Wenn man erzählt, dass man Guns & Roses 1992 live
gesehen hat und der Künstler sagt „Oh da war ich 5 Jahre
alt, da konnte ich sie noch nicht anschauen gehen“ weiss
man spätestens, dass man alt geworden ist. Da hilft auch
die überteuerte Nachtcreme für 100 CHF nix mehr.
Negative - das sind die Früchtchen Jonne Aaron (Gesang),
Larry Love (Gitarre), Antti Anatomy (Bass), Jay Slammer
(Schlagzeug) und Snack (Keyboard) – eine Truppe die von
den erfolgreichen Kollegen Aerosmith, Guns & Roses und
Hanoi Rocks musikalisch wie auch optisch stark
beeinflusst ist. Die fleissigen Finnen versprechen nicht
zu viel wenn sie behaupten, sie liessen sich durch
nichts unter kriegen. Fast im Jahresrhythmus werfen sie
eine neue Scheibe nach der anderen auf den Markt und
gewinnen immer mehr Anhänger in der ganzen Welt. Die
Glamrocker machten mal wieder Halt auf Schweizer Boden
und standen mir vor dem Konzert für einen regen
Austausch zur Verfügung.
Interview mit Larry Love (LL) und Antti Anatomy (AA)
MF: Euer letztes Album „Neon“ wurde im Sommer 2010
veröffentlicht und jetzt seid ihr unterwegs auf Tour.
Wie wichtig sind für euch Verkaufszahlen? Verflogt ihr
so etwas wie Chart-Platzierungen? Wie wichtig ist euch
der Erfolg überhaupt?
AA: Mmh, das ist eine gute Frage.
LL: Die Alben werden immer erfolgreicher und es gibt
immer mehr Leute in unterschiedlichen
Ländern die unsere Musik mögen. Das ist eine tolle
Sache. Wenn Du erfolgreich bist ergeben
sich so spannende Sachen wie Aufnahmen in Los Angeles.
Das fühlt sich anderes an wie in
Finnland. Man hat die Möglichkeit mit spannenden Leuten
zusammen zu arbeiten.
AA: Ich habe keine Ahnung und ich verfolge die
Platzierungen auch nicht. Wenn das Album raus
kommt, ist es wichtig für mich zu sehen, in welchem Land
die Veröffentlichung grundsätzlich gut
ankommt. Dann weiss ich, wo wir dann auch auf Tour gehen
können. Das ist für mich wichtig.
Live Konzerte sind spannend. Erfolg ist natürlich nichts
Schlechtes und es ist toll wenn das
Album im Handel steht und die Leute kaufen es. Aber
grundsätzlich ist das alles Business Sache
bzw. sind das Management oder Plattenfirma Themen. Für
die ist das eher von Interesse.
MF: Auf dem letzten Album konntet ihr mit Jeff Blue
zusammenarbeiten, welcher bereits durch
die Arbeiten mit Linkin Park, Korn oder Marcy Gray
bekannt geworden ist. Wie war das für Euch?
AA: Das war eine gute Erfahrung. Dies brachte uns auch
zum ersten Mal für Aufnahmen nach
Los Angeles. Dort haben wir auch das Video zu „End Of
The Line“ gedreht. Jonne unser Sänger
hat Jeff in Finland getroffen, während er dort zu tun
hatte. Jemand von unserer Plattenfirma
kannte ihn schon recht gut und so kam es an einem Abend
zu einem Treffen. Man verstand sich
und Jeff hat es gefallen, was wir so machen und so kam
eine Zusammenarbeit zustande.
MF: „Neon Rain“ schliesst euer aktuelles Album ab und
ich finde den Song sehr schön. Der Text
wird von einer finnischen Frauenstimme gesprochen. Es
handelt sich dabei um Kirsti Anna Urpa.
Wie seid ihr auf sie gekommen?
AA: Ursprünglich sollte die bekannte Tattoo-Künstlerin
Kat von D den Part übernehmen. Sie ist
ein grosser Fan der Band. Leider war sie recht
beschäftigt mit ihrem Tatoo Studio und ihr Zeitplan
lies es nicht zu, für uns zu arbeiten. Kirsti
beschäftigt sich hauptsächlich mit Web-Design und ist
auch Fotografin. Sie war Assistentin für einen
Fotografen den wir getroffen haben. So haben wir
sie kennen gelernt. Wir hatten dieses Outro „Neon Rain“
für das Album und waren uns zu Beginn
gar nicht ganz sicher, ob wir überhaupt Gesang verwenden
sollten oder was wir damit machen.
