Die Zeit rennt.
David Readman, der Engländer bei den Karlsruhern von
Pink Cream 69, feierte einen nicht einfachen Einstieg
bei den Deutschen. Als Ersatz für den zu Helloween
abgewanderten Andi Deris wurde David mit einem
Stilwechsel konfrontiert, der von vielen Fans nicht
unterstützt wurde. Anstelle der eingängigen Melodien,
stand plötzlich der Trend im Mittelpunkt und Grunge
beeinflusste das musikalische Geschehen der Truppe. Mit
«Electrified» wurde die Kursbremsung vollzogen und die
Herren trumpfen seit 1998 wieder gross auf. Auch mit dem
neusten Streich «Headstrong», das die Band von ihrer
stärksten Seite präsentiert und grundsätzlich alle Fans
der Band glücklich machen sollte. Der Engländer sass mir
vor dem Konzert im Z7 gegenüber und erklärte mit
einem leicht englischen Akzent…
David:
…ich habe 20 Jahre in Deutschland gelebt und nun bin ich
seit drei Jahren in Holland ansässig. Ich bin
ausgewandert (lacht). Es spielt aber keine Rolle, ob du
in England, Deutschland oder Holland wohnst. Gut, wenn es
um die Musik geht, hat Deutschland nach wie vor die Nase
vorn, knapp vor der Schweiz (lacht). Der
deutschsprachige Raum ist noch immer ein gutes Pflaster,
um Musik zu machen. In Holland… Spielt eine grosse Band
dort, dann gehen die Leute auch ans Konzert. Diese
Wahnsinnsunterstützung, die man noch immer in
Deutschland hat, ist in Holland nicht vorhanden.
MF: Gratulation zum neuen Album
«Headstrong»…
David: …Dankeschön!
MF: Kann man diese Scheibe noch toppen oder ist es
das beste Werk, das ihr jemals veröffentlicht habt?
David: Das würde ich so nicht sagen.
Vielleicht habe ich in der Vergangenheit diese Aussage
gemacht (grinst), aber heute distanziere ich mich von
solchen Äusserungen. Realistisch gesehen ist es eine
super Platte geworden. Wahrscheinlich die Beste seit
«Electrified». Aber! Zwischendrin haben wir auch ein
paar schöne Alben komponiert. Das Schöne bei
«Headstrong» ist für mich, dass ein roter Faden durch
die komplette Scheibe geht. Sie klingt wirklich rund,
und man hört keinen Song der abfällt, bei dem man sich
fragt, wieso er es auf die Platte schaffte. Die Stimme
klingt ein bisschen kräftiger und auch ein wenig rauer.
Wir sind super, super glücklich damit. Früher haben wir
vor den Aufnahmen mehr zusammen gejammt (grinst), das
muss ich zugeben. In den jungen Jahren haben wir uns
mehr im Proberaum getroffen…
MF: …vor
fünf Jahren…
David: …ne, eher vor 15
Jahren (lautes Lachen). Aber danke für die Blumen
(grinst). Klar üben wir noch, aber Vieles läuft heute
über das Internet. Auch weil ich nicht mehr in
Deutschland lebe, werden viele Ideen oder Songs über
den elektronischen Weg ausgetauscht und daran
gearbeitet. Wir nehmen alles auf, und erst am Schluss
kommt das Schlagzeug dazu, während man früher immer
zuerst die Drumparts aufnahm. So hat man die Möglichkeit,
immer noch gewisse Parts zu verändern und dem
entsprechenden Song mehr Dynamik oder Abwechslung zu
verleihen. Als Band in einem Studio aufzunehmen ist eine
super Sache. Bei der ersten Platte mit mir («Change»)
haben wir so gearbeitet. Man braucht viel, viel Zeit.
Die Beatles haben eine neue Scheibe in zwei Tagen
aufgenommen (grinst). Mit unserer Musik geht das leider
nicht, aber heute gefällt mir dieses Einzelarbeiten,
Stück für Stück, am besten. Da wird noch immer viel
experimentiert und neue Parts reingeschoben. Meinen
Gesang habe ich in vier Tagen aufgenommen. Morgens von
10 Uhr bis abends durchgebrüllt (grinst). Die
Backingvocals habe ich zu Hause in Holland aufgenommen.
Das ist schon gut, wenn jeder seinen Part selber
aufnimmt. Klar ist es schade, dass man nicht mehr dieses
«wir-machen-das-gemeinsam»-Gefühl hat. Das war früher
Standard, und die Künstler von damals kannten nichts
anderes. Sie standen aber auch mehr als ein halbes Jahr
im Studio, und dies verschlang Unsummen von Geld.
