Einzigartig als Dunkelhäutiger mit
aufgestellten blonden Haaren.
Jean Beauvoir ist nicht nur als Musiker,
sondern auch als Produzent und
Songschreiber für namhafte Bands und
Künstler bekannt geworden. Dabei
spielte er bei den Plasmatics (Wendy O'
Williams) mit, hob Voodoo X aus der
Taufe, zusammen mit dem ehemaligen
Nena-Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen
und widmete sich seinem Baby Crown Of
Thorns. Der Multiinstrumentalist schrieb,
zusammen mit Paul Stanley, für KISS-Alben
und griff Doro Pesch musikalisch unter
die Arme. Nach den beiden «Best
Of»-Scheiben «Rock Masterpieces» aus
dem Jahr 2017 ist es ruhig geworden um
Jean, aber ist das wirklich so? Licht ins
Dunkel bringt der vielbeschäftigte
Musiker im folgenden Interview.
MF: Gibt es Pläne für ein neues Album?
Jean: Ja! Okay, also geplant
ist das falsche Wort (lacht). Ich
schreibe immer neue Lieder. Wann
irgendwas veröffentlicht wird, ist nicht
fixiert. Im Moment schreibe ich an
meiner Biografie, die hat Vorrang. Aber
es wird ein neues Werk von mir geben, und
das wird rocken (lacht). Ich versuche
alles unter einen Hut zu bringen und bin
am Organisieren. Darum hoffe ich, dass
die neue Scheibe 2021 veröffentlicht
wird, damit ich auf den Festivals
auftreten kann. Nun ja, das Buch sollte
auch nächstes Jahr veröffentlicht werden
(lacht).
MF: Du hast mit den
Plasmatics gespielt, hast melodische
Nummern, aber auch harte Stücke
komponiert. Wie wichtig ist diese
Vielfältigkeit in der Musik für dich?
Jean: Alles hat seinen Platz in
meinem Herzen. Ich mag die
unterschiedlichen Facetten in der Musik.
Dabei liebe ich den energiegeladenen
Rock. Dieses Gefühl, das von den
Gitarren und den Boxen ausgeht (lacht),
zieht mich immer in seinen Bann.
Speziell, wenn man dies zusammen mit dem
Publikum geniessen kann. Damals war das
Punk-Ding sehr aufregend für mich. Die
Konzerte mit den ganzen Pyros (lacht),
haben viel Adrenalin ausgelöst. Ich liebe
aber auch schöne Melodien. Ich
realisierte, wie viel mir die Musik gibt
(lacht). Höre ich einen Song, merke ich
wie aufregend dies sein kann und ganz
spezielle Gefühle in mir auslöst.
Ich war immer ein Artist, der sich in
den unterschiedlichsten Genres wohl fühlt.
War dies mit Hardrock oder wenn ich
zusammen mit Debbie Harry (Sängerin von
Blondie) komponierte. Selbst bei den
Ramones liess ich eine Melodie
einfliessen. Der Anspruch an mich war
immer, dass ich versuchte gute Songs zu
schreiben. Das Schöne dabei ist, dass
dies in den unterschiedlichsten
Stilrichtungen funktioniert. Es ist ein
Geschenk, Musik kreieren zu können. In
meinem Kopf ist dies dann schon ein Hit
(lautes Lachen). Nehmen wir die Ramones
als Beispiel. Ich schrieb für die Jungs
«My Brain Is Hanging Upside Down». Als
die Plattenfirma den Song zum ersten Mal
hörte meinte sie: "So was können wir
nicht veröffentlichen, das ist zu
politisch!" Das war aber nicht die
Meinung der Jungs, denn sie waren sich
sicher, dass es ein grossartiges Lied
ist. Am Ende des Tages war die Firma
noch immer der Meinung, das Stück in die
Tonne zu werfen. Aber dann gewann der
Song einen «Music Award» (lacht) und die
Plattenbosse sagten: "Wir glaubten immer
an den Erfolg!" Das erinnert etwas an
den Film «School Of Rock» (lacht). Jahre
später war dieses Lied ein guter Track.
Hatte ich es nicht immer gesagt (lacht)?
MF: Du hast auch Songs für KISS
geschrieben, wie kam es dazu?
