Von wegen langweilige Berner. Mit Jane Reaction in
der gemütlichen Solothurner Öufi Beiz zum Interview
verabredet, erwarte ich eine Band-Delegation von
höchstens zwei Nasen. Stattdessen stapft zur
verabredeten Zeit das komplette Quartett in das Lokal,
und die Jungs erweisen sich bei einigen kühlen Bieren
als überaus redselig, schlagfertig und humorvoll. Das
erst recht, als sie mit einer etwas bekannteren
Schweizer Band verwechselt werden. Aber der Reihe nach…
MF: Hallo zusammen, wie geht’s euch so?
Alle durcheinander: Wunderbar! Ja, es läuft!
MF: Euch gibt es ja seit 2002. Könnt ihr mir etwas über
die Geschichte von Jane Reaction erzählen?
Matthias: Also eigentlich ist es so, dass wir drei (Raff
Dähler, Rafael Wyder und Matthias Egger) schon zusammen
den Kindergarten besucht haben, wir kennen uns also
schon ein ganzes Weilchen. Danach haben wir auch in
einigen Schülerbands gespielt, bis es sich irgendwann
ergeben hat, dass wir was Eigenes auf die Beine gestellt
haben. Da gab es am Schlagzeug und am Gesang zunächst
einige Besetzungswechsel, etwa ab 2006 war dann Adrian
Kilchemann an den Drums dabei.
Rafael: Man muss sagen, dass das ziemlich schnell ging.
Unser damaliger Drummer hatte uns seinen Austritt
erklärt, und noch am gleichen Abend rief er Adrian an,
und der sagte sofort zu.
Adrian: Ja, es ging darum, mal ein-, zweimal zusammen zu
jammen, und es hat eigentlich gleich beim ersten Mal
geklappt.
MF: Gab es seither noch mehr Wechsel?
Rafael: Eigentlich nicht, ab diesem Zeitpunkt haben wir
die richtige Bandformation.
Adrian: Wobei man sagen muss, dass wir vorher, vor
meiner Zeit, noch einen Frontmann hatten, wir waren also
zu fünft, und der ist dann auch ausgestiegen… oder eher
gegangen worden…
Raff: Genau, gegangen worden! Danach sollte ich
übergangsweise den Gesang übernehmen, weil ich es
bereits in diversen Schülerbands gemacht hatte. In der
Folge hiess es, wir suchen einen Sänger, aber
mittlerweile haben wir die Suche eingestellt. Ich wollte
eigentlich nur Gitarre spielen, musste mich aber danach
ins Zeug legen, da aus der Übergangslösung eine
definitive Lösung geworden war. Gitarre und Gesang hat
doch einiges an Arbeit von mir abverlangt.
MF: Hast Du zu dafür noch Gesangsunterricht genommen?
Raff: Nein, noch nie, dafür fehlt mir einfach auch die
Zeit. Es wäre sicher mal etwas, das man ins Auge fassen
sollte, aber im Moment noch nicht.
MF: (Auf ihre T-Shirts schauend) Dream Theater, Mötley
Crüe, Queen… was sind eure musikalischen Einflüsse?
Rafael: Das ist eigentlich ein recht weites Spektrum,
welches von Rock, oder sogar Pop bis hin zu Thrash Metal
reicht, auch wenn man in unserem Sound nicht unbedingt
alles heraushört.
Raff: Also die Urformation war noch recht Grunge-lastig,
dazu kamen Einflüsse von GunsN' Roses, einer Band, die
wir damals alle mochten, als Adrian noch nicht unser
Drummer war. Danach kam unsere Glam-Phase, wir standen
alle auf Mötley Crüe und hatten das dementsprechende
Outfit wie hochtoupierte Haare, Makeup…
Adrian: Das habe ich leider nicht erlebt!
Raff: Ich persönlich komme allerdings eher vom Riff-Rock
her. Er (Rafael Wyder) ist eher der Rock ‚n‘ Roller…
Matthias: Maiden! Und ich habe lange in einer Jazzband
gespielt.
Rafael: Mit Matthias konnte man anfangs fast nicht
spielen, weil alles nach Maiden geklungen hat, hahaha!
Raff: Aber im Endeffekt ist es immer Hard Rock, Heavy
Metal geblieben. Wir waren nie eine Thrash Metal Band,
auch nie eine lupenreine Glam Metal Band.
Rafael: Grundsätzlich bewegen wir uns zwischen Hardrock
und Metal, vom Thrash haben wir höchstens ganz kleine
Einsprengsel in unserem Sound.
