Ein weiteres Opfer des
Grunge.
Wirken die Posen aus den 80er-Jahren bei vielen
Truppen eher beschämend, so erstrahlen sie bei den Amis
von Kix mit einer gehörigen Portion Schalk. Hüpft Sänger
Steve Whiteman aus dem Stand in den Spagat, steht auf
und spielt den an den Lenden verletzten Shouter, so
bekommt man einen Performer zu sehen, der sich selber
nicht immer ernst nimmt. Es ist das Spiel mit dem
Publikum, welches Steve bestens beherrscht und dabei
immer sehr sympathisch und natürlich rüber kommt. Steve
konnte zusammen mit Gitarrist Brian «Damage» Forsythe in
der glorreichen Zeit die Erfolge mit Kix geniessen.
Speziell das Album «Blow My Fuse» mit dem Singlehit
«Don't Close Your Eyes» (Platz 11 in den US-Charts)
liess den Erfolg des Fünfers in die Höhe schnellen.
Nach diesem Platin-Erfolg zerstörte aber auch der Grunge
bei Kix die Hoffnungen auf weitere Grosstaten und so
löste sich die Truppe 1995 auf. Brian war dann auf
einigen Scheiben von Rhino Bucket zu hören, um dann mit
Steve, Ronnie «10/10» Younkins (Gitarre), Jimmy
«Chocolate» Chalfant (Schlagzeug) und Mark Schenker
(Bass) die Truppe 2003 zu reanimieren. Brian erschien
zum Interview und im Schlepptau hatte er Steve dabei. So
entstand nach dem Konzert auf dem Sweden Rock, ein
lockeres Gespräch, bei dem Vergangenes im Mittelpunkt stand,
aber auch erklärt wurde, wieso Kix wohl nie eine
Europa-Tour spielen werden.
MF: Meine Herren, was
für eine unglaubliche Show...
Steve: ...oh, das war noch gar nichts...
MF: ...komm schon, das war grossartig...
Steve: ..herzlichen Dank, das freut uns sehr,
dass dir die Show gefallen hat! Wir versuchen immer das
Entertainment mit viel Spass zu verbinden. So, dass es
immer noch cool, aber nicht überheblich wirkt. Es gibt
nichts Schlimmeres als eine Truppe, die sich auf der
Bühne zu wichtig nimmt. Wir wollen das Publikum begeistern
und in die Show miteinbeziehen. Dabei darfst du aber
die Songs nicht vergessen. Show und Lieder sind die
wichtigsten Elemente eines Gigs.
Brian: Ich
erinnere mich, als Donnie (Purnell, Bass) in der Band
war. Er hat die meisten Lieder geschrieben und dabei
immer daran gedacht, wie sie sich in einer Live-Show
integrieren lassen.
MF: Wieso habt ihr Kix zwischen 1995 und 2003 auf Eis
gelegt?
Brian: Ich lag im Koma (lautes Lachen).
Steve: Ja, er lag im Alkohol-Koma (alle lachen)
Brian: Ich verliess die Truppe schon 1993. Ich war
müde, auch von der ganzen Umgebung in Maryland, Los
Angeles. Danach spielte ich in einigen Truppen. Zu
Beginn der 2000er stieg ich bei Rhino Bucket ein und
spielte bei ihnen ein paar Jahre. Eines Tages rief mich
Steve an und fragte, hey...
Steve: ...Brian verliess
uns zu einer Zeit, in der es nicht einfach war für Kix.
Er stieg aus, als er sich in einem schrecklichen Zustand
befand. Wir hatten volles Verständnis für seinen
Ausstieg (lacht)...
Brian: Zu der Zeit explodierte
die ganze Grunge-Szene. Nirvana wurden zu den neuen
Superstars. Die ganzen Rock-Bands waren plötzlich nicht
mehr erwünscht. Für mich brach nach 13 Jahren alles
zusammen, und es fühlte sich an, als ob dir alle
plötzlich den Rücken zudrehten, die dich soeben noch auf
Händen trugen. Es war schrecklich!
Steve: Das war
echt die schlimmste und schwierigste Zeit für Kix. Mit
«Blow My Fuse» verkauften wir über eine Million Alben.
Es lief alles wie geschmiert, auch das Video zu «Don't
Close Your Eyes» trug dazu bei, dass bei uns alles
bestens war. Wir hätten noch mehr verkaufen können,
hätte die Grunge-Szene nicht plötzlich alles was nach
Rock klang in den Boden gestampft. Wir hatten keine
Ahnung, was uns die Zukunft bringen würde, nur dass wir
zu diesem Zeitpunkt das Relikt eines einst geliebten
Musikstils waren.
