Lizzy Borden gehören nicht nur wegen ihrem Sound zum
Besten was es in der Metal-Szene zu hören gibt, sondern
auch wegen ihren sagenumwobenen Shows, bei denen schon
mal eine Blondine vampire-like gebissen wird und der
Schönheit das Blut den Hals runterläuft. Verschiedene
Masken, eine Axt und ein mit Blut gefüllter Schädel
ergänzen die nackten Tatsachen auf der Bühne bestens.
Wie diese Platz brauchende Show im doch eher kleinen
Rock City über die Runden gehen sollte, davon wollte ich
mich überzeugen. Als ich im Rock City eintraf, war von
der Band noch nichts zu sehen. Während Hägar langsam ins
Schwitzen kam, sah ich mein Interview in weite Ferne
rücken. Schliesslich sollten die Jungs um Bandleader
Lizzy noch essen und einen Soundcheck abhalten. Doch
ganz locker wurde das Gespräch mit Lizzy (LB) nach dem
Eintreffen in die Tat umgesetzt und ein relaxter und gut
gelaunter Sänger sass mir gegenüber.
MF: Es ist das erste Mal, dass ihr in der Schweiz
spielt?
LB: Oh ja (lacht). Das wird eine interessante
Geschichte, da die Bühne heute Abend sehr klein ist.
Aber, es ist das erste Mal, dass wir bei euch spielen
dürfen und wir wollen mit euch einfach nur Spass haben.
Leider können wir nicht unsere ganze Bühnenshow
auffahren, dafür ist der Rock-City-Club wirklich zu
klein. Somit fallen auch die beiden Girls den
Raumverhältnissen zum Opfer. So wird mich nur eine Dame
begleiten. Sonst haben wir keinen Platz mehr für die
Band (lacht) und die Jungs stehen ja auch nicht nur auf
der Bühne rum. Zum ersten Mal werdet ihr nur einen
kleinen Part dessen zu sehen bekommen, was Lizzy Borden
ansonsten auf der Bühne präsentieren. Damit hoffen wir
aber einen guten Eindruck zu hinterlassen, so dass wir
zu einem späteren Zeitpunkt in einer grösseren Halle
zurückkommen können.
MF: Welches sind die Einflüsse für deine Show?
LB: Kiss war die erste Truppe, die ich live sah. Sie
waren der grösste Haupteinfluss für mich. Unsere Show
hat einen kleinen Horror-Anteil, aber das meiste ist
purer Spass. Speziell, wenn wir die Besucher daran
beteiligen können. Aber Alice Cooper oder David Bowie
haben dazu beigetragen, dass das was ihr zu sehen
bekommt so verrückt ist. Wir saugen von all den
theatralischen Bands etwas auf, vermischen es und daraus
generieren wir unsere Show. Kaum eine andere Truppe ist
mit uns zu vergleichen.
MF: Wie denkst du heute über Kiss, Alice Cooper oder
auch Lordi?
LB: Ich liebe sie alle. Zusammen mit Lordi waren wir in
Amerika auf Tour. Durch sie kamen wir in Kontakt mit Udo
Dirkschneider. Auch mit W.A.S.P. tourten wir. Das sind
alles grossartige Jungs. Ebenso mit Alice Cooper. Kiss
sind eh meine Helden. Ich sah sie auf der letzten Tour
und fand toll, was sie aufführten. Als sie unmaskiert
auftraten waren sie nicht mehr meine absoluten
Favoriten. Die Maskerade und die ganzen Kostüme, das ist
meine Welt.
MF: Wurden diese Showelemente nie ein Problem für euch?
LB: Zu Beginn der achtziger Jahre kam dies vor, das
stimmt. Heute stellt dies aber kein Problem mehr dar.
Unser Publikum hat sich definitiv verjüngt und wie
willst du die heute noch gross schocken (lacht). Die
nächste Generation feiert mit uns und das ist eine sehr
aufregende Angelegenheit. Sie lieben nicht nur die Show,
sondern auch unsere Musik. Wie bei Kiss und Iron Maiden.