Adrian: Von jedem Einzelnen sind verschiedene Einflüsse
eingebracht worden und man hat sich irgendwo dazwischen
gefunden, deshalb kann man unseren Stil nicht unbedingt
genau einordnen. Er hat von vielen Stilen etwas drin und
passt somit nicht in eine einzige Schublade.
Raff: Also, als Adrian bei uns eingestiegen ist, hat
dies uns einen erheblichen technischen Fortschritt
gebracht. Unser ehemaliger Drummer war eher ein „Hau-Drauf-Typ“
im Stile eines Tommy Lee, wohingegen Adrian eher die
technischen Finessen in unseren Sound gebracht hat,
dementsprechend sind wir auch mit ihm gewachsen.
Rafael: Vom Drumming her ging‘s danach auch in Richtung
Heavy Metal, was vorher doch eher Hardrock war.
MF: War die Veröffentlichung einer eigenen CD ein lange
gehegter Wunsch, oder hat sich das Ganze eher durch eine
Gelegenheit ergeben?
Adrian: Also, ihr habt ja vor meiner Zeit ein Demo
aufgenommen…
Raff: Ein furchtbares!
Matthias: Dann haben wir mit ihm (Adrian Kilchenmann)
ein zweites furchtbares Demo aufgenommen!
Adrian: Danach wollten wir für uns im Bandraum etwas
aufnehmen, einen Mix aus Rehearsal Material und Band
Demo, Material, das wir heute wohl niemandem mehr
abspielen würden. Danach kam die Idee eines wirklich
sauber produzierten Demos mit 3-4 Songs, mit dem wir
eventuell auch Konzerte an Land ziehen könnten. Und der
Zufall wollte, dass wir auf… wo war das schon wieder,
Myspace?
Rafael: Also es war so, dass ich über music.ch einen
Manager für uns suchte, weil wir unbedingt mehr live
auftreten wollten, aber einfach keine Zeit hatten, uns
darum zu kümmern. Also fanden wir es eine gute Idee
jemanden zu haben, der sich damit herumschlägt. Auf die
Anfrage meldete sich danach ein Produzent aus Zürich,
der unseren Sound cool - und Raff’s Stimme geil fand,
aber es stimme noch nicht viel von dem, was er damals
sang, also auf das Treffen der Töne bezogen. Wenn man
sich die damaligen Aufnahmen auf dem alten Demo heute
anhört, dann klingen sie wirklich schrecklich.
Dennoch fand er, er würde gerne mit uns eine CD
aufnehmen.
Adrian: Ursprünglich wollte er lediglich ein Demo mit
uns aufnehmen.
Rafael: Ja, er wollte uns helfen, die Songs etwas zu
verbessern.
Adrian: Und als das Ganze erste Früchte abwarf, haben
wir uns gefragt, warum wir nicht gleich eine
vollständige CD eintüten. Da haben wir gemeinsam mit ihm
die Songs überarbeitet und teilweise auch geändert, was
einige Zeit in Anspruch genommen hat, aber es hat sich
definitiv gelohnt. So ist dieses Debut Album entstanden,
aus dem Wunsch heraus, ein anständig klingendes Demo
aufzunehmen.
MF: Standen in dieser Phase die Songs schon?
Rafael: Mehr oder weniger schon, wobei einige Songs
schon sehr stark abgeändert worden sind. Dazu muss man
sagen, dass besagter Produzent seit 20 Jahren eher auf
der Pop-Schiene fährt, er ist vor allem ein riesiger
Pink Floyd Fan. Aber irgendwie hat ihn unser Sound
angesprochen, und er fand, daraus kann man etwas machen.
Adrian: Man musste sich zunächst natürlich auch erst
finden, denn seine Ideen waren meistens meilenweit von
den unseren entfernt. Aber wir konnten unsere eigenen
Wünsche erfüllen, und er half uns dabei, unsere Songs
etwas „hörbarer“ zu machen. Also heute muss ich wirklich
sagen, dass aus relativ eintönigen und simplen Songs
wirklich interessante Stücke entstanden sind. Darum war
es nicht das Schlechteste, auf jemanden zu hören, der
etwas Anderes macht als Metal.
MF: Wie sind die bisherigen Resonanzen?
Raff: Kommt immer darauf an, wen Du darauf ansprichst.
Rafael: Dabei handelt es sich vor allem um Freunde und
Bekannte. Das Problem ist, dass wir nach der CD Taufe
nur noch sehr wenige Konzerte gegeben haben, von daher
kamen von wirklich Aussenstehenden nur sehr wenige
Resonanzen. Von jenen Leuten, die wir seit Jahren
kennen, kommen natürlich durchweg positive
Rückmeldungen, aber wieviel davon ehrlich -, und wieviel
kollegiales Wohlwollen ist, ist natürlich schwierig zu
sagen.
