Hannes: Das heisst in etwas so viel wie "Du mich auch!".
MF: Eine ganz andere Frage: Was ich bei euren
Konzerten toll finde, ist, dass sie von der Setliste her immer sehr
unberechenbar sind.
Hannes: Wie viele hast du denn schon gesehen?
MF: Vielleicht auf jeder Tour (seit ca. 2014) einmal.
Vito: Echt? Seit wann dann?
MF: Vielleicht
nicht bei jeder Tour, aber immer wieder mal.
Hannes: Wie viele denn?
MF: Keine Ahnung,
ich führe darüber keine Liste.
Vito: Wo gehst du dann immer hin?
MF: In der
Regel irgendwo in der Schweiz, wenn ihr da seid.
Vito: Also spannend.
MF: Also nicht immer,
aber wenn es vom Ort und dem Datum her passt, immer wieder gerne.
Wechselt ihr die Setliste ständig?
Hannes: Also es gibt einige Lieder, die wir immer spielen
müssen, sonst werden wir gelyncht. Also wenn wir «Ein guter Tag zum
Sterben», «Bolle», «Verteidiger des Blödsinns» oder «Ein Fest» nicht
spielen, dann sind die Leute zu recht sauer. Den Rest wechseln wir
gerne und oft. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir selber nicht
immer dasselbe spielen wollen.
MF: Das von Konzert zu Konzert oder von Tour zu
Tour?
Vito: Von Tour zu Tour.
Hannes: Ich glaube ja, dass
einer der Gründe ist, wieso wir nach 27 Jahren immer noch
erfolgreich touren, dass die Leute merken, dass wir selber Spass an
den Auftritten haben. Weil ich habe leider schon einige, vor allem
amerikanische Bands gesehen, bei denen ich das Gefühl hatte, dass
der jetzt froh ist, wenn es vorbei ist. Aber er braucht das Geld,
deswegen macht er es jetzt, aber eigentlich hat er null Bock hier
zu sein, und ich glaube uns merkt man an, dass wir Spass da oben
haben. Und um uns den zu erhalten, können wir nicht fünfzehn Jahre
lang die gleichen Songs spielen.
MF: Kommen wir zur letzten Frage. Ihr seid im
Herbst/Winter ziemlich aktiv auf Tour. Gibt es Orte, wo ihr euch
besonders drauf freut?
Vito: Wir freuen uns generell auf jedes Konzert.
Hannes: Das ist jetzt nicht einfach so dahin gesagt, sondern es ist
so: Es gibt Städte in denen spielen wir jetzt seit zwanzig Jahren
regelmässig, wie Stuttgart, Hamburg, München und Köln. Und wenn wir
in fünf Jahren drei Mal in Köln spielen, dann sind diese drei
Konzerte jedes Mal unterschiedlich. Es ist nicht so, dass in der
Stadt ein Konzert immer so ist, und in der Stadt ist es immer so.
Sondern es sind immer andere Menschen da, es ist ein anderer Tag,
wir sind anders drauf. Wir werden sehen, wo es am schönsten sein
wird. Das weiss man nicht vorher.
MF: Dann wünsche ich euch eine Super-Tour.
Hannes: Danke schön!
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