Stehe ich auf der Stage und sehe die jungen und auch
unsere alten Fans, macht mich das stolz. Allerdings, und
da komme ich auf deine Frage zurück (lacht), hatte ich
mit meiner Axt nach dem ersten «Bang Your Head»-Festival
ein kleines Problem. Am Flughafen überprüften sie mein
Handgepäck. Da griff diese Dame in meine Tasche und sah
die Axt und das Kunstblut lief ihr über die Hand. Sofort
ergriffen mich die überdimensionalen Hände der Security
und führten mich ab. Als ich ihnen alles erklärt,
liessen sie mich zum Glück wieder laufen. Ich bin nur
froh, dass sie den blutigen Schädel nicht auch noch
fanden (lacht).
MF: Ich sah euch das letzte Mal in Balingen, als ihr
zwei Mal nacheinander aufgetreten seid...
LB: ...genau, das war der Hammer!
MF: Was ist das Besondere, wenn du mit verschiedenen
Masken und somit auch mit unterschiedlichen Charakteren
auf der Bühne stehst?
LB: Das verändert den Auftritt für mich. Was immer ich
tue, das Publikum reagiert darauf. Wenn ich in die Augen
der Leute schaue, bekomme ich die Reaktionen von ihnen
mit. Die können sehr unterschiedlich sein (grinst).
Manchmal sehe ich ein breites Grinsen oder dann wieder
die totale Überraschung. Ich verstecke mich hinter
meiner Maske und lache für mich selber, was ich alles
sehe. Die ganze Maskerade verändert auch das Flair auf
der Bühne. Da kann ich von einer Minute auf die andere
von einem ganz dunklen Szenario in ein breites Lachen
von mir übergehen. Es war nie mein Anliegen, dass das
Publikum ins Konzert kommt und gelangweilt an der
Zigarette zieht.
MF: Wie bist du zu Hause, wenn du nicht auf der Bühne
stehst?
LB: Das ist eine total unterschiedliche Person. Zu Hause
kümmere ich mich mehr um das Business, das heisst ich
bin im Studio oder arbeite an geschäftlichen Dingen. Bin
ich mit meinen Jungs unterwegs steht der Spass an erster
Stelle. Sind wir in einer Stadt, in der Halle oder im
Bus. Es spielt keine Rolle, wir haben Fun.
MF: Wie denkst du heute über den ersten Output von dir,
«Give’em The Axe»?
LB: Mit dieser Scheibe startete alles für uns. Der Typ,
der die Scheibe mischte, arbeitete später mit Christina
Aguilera zusammen. Der Sound war sehr britisch gehalten,
der mit dieser typischen L.A.-Szene gemischt wurde. Das
taten damals alle. Es klang nicht nach Kiss, nicht nach
Alice Cooper, nach nichts, was es vor uns gab. Das war
zu diesem Zeitpunkt so total neu.
MF: Darauf folgte «Love You To Pieces»…
LB: …das Album hätte schon lange veröffentlicht werden
können, aber die Plattenfirma hielt uns zurück. Statt
1983 erschien die Scheibe erst 1985. Die Storyline
beschreibt sehr gut unsere Charakteren. Noch heute
spielen wir immer wieder Lieder aus dieser Scheibe. Zu
der Zeit waren Iron Maiden die angesagte Truppe im
Metal-Bereich. Für mich waren die Jungs aber nicht ein
so grosser Einfluss. Die beiden Gitarristen Gene Allen
und Tony Matuzak waren grosse Maiden-Fans. Probten wir,
spielten sie oft Iron Maiden-Songs. Aus diesem Grund
kann man doch einige Elemente des britischen
Metal-Kreuzers in unserem Debütalbum feststellen. Für
mich war aber klar. NIE MEHR (lacht)! Da ich nicht wie
eine andere Truppe klingen wollte. Zu diesem Zeitpunkt
waren Iron Maiden einfach DIE Band. Alle schauten, was
Steve Harris und seine Mannschaft taten und wollten
genau so erfolgreich sein. Mit diesem neuen Sound und
den beiden Gitarren, unterschied sich das alles von dem,
was Judas Priest taten. Aber meine Ansage war klar.