Matthias: Allerdings haben sich auch andere Leute
gemeldet, und deren Meinung war eigentlich auch in der
Regel positiv.
Rafael: Also wirklich negative Reaktionen sind mir
bisher nicht zu Ohren gekommen.
MF: Habt ihr die CD auch an andere Magazine verschickt?
Matthias: Also im Moment erst an euch von Metal Factory
und an Trespass. Das ist ein Bisschen unser Problem, wir
sind ein klein wenig zu lethargisch in dieser Beziehung.
Rafael: Wir arbeiten natürlich nebenbei noch zu 100%...
Raff: Dazu kommt der schöne WK, der auch wieder fünf
Wochen dauert!
Rafael: Wir sind eben nicht gerade jene, die sich in
dieser Hinsicht in den Arsch kneifen…
MF: Ihr macht das ja auch alles in Eigenregie, ohne
Management oder Label, das sich um die geschäftlichen
Belange kümmern könnte.
Matthias: Das wäre schon besser, wenn wir eine
Unterstützung im Hintergrund hätten. Am 13. August
spielen wir am Open Air in Trimmstein bei Münsingen, am
20. August in Steffisburg bei Thun beim Chain Links MC,
und am 10. September 10. September spielen wir noch am
Chain Links Camp in Einigen, da müssen wir jetzt schon
schauen, dass wir am Ball bleiben. Während dieser ganzen
Zeit, in der wir keine Konzerte gespielt haben, haben
wir aber neue Songs geschrieben.
Raff: Endlich wieder mal!
Rafael: Der ganze Aufnahmeprozess für die CD hat sich
über zwei, zweieinhalb Jahre erstreckt.
Matthias: Die Instrumente haben wir in unserem Bandraum
aufgenommen, einem pleite gegangenen Studio, das wir
inklusive der ganzen Infrastruktur übernehmen konnten.
Der Gesang hingegen wurde in Zürich aufgenommen, wo ich
dann gemeinsam mit dem Produzenten den Mix gemacht habe,
das hat sich natürlich in die Länge gezogen.
Adrian: Andererseits, wenn wir das Ganze in sagen wir
zwei Monaten hätten erledigen wollen, könnte man sich
das Resultat heute wahrscheinlich nicht anhören. Es ist
schon gut, dass wir uns die Zeit genommen haben, um an
Details rumzufeilen. Darum klingt es heute so, dass wir
alle dahinter stehen können.
Rafael: Deshalb war es jetzt nach dieser langen Zeit
auch wieder mal schön, etwas Neues zu machen und nicht
ewig die immer gleichen Songs zu spielen!
MF: Hat jemand von euch parallel dazu etwa noch Familie?
Raff: Also ich heirate nächstes Jahr!
Matthias: Gelegentlich sind Freundinnen da, und andere
Probleme…
Rafael: Das wird alles veröffentlicht, pass auf was Du
erzählst!
Adrian: Ist eben alles zeitintensiv, 100% arbeiten,
sonst noch Hobbys und Freundin, das ist der Schwierige
Schritt, wenn man noch nicht soweit ist, dass man das
Arbeitspensum reduzieren kann, obwohl man musikalisch
weiterkommen möchte. Da steht dann halt einiges hinten
an.
MF: Weiterkommen im Sinne von Semiprofi Lager?
Raff: Ja richtig, 50% arbeiten und die anderen 50% in
Konzerte und CDs investieren. Jeder von uns hat eine
Miete zu zahlen, Zug, Auto, Hobbys, das will alles
irgendwie finanziert sein. Ausser du gehst stempeln,
haha, aber so wollen wir nicht rüberkommen!
MF: Habt ihr aus den Aufnahmen zur CD Lehren gezogen,
was nehmt ihr aus dem ganzen Prozess mit?
Matthias: Besser vorbereitet sein! Ausserdem hätten wir
viel Zeit gespart, wenn die Arrangements schon
ausgearbeitet gewesen wären. Wir haben während den
Aufnahmen noch vieles an den Songs geändert, einiges auf
der CD ist auch improvisiert. Am Anfang war der Einfluss
des Producers noch sehr gross, aber mit der Zeit hat er
sich immer mehr zurückgezogen, weil wir mittlerweile
gelernt hatten, die Songs selbständig zu optimieren. In
Sachen Songwriting haben wir enorm von dieser Erfahrung
profitiert. Künftig werden wir die Songs im Vorfeld
ausarbeiten, sonst ist es so, dass du im Bandraum
rumspielst, gibst dir vielleicht noch die Kante und
rockst drauflos, findest dabei alles super toll, nimmst
es aber nicht auf und zwei Wochen später, wenn du
nüchtern bist, findest du die Sachen dann doch nicht so
toll.
