Die beste Zeit des
Lebens.
Nazareth wurden im Mainstream bekannt durch die
beiden Balladen «Love Hurts» und «Dream On». Dass die
Truppe aber eigentlich einmal zu den härtesten Gruppen
gehörte, wird oftmals vergessen. Eine Band, die nun auch
schon fünf Jahrzehnte (!!!) auf dem Buckel hat und mit
Pete Agnew (Bass) nur noch ein Originalmitglied in der
Combo stehen hat. Sein Sohn Lee spielt seit 1999 Schlagzeug und
Gitarrist Jimmy Murrison ist seit 1995 dabei. Als
Originalstimme Dan McCafferty 2013 verkündete, aus
gesundheitlichen Gründen auszusteigen, war die
Betroffenheit im Fan-Lager gross. Wer sollte diese
rauchige, unverkennbare Stimme einigermassen ersetzen
können? Die Wahl fiel auf den ehemaligen Persian Risk-
und Krokus-Sänger Carl Sentance. Eben jener Carl sass
mir zum Interview gegenüber. Eigentlich ohne die Zeit
dafür zu haben, aber sie eben mal zu nehmen.
MF:
Carl, wie fühlt es sich an in einer 50 Jahre jungen Band
zu singen?
Carl (lachend): Ja, wir alle
werden nicht jünger. Aber im Ernst, es ist unglaublich.
Ich geniesse es, und es fühlt sich trotz des Alters noch
immer sehr frisch an. Das Schöne ist auch, dass zwischen
balladesken Momenten und dem harten Zeugs bei Nazareth
alles möglich ist. Nenne es, wie du es willst. Die Fans
aus den alten Tagen erinnern sich an eine sehr heavy
Truppe. Heute sieht dies sicherlich anders aus, aber
damals gehörte die Truppe zum Härtesten, was es zu hören
gab.
MF: Erinnerst du dich ans erste Meeting oder
die erste Probe mit den anderen Jungs?
Carl: Oh ja! Die Agentur rief mich an. Es gibt da eine
Band, die einen neuen Sänger sucht, bist du
interessiert? Ich wollte zuerst wissen, um welche Combo
es sich handelt. Nazareth! Ich sagte nur: "WOW!" Sie
flogen mich nach Schottland ein, und wir probten knapp eineinhalb
Songs und sie fragten mich, ob ich den Job will (lacht).
Meine bescheidene Antwort war: "Natürlich, klar, wieso
nicht?" (lacht).
MF: Wie gross war der Druck für dich in
die Band einzusteigen und Dan zu ersetzen?
Carl: Es war nicht einfach, aber ich bin in der
glücklichen Lage, dass die Lieder zu meiner Stimme
passen. Dan ist ein begnadeter Sänger, aber es
funktioniert und 99.9 % der Fans akzeptierten mich von
Beginn weg.
MF: Wo siehst du «Tattooed
On My Brain» in der Geschichte von Nazareth?
Carl: Ich denke, dass es ein sehr starkes Album ist,
vielleicht das Stärkste in den letzten Jahren.
Eigentlich ist es das Album von Pete, und es zeigt, wie
talentiert er ist. Ich schrieb auch einige Tracks für
das Album und bin sehr glücklich mit ihnen. Ich hoffe,
nein ich denke (lacht), dass sich die Leute noch lange
an diese Scheibe erinnern werden.
MF: Wann hast du begonnen zu singen?
Carl: Oh, das ist schon lange her (grinst).
Eigentlich habe ich zuerst Gitarre gespielt. Der
damalige Sänger verliess uns. So übernahm ich seinen
Part und bin ihn bis heute nicht los geworden. Das
Schöne ist, dass mich meine Mutter immer und bei allem
unterstützte.
MF: Erinnerst du dich an die Zeit, als
du bei Krokus gesungen hast…
Carl: …oh
ja (lacht). Als ich kürzlich zusammen mit Don Airey hier
aufgetreten bin, sass ich Backstage und trank einen
Kaffee. Dabei erinnerte ich mich, wie ich seinerzeit auch
mit Krokus im Z7 auftrat. Ich las damals im Sounds eine
Anzeige, dass eine Combo einen Sänger sucht. Ich
schickte ihnen ein Tape von mir und wurde zu einer Probe
nach London eingeladen. Es war damals keine einfache
Zeit für Fernando (von Arb, Gitarrist bei Krokus) und
seine Truppe. Es gab viele Lineup-Wechsel und somit
auch einige
Unruhe in und um die Band. Es ist, war und wird immer
eine grossartige Band sein und bleiben. Fernando ist
noch immer ein guter Freund von mir und wirklich eine
tolle Persönlichkeit. Aber zu der Zeit war es auch
nicht einfach für ihn. Damals sprach das Management mit
mir und war der Meinung, dass man wieder mit Marc
weitermachen wolle. Sie wollten wieder die
Originalmitglieder in der Band haben (grinst). Es war
aber auch irgendwie logisch, dass Marc (Storace, Sänger
von Krokus) zurückkehren würde. Ich sah sie vor ein paar
Jahren in England. Sie waren grossartig.
MF: Wie hast du dich über all die Jahre
verändert?
Carl: Habe ich mich verändert
(lacht)? Klar, ich bin älter und weiser geworden. Auf
deinem Weg lernst du immer Neues oder aus Fehlern, und
somit verändert sich dein Verhalten. Aber! "The older I
get, the more I wanna rock", das kling verrückt, stimmt
aber. Auch wenn es körperlich nicht immer einfach ist
(lacht). Aber ich stehe noch immer sehr gerne auf der
Bühne, "let's rock» und geniesse es!"
MF: Welches war die beste Zeit für dich?
Carl: Huh..., gute Frage. Auch wenn es blöd
klingt, aber das Hier und Jetzt ist die beste Zeit. Die
Shows, die wir spielen, sind unglaublich toll. Dabei
treten wir bei den grössten Festivals in Europa auf. Ob
dies nun das "Sweden Rock"- oder das "Wacken"-Festival
sind. Sehe ich in die Augen der Besucher, weiss ich,
dass das was ich tue noch immer berührt und den Leuten
gefällt. Sie wollen noch immer Nazareth hören und singen
den Refrain oder den ganzen Text mit. Das ist eine
wundervolle Zeit und mehr, als dass ich mir jemals
erträumte. Es ist schön, noch immer die Möglichkeit zu
haben, Musik zu machen.
MF: Welches war die schwierigste Zeit
für dich?
Carl: Die härteste Zeit war,
als ich nach Amerika ging. Ich versuchte Persian Risk
wieder zu beleben. Je mehr ich es versuchte, desto
schwieriger gestaltete sich alles. So ging ich zurück
nach England und bin glücklich, diesen Wege gemacht zu
haben.
MF: Ich danke dir, dass du dir noch die
Zeit genommen hast!
Carl: Keine Ursache,
und sorry nochmals, aber heute ist alles ein bisschen
hektisch, selbst bei einer alten Band (lacht).
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