Kein Schwanzvergleich mit Gotthard
und Shakra!
Ein Interview mit Chris „Dö Röhr“ von Rohr, seines Zeichens
Bassist und Gründungsmitglied von Krokus, ist in der Regel stets
eine heitere Sache. Der Rock-Druide ist bekannt für seine spitze
Zunge wie Eloquenz und kann nicht so schnell aus seiner Komfort-Zone
heraus gerissen werden. Aufgrund einer lästigen Erkältung war es
diesmal aber leider nicht möglich, den berühmtesten Kopftuchträger
des Landes bei sich zu Hause aufzusuchen. Das ist natürlich schade,
aber in der heutigen Zeit kann man sich durchaus auch mit einem
Skype-Videochat zufrieden geben. Punkt 19.00 Uhr rief ich Chris
somit an und es ging nicht lange, war er bereits auf Sendung. Bei
der Vorbereitung des Interviews machte ich mir noch Notizen von
wegen, dass ich mit «Big Rocks», dem am kommenden Freitag
erscheinenden neuen Krokus-Album, nicht wirklich warm werde. Hätte
ich ihm sagen können, andere meinen „müssen“, aber es hatte sich
jetzt auch zeitlich bedingt nicht ergeben, und ich wollte lieber
Tiefgründigeres als bloss einen Kommentar auf meine persönliche
Meinung hören. Zum Beispiel ein paar Gedanken zu den zwei im März
anstehenden «Rockmonsters of Switzerland“-Gigs mit Gotthard und
Shakra.
Chris: Hey man!
MF: Ja, da schau her…, der Rock-Druide!
Chris: Der Rock-Druide ist da für dich Amigo…, schiess los,
denn wir haben nicht
viel Zeit…, darum geben wir Gas!
MF: Ich habe gehört,
dass Du krank seist und deshalb keine Privataudienzen gewährst. Bist
du wieder einigermassen fit?!
Chris: Ja…, hör zu…, sie haben mich im Flugzeug mit der
Seuche angesteckt…, überall hatte es verdammte Seuchenvögel, und
irgendwann erwischt es einen halt. Nun saufe ich
Scheiss-Ingwerwasser…, fuck it und rocke das weg!
MF:
Euer letztes Studio-Album «Dirty Dynamite» ist bald auch schon
wieder vier Jahre alt. Warum habt ihr «Big Rocks» und nicht eine EP
mit drei bis vier neuen Songs gemacht?
Chris: Nun gut…, jetzt muss ich Dich da bezüglich der
(Jahres-) zahlen etwas korrigieren. Die Band ist in ihrer
Reunion-Zeit seit rund acht Jahren zusammen. In den sieben Jahren,
in denen wir kompositorisch tätig waren, haben wir zwei Studio-Alben
und ein Live-Album veröffentlicht. Wir haben befunden, dass die Zeit
nun reif ist, etwas anderes zu machen. Nicht einfach wieder ein
normales Krokus-Album. Wir hegten schon lange einen Traum und
verspürten den Wunsch, eigentlich denjenigen Heroes, die uns den Weg
geebnet haben und mit ihren Songs zum dem gebracht haben, was wir
sind, ein Denkmal zu setzen. Ein Album mit unserer DNA und
Muttermilch, unserem ganzen Ding. Ich habe das Gefühl, wenn ich mir
das jetzt anhöre, kann ich dir jetzt schon mitteilen, dass dieses
Album im Longrun als echtes grossartiges Krokus-Album auf der
Landkarte stehen wird. Warum? Weil wir diese Songs komplett
„krokusized“ und uns in diesem Genre den Krokus-Sound einverleibt
haben. Die ganze Produktion wurde mit der gleichen Sorgfältigkeit
bezüglich Sound, Arrangements und aufnahmemässig wie ein normales
Album von Krokus durchgeführt. EP? My fuckin‘ ass…, das kannste
gleich bigtime-mässig vergessen…, so…, und da ist jetzt ein neues
Krokus-Album…, und das heisst «Big Rocks»! Es heisst nicht «Bonsai
Rocks»…, mit irgendwelchen fuckin‘ B-Songs, die niemand kennt,
sondern es ist ein richtiges Party-Album geworden, auf dem die
geilsten Songs aus dieser Zeit zu finden sind. Ich denke, die Fans
werden das würdigen. Wenn ich die internationalen Feedbacks der
Presse heran ziehe, spüren eigentlich alle, um was es geht…, nämlich
um eine riesige Party!