MF: Wieso hat es vier Jahre gedauert von
«Ceremonial» zu «Headstrong»?
David:
Jedes Jahr sagten wir: "Hey, jetzt machen wir eine neue
Platte" (grinst) und haben sie natürlich nicht gemacht.
Wir schrieben Songs und irgendwann schickte ich den
anderen eine E-Mail und fragte: "Jungs, lasst uns doch
eine neue Platte machen" (lacht). Und jeder schrieb
zurück: "Yuppie, das machen wir jetzt!"
MF: Könntet ihr erfolgreicher sein, wenn
ihr mehr touren würdet…
David (wie aus
der Pistole geschossen): …ja, ich denke schon! Da gibt
es unzählige Beispiele von anderen Truppen, die immer
wieder oder regelmässig auf Tour waren und bei den
grossen Festivals aufgetreten sind. Die sind um einiges
erfolgreicher als wir. Beziehen wir uns nun auf diese
Tour zusammen mit Pretty Maids..., auch wenn wir "nur"
Support sind, aber teilweise spielten wir in
ausverkauften Hallen, und die Gigs waren immer super gut
besucht. Wir sind sehr glücklich damit. Aber klar, wir
haben zu viel pausiert. Somit verliert der Hörer ein
bisschen das Bewusstsein für eine Band. Klar kennen
viele noch Pink Cream 69. Es gibt uns schon seit 30
Jahren und ich bin seit 20 Jahren dabei. Zusammen haben
wir zehn Alben aufgenommen und immer Gas gegeben.
Geschaut, dass es die beste Platte in diesem Moment war.
Nach all den Jahren hat man sicher aber auch das
Bedürfnis etwas anderes zu machen, wie ich mit Voodoo
Circle oder Almanac. Dennis (Ward, Bass) hat sich erst
in den letzten fünf Jahren um andere Bands gekümmert
(unter anderem Unisonic).
MF: Erinnerst du dich noch, wie du
damals zu PC69 gekommen bist?
David: Auf
jeden Fall, das war 1994. Zu der Zeit lebte ich in
England, habe gejobbt und wenig Geld gehabt (grinst).
Ich war 23 Jahre alt, bin nach Deutschland gekommen und
dachte erstmal hier ist Disneyland! Musikalisch, Geld,
schönes Wetter… Wo ich herkomme… Jeder sagt: "Oh
scheisse Burnley, hmmm. Schafft man den Weg aus Burnley
raus, dann wird dir der rote Teppich, jedes Mal wenn du
zurückkommst, ausgelegt". Landschaftlich ist es dort
wirklich schön. Damals, als ich nach Deutschland kam,
war es in Burnley keine gute Zeit. Viele Leute hatten
keinen Job, es war wirklich keine gute Zeit. Ich kam nach
Deutschland, hatte zum ersten Mal Geld in der Tasche und
einen exklusiven Deal mit Sony Music. Ich war auf Tour,
wir probten jeden Tag und nahmen Platten auf. Ich war
absolut glücklich! Abend für Abend war ich unterwegs
(lautes Lachen), in dem Alter logisch. Habe den
Rock'n'Roll noch etwas mehr gelebt, trotz der Grunge-Zeit. Es
war und ist schön, auch wenn sich in Deutschland vieles
verändert hat. Aber es ist nach wie vor Disneyland
(lacht). Ich weiss noch, wie ich damals vorsang und den
Job als Sänger bekam. Zwei Wochen später lebte ich in
Germany und musste die Songs lernen. Es war eine schöne
Zeit und richtig laut (grinst)! Es war echt laut, Mann
(lautes Lachen)! Jeden Tag probten wir von mittags bis
Mitternacht, das war super. Wird man ein bisschen älter,
dann will man nicht mehr jeden Tag proben.
MF: Wie war damals die Zeit mit «Change»
und «Food For Thought»? Das war für Pink Cream 69 keine
einfache Zeit, ein ziemlicher Stilbruch und hat speziell die
alten Fans vor den Kopf gestossen. Wie hast du das
erlebt?
David: Ehrlich gesagt, habe ich dies gar nicht so
mitgekriegt. Auch wenn ich die Platten von PC69 schon
mal gehört hatte, lag mein Fokus auf der dritten Scheibe
«Games People Play», die ich viel reifer und ein
bisschen in die Richtung von Queensrÿche einstufte. Erst
ein paar Jahre später dachte ich: "Scheisse!" Unser
Publikum damals auf der ersten Tour war sehr schick mit
High-Heels. Wir spielten unser neues Material, aber auch
die alten Hits. Plötzlich hat sich das Publikum
verändert und ich dachte nur: "Wow, was ist jetzt los?".