Jean: Nach meiner Zeit bei den
Plasmatics, das muss so um 1982 oder
1983 gewesen sein... Ich war als
Teenager ein grosser KISS-Fan, und mein
Zimmer war überklebt mit Postern der
Jungs (lacht). Nie liess ich mir
träumen, dass ich einmal mit meinen
Jugendidolen Songs schreiben würde
(lacht). Ich traf Paul zum ersten Mal in
einem Club. Er kam zu mir und sagte:
«Hey, du bist doch einer der
Plasmatics-Musiker» (lacht). Ich schaute
ihn an, das war noch zu der Zeit als sie
maskiert auftraten, niemand die Jungs
kannte und sagte: "Du musst Paul Stanley
von KISS sein" (lacht). Wir begannen zu
reden, hingen zusammen ab und tanzten in
diesem Club (lacht). Während über zwei
Jahren oder mehr, trafen wir uns immer
wieder, gingen ins Kino oder Clubs und
schauten uns Konzerte an. Paul besuchte
mich in meinem Haus, und ich ging zu ihm.
Wir feierten Halloween oder
"Thanksgiving" zusammen (lacht). Eines
Tages, wir waren in Pauls Haus, schnappte
ich mir eine Gitarre und begann zu
spielen. In wenigen Sekunden hatten wir
den Beginn von «Thrills In The Night»
(ein Track vom «Animalized»-Album)
komponiert. Das war die Basis, wie
unsere Zusammenarbeit startete und mein
Einstieg, neben den Plasmatics, ins
Musikbusiness. Weitere Kooperationen
folgten. Es war wichtig für mich, mit
und für KISS Lieder zu schreiben. Ich
wollte immer alle Barrieren abbrechen.
Es war mir egal, ob ich weiss, schwarz,
oder gelb war. Willst du diese Art von
Musik spielen oder was auch immer
machen, dann tue es! Das war auch der
Auslöser für meinen Spitznamen «The
blond Mohawak» (lacht). Zu dieser Zeit
war es sehr ungewöhnlich, dass ein
Dunkelhäutiger mit blonden aufgestellten
Haaren herum lief (lacht). Ich wollte
einzigartig sein, tat was ich tun wollte,
um damit erfolgreich sein. Als
Songwriter, Produzent oder Musiker
(lacht). Dies in unterschiedlichen
Genres. Das war mein Antrieb (lacht),
auch wenn ich keine Ahnung hatte, ob
dies funktionieren würde. Aber mit den
Songs auf den KISS- oder den
Ramones-Alben wusste ich, dass ich auf
dem richtigen Weg war.
MF: Voodoo X war eine
Allstar-Band. Wieso trat der grosse
Erfolg nicht ein?
Jean: Martin, du weisst nie
wohin die Reise geht (lautes Lachen). Du
kannst ab und zu sehr überrascht sein,
wie etwas funktioniert oder eben nicht
(lacht). Der Vertrag war zu gross. Sie
dachten aber nicht an uns und schon gar
nicht langfristig. Die Plattenfirma
steckte sehr viel Geld in die Produktion
und die Videos. Hätten wir eine Million
Alben verkauft, hätte dies für das Label
einen Sinn gemacht. Dinge sind oft nicht
planbar und wären nur 200'000 Stück über
die Laden-theke gegangen, wäre das Label
vielleicht noch glücklich gewesen
(lacht). Als es an die Arbeit für das
zweite Album ging, welches uns der
Vertrag zusagte, schien das Interesse
nicht mehr vorhanden zu sein und der
Glaube an uns war weg. So wurde ein
weiteres Voodoo X-Album nie
veröffentlicht, und es kam zum Bruch.
Mein Onkel war ein Voodoo-Priester (Max
Beauvoir) und starb vor einigen Jahren.
Er brachte das ganze
"Zombie-Crazy-Chaos" nach Amerika. «The
Serpent And The Rainbow» war ein Buch
und ein Film über ihn. Er hat uns
geholfen die Schönheit (grinst) dieser
Faszination oder dieses Kults bei
Voodoo X einfliessen zu lassen. Zu sehen
ist dies in unserem Video (lacht). "Wenn
du und dein Team zu mir kommt, werden
wir eine Zeremonie feiern, die ich dir
erlaube zu filmen", sagte mein Onkel. So
kam es zum Song «Voodoo Queen» (grinst). Es
gibt viel zu sehen in diesem Video über
die Voodoo-Kultur. Trotzdem sollte es
kein zweites Voodoo X-Album geben. Wir
trennten uns, und meine Reise ging
weiter.