Das Outro verwenden wir auch am Ende bei den Shows.
LL: Kirsti hat so eine schöne weiche Stimme. Ich bin
froh, dass wir sie am Ende engagieren
konnten. Ich finde ihre Stimme grossartig, ganz anders
als die Stimme von Kat von D.
MF: Ihr werdet oft mit HIM, Aerosmith oder Guns & Roses
verglichen. Stört Euch das nicht, dies
ständig hören zu müssen?
LL: Ich denke das ist eine natürliche Vorgehensweise,
wenn es eine neue Band gibt. Es ist wie
bei Nahrungsmitteln. Wenn Du zum Beispiel jemandem
beschreiben möchtest wie etwas
schmeckt, dass er noch nie zuvor gegessen hat, dann
vergleichst Du es mit dem Geschmack
zum Beispiel von einem Apfel oder so. In der Musik ist
es ähnlich. Es macht mir gar nichts aus.
AA: Es ist ja auch tatsächlich so, dass all die Bands
die Du jetzt genannt hast in unserer Musik
wieder zu finden sind. Sogar Muse, Radiohead, Nirvana,
vielleicht sogar ein bisschen Green Day,
es kommt immer auf den Song an.
MF: Würdet ihr sagen, dass alle in der Band eine andere
musikalische Vorliebe haben und das
eben diese unterschiedlichen Einflüsse in die Musik
einbringt?
AA: Ja genau, so ist es. Es gibt wohl nur eine einzige
Band die alle bei uns verehren und das ist
eben Guns & Roses. Da sind wir uns alle einig (lacht).
Wir haben Freikarten bekommen für die
Show in Helsinki und das war spannend zu sehen, obwohl
das jetzt nicht mehr viel mit Guns &
Roses zu tun hat. Wir sind gegangen weil wir nichts
besseres zu tun hatten an dem Abend
(lacht). Das was ich gesehen habe da hat nichts mit dem
zu tun für was Guns & Roses
gestanden hat. Das ist etwas traurig. Leider konnte ich
sie nie in original Besetzung anschauen,
da ich da viel zu jung gewesen bin und noch nicht auf
Konzerte gehen durfte.
LL: „Appetit For Destruction“ von Guns & Roses ist das
beste Album. Meine persönliche
Nummer 1!
MF: Oh ja ein ganz grosses Album. Hattet ihr keine
Hippie Eltern die Euch zum Konzert
mitgeschleift haben?
AA: Oh nein, die hatten es mir nie erlaubt zu
Rock-Konzerten zu gehen. Ich erinnere mich noch
1993 bin ich 11 Jahre alt geworden und Metallica kamen
nach Helsinki und hatten an meinem
Geburtstag einen Auftritt. Ich hatte so gehofft, dass
ich die Erlaubnis bekommen würde da hin zu
gehen. Ich hätte ja die Tickets selbst bezahlt, es ging
mir nur um die Erlaubnis. Aber da ging gar
nichts. Ich hatte immer heimlich die Rock Hefte und
Bücher gelesen, wenn meine Eltern nicht zu
Hause waren. Bestimmt geniesse ich es auch daher so
sehr, jetzt das alles machen zu können.
Ich bin ein grosser Musikfan und es ist grossartig Live
Shows besuchen zu können.
LL: Slash ist mein grosses Idol, ihn habe ich letzten
Sommer das erste Mal live gesehen. Aber
Guns & Roses sollten sich nicht mehr Guns & Roses
nennen.
AA: Ja, Guns & Roses waren wirklich cool. Aber jetzt
macht es keinen Sinn mehr die Band so zu
nennen. 1997 ging es ja um die Rechte für den Namen und
Axl besitzt nun den Namen. Er kann
damit machen was er will. Er sollte es lieber W.A.R nenn
das beschreibt sein Verhalten noch am
besten und beinhaltet zudem seine Initialen W. Axel
Rose.
MF: Lasst uns mal über eure Fans sprechen. Ihr habt eine
wirklich loyale Fanbase. Es gibt ein
paar Mädels aus Finnland die Euch sogar auf der Tour
immer hinterher reisen.
AA: Ja da gibt es ein paar die uns folgen, das sind ca.