MF: War das auch der Grund, dass ihr mit
«Electrified» wieder mehr zu den Wurzeln von PC69
zurückgegangen seid?
David: Wir mischten «Food
For Thought». Ich fing an andere Lieder zu schreiben,
wie «Break The Silence». Ich merkte, dass die Lieder
wieder mehr zurück in die achtziger Jahre gingen. Mit
mehr Melodie und wir waren alle der Meinung, dass wir
wieder eine Platte mit den Wurzeln von Pink Cream 69
komponieren sollten. Persönlich dachte ich, dass es
nicht funktionieren wird. Ich war ein Fan von
Soundgarden und diesen Sounds. In sechs Wochen haben wir
«Electrified» aufgenommen und im Studio gelebt. Ich
weiss noch, als ich zu Dennis sagte: "…sind wir fertig?
Jetzt machen wir die Ballade «Gone Again» noch auf
eine andere Art». Kennst du diese Version, die mit
diesem komischen Londoner-Akzent (grinst). Das ist der
Hidden-Track auf «Electrified». Als ich den mit diesem
vernuschelten Gesang aufnahm, hat mich jeder nur doof
angeschaut im Studio (lacht). Dennis war der Meinung:
"Das ist geil! Das machen wir jetzt auf jedem Album"
(lacht). Die erste Reaktion auf diese Version kam aus
Japan. "David! Why you break ballad?" (lacht). Bist du
bescheuert, diese tolle Ballade so zu zerstören? Wieso
ich das tat? Weil es einfach Spass machte (lautes
Lachen)! Das Interessante war aber, dass ich bei jedem
Interview wusste, dass wenn der Journalist diesen Song
hörte, er sich auch bis am Schluss mit dem Album
auseinander gesetzt hatte. Weisst du, was ich meine? Er
hat sich nicht nur durch die Songs durchgezappt, sondern
sich eine komplette Scheibe angehört. Noch heute werde
ich wegen dieser Version angesprochen, die man sich auch
auf YouTube anhören kann. Damals hat es einfach Laune
gemacht. Gut, ich hatte vorher zwei Flaschen Rotwein
getrunken (lacht). Vielleicht war dies der Grund (lautes
Lachen).
MF: Das solltest du dann vielleicht
öfters machen?
David (lacht): Nein,
nein, das mache ich nicht mehr! Aber damals habe ich zum
Lockerwerden immer ein bisschen was getrunken. Die
Zeiten sind aber definitiv vorbei!
MF: Wo liegen deine musikalischen
Wurzeln?
David: Alles begann bei mir mit
den Beatles. Meine Mutter schenkte mir eine LP. «With
The Beatles». Mit meinem Mono-Plattenspieler habe ich
die Scheibe rauf und runter gespielt und dabei gelernt.
Danach spielte ich Gitarre und das nächste war Jimi
Hendrix. Dann habe ich Led Zeppelin entdeckt (grinst)
und Whitesnake! Das war 1987, als ich 17 Jahre jung war.
In der Zeit nahm ich Gesangsunterricht und habe alles
versucht nachzusingen.
MF: Whitesnake, ein Grund, wieso du bei
Voodoo Circle eingestiegen bist?
David:
Überhaupt nicht! Wenn man sich die erste Voodoo
Circle-Platte anhört… Das war Alex Beyrodt's Soloplatte.
Wir waren zusammen unterwegs und Alex sagte zu mir: "Du,
ich habe Joe Lynn Turner gefragt, ob er auf meiner
Soloscheibe singen will. Wenn er ablehnt, bist du dabei
(lacht). Meine Antwort: "Ja, melde dich einfach und sag
mir Bescheid!" Eine Woche später meldet sich Alex und
meinte: "Joe hat abgesagt, würdest du nun singen?" So
hat alles angefangen.
MF: Von Album zu Album ging der Sound ja
immer mehr in die Whitesnake-Richtung. Kam dies auch
deiner Stimme entgegen?
David: Wir
haben immer bei Alex zu Hause gearbeitet und er meinte:
"Sing einfach los! Versuch mal ein bisschen Paul
Rodgers oder David Coverdale", und so hat alles
angefangen. Da ich Fan von Mister Coverdale bin, hat mir
das auch viel Spass gemacht.
MF: Wieso bist du dann bei Voodoo Circle
ausgestiegen?
David: Das ist leider eine
lange Geschichte. Es ging lange gut. Ich brauche ein
gutes Feeling in einer Band. Bekomme ich das Gefühl,
dass mich jemand verarscht, dauert es nicht lange und
ich bin weg. Ich bin ein treuer und loyaler Mensch,
sonst wäre ich nicht seit 20 Jahren bei PC69. Es hat
leider menschlich und geschäftlich bei Voodoo Circle
nicht mehr gepasst. Ich wünsche ihnen alles Gute mit
ihrem neuen Sänger, und ich gehe nun einfach einen
anderen Weg.