MF: Anfangs März stehen die
beiden «Rock Monsters of Switzerland»-Gigs an. Ich habe (auf der
Krokus-Homepage) aufgeschnappt, dass ihr dabei als Special (mehrere)
Songs zusammen mit Gotthard performen werdet…
Chris: …wart mal…, zuerst step by step. Also zuerst ist es
schon mal ein Wunder, dass diese zwei Bands so zusammen kommen…,
unter gleichen Bedingungen…, gleiche Spielzeit, gleiches Licht,
gleicher Sound. Das war eine Idee unseres gemeinsamen Managers, und
wir finden, dass dies eine sehr gute Idee ist. Für mich ist diese
Situation eh besonders, weil ich zehn Jahre lang in der Zeit mit
Steve Lee (R.I.P.) intensiv mit ihnen zusammen gearbeitet habe. Wir
sind heute noch Freunde untereinander und es ist super. Nachher ist
es wieder mit Krokus weiter gegangen, auf einem unverschämt guten
Level…, mit Tours in Europa wie Amerika und jetzt…, dieser Abend…,
diese vier, fünf, sechs…, und noch diese zwei Festivals, die wir
zusammen spielen…, „Rock The Ring“ und „Moon And Stars“ in Locarno…,
das ist ein grosser Moment, auch für mich. Ich habe zu beiden Bands
eine Beziehung und natürlich eine intensivere zu Krokus, das ist
klar. Und nun wollen wir doch hoffen, dass etwas Gemeinsames
entstehen kann…, was genau, weiss ich noch nicht. Das müssen wir
dann besprechen…, ich treffe mich nächstens mal mit dem Leoni und
dann schauen wir. Es wird auf jeden Fall zwei ausverkaufte Shows
geben, und wer noch Tickets will, muss sich echt sputen, will er
nicht die ultimative Rock-Party verpassen! Das wird wirklich eine
ganz geile Sache.
MF: In der Schweiz kennt man die
Hack-Ordnung Krokus, Gotthard und Shakra schon eine ganze Weile.
Werden die Grenzen durch diese Events zum Guten hin abgeflacht?
Chris: (überlegt kurz) – Ja gut…, ich meine…, letztendlich
geht es nicht um „Schnäbi-Vermessereien“ (Deutsch: „Schwanzlängen –
MF) und Ego-Spiele, sondern es geht um die Realität…, so wie alle
sind. Wir sehen das eigentlich nicht als Wettbewerb untereinander,
sondern als Freude, dass wir alle zusammen spielen und alle gut
behandelt werden, respektive ihrem Status gemäss auftreten können.
Ich denke es ist gut, wenn die Leute alle drei Bands sehen und
unterstützen…, als Schweizer. Wenn es einem gefällt…, falls nicht,
kann man ja sonst bei der jeweiligen Band nach draussen gehen…
(lacht). Wir verschreiben hier nichts…, es gibt keine Soundpolizei
die sagt, was man sich anhören soll und was nicht.
MF: Werdet ihr bei den kommenden Festivals mehr oder weniger mit der
gleichen Setliste spielen?
Chris: Nein nein! Das kommt jeweils immer darauf an, wie
lange wir spielen können. Wir haben ein 60 Minuten Set, ein 75
Minuten Set, ein eineinhalbstündiges Set und ein
eineindreiviertelstündiges Set. Das variiert stets, und wir machen
das mit «Big Rocks» wie mit jedem anderen neuen Krokus-Album auch…,
wir spielen zwei bis drei Songs davon…, nicht mehr, weil diese Band
weist eine 42-jährige Geschichte auf. Da muss man schauen, dass man
allen irgendwie gerecht wird. Bei den neuen Songs haben wir auch
darauf geschaut, ob diese, im Vergleich zu den besten alten,
bestehen können und das Feeling vorhanden ist. Es wird also ganz
unterschiedliche Setlisten geben. Knaller, die das Publikum will,
sind natürlich dabei, das ist klar.
MF: Mein Fokus
zur vorangegangenen Frage ist das BYH!!!-Festival in Balingen (D).
Dort werdet ihr vor gut 15‘000 beinharten Metalheads auftreten. Das
wird also nicht ein Mainstream-Publikum wie letztes Jahr beim
„Riverside-Festival“ in Aarburg sein!
Chris: Ja nun…, was wünschst du dir denn?