5-10 Leute. Die folgen uns auf der ganzen
Europa Tour und das machen die schon seit wir angefangen
hatten Musik zu machen. Da hatten
wir noch nicht mal einen Plattenvertrag. Wir hatten
immer treue Anhänger.
MF: Macht es Euch keine Angst jeden Abend die selben
Leute im Publikum zu sehen?
AA: Da muss man keine Angst haben, unsere Fans sind
wirklich sehr nett. So lange es keine
Stalker gibt, ist das gut und es macht mich stolz zu
sehen, dass es Menschen gibt, denen wir
bzw. unsere Musik so viel bedeutet, dass sie extrem viel
Geld ausgeben um uns zu sehen. Das
ehrt mich. Und ich verstehe das, denn ich bin auch ein
Fan und habe das auch schon gemacht.
In Ländern wie Mexiko, Spanien oder Italien sind die
Fans wilder. Da geht es richtig ab.
LL: Vor ein paar Jahren habe ich einen Monat lang jeden
Tag Rosen vor die Tür gelegt
bekommen und sie hat jeden Tag vor meiner Haustüre
gewartet, das macht einem schon Angst.
MF: Ihr habt eine grosse Metal und Rock Kultur in
Finnland. Das zählt eigentlich für ganz
Skandinavien. Warum denkt ihr ist das so?
LL: Ich denke die dunklen langen Winter und die Kälte
haben da einen grossen Einfluss, was
meinst Du Antti?
AA: Finnland war schon immer irgendwie ein Rock-Land.
Die ganze Einstellung ist etwas
„dunkler“, ehrlicher und aufrichtiger. Je nördlicher man
geht, um so klarer wird einem das. Anders
als in Ländern wo alles so super happy wunderbar ist. Da
ist alles so „aaawsome“ (imitiert einen
amerikanischen Akzent). Ich spreche von den Leuten die
Dir ins Gesicht lachen und hinter
deinem Rücken schlecht über Dich reden. Alles recht
oberflächlich eben. In den 70ern gab es
schon sehr gute wegweisende finnische Bands. Die
Qualität der Metal Bands ist eben auch
wirklich sehr hoch und man ist stolz auf sie. Viele
Bands geben auch nicht so schnell auf und
üben und üben und lassen sich nicht unter bekommen.
MF: Das ist weil ihr Sisu habt da in Finnland. Sisu ist
ja ein typischer Begriff bei Euch der mentale
Stärke verkörpert, die eigentlich nur den Finnen bekannt
ist. Dies gibt unendlichen Ansporn.
LL: Ja genau, wir geben niemals auf, wir gehen durch
eine Wand und kämpfen für das was wir
erreichen wollen. Niemals aufgeben, das ist das Motto.
MF: Eure Musik ist doch recht positiv warum habt ihr den
Namen „Negative“ gewählt?
AA: Ich war zwar damals noch nicht in der Band, aber ich
kenne die Geschichte. Es gab andere
Namen für die Band zuvor. Der erste Name war „Ripe
Virgin“ und wurde dann in „Anita“
geändert. Jonne war früher ein recht wilder Typ und
irgendwann hat die Mutter seines besten
Freundes verboten, sich mit Jonne abzugeben. Sie meinte
Jonne hätte schlechten Einfluss auf
ihren Sohn und dessen Mutter hiess eben Anita.
Schlussendlich kommt der Name Negative aus
dem Song „Negative Creep“ von Nirvana. Es ist ein
einprägsamer und kurzer Name und
verkörpert eben auch dieses „Fuck You Attitude“.
MF: Apropos schlechter Einfluss. Welchen Einfluss haben
eigentlich Bands auf die Kids? Ich
hatte mal bei einem Marylin Manson Konzert Kids gesehen,
die sich genau so wie er die Arme
und den Körper geritzt hatten. Da war ich schon
erschrocken muss ich sagen. Wie denkt ihr
darüber?
LL: Da ist schon was dran. Ich erinnere mich als ich 13
Jahre alt war, oder so. Ich fing sofort an
zu rauchen und habe mich das erste Mal betrunken. Ich
hatte die Guns & Roses Biografie
gelesen und da stand eben drin, dass es uncool ist zur
Schule zu gehen und da stand eben viel
über Alkohol und Drogen.
AA: Jeder ist irgendwo für sich selbst verantwortlich.