Spielt bei uns beim Proben keine Iron Maiden-Lieder mehr
(lacht)! Damals wussten wir auch, dass Lizzy Borden wohl
kaum im MTV zu sehen sein würden. Viele Truppen
veröffentlichten Live-Alben und -Videos. So kam es, dass
wir unser letztes Konzert der «Love You To Pieces»-Tour
aufnahmen. Obschon wir keine Ahnung hatten, was wir zu
tun hatten. Aber wir taten es! Schlussendlich war es
aber einfach eine von vielen Shows, die wir für «The
Murderess Metal Roadshow» recordeten. Es war eine Idee,
die wir spontan umsetzten.
MF: Wie stehst du heute zu «Menace To Society»?
LB: Bei «Menace» arbeiteten wir das erste Mal mit einem
neuen Produzenten (Jim Faraci) zusammen, der uns andere
Einflüsse einbrachte. Das Material stand schon seit
einem Jahr. Wie schon bei den Scheiben davor. Wir hatten
das Material bereit, spielten es Jim vor und waren
gespannt was er sagen würde. Er war der Meinung, dass
das Ganze wie eine englische Thrash-Band klingen würde,
da wir das Material sehr hart und auf einem hohen
Energielevel spielten.
MF: Wie sieht es mit «Visual Lies» aus?
LB: «Visual Lies» war mein Ding, also pass auf (lacht)!
Wir arbeiteten mit Max Norman zusammen. Er verstand es
selbst einen lauen Track powervoll erklingen zu lassen.
Nicht, dass unser Material schlecht war, aber durch ihn
bekamen die Lieder einen noch bedeutend energischeren
Sound. Wir schrieben andere Songs, als noch für «Menace
To Society». In diese Thrash-Szene wollte ich nicht mehr
gesteckt werden. Was mich interessierte war die Szene
aus Los Angeles. Aus diesem Grund änderten sich auch die
Songs und der Sound von «Menace» zu «Visual».
MF: Kommen wir zu meinem Lieblingsalbum «Master Of
Disguise»
LB: Da bist du nicht der Einzige (lacht). An allen Orten
an denen wir auftreten fragen uns die Leute nach
Material von «Master Of Disguise». Darum spielen wir
auch immer wieder Lieder aus diesem Album. Ich habe
keinen Anhaltspunkt, wieso gerade diese Scheibe bei den
Fans dermassen gut ankommt. Speziell in Amerika, während
hier in Europa eher «Love You To Pieces» der Favorit
ist. «Master» ist mein Baby, da ich zu der Zeit keine
richtige Truppe am Start hatte. Ich schrieb und nahm
alles selber auf. Zusammen mit einem Produzenten
versuchte ich meine Visionen umzusetzen. Wir nahmen uns
die Zeit, um alles aufzunehmen, denn es sollte zu meinem
Meisterstück werden. Bei allen anderen Werken hatte ich
das Gefühl, dass sie unfertig veröffentlicht wurden und
es noch vieles zu verbessern gegeben hätte. Ausser bei
«Master Of Disguise», mit dem Album war ich absolut
zufrieden und auch stolz darauf. Alles was möglich war,
wurde umgesetzt. Höre ich heute die Scheibe, würde ich
vieles wieder ändern (lacht). Aber zu diesem Zeitpunkt
war ich wirklich zufrieden mit allem.
MF: Danach hast du deine Truppe aufgelöst, wieso?
LB: Es gab keine Band, die ich auflösen musste, das
passierte schon vor «Master». Nach «Visual Lies»
existierte Lizzy Borden schon nicht mehr. 1993 starb der
Heavy-Metal in L.A. und alles war vorbei. Diamond Dogs
war dann meine Zwischenstation, eine Pop-Rock-Truppe,
die sich an den frühen Siebzigern orientierte. Wir
hatten Spass, aber keine all zu grossen Ambitionen. 1997
kam die Band Lizzy Borden zurück. Gitarrist Alex Nelson
und Bassist Marten Andersson waren dabei und wir hatten
wieder Spass an unserem Sound. Das Ziel war ein neues
Album aufzunehmen...
