Ich möchte Euch ja nicht gleich zu Beginn mit einem
Vorspann langweilen, der schon so oft verwendet
wurde, um eine Review oder ein Interview einzuleiten,
aber der Verkehr in der Schweiz ist halt einfach zum
Mäuse melken! Wenn man an einem Freitag Abend ganze
drei Stunden benötigt, um von Zürich nach Luzern zu gelangen,
dann hat man gefälligst das Recht dazu, seinem Ärger
hier freien Lauf zu lassen. Das sind gerade mal schlappe
53 km! Vor allem musste ich Phil Caivano (g) warten lassen.
Der hatte jedoch die Ruhe weg „Kein Problem, wir sind ja
hier“. Nun gut, ich hoffe, dass ich in dem Alter später
auch mal so entspannt bin. Im Auto habe ich mich noch
benommen wie „Animal“, der zottelige Schlagzeuger von der
Muppet Show: getobt - mit Händen und Füssen. Aber eben,
ist ja alles nochmals gut gegangen und nachdem ich Metal
Factory vorgestellt und kurz von meiner Vergangenheit
bei «Scream Maga-zine» erzählt hatte, ging es auch schon los
mit dem Philosophieren. Wie hat sich die
Medienlandschaft entwickelt über die ganzen Jahre und
ist der schnelle Zugang zu so vielen Informationen im
Internet ein Vorteil oder vielleicht doch eher ein
Nachteil?
MF: Ich habe dir gerade von von meiner Zeit mit
Scream (Mitte 90er) erzählt und dass das Internet als
Informationsplattform zu dieser Zeit noch gar nicht so
ausgereift gewesen ist. Reviews zu Album
Veröffen-tlichungen oder Konzerten konnte man fast
ausschliesslich nur über die Printmedien lesen. Wie
findest du die Entwicklung über die Jahre hinweg
bezüglich des Informa-tionsaustauschs über das Internet?
Ist es ein Vorteil, dass man mittlerweile fast 30
Rezensionen zum aktuellen Album lesen kann? Was denkst
du über diesen Wandel? Du bist ja auch schon lange im
Business und hast dies hautnah mitbekommen.
PC: Nun, ich muss ehrlich sagen, dass ich die
Printmedien sehr vermisse. Ich ziehe Zeitschriften vor,
die man in der Hand halten und darin blättern kann. Aber
es ist natürlich ein grosser Vorteil, wenn Leute über das
Internet einen grösseren und schnelleren Zugang zu
Informationen bekommen. Diese Entwicklung ist ein
grosser Fortschritt und die jungen Leute geniessen es
mit gerade mal einem Klick Zugang zu so vielen
Informationen zu bekommen. Ich gehöre noch der älteren
Generation an und bevorzuge es, ein Magazin zu kaufen, es
ist persönlicher. Wenn du aber an einem bestimmten Thema
interessiert bist, kannst du schnell mal recherchieren
und alles Mögliche nachlesen, was bei Magazinen ja eher
schwierig ist. Das ist ein grosser Vorteil. Man findet
auch Informationen zu Bands, über die würdest du nie in
den Zeitschriften was lesen, es gibt sicher auch eine
positive Seite in Bezug auf diese Entwicklung. Was
gefährlich sein kann ist, dass Leute falsche
Informationen bekommen oder Meinungen von Leuten lesen,
die schlichtweg keine Ahnung von Musik haben. Heute kann
theoretisch jeder über Musik schreiben und seine Sachen
im Internet verbreiten, was zu falscher Meinungsbildung
führen kann. Da gibt es einige, die sich als Experten
ausgeben, aber einfach nicht wissen, über was sie reden.
Das ist natürlich ein klarer Nachteil.
MF: Ich denke, man bekommt jedoch ein noch klareres
Bild, wenn man die Möglichkeit hat, 20
unterschiedliche Meinungen zu einem Album zum Beispiel
einzuholen. Man erkennt schneller eine Tendenz. Du
sagtest, du vermisst es ein Heft in den Händen zu halten.
Mir geht es so mit CDs. Ich habe jetzt vor Kurzem das
erste Mal ein Album im Internet herunter geladen und
irgendwie ist das ein komisches Gefühl für mich. Ich
möchte ein Album in den Händen halten, die Texte lesen,
schauen, wo das Album aufgenommen wurde, gibt es noch
Gastmusiker etc. Es fühlt sich so anonym an, Musik
einfach runter zu ziehen und auf der Festplatte
abzuspeichern.
PC: Ja genau, was man da vermisst, ist das eigentliche
Produkt. Man vermisst den Kick in den Shop zu gehen, die
CD zu kaufen, diese ganze Prozedur, bis man die CD
endlich in den Player legen kann. Ich kaufe sogar noch
Platten und höre mir diese auf einem Player an. Das
aktuelle Monster Magnet Album "Mastermind" haben wir zum
Beispiel auch auf Vinyl heraus gebracht. Du bekommst die
LP und damit den Download noch zusätzlich dazu. Dave ist
auch ein Sammler, er hat eine Vorliebe für Comics und
Equipment, das er sammelt. Viele Bands bringen Special
Editions oder Limited Editions raus, wo man noch
spezielle Dinge dazu erhält, wie zum Beispiel T-Shirts
oder USB-Sticks und solche Sachen. Das ist echt cool.