Adrian: Durch unseren Produzenten haben wir auch unser
Aufnahme Equipment im Bandraum etwas aufgerüstet. Wir
haben uns ein neues Mischpult und anders Material
angeschafft, das uns heute ermöglicht, Rehearsals in
guter Qualität aufzunehmen, so dass jeder von uns zu
Hause das Material anhören und einstudieren kann, um bei
der nächsten Probe Verbesserungsvorschläge zu machen.
Vorher kam einer mit einer Idee, die anderen haben dazu
etwas beigetragen, und das war‘s dann. Mit der neuen
Vorgehensweise kommt bei den neuen Songs einfach mehr,
es klingt anders. Von daher waren die CD Aufnahmen
sicher eine gute Erfahrung.
MF: Wie teilt ihr euch das Songwriting auf?
Rafael: Das ist von Song zu Song unterschiedlich…
In diesem Moment platzt ein etwa zwanzigjähriges Mädel
in die Runde und fragt die vier Jungs im Namen ihrer
Freundinnen, ob sie Shakra seien! Diese klären die
musikalisch offensichtlich etwas unbedarfte Kleine auf
(zwischen John Prakesh und Raff Wyder besteht nun
wirklich nicht die kleinste Ähnlichkeit…) und nachdem
ihr Wissensdurst gelöscht ist, begibt sie sich wieder in
ihre Runde. Es folgt kurz allgemeine Heiterkeit, die ich
hier nicht wörtlich wiedergeben möchte…
Adrian: Also, zurück zum Songwriting. Es ist nicht so,
dass wir unsere Songs aufs Papier bringen, das macht
heutzutage wahrscheinlich sowieso fast niemand mehr. Es
ist so, dass jemand mit einer Idee kommt, das sind
meistens die Gitarristen, Räffu oder… Räffu, dann findet
man dazu eine Basslinie, einen Drumbeat und jeder gibt
einfach seinen Senf dazu. So entstehen die Songs
wirklich aus der ganzen Band heraus.
Raff: Dann kommt irgendein Schubidu-Text dazu, auf
Kauderwelsch – Englisch um zunächst eine Linie zu
finden, und irgendwann steht der Song mehr oder weniger.
Wobei nie auszuschliessen ist, dass wir ihn nach einigen
Proben wieder umarrangieren. Es gibt auf jeden Fall
keinen einigen Jane Reaction Song, der nur von einer
Person stammt.
Adrian: Ist auch gut so, jeder darf seinen Beitrag
leisten, wir haben in diesem Sinn keinen Bandleader, der
die Marschrichtung bestimmt, wie es in anderen Bands
vorkommt.
Rafael: Was natürlich alles Vor- und Nachteile hat, mit
einem Bandleader kämen wir vielleicht manchmal etwas
schneller vom Fleck.
Matthias: Was aber bei uns nicht möglich wäre, weil eh
jeder seinen Senf dazu geben müsste, wir sind einfach
so.
MF: Was mich einfach fasziniert hat, ist das Achtziger
Jahre Feeling, das die Scheibe verbreitet. Ich habe
diese Zeit eins zu eins miterlebt, und irgendwie klingt
es wie damals. Da sind vier Jungs, die rocken frisch,
fromm, fröhlich drauflos, und es klingt gut. Absicht
oder Zufall?
Rafael: Wir sind halt mehr oder weniger mit dem
Achtziger Sound aufgewachsen, wir hören fast nur diese
Sachen. Natürlich gibt es auch neue Bands, die wir
mögen, Alter Bridge und so gibt mir persönlich
beispielsweise recht viel, aber unsere Grundlagen kommen
ganz klar aus dem Sound der Achtziger.
Matthias: Allerdings unbewusst. Es hat uns etwas
erstaunt, dass Du das in Deinem Review geschrieben hast,
denn das war überhaupt nicht unsere Absicht.
Raff: Fakt ist einfach, dass als wir Teenies waren, der
Metal für tot erklärt wurde. Wir mochten Bands wie Guns
‚n‘ Roses oder Nirvana und orientierten uns sonst noch
an Szenegrössen wie Iron Maiden, Metallica oder Judas
Priest. Was wir uns damals anhörten, war alles zwischen
1980 und maximal 1995 veröffentlicht worden, das war
einfach unsere Inspiration.
Adrian: Und das ist heute noch jene Musik, die wir uns
am meisten anhören. Wir haben es zwar nicht direkt
miterlebt, weil wir zu dieser Zeit noch in die Windeln
machten, aber es ist der Sound, der uns noch heute am
meisten inspiriert.
