«Ich schreib’s an jede Wand, diese
Poltergeister braucht das Land!»
Was waren das noch für Zeiten, als man,
um ein Demo zu bestellen, den
langwierigen Postweg beschreiten musste!
So ist es mir auch 1988 ergangen, als
ich das sensationelle Demo «Writing On
The Wall» von POLTERGEIST direkt bei der
Band bestellt habe. Genialen Thrash
Metal gab es schon zu diesen Zeiten auf
die Ohren und an diesem Umstand hat sich
bis heute nichts geändert! So ist das
aktuelle Album «Feather Of Truth» ein
wahres Thrash-Highlight! Nerven wir
also, aus gegebenem Anlass, das
Goldkehlchen André Grieder mit einigen
aufschlussreichen Fragen und hoffen
inständigst, auch solche Antworten zu
bekommen…!
MF: Ihr habt für euer
neues Album «Feather Of Truth»
verdientermassen sehr viel Lob erhalten.
Macht sich das bei der Nachfrage nach
Poltergeist (Gigs und Merchandise) schon
bemerkbar?
André: Wie Du
auch weisst ist es zurzeit schwierig zu
planen. Wir haben zwei Termine für 2021
schon fest, ohne wirklich zu wissen, ob
es dann auch wirklich stattfinden wird.
Merchandise läuft grad vor allem online,
da würden wir an Konzerten
wahrscheinlich auch mehr verkaufen als
zurzeit.
MF: Mit dem Release
von «Feather Of Truth» seid ihr
geradewegs in die Covid-Zeit gerasselt.
Wie schwierig gestaltet es sich, im Hier
und Jetzt, Promo für ein neues Album zu
machen?
André: Sehr
schwierig, wie Du Dir bestimmt
vorstellen kannst. Unser Label Massacre
Records, hat trotzdem einen Spitzenjob
gemacht, aber die Pandemie macht es
allen grad nicht leicht.
MF: Waren eure Gigs vom 3. und 4. Juli
2020, zusammen mit Destruction, so was
wie die vorgezogenen Release-Shows fürs
neue Album?
André: Die
waren ja nicht vorgezogen, das Album
erschien ja just an diesem Tag, also
wars die Release-Show und beide Shows
waren einfach fantastisch für alle
Beteiligten. Vielleicht das letzte Mal,
dass ich mich so richtig lebendig
gefühlt habe im 2020.
MF:
Mit «Back To Haunt» ist euch 2016 ein
beachtliches Comeback gelungen und ihr
habt von allen Seiten beste Reviews
erhalten. Was waren die Gründe für die
lange Wartezeit von vier Jahren bis zum
neuen Album?
André: Wir
hatten alle Zeit der Welt, da wir keinen
Druck gespürt hatten, gleich im nächsten
Jahr ein neues Album zu veröffentlichen.
Unsere damalige Plattenfirma Pure Steel
machte auch kaum Werbung für das Album,
oder verweigerte sich die Alben ihrer
Bands auf irgendeiner Streamingplattform
zu veröffentlichen. Man kann ja von
Spotify halten was man will und als Band
verdient man auch kaum was, aber
trotzdem wird deine Musik für Millionen
Hörer verfügbar, die dann vielleicht
auch deine Alben kaufen. Da V.O. ja sein
eigenes Studio besitzt, konnten wir das
neue Album in aller Ruhe einspielen. Die
ersten Songs schrieb V.O. und Chasper
schon 2018.
MF: Das neue
Album «Feather Of Truth» erscheint bei
einem anderen Label als sein Vorgänger.
Macht ihr bewusst immer nur Deals über
ein Album bei den jeweiligen Labels?
André: Eigentlich nicht.
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass unser
nächstes Album auch auf Massacre
erscheinen wird, mit denen wir sehr
zufrieden sind. Bei Pure Steel war das
leider aus diversen Gründen nicht mehr
der Fall.
MF: Wie fest
profitiert ihr, in Sachen Nachfrage, von
der Tatsache, dass die altbekannten
Thrashgiganten wie Kreator, Sodom und
Destruction immer noch hammerstarke
Alben releasen und der Thrashszene immer
wieder neues Leben einhauchen?
André: Das ist schwierig einzuschätzen.
Sicherlich profitieren wir, dass es
Thrash Metal überhaupt noch gibt und
auch durchaus Nachwuchs vorhanden ist.
Durch die Zusammenarbeit von Schmier mit
VO haben wir natürlich auch ein enges
Verhältnis zu Destruction.
MF: Du hast ja 1990 für Destruction
das Album «Cracked Brain» eingesungen.
Hast du zu jener Zeit mit einer
internationalen Karriere geliebäugelt,
was mit deiner Stimme mehr als logisch
gewesen wäre?
André:
Soweit hatte ich damals ehrlich gesagt
nicht gedacht. Für mich war es zuerst
vor allem ein Gefallen für meine Kumpels
Mike, Harry und Olly, um Ihnen zu
helfen, das Album fertigzustellen. Da
ich auch mit Schmier gut befreundet bin,
kam für mich aber ein Einstieg nicht in
Frage. Ich wollte auch meine Poltergeist
Jungs nicht im Stich lassen, da ich ein
sehr loyaler Typ bin. Ausserdem wollte
ich mein Gesangsstil beibehalten, der
auf der Cracked Brain doch ein bisschen
thrashiger war.
MF: Für
mich, hebt deine grossartige Stimme
Poltergeist von vielen Thrash
Metal-Bands ab, denn du kannst wirklich
geil singen. Ist das auch einer der
Gründe, warum ihr eher filigranen Thrash
anstelle von stumpfem Thrash spielt?
André: Das hat sich einfach so ergeben.