Man probiert so viel aus wenn man jung ist
und es sind auch wichtige Erfahrungen die man als
Jugendlicher machen muss. Wenn es nicht
gefährlich wird dann ist es ok. Es gehört zum Leben und
zur Entwicklung dazu, Dinge
auszuprobieren und auch daraus etwas zu lernen.
LL: Es langweilt mich, wenn es Leute gibt, die sich
immer darüber aufregen welchen schlechten
Einfluss Bands auf die Kids haben könnten. Es gibt so
viel schlimmere Sachen auf der Welt die
sollten sich lieber darauf konzentrieren.
MF: 1985 war ja die grosse Sache mit Dee Snider von
Twisted Sister als diese Elternvereinigung
gegen ihn und noch andere Musiker vorgegangen ist...
AA: Oh ja ich habe gerade vor kurzem eine Dokumentation
darüber gesehen, wie das damals
war. Er hat es allen gezeigt und alle Vorwürfe bezüglich
den Texten widerlegt. Das war sehr cool
von ihm.
LL: Es ist immer eine Interpretationssache. Die Eltern
sollten sich mal an der eigenen Nase fassen und sich mal fragen was sie vielleicht in der
Erziehung falsch machen oder gemacht
haben.
MF: Oh Jenny (Tour-Managerin)? Müssen wir schon aufhören?
AA: Ah nein, eine Frage machen wir noch das ist völlig
ok.
MF: Danke das ist nett, vielleicht könnt ihr mir noch
zum Abschluss ein paar Eindrücke von der
laufenden Tour geben?
AA: Oh es ist fantastisch bis jetzt gewesen. Wir haben
so viele tolle Länder auf dem Plan
(beginnt bei Larry`s Shirt die Tourdates abzulesen):
Russland, Finland, Deutschland, Dänemark,
Österreich, Italien Spanien....es war bis jetzt super.
Österreich war der Hammer! Ich glaube das
war gestern, nicht? Die Leuten sind total ausgeflippt.
Wir haben wirklich extrem viel Spass und
uns war es auch wichtig, dass wir visuell etwas bieten
können mit all der Dekoration und den
Neon Leuchten und so.
MF: Ok dann bin ich gespannt! Vielen Dank für das
Interview, hat mich gefreut euch zu treffen.
Und hier die Eindrücke: Negative live im Dynamo
Zürich , 20.01.2011
Unspektakuläre Konzerte sind anders, finde ich.
Bezüglich Bühnendekoration wurde nicht zu viel
versprochen. Das Zeugs hat die Band in einem Halloween
Laden während ihrem Aufenthalt in
L.A. gekauft und war mir einige Fotos wert. Totenköpfe,
Skelette, Neon-Farben und ein Elvis
Gemälde, um ein paar Sachen beim Namen zu nenne,
schmückten Mikroständer oder die
Verstärker. Dank der loyalen, reiselustigen und
jugendlichen Fanbase über die wir im Interview
gesprochen hatten, war auch die Stimmung durchweg fast
schon ein wenig hysterisch. Die Band
erfüllt alle Klischees die Glamrock berühmt gemacht hat
und irgendwie finde ich das komplette
Negative Paket einfach klasse und der Abend hat mich
nach einem recht misslungenen Tag
wieder in Einklang gebracht. Es war ohne Unterbrechung
Action auf der Bühne und der Draht
zum Publikum ununterbrochen. Auch musikalisch klingen
sie live viel rockiger und packender als
auf Scheibe. Zum Abschluss warf sich Jonne noch den
vertrauten Jungs und Mädels in die Arme
und legte einen fetten Stage-Dive hin. Die Promoterin
(ja eine Frau) tat das, was ich beim
Monster Magnet Gig auch tuen musste: Musiker am
Hosenbund gepackt und mit allen Kräften
zurück auf die Bühne gezogen. Gut gibt es mittlerweile
emanzipierte und starke Frauen im Rock-Business! Negative live? Gerne wieder. Und danke dafür,
dass ich mal wieder Lust bekommen
habe die alten Gunners Sachen anzuhören.
Setlist: No One Can Save, Moment, Givin`Up, Blood On
Blood, My My/Hey Hey, After All, In My
Heaven, End Of The Line, Never-End Parade Inst., Jealous
Sky, Frozen, Since You`ve Been,
Planet Of The Sun. --- Love That I Lost, Won`t Let Go
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