Rafael: Wobei mittlerweile auch neuere Bands
hinzukommen. Als wir 16 Jahre alt waren, kam hingegen
wirklich ausschliesslich alles, was wir uns anhörten aus
den Achtzigern. Damals war der neuere Stoff einfach
nicht gut genug, es kam zu dieser Zeit auch nicht
wirklich Gutes auf den Markt. Aber inzwischen gibt es
viele neue Bands, die wirklich anständige Musik machen
und nicht Rap Metal und so ein Zeugs.
Raff: Und wenn du in einen Club gehst und es läuft
gerade For Whom The Bell Tolls, Raining Blood und
ähnliches Zeug, dann sind das genau jene Songs, die mich
persönlich immer noch am meisten begeistern.
MF: (Zu Raff Dähler) Bist ausschliesslich Du für die
Texte zuständig?
Raff: Nein, absolut nicht.
Matthias: Zunächst habe ich sehr viel geschrieben, und
zum Schluss der Aufnahmesessions haben alle dazu
beigetragen.
Rafael: Grundsätzlich haben aber schon Mättu und Räffu
die meisten Texte geschrieben.
Adrian: Und wir beide (Rafael Wyder und Adrian
Kilchenmann) waren eher für die Überarbeitung der Lyrics
zuständig. Selber Texte zu schreiben, liegt mir nicht
so, aber wenn es um das Umschreiben und Bearbeiten geht…
Raff: Damit es dann auch stimmt, hahaha!
MF: Also in jeder Hinsicht eine demokratische Band! In
den meisten Songs geht es um Freundschaften,
Enttäuschungen, verflossenene Beziehungen, ausser
natürlich The Rocker und die textlich für mich grösste
Überraschung "Suicide". Ein sehr düsterer, pessimistischer
Text im eigentlich aggressivsten und modernsten Song der
Scheibe. Was steckt hinter diesem Text?
Raff: Das ist eigentlich ganz einfach zu erklären. Wir
hatten dieses aggressive Riff, und ich bin nun mal der
Typ, der eher über solche Sachen schreiben kann, wenn es
in eine gewisse Melancholie hineingeht, obwohl ich
eigentlich ein sehr glücklicher Mensch bin! Es steckt
also nichts Grossartiges dahinter, es ist einfach ein
aggressiver Text zu einem aggressiven Song. Damals
kursierten in der Presse diverse Artikel über Emos und
Konsorten, wie sie ihre traurigen Gedichte schreiben und
all so ein Blödsinn, da dachte ich, das passt doch gut
zu einem solchen Song. Ich fand einfach, über Liebe
kannst Du bei einem solchen Riff nicht singen (und um
dies zu untermalen, schreit er laut und derb „I love you!“
in die Runde), da musst du schon eher den dritten
Weltkrieg heraufbeschwören oder einen Selbstmord.
MF: Ein weiterer Song, der mich stilistisch absolut
überrascht hat, ist "Ice Cold November", da ist euch eine
richtige Retrorock – Granate gelungen!
Matthias: (Zu Raff Dähler schauend) Er hasst ihn!
Raff: Ja!
MF: Ehrlich? Er fällt in der Tat aus dem Rahmen, aber
ich finde ihn saugut!
Matthias: Ich habe jahrelang in einer Jazz Band
gespielt, und wir haben gefunden, jetzt machen wir mal
was anderes. Da gab es natürlich eine Kontroverse, sogar
der Produzent fand, der Song passe überhaupt nicht zum
restlichen Material, und Raff Dähler hat ihn dabei
natürlich vollumfänglich unterstützt. Aber wir anderen
blieben dabei, der Song ist cool, hat ein gutes Refrain,
er bleibt im Gehör hängen und wir spielen ihn gerne.
Natürlich reiht er sich nicht gerade in die anderen
Songs ein, aber das kann man locker bringen. Wie auch
das Klavier im letzten Song "Bloody Mary". Diesen Part hat
der Pianist eingespielt, mit den ich noch von der
Musikschule her kannte und mit dem ich eben in besagter
Jass Band gespielt hatte. Wir hatten uns seit vier, fünf
Jahren nicht mehr gesehen, da haben wir ihn einfach
angerufen und gefragt, ob er Lust hätte, und es hat
gepasst!
Rafael: Die erste eigentliche Lieblingsband von uns
dreien (Rafael Wyder, Adrian Kilchenmann und Matthias
Egger), Guns ‚n‘ Roses, hatten ja auch immer sehr
unterschiedliche Songs auf ihren Alben, von der
sanftesten Ballade bis hin zu recht heftigem Stoff. Da
haben wir uns auch gesagt, dass wir uns als Band nicht
einschränken wollen.