MF: Ja, nämlich mit
Crown Of Thorns. Hier hast du
unglaubliche Tracks komponiert, wie
«Lost Cathedral», «The Healer» oder
«Dying For Love»…
Jean: …danke mein Freund!
MF: Aber auch hier blieb der grosse
Erfolg aus, den sonst Aerosmith oder
Bon Jovi für sich beanspruchten. Wieso?
Jean: Nochmals, du kennst den
Grund nie (lacht). Glaub mir, ich frage
mich dies jeden Tag. Es waren viele
Leute beim damaligen Label involviert.
Zu viele (lacht). Aber dann veränderte
sich über Nacht das ganze Musikbusiness.
Alle wollten nur noch Grunge! Meine
Plattenfirma nahm mich zur Seite und
sagte: "Hör mal zu! Melodien sind nicht
mehr gefragt. Alles klingt neben der
Spur, aber die verkaufen damit Millionen
von Platten" (lacht). Ich wusste, es war
nicht die beste Zeit für meine Musik
(lautes Lachen) und dachte nur: "Jetzt
geht das schon wieder los" (lacht). Ich
verlor einige Jahre, da ich meine Musik
nicht anpassen wollte, sondern an sie
glaubte. Einige Bands haben sich dem
Trend angenähert, aber mit mässigem
Erfolg. Speziell in Amerika, da waren
die Europäer viel bodenständiger. Das
ist der Grund, wieso ich Europa
dermassen liebe. Wenn ich bei euch
spiele, sehe ich all die schönen
Menschen, welche die Musik geniessen und
es ihnen völlig egal ist, ob da ein
Gelber oder ein Schwarzer auf der Bühne
steht. Hier in Amerika… Gut man kennt
die News… Es war immer eine
Herausforderung für mich. Schwarze
können keinen Rock'n'Roll spielen oder
nur die Wenigsten. Du verstehst, was ich
meine? Okay, es gibt Lenny Kravitz,
Kings X oder Living Color. Sie alle
spielen aber keinen reinrassigen Rock
oder Metal. Darum war es für mich nie
ein einfacher Weg, und trotzdem bekam ich
einige gute Angebote. War dies als
Bandmitglied bei den Plasmatics oder
als Songwriter wie teils auch Produzent
für KISS, Blondie, den Ramones oder
anderen Künstlern. Sie alle liessen mich
meinen Weg gehen.
MF: Was sind die Pläne
für die Zukunft?
Jean: Es gibt viele Dinge, für
die ich momentan schreibe, in ganz
unterschiedlichen Bereichen. Wie zum
Beispiel mit Lordi. Sie hatten Erfolg
mit einem Lied, das ich vor dreissig Jahren
schrieb (lacht). Das ist lustig. «Like A
Bee To The Honey» haben Paul und ich
zusammen komponiert. Das muss um 1988
oder 1989 herum gewesen sein. Das ist doch
völlig verrückt, dass sie mit einem
dermassen alten Song und dem
dazugehörenden neuen Album
(«Killection») in die Deutschen (Platz
13), Finnischen (Platz 8) und Schweizer
(Platz 24) Charts einstiegen. Weitere
Lieder sind geplant, nicht nur für
Lordi. Ich arbeite hart an meinem Buch
und am Zeitplan für die kommende Tour,
die hoffentlich 2021 über die Bühne
gehen wird. Es sind viele kreative Dinge
am Laufen. Gehe ich mal an die frische
Luft, habe ich alle dreissig Minuten einen
neuen Song in meinem Kopf (lacht). Diese
Ideen müssen umgehend alle auf dem Rekorder
festgehalten werden.
MF: Dann hoffe ich, dich
irgendwann in der Schweiz auf einer
Bühne zu sehen!
Jean: Oh ja, das ist überfällig
(lacht). Das hoffe ich auch und wäre
grossartig. Das letzte Mal war… 1987
(lautes Lachen).
MF: Dann wünsche ich dir
bis dahin alles Gute, bleib gesund und
hoffentlich auf sehr bald…
Jean: …danke dir für das
Gespräch, es war mir ein Vergnügen.
Bleib gesund, und wir sehen uns! Das mit
der Schweiz muss klappen, ich arbeite
daran (lacht).
|
|
|
|