MF: Was war dann der Grund für euer
Comeback?
Steve: Ich hatte eine neue
Truppe am Start. Die hiess Funny Money, zusammen mit
Jimmy und Mark. Ronnie spielte bei einer Show bei Funny
Money mit, und so standen am Ende dieses Abends vier
Mitglieder von Kix zusammen auf der Bühne. Den Leuten
gefiel dies so sehr, dass sich daraus die Diskussion
ergab, Brian zu fragen, ob er nicht wieder Lust hätte,
sich mit uns zusammen zu tun. So kam zusammen, was
zusammen gehört.
Brian: Ja, es macht echt Spass
mit den Jungs auf der Bühne zu stehen und die alten Hits
gemeinsam zu spielen...
Steve: ...interessanterweise
waren die Offerten wirklich gut. So können wir heute
gutes Geld verdienen und teilen uns den Dollar, den wir
jeden Abend verdienen durch fünf Leute (grinst).
MF: War der Druck nach «Blow My Fuse» um ein Vielfaches grösser?
Steve: Das war unser absoluter Höhepunkt. Wir haben alle in den Arsch
getreten, bis uns der Grunge in den Arsch trat.
Brian: Als wir uns plötzlich auf diesen grossen
Konzertreisen wiederfanden und als Opening-Band mit Ratt
spielten... Wir hatten nicht mehr die 2-Stunden Shows,
welche wir in den Clubs spielten, sondern uns stand noch
etwas mehr als eine halbe Stunde Spielzeit zu. Wir
reisten in einem komfortablen Tourbus... Unglaublich. Die
Leute fragten mich, ob ich denn nun ein Rockstar bin.
Aber ich fühlte mich nie wie einer.
Steve:
Steven Tyler, Mick Jagger... Das sind Rockstars, aber doch
nicht wir. Die verkauften über Jahrzehnte hinweg
Millionen von Alben. Meine Güte, wir hatten gerade ein
Album, das sich gut verkaufte, deswegen waren wir doch
keine Rockstars. Wir waren glücklich, dass unsere Musik
im Radio gespielt wurde und die Leute uns junge Lümmel
kannten.
Brian: Es fühlte sich gut an, was damals
passierte, aber deswegen waren wir noch lange keine
Rockstars.
Steve: Dieses ganze "«Sex, Drugs And
Rock'n'Roll»-Ding hat leider auch viel Wahres. Als wir
zwanzig waren, haben wir alles gevögelt, was nicht bei
drei auf dem Baum war (lautes Lachen). Drogen... Klar, die
Musik bringt dieses Zeugs einfach mit sich, und es ist
schwer, sich dem zu entziehen (grinst). Bist du jünger,
probierst du einiges aus. Mit der Zeit weisst du aber,
was wichtig ist im Leben.
Brian: Ja, es war eine
wilde Zeit (lacht).
Steve: Das Schöne an der
Geschichte ist, dass die Jungs in der Band immer eins
geblieben sind. Freunde! Dass wir nach vierzig Jahren noch
immer zusammen auf der Bühne stehen, ist verdammt
unglaublich! Da stehen keine Egos auf der Stage. Auch
wenn wir uns manchmal wie die grössten Arschlöcher
benehmen (grinst). Aber schlussendlich kennen wir die
gemeinsame Stärke, welche die Band ausmacht.
Brian: Okay, ich bin keine achtzehn Jahre alt mehr (lacht). Da hat
sich schon einiges zum Besseren hin verändert (grinst).
MF: Was war für euch in der Vergangenheit wichtig,
und was ist es heute?
Steve: In der Vergangenheit waren wir alle
angetrieben vom Erfolg der Karriere. Wir wollten zu den
Top-Bands gehören. Mit «Blow My Fuse» haben wir diesen
Peak erreicht. Danach sind wir brutal auf die Schnauze
gefallen. Das hat es gebraucht, um sich wieder sammeln
zu können und den Fokus auf das Wesentliche zu legen.
Wir alle haben Familien, Freundinnen oder Ehefrauen und
Kinder. Heute liegen die Prioritäten anders als früher.
Brian: Hey, das ist wirklich eine verdammt gute
Frage...
Steve: ...stimmt, absolut!