Diese Gegenfrage kam für mich insofern etwas „überraschend“, als
dass ich mit «Stayed Awake All Night» (ab «Headhunter», 1983) und
«Everybody Rocks» (ab «Heart Attack», 1988) nebst vielen
vorausgesetzten „Musts“ zwar zwei meiner persönlichen Faves nannte,
die Dö Röhr aber beide schon fast verächtlich abkanzelte. Gleichwohl
nahm es ihn wunder, was das denn für ein Publikum sei (da Chris
dort, zusammen mit Krokus, bisher nicht gemeinsam auf der Bühne
stand), und so erzählte ich ihm die Geschichte von Foreigner von
2006. Die wurden ja zuerst belächelt und drückten danach mit einer
Killer-Setliste gnadenlos ab. Genau das wolle ich dort von Krokus
auch sehen und hören! Chris nahm dies zur Kenntnis und sagte, dass
er diese Empfehlung gerne aufnehme. Zudem fügte er an, dass es aus
der «Headhunter»-Zeit genug Hämmer gäbe und ich mir keine Sorgen
machen solle. Zumal sie auch noch beim „Loreley Festival“ spielen
würden und es im September dann wieder ab in die Staaten gehen
werde.
MF: Ich nehme dich beim Wort und werde das dann
vor Ort prüfen!
Chris: Das kannst du sehr wohl, aber aus «Stayed Awake All
Night» wird «Stay Away All Life» (äffte den Song nach) und
«Everybody Rocks»? Kannste vergessen…, ich dachte, du kommst mit
sowas wie «Night Wolf»! „Night Wolf…, Night Wolf“ (singt den Refrain
und lacht laut heraus)
MF: Noch ein Wort zum Sound
von «Big Rocks». Ich höre da deinen Bass, zum Beispiel bei
«Summertime Blues» deutlich heraus und eigentlich so wie kaum sonst.
Wurde das bewusst so gemixt?
Chris: Ist noch interessant zu hören…, aber jeder sagt
etwas anderes dazu. Ein Journalist meinte, man höre die Drums
besonders gut und du kommst jetzt mit dem Bass. Es kommt aber auch
immer auf den Song darauf an, ob der Bass durchdringen kann, doch du
hast schon recht, es hat ein paar kernige Sachen drauf. Insgesamt
freut es mich von den Journalisten zu hören, dass der Sound sehr
warm und nicht überproduziert rüber kommt. Nicht überpimpt, sondern
wie eine warme Hardrock-Band, und ich achte beim Produzieren immer
darauf, dass es natürlich belassen wird, wie in einem Lokal klingt.
Viele machen das einfach lauter, komprimieren immer mehr, bis es
künstlich tönt und Gitarren werden so stark verfremdet, dass man
sich fragt, was das überhaupt sein soll. Nein…, ich denke, dass die
Produktion vom Klang her auf jeden Fall gut gelungen ist.
MF: Und das Vinyl davon stellt dann noch das „i-Tüpfelchen“ dar…
Chris: …ich sage dir…, ich habe die Vinyl-Scheiben heute
erhalten und da kriegste glatt einen Harten! Die sieht so geil aus
und klingt auch super…, und an alle Vinyl-Collectors: „Holt Euch die
Scheibe, so lange sie noch erhältlich ist“!
MF: Du
bist letztes Jahr 65 Jahre alt geworden und somit ein „klassischer
Rentner“. Hat dich das verändert, und wenn ja, was ist nun anders
als vorher?
Chris: Was ich sehr gut finde, ist, dass pro Monat
plötzlich CHF 2000.- fürs quasi Nichtstun rein kommen! Dann muss ich
ganz ehrlich dazu sagen, dass ich jetzt keinen grossen Unterschied
zu 45 oder 65 Jahren spüre. Weiss nicht…, vielleicht ist es ein
Druckfehler bei mir oder in der heutigen Zeit halt so. Früher war
man in diesem Alter „älter“…, in den Sixties. Ich spüre vorab
nichts, will aber nicht übermütig sein. Wir alle sind in einem
Alter, wo die Gesundheit den Organizer spielt. Wie lange wir noch
weiter machen und wie das weiter gehen soll…, hängt total nur vom
Gefühl ab…, dem Wohlgefühl…, der Gesundheit. Wir sind keine dieser
Bands, die nur mit zwei oder noch einem Original-Member bis „schlag
mich tot“ auf irgendwelchen „Hubiäsch-Festivals“ (Deutsch:
„Heirassa-Festivals“ - MF) rumspielen. Wir wollen die Qualität hoch
halten, und solange dies wie auf dem neuen Album ist, respektive so
wie diese Band live klingt…, so lange spielen noch weiter…, dass es
Spass bereitet, und es ist auch schön in diesem Alter zu stehen,
weil man dankbar ist und jeden Auftritt, der der Letzte sein könnte,
schätzt. Das ist ein grossartiges Gefühl, und das herrscht in der
ganzen Band.
MF: Letztes Jahr sind viele berühmte
Musiker gestorben. Welcher Tod berührte dich am meisten und wobei
möchtest du den letzten Atemzug machen?!