MF: ...das in Form von «Deal With The Devil» 2000 das
Licht der Welt erblickte.
LB: Man könnte diesem Album auch einen
Solo-Projekt-Charakter anhängen. Die ganzen Demos wurden
wieder von mir alleine erarbeitet, die ich dann in meine
Band einbrachte. Zusammen mit Marten und Alex schrieben
wir das Material um und ergänzten es. Das war eine sehr
befriedigende Situation für mich. «Deal With The Devil»
höre ich mir heute noch sehr gerne an.
MF: Mit einem gewissen Abstand, wie denkst du heute über
den letzten Streich «Appointment With Death»?
LB: Wir versuchten herauszufinden, was gut für die Band
ist und dateten unseren Sound up. Dabei kristallisierten
wir heraus, was der Charme von «Love You To Pieces», «Menace
To Society», «Visual Lies» und «Master Of Disguise» war.
Von allen Platten inklusive «Deal With The Devil». So
wurde «Appointment With Death» zu einem richtigen Lizzy
Borden-Album. Wir verliessen nie unseren Weg, aber als
Roadmap war dieses sich-an-die-alte-Zeit-zurückerinnern,
sehr wichtig. Das Visuelle versuchten wir in die Songs
einzubetten, darum klingt «Appointment With Death» auch
nach «Master Of Disguise». Der Mix entsprach nicht genau
dem, wie ich ihn mir vorstellte. Aber, alles in allem
ist es ein typisches und cooles Werk geworden.
MF: Welche Pläne hast du für die Zukunft?
LB: Wir wollen 2010 so viel touren wie nur möglich ist
und an vielen Orten spielen, an denen wir vorher noch
nicht waren. Unsere Show soll so viele Leute wie möglich
erreichen. Eine, von der ich denke, dass sie die Beste
ist, die wir jemals zeigten. Die Resonanz des Publikums
jede Nacht, beweist uns, dass nicht nur wir das so
sehen. Im kommenden Jahr wollen wir an einem neuen Album
arbeiten. Ich schreibe jeden Tag an neuem Material,
somit kommt mein kreativer Fluss nicht zum stoppen. Auch
eine Live-CD, beziehungsweise -DVD ist seit längerer
Zeit im Gespräch, wobei die Plattenfirma nicht so
erfreut darüber ist. Wie das Ganze aussehen sollte und
wie wir es angehen wollen, das steht noch in den
Sternen, auch wenn wir sehr gutes Material von
Sweden-Rock, Bang Your Head, Rock In Amerika, Rock In
Oklahoma oder Wacken in der Hinterhand haben. Vielleicht
verwenden wir nur eine Show, vielleicht zwei oder
mehrere zusammen. Aber im Moment haben wir keine
gefestigten Pläne so etwas umzusetzen.
MF: Kommen wir zum Schluss. Welches waren deine besten
und traurigsten Momente mit Lizzy Borden?
LB: Die traurigsten Momente waren sicher die beiden
Todesfälle von Alex Nelson und Corey James. Der
glücklichste Moment ist sicherlich das neue Line-up, das
mir zur Verfügung steht. Zusammen mit Marten, Trommler
Joey, den beiden Gitarristen AC Alexander und Dario
stehen mir sehr gute Musiker zur Verfügung und das
Feeling ist einfach unglaublich. Das Zusammenspiel ist
so gut, es könnte nicht besser sein. Wir haben eine gute
Zeit zusammen.
MF: Besten Dank für das Interview, dass trotzt der
verspäteten Ankunft stattgefunden hat und du dir so viel
Zeit genommen hast.
LB: Keine Ursache, ich hoffe dich bald wieder zu sehen.
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