Drei Musiker sind ausreichend.
«Three men are enough» steht in grossen Buchstaben auf dem Shirt
der Nitrogods, und wenn man sich den erdigen Sound der Deutschen
anhört, ist dem nichts mehr beizufügen. Henny Wolter, der seine
Gitarre schon für Thunderhead, Primal Fear und Sinner einstöpselte,
Klaus Sperling, der seine Stöcke für Primal Fear, Sinner und Freedom
Call schwang und Claus «Oimel» Larcher, der bei diversen Punk-Bands
für Bass und Gesang verantwortlich war, darf man getrost als die
legitimen Motörhead-Nachfolger titulieren. Auch wenn die Herren noch
eine Spur vielseitiger rocken, so müssen sich alle altgedienten
Motörhead, Rose Tattoo oder Southern Rock Fans einmal Nitrogods
anhören. Wie alles bei den Jungs begann, was für sie wichtig ist und
wie Axl W. Rose eine Rolle bei Klaus spielt, könnt ihr im folgenden
Interview nachlesen.
MF: Nach Primal Fear und Sinner, wie
kam es zu Nitrogods?
Henny: Irgendwie gefiel uns das nicht mehr bei Primal Fear.
Wir fühlten uns nicht angemessen repräsentiert und kamen auf die
Idee, ein eigenes Ding aufzuziehen. Da Klaus und ich sowieso aus der
Rock-Ecke kommen, nimm nur meine Vergangenheit mit Thunderhead,
schwebte uns vor, etwas Rock'n Rolligeres zu machen. Etwas Hardrock
und Blueslastiges. Dazu fehlte uns nur der geeignete Sänger…
Klaus: …den kannte ich…
Henny: …wie immer (lacht), Klaus
kannte wieder einen der's konnte (alle lachen)! So kamen Nitrogods
2010 in die Gänge. Ein Jahr später schrieben wir die ersten Lieder,
so dass 2012 das erste Album von uns bei SPV veröffentlicht wurde.
Seitdem touren wir uns wund (lacht). Jedes Wochenende in alle Clubs
auf allen Festivals.
Klaus: Ich verliess Freedom Call wegen
Nitrogods. Weil ich, wie wir alle in der Band, der Meinung bin,
entweder man macht etwas richtig oder lässt es besser bleiben. Zwei
Truppen kannst du nicht gleichberechtigt angehen. Das bedingt immer
eine klare Priorität und die liegt eindeutig bei Nitrogods. Das
ist eine Combo mit drei Leuten, die keinen Chef braucht. Sondern
hier sind drei Chefs am Werkeln. Okay, ich bin der grösste Boss,
aber die andern zwei auch (alle lachen).
MF: So wie eine Band funktionieren soll, und ihr seid
eine verdammt gute…
Oimel: …das hast du jetzt gesagt (lacht)…
Henny: Das
ist eine ECHTE Band. Das ist etwas, was uns allen in den vorherigen
Truppen fehlte. Natürlich gibt es da immer wirtschaftliche Zwänge,
aber vorher waren wir immer "nur" Angestellte, wenn ich das jetzt
mal so krass ausdrücken darf. Hier sind wir unseres eigenen Glückes
Schmied, aber auch unsere Chefs. Wir entscheiden, wie gespielt wird,
was gemacht wird, über Artwork und Songs. Beim Schreiben streiten
wir wie die Kesselflicker, das ist eine Wonne (lacht). Bei Nitrogods
ist dies so, wie sich Klein-Fritzchen eine Rockband vorstellt. Dabei
sind wir sicher auch ein grosses Stück Idealisten. Viele sagen
sicher, wieso ich eine Band wie Primal Fear hingeworfen habe. "Bist
du denn irre geworden?" Aber genau das ist eben nicht was ich
wollte, sondern das, was ich heute mit Nitrogods betreibe. Ich will
eine richtige Band, die organisch wächst, dabei möchte ich mit den
Jungs gerne mal ein Bier trinken, ohne über Musik sprechen zu
müssen.
MF: Stand denn beim Sound von Nitrogodsnie nie zur
Debatte, gleich Thunderhead wieder zu reaktivieren?
Henny: Das stand nicht von meiner Seite zur Sprache,
sondern wurde ins Spiel gebracht, als wir den Deal mit SPV
unterzeichneten. Die wollten die ersten drei Scheiben von
Thunderhead, die bei Intercord erschienen sind, als Box wiederveröffentlichen.