MF: Ich nehme an, ihr kennt The Who.
Raff: Selbstverständlich!
MF: Ich habe ja in der Rezension geschrieben, der Song
habe einen subtilen The Who Touch.
Rafael: Also das musste ich erst dreimal überdenken und
daraufhin wieder etwas The Who anhören, und da musste
ich sagen, dass der Song vielleicht schon gewisse
Trademarks von The Who enthält. Aber so wäre das mir nie
aufgefallen.
Raff: Vielleicht hätte ich den Text stottern müssen (als
Anspielung auf Roger Daltrey‘s Stottergesang auf My
Generation. MB), dann wäre das Ganze noch etwas
authentischer gewesen!
MF: Wie sieht es mittelfristig mit weiteren
Veröffentlichungen aus?
Matthias: Also das Hauptziel ist momentan eher, live
aufzutreten, vor allem im Herbst / Winter 2011 wollen
wir uns intensiv darauf konzentrieren. Abgeneigt gegen
eine zweite CD sind wir gar nicht, aber es hat natürlich
auch einen finanziellen Aspekt.
Rafael: Es würde diesmal auch eine bessere Vorbereitung
voraussetzen.
Adrian: Wir würden es anders angehen, als Erfahrung, die
wir von der ersten CD mitgenommen haben. Aber momentan
dreht sich alles um unser Debut.
Rafael: Ich denke, in einem Jahr kann man es vielleicht
mal ins Auge fassen.
Matthias: Neue Songs bestehen schon oder sind in der
Entstehungsphase, aber wir benötigen noch mehr neues
Material, und momentan drängt es nicht so sehr.
Vielleicht nächstes -, vielleicht übernächstes Jahr, das
hängt natürlich auch von der Entwicklung und den ganzen
Umständen ab, mal schauen.
MF: Was genau bedeutet der CD – Titel „Red Blade Of The
Innocent“?
Matthias: Ein Wortspiel, ein Kompromiss. Wir haben
darüber diskutiert, es ist ja kein Konzeptalbum, sondern
einfach eine Scheibe mit zwölf Rocksongs, fertig. Mir
schwirrte ständig „Deadly Like The Innocent“ im Kopf
rum. Das passte den anderen Jungs nicht…
Raff: Und dann habe ich mal gesagt…
Matthias: Warte jetzt, ich weiss es noch, als ob es erst
gestern gewesen wäre. Ich fand einfach dieses „Of The
Innocent“ richtig cool. Die anderen kamen ständig mit
anderen Titeln daher, und um sie zu nerven fügte ich
immer „Of The Innocent“ an. Irgendwann kamen wir dann
auf Red Blade, und ich sagte gleich Red Blade Of The
Innocent, oder nein. Ich habe es damals eben mal nicht
gesagt, und Du (Rafael Wyder) hast es vorgeschlagen. Nun
sieht man den Toten am Boden und den Schatten des Engels
mit dem blutigen Messer.
Raff: Und was ist schon unschuldiger als ein Engel?
Adrian: Genau, es ist ein Abbild vom Kontrast zwischen
dem Guten und dem Bösen. Wir haben einen Mittelweg
gesucht, der die Themen der einzelnen Songs
repräsentiert, und ich denke, das ist uns nicht schlecht
gelungen.
Rafael: Und natürlich suchten wir auch einfach einen
cool klingenden Titel.
Raff: Deshalb wollten wir es auch zeichnen lassen.
Zunächst waren wir uns nicht sicher, ob eine Zeichnung
oder doch eher ein Bandfoto aufs Cover sollte, aber dann
musste es doch eine Zeichnung sein, wie auf den alten
Metal Cover. Und da wollte ich natürlich das Album auch
als Vinyl LP veröffentlichen, damit das Cover voll zur
Geltung kommt.
Matthias: Gib mir 300 Franken, und Du hast Deine LP, das
ist kein Problem.
Raff: Also ich würde es bezahlen!
Rafael: Wir hatten in der Tat vor, das Album nur für uns
vier auch auf Vinyl pressen zu lassen, aber das ist
natürlich auch wieder eine Geldfrage.
Adrian: Eine goldene für den Bandraum!
Matthias: Die müssen wir uns verdienen, sonst ist es ein
Bisschen peinlich.
Rafael: Das ist das nächste Ziel!
MF: Was macht euch rückblickend mehr Spass,
Liveauftritte oder die Studioarbeit?
Rafael: Das ist schwierig zu sagen. Anfangs war es im
Studio noch lustig, aber nach fast zweieinhalb Jahren
wurde es dann doch etwas mühsam.