MF: Ich bestelle CDs online und das ist immer der
absolute Kick. Ich liebe es zu warten, bis die CD dann
endlich im Postkasten ist. Das macht das Ganze noch viel
wertvoller. Auf der anderen Seite habe ich aber jetzt
auch verstanden, dass es cool und hilfreich sein kann,
Musik schnell aus dem Internet zu laden. Besonders wenn
man auf ein Konzert möchte und schnell noch vorab das
Album hören will. Wie hast du eigentlich deine Liebe für
die Musik entdeckt? Was hat dich inspiriert?
PC: Wie ich klein war, habe ich Bands wie die Rolling
Stones und Sly & The Family Stone für mich entdeckt. Ich
bin in den 60er Jahren aufgewachsen und mein Vater war
ein Künstler, auch meine älteren Brüder haben viel Musik
gehört und wir hatten viele Musiker im Freundeskreis.
Ich habe immer den Tennisschläger genommen und darauf „Jumpin`
Jack Flash“ gespielt, ich war recht angetan davon. Mein
grosser Traum war es dann, Gitarre und Bass zu spielen.
Mein erstes Instrument war dann auch der Bass, den ich
mir hart erarbeitete. Hab' immer den Rasen gemäht, bis ich
endlich einen Bass bekomme hatte.
MF: Wie war das damals? Du bist 1989 zu Monster
Magnet gestossen und dann hattest du 2005 die Band
verlassen, jetzt bist du 2008 wieder zurückgekehrt. Was
waren die Gründe dafür, und was hattest du in der
Zwischenzeit gemacht?
PC: Dave und ich sind zusammen aufgewachsen, wir sind
schon seit langer Zeit sehr sehr gute Freunde und wir
hatten bereits, als wir noch Kinder waren, zusammen Musik
gemacht. 1988/89 habe ich in Los Angeles gelebt und
Monster Magnet waren auch dort und haben am
«Powertrip»-Album gearbeitet. So irgendwie ist es dann
dazu gekommen, dass Dave mich gebeten hatte, der Band
beizutreten und ich habe zugesagt. Als ich dann Monster
Magnet wieder verliess, wollte ich unbedingt ein
Recording Studio bauen, und zu dieser Zeit dachte ich,
wenn ich es jetzt nicht mache, dann wird das wohl nie
was werden. Es war wirklich ein ganz grosser Traum von
mir und ich wollte nicht bereuen, dass ich es nicht
gemacht habe. Mein Kopf sowie mein Herz sagten, ich solle
das machen. Es gab keine Probleme innerhalb von Monster
Magnet, weswegen ich hätte gehen wollen oder müssen. Dave
nahm sich eine kurze Auszeit, wie ja bekannt ist, hatte
er einige persönliche Probleme und es war für mich
einfach die Zeit gekommen, mir meinen Traum zu erfüllen.
Zudem war ich recht ausgebrannt vom vielen Touren. Mit
«Powertrip» waren wir extrem lange auf Tour. Danach
passierte nicht so sehr viel. Es wurden zwar danach drei
Alben veröffentlicht, aber man spielte nicht so viele
Konzerte. Dann irgendwann hat mich Dave wieder angerufen
und mich gefragt, ob ich nicht wieder dazu stossen
möchte. Er bekam einige Anrufe mit Angeboten für Live
Shows und ich sagte „Hey, wenn du bereit dafür bist,
cool. Lass uns das machen und lass uns drüber
quatschen“.
MF: Wie geht es Dave im Augenblick? Ich weiss nicht,
ob du darüber etwas erzählen möchtest. Aber ich habe
gehört, es geht ihm immer noch nicht so gut und er zieht
sich eher zurück und gibt nicht so gerne Interviews. Ich
denke, eben Musiker und immer auf Tour zu sein ist nicht
so cool, wie jeder immer denkt. Es powert einem recht aus
und es ist fast anstrengender als auf dem Bau zu arbeiten.
Das Music-Business ist ein ziemlich hartes Geschäft.
PC: Ja so ist es. Es macht natürlich auch super viel
Spass, aber wir sind eben auch nicht mehr die Jüngsten
und es ist nicht so, dass Dave keine Interviews geben
möchte. Er versucht einfach auf sich aufzupassen und die
Ruhe zwischen den Gigs zu finden, die er benötigt. Es ist
auch recht anstrengend für die Stimme, wenn du tagsüber
Interviews gibst und dann noch fast jeden Abend singen
musst. Je älter man wird, um so besser kann man sich
auch selbst einschätzen und man weiss, dass man sich
schonen muss, um am Abend die perfekte Show bringen zu
können. Das Letzte was wir wollen, ist, dass wir Shows
absagen müssen, nur weil Dave den ganzen Tag Interviews
gegeben hat und dann am Abend nicht mehr singen kann.