MF: Kommen wir zurück zu Pink Cream 69,
wie wichtig ist Freundschaft in einer Band für dich?
David: Sehr, sehr wichtig! Mit unserem nicht mehr ganz
so neuen Schlagzeuger Chris Schmidt hat es sich auch auf
dieser Tour wieder gezeigt, dass wir ein sehr gutes
Bandgefüge haben und viel zusammen lachen. Klar, wir
müssen nun nicht jeden Sonntag zusammen abhängen. Wir
kennen uns schon sehr lange und es fühlt sich wie in
einer Beziehung an. Es funktioniert einfach. Früher
waren die Egos noch grösser (grinst). Wird man älter
merkt man auch, scheiss auf diesen Blödsinn. Am Ende des
Tages ist es wichtig zusammen Musik zu spielen, Spass
und eine schöne Zeit zu haben. Auch zu Reisen. Wir
verbrachten tolle, aber auch schlechte Zeiten zusammen.
MF: Hast du dich über all die Jahre
verändert?
David: Früher war man naiver
und verschwendete Energien für die falschen Dinge
(grinst). Das Musikbusiness ist nicht mehr das, was es
mal war. Klingt vielleicht komisch, aber dadurch wird
man ein bisschen "burnt out". Logisch habe ich noch
immer Lust und will auf die Bühne, aber die grossen
Überraschungen bleiben aus, und das ist enttäuschend. All
die Downloads und dass man kaum mehr Tonträger verkauft, ist
schon frustrierend. Das ist nicht das Musikgeschäft, wie
ich es früher kannte. Viele Truppen von damals hätten
heute keine Chance zu überleben. Damals wurde Geld ohne
Ende in eine Band investiert… Aber, vielleicht bin ich
als Person etwas optimistischer geworden.
MF: Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Ein
Klischee oder das Wahre im Business?
David: Ich denke, das gehört dazu. Ich nehme keine
Drogen und trinke keinen Alkohol mehr seit sechs Jahren.
Ich bin der langweilige Hund geworden, den ich immer
gehasst habe (lacht). Sex geht schon noch (grinst).
Seien wir ehrlich, selbst der wilde Haufen von
Guns n' Roses säuft heute nicht mehr die Mengen wie damals,
beziehungsweise hauen sich nicht mehr die Venen mit all
den Drogen zu. Das geht gar nicht mehr. Gut, viele
Musiker sind nach wie vor noch immer ordentlich betrunken,
Abend für Abend. Bist du auf Tour, drei bis vier Wochen,
merkt man schnell, dass der Körper stopp sagt. Mit 20
Jahren sieht dies noch anders aus. Dieses ganze "Sex,
Drugs and Rock'n'Roll» ist eine Einstellung, die man im
Blut hat. Du kannst einen anderen Job ausüben, aber am
Ende des Jahres bleibst du ein Rock'n'Roller.
MF: Welches war für dich die
erfolgreichste und die schwierigste Zeit?
David (überlegt): Die erfolgreichste… Das war nach
«Electrified». Da spielten wir zum ersten Mal in
Brasilien und auch wieder in Japan, zusammen mit DC
Cooper. Das waren schöne Zeiten auf Tour. Ansonsten… Ich
war die letzten 20 Jahre fast ununterbrochen auf
Konzertreise und habe fast jedes Wochenende gespielt.
Schwierig war die Platte nach «Change». Zu erkennen,
dass diese musikalische Richtungsänderung vielleicht ein
Fehler war und der danach verbundene (Neu-) Aufbau. Und!
Es bleibt nach wie vor einer (grinst). Ich denke noch
immer, dass die Leute das Gefühl haben, dass Pink Cream
69 einen neuen Sänger haben. Würden uns die Leute eine
faire Chance geben, würden sie bemerken, dass die Lieder
wirklich gut geworden sind und locker mit den alten Hits
mithalten können. Aber damit kämpfen wir nach wie vor.
MF: Hast du dich jemals als Rockstar gefühlt?
David (grinsend): Ja, in Japan! Das war
1997/1998, da waren wir für vier Tag die absoluten
Rockstars (grinst). Volle Kanne, das war der Hammer! Als
wir im Flugzeug sassen in Richtung Heimat, mussten wir
erstmal durchatmen. Von Beginn weg bis am Schluss, es
gab keine Sekunde, in der es nicht purer Fun war.
Unglaublich!
MF: David, besten Dank für
das Interview mit viel Fun und Spass…
David: …danke dir. Es war Fun und Spass (grinst).
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