Adrian: Die Zeit im Studio war sicher sehr interessant,
aber es war auch eine recht mühsame und langwährende
Angelegenheit. Mit Liveauftritten kommst du dann endlich
wieder mal aus deinem Keller raus.
Raff: Also ich persönlich mag beides. Mit den Jungs
abhängen, etwas spielen, ein Bier zwitschern, wir haben
gleich gegenüber noch eine Bar, die wir natürlich auch
während der Aufnahmen oft besucht haben, ich mag das
einfach extrem.
Rafael: Gut, aber wenn ich an die zwei Gigs denke, die
wir in relativ kurzer Folge hatten, das Rock Highway
Finale im Volkshaus vor siebenhundert oder achthundert
Zuschauern und ein paar Wochen später die Rocknacht in
Sihlbrugg mit ca. vierhundert Zuschauern, dann sind das
doch sehr coole Erlebnisse, die ich im Moment doch recht
vermisse.
Matthias: Du hättest das Gesicht des Produzenten sehen
müssen, als wir zum ersten Mal bei ihm aufgekreuzt sind!
Er hat ein schönes Haus in Affoltern am Albis. Dieses
Haus ist das glatte Gegenteil von unserem Bandraum, er
trinkt beispielsweise nichts, und wir hingegen haben im
Bandraum das absolute Chaos. So kamen wir also bei ihm
an, jeder eine Megapackung Bier dabei, und er fragte
uns, was wir bei ihm wollen. „Na, aufnehmen!“ konterten
wir mit unschuldiger Miene.
Rafael: Aber da eigentlich lediglich Raff seinen Gesang
da aufnehmen musste, war uns das relativ egal.
Raff: (Äfft die anderen nach) Nein, nein, das war nicht
gut! Nochmal einsingen!
Rafael: Wir waren damals ziemlich pingelig in unserem
Suff, hahaha!
Raff: Ja, die anderen am Saufen, und ich Idiot… das habe
ich gehasst, das kannst Du ruhig schreiben, ich habe ihn
gehasst, diesen elenden Mist. Eben, deshalb Ice Cold
November! (Imitiert wieder die anderen) Kannst du das
nicht etwas höher singen??! Ja klar, ich habe es zwar
schon etwa achthundertfünfzigtausendmal gesungen und
möchte seit drei Stunden nach Hause, jaja, vielen Dank,
so `ne Scheisse!
Die Problematik in Zürich war, dass nur ich musste, und
die anderen drei Herren durften rumhängen. Dafür konnte
ich bei uns in Münsingen eine ruhige Kugel schieben,
während dem sich die anderen reinknien mussten. Auch in
Zürich war‘s dann schön, als es endlich vorbei war,
Zigarette ausgepackt und… juhu!
Matthias: Ja da liefen schon Partys, der Produzent hat
schon hin und wieder die Welt nicht mehr verstanden. Er
ist natürlich auch schon älter, fünfundvierzig oder so.
Adrian: Aber er ist durch uns etwas jünger geworden, das
hat man schon gemerkt!
Raff: Nach den Aufnahmesessions haben wir uns bei ihm
auf dem PC immer Youtube Videos reingezogen, da hat der
Produzent immer so einen Pink Floyd Schwachsinn
abgespielt und wir konterten mit Megadeth und so, wir
haben uns regelrecht duelliert, und er so „nein, nein,
das ist ja bloss so ein Gitarrengewichse, zieh dir
lieber mal David Gilmour rein!“ Ja klar!
Matthias: Das Beste war, als wir uns in einer Kneipe die
Kante gegeben hatten, und er war zu Hause mit
übergestülpten Kopfhörern am Üben und rumschrauben…
Raff: …und da platzten wir rein mit einem lauten „wir
sind wieder da!“, und der alte Mann bekam vor Schreck
fast einen Herzinfarkt, hahaha! Und er philosophierte
ununterbrochen mit uns über Musik, warum wir Guns ‚n‘
Roses nun gut finden oder auch nicht, wieso und weshalb…
ein Riesenthater! Und ich kann eben dazu stehen, dass
ich Pink Floyd nicht gut finde, ich kann das, und für
ihn ist diese Band wie eine eigene Religion.
Matthias: Er liebte vor allem Deine Version von "Shine On
You Crazy Diamond"! So gesehen, waren die Aufnahmen schon
eine geile Sache!
Raff: Ich vermisse es!
Matthias: Gut, aber wenn wir in Zürich spielten, und
danach in einer Jugendherberge übernachteten, artete es
schon manchmal etwas aus, vor allem wenn man am nächsten
Morgen wieder auf die Arbeit gehen musste. Auf dem
Heimweg mit dem Zug hätten wir ja in Bern aussteigen
können, (zu Raff Dähler) aber Du wolltest erst in
Lausanne raus.