Brian: Das
ist das Problem, ich wurde nie Vater, darum kann ich da
auch nicht mitreden (lacht). Erinnere ich mich zurück,
als Donnie und Ronnie mich fragten in die Band
einzusteigen... Donnie hatte diese coolen Songs
geschrieben und ein Plattenvertrag war so gut wie unter
Dach und Fach. Vor Kix spielte ich in vielen Bands, aber
noch nie war ich so nahe an einem Record-Deal. Darum
stieg ich in diesen Bus ein und ging dahin, wo er mich
hinfahren wird.
Steve: Ja, das war bei mir auch
so. Ich sang vorher in Cover-Bands. Donnie sah mich und
sagte mir, dass er eine Band am Start hätte, die einen
Plattenvertrag hat und tolle Songs, die darauf warten,
den Leute vorgestellt zu werden.
Brian: Heute
ist mir meine Gesundheit am wichtigsten. Dieses Jahr
werde ich sechzig Jahre jung, und da sind gewisse Dinge
einfach wichtiger, als sie es früher noch waren (lacht).
Darum mache ich viele Übungen zu Hause und ernähre mich
gesund.
Steve: Auch wenn es dich überrascht,
aber heute ist die Familie um einiges wichtiger als Kix.
Auch wenn ich die Truppe liebe, aber die Familie ist
mein Herzschlag. Das Schöne ist, dass sie mich alle bei
dem was ich tue unterstützen.
Brian (lachend):
Ich habe keine Kinder, bloss eine Freundin und sie
kümmert sich nicht um meine Musik.
MF:
Habt ihr Pläne für eine Europa-Tour?
Steve: Nicht wirklich. Kix machten nie grosse
Geschäfte in Europa. Es interessierte kaum jemand, was
wir taten. Unglücklicherweise! Wie spielten in England,
als «Blow My Fuse» veröffentlicht wurde und bekamen kaum
Airplay. Selten war ein Konzertplakat von uns zu sehen.
So, als ob man Kix nicht in England haben wollte. Auch
die Plattenfirma dort unterstützt uns kaum. Leider
konnten wir nie die Erfahrung machen, wie die
europäischen Fans auf uns reagieren würden. Für mich war
das "Sweden Rock Festival" der erste Berührungspunkt mit
Schweden. Brian hat schon mit Rhino Bucket hier
gespielt. Aber für Kix ist dieser Gig heute erst der
zweite Versuch, Europa zu knacken.
Brian: Wir
werden alle nicht jünger, und eine Tour in einem Bus ist
nicht nur reines Vergnügen. Man sollte auch an seine
alten Knochen denken (lacht). Können wir uns keinen
einigermassen luxuriösen Bus leisten, macht es keinen
Sinn in Europa zu spielen. Für eine Woche nach Europa zu
fliegen für ein paar Shows, die dann nicht einmal die
Unkosten decken, das ergibt keinen Sinn. Grössere
Festivals lohnen sich da bedeutend mehr. So können wir
viel mehr Leute erreichen und sie vielleicht von uns
überzeugen (grinst).
Steve: Korrekt, das ist das
Schöne, dass man bei einem solchen Festival einen
gewissen Komfort geniesst und sich vor dem Konzert gut
vom Flug erholen kann. Ich bin aber auch wieder froh,
wenn ich meine Familie wieder sehe (grinst).
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Steve: So lange uns die Leute sehen wollen,
werden wir für sie spielen. Darum sehe ich keinen Grund,
wieso wir die Reise stoppen sollten. Wahrscheinlich wird
nächstes Jahr ein neues Album veröffentlicht. Es besteht
kein Druck und kein Grund etwas zu tun, was nicht Sinn
macht. "Life the live and had a great time!"
Brian: Rhino Bucket haben soeben ein neues Album
veröffentlicht. Es scheint irgendwie keinen Markt für
die Band in den Staaten zu geben. Das ist komisch.
Steve: Das ist interessant, Kix kriegen kein Bein in
Europa auf den Boden, und Rhino Bucket haben das gleiche
Problem in Amerika.
Brian: Ja, mit Kix verdienen
wir gutes Geld in Amerika. Mit Rhino Bucket könnten wir
nicht einmal die Unkosten decken.
Steve: Es ist
eine Schande, dass die Leute nicht mitbekommen, dass ein
neues Album von Rhino veröffentlicht worden ist, denn es
ist verdammt gut geworden.
MF: Dann
wünsche ich euch viel Glück und bedanke mich für das
Interview!
Steve: Es war uns ein
Vergnügen!
Brian: Danke dir für die Zeit, die du
dir genommen hast.
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