Das Ganze hat sich dann schnell zerschlagen, als wir mit Ted Bullet
(ehemaliger Sänger von Thunderhead) sprachen. Anhand seiner
Forderungen habe ich entschieden, dieses Thema ad acta zu legen
(grinst). Diese geistige Umnachtung verhindert ein solches
Unterfangen und lässt es im Keim ersticken.
MF: Wie sind bei euch die Aufgaben verteilt?
Klaus: Zusammen mit einer anderen Person bin ich für das
Booking zuständig. Oimel macht das ganze Merchandising und Henny ist
unser Hauptsongwriter.
Henny: Wobei das auch nicht mehr so stimmt, da wir mittlerweile
doch alle zusammen am Komponieren sind.
Klaus: Ja, es macht jeder Booking, Merch oder Songs (lacht).
Oimel: Der Jahresplan wurde komplett über den Haufen
geworfen.
Henny: Wir haben die angenehmen und die
unangenehmen Aufgaben ziemlich gleichmässig verteilt. Klaus hat mit
dem Booking (lacht) vielleicht ein bisschen die ätzendere
Fachrichtung eingeschlagen.
MF: Wie fühlt es sich nach den doch etwas
grösseren Clubs und Hallen an, zurück in die kleinen Clubs, wie
hier in Gerlafingen, zu gehen?
Klaus: Ich spielte ständig mit irgendwelchen Spass- und
Coverbands auf kleineren Bühnen, da habe ich überhaupt kein Problem
damit. Teilweise ist das viel spannender. Nicht immer, denn es macht
schon Spass auch vor 10'000 Leuten zu spielen. In einem kleinem
Club, der richtig voll ist, Gas zu geben, hat aber ebenso viel Flair.
Henny: Wir verdienen auch mehr mit Nitrogods, als mit den
vorherigen Bands (alle lachen). Obwohl wir vor weniger Leuten
spielen (grinst). Insofern müssen wir mit Nitrogods irgendwas
richtig gemacht haben. Wir waren mental darauf vorbereitet, dass wir
in kleineren Läden auftreten werden und jedes Klo spülen müssen. Das
haben wir auch gemacht (lacht). Weil man weiss, wofür man dies
macht, tut es auch nicht so weh (grinst). Gott sei Dank hat sich der
Erfolg recht schnell eingestellt und dass wir die ganz schlimmen Sachen
nicht mehr spielen müssen. Das Einzige was vielleicht ätzend ist, ist,
dass wir die ganze Scheisse selber durch die Gegend tragen müssen
(lacht). Da waren wir gewohnt, dass dies andere Leute für uns
erledigen. Letztendlich steht das nicht im Vordergrund (grinst). Die
Bequemlichkeit ist nicht so wichtig.
MF: Gibt es oder gab es für euch irgendwelche "no
go's"?
Klaus: Axl W. Rose bei AC/DC (alle ausser Klaus lachen)!!! Ein
absolutes NO GO!!!
Henny: Ich find dies gar nicht so
schlecht!
Klaus: Eine Scheisse ist das!!!
Henny:
Siehste, und schon wieder haben wir wieder Streit (lacht). So geht
das bei uns. Da kannst du dich jetzt fünf Stunden darüber
unterhalten…
Klaus: …da hätte ich lieber den Wendler dabei!
Henny: Aber was gab es bei uns an No Go's? Wir wollten kein
Management und keinen Verlag, sondern alles aus eigener Hand
erledigen. Die Kontrolle sollte bei uns sein. Keine Scheissmusik
spielen (lacht)… Das ist jetzt ein bisschen platt ausgedrückt, aber
es musste uns allen gefallen. Wir wollten nicht irgendwelchen
Ansprüchen, die von aussen an uns heran getragen werden oder dass
wir irgendwelchen Plattenfirmen gerecht werden müssen. Sondern wir
wollten uns darauf besinnen, was uns gefällt. So haben wir uns im
Keller eingeschlossen und haben…
Oimel: …kein Erdinger
Weissbier (Gelächter)!
Henny: Wir haben nur Motörhead und
The Who gehört und unter diesem Einfluss schrieben wir die erste
Platte. Das war super und wie früher.