Chris: Nun gut…, das ist jetzt aber eine sehr makabre
Frage…, mein letzter Atemzug? Möglichst in den Armen einer Blondine,
wenn es irgendwie geht…, mit feiner Haut und grossen „Ohren“. Nein…,
über das mache ich mir jetzt noch keine Gedanken und was die
Rocktoten anbelangt… (überlegt eine Weile) – ja…, Lemmy natürlich,
mit dem wir zusammen gespielt haben…, das ist ganz klar…, und auch
ein David Bowie stand mir mit seinem Songwriting nahe. Es ist
natürlich tragisch und scheisse…, haben wir noch was?
MF: Eure frühen Alben sind dank dem Vinyl-Revival heisst
begehrt, vor allem die erste Scheibe. Besteht die Möglichkeit, dass
dereinst mal vielleicht die ersten drei Platten neu aufgelegt
werden?
Chris: (überlegt eine Weile) – Ich weiss nicht…,, man
sollte Originale Originale sein lassen. Das erste Album ist
mittlerweile bei 1‘500 Euronen angelangt. Davon sind 560 Kopien
gepresst worden und man hat mir schon oft Angebote gemacht, weil ich
ja der einzige bin, der da drauf ist. Ich hätte damit ansehnlich
Geld verdienen können, aber ich will es momentan dabei belassen. Ich
kann nichts ausschliessen, aber ich möchte das eigentlich so sein
lassen…, es müssen Raritäten bleiben, Punkt! Reissues von älteren
(neueren) Scheiben wird es immer geben…, gerade in England kamen
diese ja von „Back On Black“, und das ist auch gut so. Die ganz
alten, finde ich…, sollte man aber sein lassen.
MF:
Was war dir früher (als Musiker) wichtig, und was ist es heute?
Chris: Für mich war es immer wichtig, einen Groove in einer
Band zu haben, unsere eigene Identität zu finden und vor allem, mit
jedem Jahr wo ich mehr dabei bin.., der Song…, das Songwriting. Das
ist das absolut Wichtigste! Nichts ist stärker als ein starker
Song…, das sollen sich auch die jungen Bands hinter die Ohren
schreiben. Du kannst es heute nur noch mit einem aussergewöhnlich
guten Song schaffen, und darum haben wir auch diese Platte gemacht!
Nothing’s strong but a strong song…, das sind alles Songs, die
unvergessen sind…, wo man heute noch darüber spricht. Das ist das
Wichtige…, und natürlich ein Bandfeeling, das da ist…, ein Groove.
Wir können immer noch dazu lernen, aber ich habe das Gefühl, dass
diese Band noch nie so gut und filigran gespielt hat. Das sagt auch
Fernando stets zu mir…, und das hört man auch auf dem letzten
Live-Album «Long Stick Goes Boom». Diese Band wird einfach immer
besser, und das ist doch unsere Aufgabe. Jeder, der in einem Beruf
steht, muss doch versuchen, sich zu verbessern. Wir sind da dran,
haben einen Riesenspass dabei, und ich hoffe, dass die Götter der
Gesundheit uns noch ein paar Jährchen gewähren.
MF:
Ich nenne zwei Titel: «Hunde, wollt ihr ewig rocken?» -
«Bananenflanke» - Drittes Buch?
Chris: Nein, es wird eine Art Remix davon geben und in zwei
Jahren erscheinen. Arbeitstitel: «Himmel, Hölle, Rock’n’Roll». Das
wird eine Zusammenfassung der ersten Zeit sein, ergänzt mit dem
letzten Drittel. Dieses Buch ist in der Mache und wird 2018
erscheinen.
MF: Last famous words: Was möchtest du
den Krokus-Fans und den Lesern von Metal Factory zum Schluss noch
mitteilen?
Chris: Hört zu Freunde…, Freunde der Sonne…, es ist so: Die
grosse Blütephase der Hardrock Bands geht langsam zu Ende. Geht all
die geilen Bands…, von Aerosmith, über Guns n‘ Roses, über AC/DC…,
und was immer noch da ist…, die ganz grossen Bands…, geht sie Euch
anschauen…, das betrifft übrigens auch Krokus…, solange Ihr noch
könnt. Weil…, wenn das vorbei ist…, und es wird vorbei sein…, in ein
paar Jahren…, sehr schnell. Auch Black Sabbath hören nächsten Monat
auf…, Aerosmith hören dieses Jahr auf. Es wird ein riesiges Loch
geben…, das kann man durch nichts ersetzen! So, wie man den King…,
Elvis…, nicht ersetzen kann..., mit nichts! Geht noch hin zu den
Konzerten, so lange es geht, weil danach wird eine grosse Dürre
einsetzen. Das ist offensichtlich, und das wissen wir alle. Geht die
Scheibe holen, denn sie ist geil, und es steckt viel Herzblut drin!
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