Raff: (Imitiert den Schaffner und sich selbst im
Gespräch) „Wo wollten sie hin?“ „Nach Bern, ich habe
ihnen die Fahrkarte schon gezeigt!“ „Ähem, wir kommen
jetzt gleich in Lausanne an.“ „Aha!“ „Ich kann Ihnen
jetzt ein Rückfahrtbillet verkaufen für dreiundzwanzig
Franken!“
Matthias: Das kann‘s geben. Andererseits ist es auch
nach den Konzerten immer lustig, wenn wir Party machen
und so. Wir haben es gut zusammen, darum ist auch der
heutige Abend so toll, wieder mal nur mit den Jungs von
der Band unterwegs. Sonst wenn wir nach Thun gehen, sind
immer auch andere Leute dabei, nicht dass uns das stören
würde…
Rafael: Es ist einfach so, früher haben wir als Band
mehr zusammen unternommen. Aber die Aufnahmesessions
haben uns als Band beispielsweise auch ziemlich
gefordert. Als es auf das Ende zuging, hatte jeder von
uns langsam die Nase voll, und es kam öfters mal zu
internen Reibereien.
Adrian: Man war froh darüber, die anderen mal nicht mehr
zu sehen.
Rafael: Wir hatten einfach langsam genug von der Band.
Matthias: Danach hat man sich ein Weilchen nicht mehr
gesehen, ist daraufhin an neues Material herangegangen,
und das hat uns wieder neue Energie gegeben. Ich konnte
eine ganze zeitlang unsere CD wirklich nicht mehr hören.
Rafael: Aber inzwischen bist Du derjenige, der sie
wieder am häufigsten anhört.
Matthias: Ist so, jetzt ist alles wieder im Lot!
Rafael: Als alles vorbei war, ist eine echte Last von
uns gefallen!
Raff: Und jetzt nur noch das obligatorische Schiessen,
und wir haben schon wieder etwas hinter uns.
Matthias: Am Dienstag gehe ich ans Wacken Open Air!
Raff: Es (das obligatorische Schiessen) ist am
vierundzwanzigsten August.
Matthias: Gut, dann reicht es problemlos. Wir nehmen uns
jedes Jahr vor, diesen Mist so früh wie möglich zu
erledigen, machen es aber dann immer auf den letzten
Drücker.
Rafael: Aber das interessiert doch keinen!
Raff: Ich muss euch Kläusen doch etwas ins Gewissen
reden. Obligatorisches!
Matthias: Obligatorisches Programm erfüllen!
MF: Bestehen schon irgendwelche Pläne oder
Möglichkeiten, eine Band als Support auf einer Tournee
zu begleiten?
Rafael: Das wäre sicher cool, vielleicht auch mal ins
Ausland gehen, sei es auch nur für zwei, drei Konzerte.
Aber es ist natürlich immer schwierig, wenn nebenbei
alle arbeiten.
Adrian: Wenn du noch nicht so im ganzen Kuchen
integriert bist und du noch nicht über die nötigen
Beziehungen verfügst, wirst du eben auch des Öfteren
verarscht. Ist einfach so, man gerät schnell an die
falschen Leute. Wenn du über Facebook oder Myspace einen
Gig oder eine kleine Tour vereinbarst, dann ist es
fraglich, ob das gut herauskommt, da haben wir auch
schon unsere Erfahrungen gemacht. Es ist schwierig, man
müsste sowas fast mit einer Band durchziehen, die man
kennt und mit der man sich gut versteht, ausser man hat
eben ein Management, das einem die ganze Sache
organisiert. Deshalb sind wir momentan noch auf dem
Stand, dass wir uns zusammen mit einer anderen Band als
Gesamtpaket zusammenraufen und gemeinsam eine Tour
organisieren.
Rafael: Es braucht halt immer einen gewissen Aufwand,
weil wir alles selber organisieren müssten, ist
natürlich auch eine Zeitfrage. Cool wäre es auf jeden
Fall.
Matthias: Liebe Metal Factory Leser, falls ihr jemanden
kennt, wir würden uns freuen!
MF: Womit Du schon den Schluss eingeleitet hast, ein
paar letzte Worte an die Metal Factory Leser.
Raff: Kauft unsere CD!
MF: Komisch, das sagen immer alle.
Matthias: Kommt an unsere Konzerte!
Adrian: Und nehmt einen Zwanziger mit für die CD.
Rafael: Es wäre cool, euch an unseren Konzerten zu
sehen! Und wenn jemand für uns Auftrittsmöglichkeiten
weiss, immer melden!
Unser Mirko (mitte) mit Jane Reaction >
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