Oimel: Motörhead ist
unsere Schnittmenge, wenn wir neue Lieder schreiben.
Henny:
Klaus ist unser Metal-Wächter. Er sagt dann immer: «Jungs, nicht zu
viel ZZ Top oder Molly Hatchet, besinnt euch mal darauf, welche
Leute zu unseren Konzerten kommen. Ein bisschen mehr Double-Bass und
ein bisschen schneller gehts auch!» Da müssen Oimel und ich uns
dann immer anpassen (lautes Lachen).
MF: Dem sagt man Demokratie, wenn einer sagt, was
die anderen beiden zu tun haben…
Oimel (lachend): …genau!
MF: Wie kam es zu
den Gastbeiträgen von "Fast" Eddie Clarke von Motörhead und Dan
McCafferty von Nazareth bei eurem Debüt-Album?
Henny: Oimel hatte die Idee mit Eddie.
Oimel: Wir
haben ihn einmal eingeladen, als wir mit unserer Motörhead-Coverband
Bastards unterwegs waren. Eddie spielte mit bei den Benefizkonzerten
für die Tsunami-Opfer. Da haben wir ihn gefragt, ob er nicht Lust
hätte, bei Nitrogods was zu spielen. Eddie hat spontan zugesagt.
Henny: Dan habe ich auf den "Rock Meets Classic" Shows 2010
kennengelernt. Er hat gleich Ja gesagt. Auf die Frage, ob er dafür
Geld braucht, meinte er: «Wenn mir das gefällt, macht ich das gerne
einfach so. Kauf mir ein Flugticket und buch mir ein Hotelzimmer.»
MF: Wann kann man mit einem neuen Album von euch
rechnen?
Klaus: Nächste Frage bitte (Gelächter)!
Oimel: Der
Plan ist nächstes Frühjahr.
Henny: Wir schreiben gerade wie
die Geisteskranken und gut die Hälfte der Songs steht.
Oimel: Es klingt interessant.
Henny: Unser Songwriting ist
ein konstanter Kampf. Ginge es nur nach mir, könnte alles nach
Memphis Tennessee klingen. Aber Klausi mahnt immer zu mehr
Aggressivität, Geschwindigkeit und Double-Bass und Oimel kommt, aus
seinem Vorleben, aus der Punk-Ecke. So muss alles bei einem neuen
Lied wieder frisch diskutiert werden (lacht). Letztendlich kommt bei
diesen schweren Diskussionen der Nitrogods Sound raus. Das lohnt
sich dann doch immer, diesen etwas schwereren Weg zu gehen. Bei ZZ
Top, The Who, Motörhead, Rose Tattoo oder Status Quo sind wir uns
immer einig…
MF: …und bei AC/DC…
Klaus: …die Ägsel des Bösen (alle lachen), da kriege ich
echt Ägselschweiss.
MF: Nach all den Jahren im Musikbusiness, welches
Fazit zieht ihr?
Henny: Um langfristig dran zu bleiben, musst du schon
Überzeugungstäter sein, was auch immer deine Motivation ist. Es gibt
unterschiedliche Gründe, wieso Menschen Musik machen. Der Trieb muss
stärker als die Vernunft sein. Dann hast du eine Chance im Business
zu überleben.
Oimel: Mit Vernunft kann man dies nicht
erklären! Wenn du auf dem Level wie wir es machen und dich nicht auf
Teufel komm raus verkaufen willst, dann gibt es schon krasse
Unterschiede.
Henny: Das wird ähnlich sein, wie bei dir
Martin. Man macht das nicht des Geldes wegen, sondern weil man Lust
darauf hat und Spass.
Klaus: Trotzdem die Nachricht an alle
Veranstalter: wir spielen schon gern für Geld (lacht).
Oimel
(lachend): Genau, nicht falsch verstehen!
MF: Sex,
Drugs And Rock'n'Roll. Ein Klischee oder die pure Wahrheit?
Klaus: Der Wahnsinn, unfassbar (lacht)…
Oimel:
…abgesehen von Sex (alle lachen).
Henny: Auf Dauer ist dies
zu ungesund. Mit Drogen habe ich in einer vorherigen Band nicht so
tolle Erfahrungen gemacht. Es mag Leute geben, die dies durchhalten,
ich habe aber kaum einen kennen gelernt… Ich habe KEINEN
kennen gelernt, der es auf Dauer mit schweren Drogen durchhält.