Man darf ihm das nicht übel nehmen, im Gegenteil! Ich bin
froh, dass er mittlerweile so gut für sich selbst sorgt.
Und klar, es ist bekannt, was Dave durchgemacht hat in
der letzten Zeit, und jetzt wo wir wieder zurück sind,
stürzten sich alle wie die Geier auf ihn und wollen
alles wissen. Aber man kann nicht alles haben. Dave
kennt seine Probleme die er hatte ganz genau, und man
kann eben nicht alles haben und machen. Das geht einfach
nicht. Das Business ist so verrückt. Ich denke, das Erste
was du lernen musst, ist auch mal "Nein" zu sagen. Man
sieht es ja bei den vielen jungen Leuten, die meisten
leiden an Burnout. Ich bin wirklich sehr froh, dass wir
in unserem Alter immer noch hier rüber kommen und
Shows spielen können. Wir haben jetzt wieder eine recht
ausgedehnte Tour. Viele in unserem Alter können das gar
nicht mehr leisten. Das ging für viele eine Zeit lang
gut und dann ist es vorbei. Ich weiss noch, wie es damals
war mit «Powertrip», ich bin fast kollabiert und ich bin
froh, dass ich damals die Auszeit nehmen konnte.
MF: Ich weiss genau was du meinst, da muss ich wohl
noch ein bisschen an mir arbeiten. Ich meine auch immer,
ich müsste auf jeder „Party tanzen“. Das ist unmöglich.
Ich bin überglücklich, dass ihr wieder zurück seid, das
kannst du mir glauben. Wie hat dir die Show gestern
gefallen? Ihr habt ja bereits gestern schon einen Gig in
Pratteln gehabt?
PC: Das war eine absolut geniale Show gestern, wirklich
eine ganz coole Location. Die Schweizer waren immer gut
zu uns gewesen. Wir lieben es hier her zu kommen. Das
gestern war grossartig, die Leute sind total
ausgeflippt.
MF: Für mich ist es immer recht kurios zu sehen, wie
unterschiedlich das Publikum in den verschiedenen
Ländern reagiert. Ich habe schon in ganz Europa Konzerte
angeschaut, und ich finde hier in der Schweiz ist das
Publikum recht zurückhaltend. Die flippen nicht wirklich
aus. Wie empfindest du das?
PC: Das ist das Spezielle an Europa was ich so spannend
finde. Jedes Land hat seine eigene Kultur und
Besonderheit. Wir kommen aus den U.S.A, einem extrem
grossen Land. Sicher gibt es da auch Unterschiede, aber
im Grossen und Ganzen ist es ein grosses Land. In einer
Woche kannst du hier 6 unterschiedliche Länder spielen
und du triffst auf 6 unterschiedliche Kulturen. Was die
Fans angeht, finde ich, flippen sie überall gleich aus. In
Paris sind die Leute fast kollabiert, die sind total
ausgerastet, als sie Dave gesehen haben. Auch
Skandinavien war unglaublich. Dort spiele ich am
liebsten, die Fans sind grossartig. Helsinki ist sehr
speziell für uns. Ja, das stimmt schon, die Schweizer
sind etwas reserviert. Es braucht seine Zeit, bis sie
warm werden und aus sich heraus gehen.
MF: Danke Phil für die Zeit und ich kann es kaum
abwarten, euch heute Abend live zu sehen!
Das Konzert in der Schüür Luzern:
Was danach auf mich zukam war abartig! Und ich nehme
alles zurück was ich zuvor behauptet hatte: die
Schweizer zurückhaltend? Nicht an diesem Abend! Die
Stimmung war von A-Z überwältigend und man konnte spüren,
wie happy Dave und seine Truppe gewesen sind, wieder die
Bühnen dieser Welt rocken zu können. Was hier an Emotion
und Spielfreude rüber kam, habe ich schon lange nicht
mehr erleben dürfen. Für mich war der Gig die beste
Live-Performance im Jahre 2010! Während sich die
komplette Schüür für eine Zugabe heiser geschrien
hatte, packte sich eine Zuschauerin Daves Mikroständer
samt Mikrophon und brüllte wie besessen „Monster Magnet,
Monster Magnet“. Ein anderer schlug sein leeres Bierglas
schreiend so lange an den Bühnenrand, bis es in tausende
Splitter zersprang. Während der Zugabe fegte der Bassist
Jim über die Bühne, hin zum Bühnenrand und animierte das
Publikum so wild, dass er fast meine Kamera zertrampelt
hätte. Zur Krönung fiel er dann auch noch von der Bühne,
selbstverständlich direkt auf mich. Ich packte ihn am
Hosenbund und warf ihn zurück auf die Bühne. Die Menge
tobte! Und soll ich Euch was sagen? Dave Wyndorf machte
einen verdammt sympa-thischen Eindruck da oben auf den
Brettern, die die Welt bedeuten. Die Nähe zum Publikum
ist ihm wichtig und er schaute den Leuten direkt in die
Augen. In der ersten Reihe bedankte er sich bei allen
per Handschlag. Ganz grosses Kino!
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