Oimel: Alkohol miteinbezogen!
MF: Was war damals für euch wichtig, und was ist es
heute?
Klaus: Ich fang mal bei mir an. Damals war es für mich
schon wichtig, Halli Galli ohne Ende zu machen. Gigs zu spielen und
richtig einen drauf zu machen. Hoch die Tassen und Alarm (grinst).
Das war mitunter wichtiger als der Gig. Heute ist für mich der
Auftritt absolut das Wichtigste. Es ist das Geilste, live zu spielen!
Studio ist okay, aber auf der Bühne zu stehen, ist durch nichts zu
toppen!
Oimel: Mittlerweile ist es schön, sich an einem
Veranstaltungsort auch die Umgebung anzukucken. Eine Stadt wie
Solothurn und man sitzt an der Aare, das ist wunderschön! Ein
Kaffee, okay erstmal ein Bier zu trinken (lacht), ist prima. Das
hat schon was. Heute hat man nicht mehr das Gefühl, dass man was
verpassen könnte. Früher… Mit zwölf Promille auf die Bühne, kaum
stehen können und kaum spielen… Gar nicht spielen können (lacht).
Das hat einfach dazugehört. Heute ist dies viel angenehmer.
Henny: Mir ging es schon damals in erster Linie ums Konzert.
Natürlich fand ich die Japan- und die beiden Motörhead-Tourneen ganz
toll. Mit 22 Jahren kommt man sich da extrem geil vor. Das war genau
das, was ich machen wollte. Erst die Zeit nach Thunderhead lehrte
mich, dass nicht immer alles so sein muss, wie es war, was auch ganz
schön scheisse war (grinst). Das waren ziemlich viele frustrierende
Erfahrungen. Erst dadurch bin ich wieder auf den Teppich gekommen
und merkte, wie es auch laufen kann. Somit weiss ich das mit
Nitrogods heute erst richtig zu schätzen. Viele andere Bands, bei
denen ich mich genauso angestrengt habe, funktionierten überhaupt
nicht. Früher bei Thunderhead war ich der Meinung, dass es normal
ist, wie es da abgelaufen ist. Man geht ins Studio und die
Plattenfirma ist Feuer und Flamme. Gut, jede andere Reaktion wäre
für mich auch schlecht gewesen. Hast du mit 22 Jahren ein bisschen
Erfolg, setzt du dies voraus und nimmst es als völlig normal hin.
Dass man aber so was Kleines und Feines wie Nitrogods zu schätzen
vermag, dazu braucht es einen kleinen Realitätscheck, den ich durch
meine Angestelltenverhältnisse in anderen Kapellen erfahren durfte.
MF: Habt ihr euch niemals als Rockstars gefühlt?
Klaus: Immer (lacht)!
Oimel: Niemals (lacht)!
Henny: Doch! In jungen Jahren mit Motörhead zweimal auf
England-Tour zu fahren und dabei jedes Mal im Hammersmith
aufzutreten… Da dachte ich schon, jetzt wirst du Rockstar! Nicht
dass ich gedacht hätte, dass ich einer bin, aber dass ich einer
werden könnte. Aber was willst du da von einem 20-jährigen erwarten,
das wäre ja unnatürlich, wenn der auf dem Boden bleiben würde.
Oimel: Bei mir was das nie der Fall, dazu waren meine Truppen
aber auch viel zu schlecht (lacht).
Klaus: Was heisst
Rockstar… Das ist vielleicht übertrieben. Ein Rockstar war für mich
Lemmy von Motörhead…
Henny: …genau ein Rockstar in dem Sinne,
war von uns noch keiner. So eine Realitätsstörung haben wir alle
nicht. Das bedarf schon einer neurotischen Veranlagung.
Klaus: Trotzdem gab es Momente an denen man dachte, Alter ist das
geil! War das, als ich in Wacken auf der Bühne stand oder die erste
Tournee mit Primal Fear… Das war für mich die Erste in einem
Nightliner. Da hat man sich schon sehr geil gefühlt dabei.
MF: Meine Herren, ich danke euch für das tolle
Gespräch, wünsche euch viel Glück und Erfolg und weiterhin alles
Gute!
Henny: Danke gleichfalls!
Oimel: Danke dir!
Klaus: Besten Dank und danke für die Zeit, die du dir genommen hast!
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