Unsere damaligen Heroes waren halt Bands
wie Exodus, Metallica, Heathen,
Forbidden usw. Die auch eher technischen
Thrash spielen. Ursprünglich komme ich
ja auch vom Heavy Metal. Meine frühen
Einflüsse waren Iron Maiden, Judas
Priest, Saxon und vor allem KISS. VO und
ich schminkten uns unabhängig
voneinander als Kids, wie KISS. VO als
Ace Frehley, ich als Gene Simmons und
bastelten Gitarren aus Pappe.
MF: Seit eurer Gründung habt ihr,
anstelle über den Rhein zu blicken, eher
über den grossen Teich geschaut und euch
dort inspirieren lassen. Woher kommt
eure Vorliebe für Ami-Thrash?
André: Wir haben natürlich die Thrash
Bewegung aus erster Hand mitbekommen.
Ich war damals Stammkunde bei Atlantis
Records, einem Plattenladen in Basel.
Vielmehr habe ich meine Freizeit dort
verbracht. Dort hat sich die ganze
Basler Hard Rock Szene getroffen und
sich die ganzen neuen Perlen
reingezogen, die damals auf den Markt
kamen. Anfangs vorallem eben die
Klassiker und irgendwann kamen da halt
Bands wie Venom oder Slayer auf den
Markt und ich liebte die pure Gewalt,
die da aus den Boxen kam. Da war es um
mich geschehen. Irgendwann kam dann auch
dieses «Bonded by Blood» von Exodus auf
den Markt und deren Riffs waren einfach
Mindblowing. Eben viel technischer als
von Venom oder auch Slayer. Seitdem bin
ich Fan der Bay Area Bands.
MF: Bei Poltergeist sind alles
geniale Musiker am Werk. Wieviel fliesst
von diesen Musikern in Poltergeist ein
oder ist Poltergeist alleinige Sache von
V.O. Pulver und dir?
André: Sehr viel, wie man am neuen Album
sieht. Chasper hat vier Songs
(Megalomaniac, Thin Blue Line, Unholy
Presence und Notion) geschrieben und
Ralph einen (The Culling) und auch der
Text stammt von ihm. Ausserdem hatten
sie freie Hand bei der Gestaltung Ihrer
Basslines, bzw. Drumparts, was auch sehr
viel zum Sound von Poltergeist
beigetragen hat. Wir sind eine Band, die
natürlich von VO und mir getragen wird,
aber die Jungs geben uns den Kick,
unsere alten Ärsche noch über die Bühne
zu tragen, haha!!
MF:
Viele neue Thrash Metal-Bands geben
ihrer Musik noch Zutaten von anderen
Stilarten wie Death- oder Black Metal
dazu. Habt ihr auch schon an solche
Experimente gedacht oder wird es
Poltergeist weiterhin nur nach dem
Reinheitsgebot geben?
André: Wir haben eigentlich noch nie
darüber nachgedacht und wir stehen halt
schon für dieses Old School Ding.
Grundsätzlich ergibt sich das einfach
beim Songwriting, dass es am Ende halt
nach Poltergeist klingt. Liegt sicher
auch an meinem eigenen Gesangsstil, der
es nach Poltergeist klingen lässt. Wir
hatten aber in der Vergangenheit
durchaus auch Einflüsse von anderen
Musikstilen versteckt, wie
beispielsweise den Rap-Part auf Act Of
Violence von unserem Behind My Mask
Album. Ausserdem können sich die Jungs
ja in ihren anderen Bands in anderen
Stilen genug austoben.
MF: Mit V.O. Pulver habt ihr einen
genialen Produzenten mit eigenem Studio
in euren Reihen. Wie schwierig ist es
für ihn, Poltergeist und seine eigene
Musik zu produzieren?
André: Ich glaube nicht, dass es für Ihn
schwierig ist, weil er einfach ein
Naturtalent ist. Klar kommt da sicher
auch mal eine Band ins Studio, deren
Stil nicht seine erste Wahl ist, aber am
Schluss klingt es halt einfach geil,
weil er sich einfach sehr gut in die
Musiker reinversetzen kann. Ich habe
schon mit anderen Tontechnikern und
Produzenten zusammengearbeitet, aber bei
Ihm fühl ich mich mit Abstand am
wohlsten.
MF:
Werdet ihr den Turnus von vier Jahren
bis zum nächsten Album beibehalten oder
habt ihr bereits schon Ideen für das
nächste Album?
André:
Wir haben uns da noch gar keine Gedanken
drüber gemacht. Wir werden uns
sicherlich wieder genügend Zeit nehmen,
aber das heisst keinesfalls, dass es
wieder vier Jahre dauern muss. Das lag
ja dieses Mal auch an unserer unklaren
Vertragssituation. Also dauert es
vielleicht nur drei Jahre. Da unsere
zwei Axtmänner dauernd am Songs
schreiben sind, kanns schon sein, dass
da schon in einer Schublade neue Songs
rumliegen, da bin ich aber der falsche
Ansprechpartner, da wir doch räumlich
nicht grad nahe beieinander wohnen,
ausser VO und ich.
MF:
Wie schwierig gestaltet sich die Planung
von Gigs für euch, da mit Reto Crola
(Drums) und Ralph Winzer Garcia (Bass)
noch zwei Musiker dabei sind, die auch
noch bei Requiem aktiv sind?
André: Wenn wir eine Anfrage für eine
Show bekommen, klären wir das immer
sofort ab, ob es keine Überschneidungen
gibt. Da gibt’s ja nicht nur Requiem,
sondern auch noch Wolf Counsel und bei
Chasper Klaw und Eddie’s Beast und bei
VO Gurd und Pulver plus Studiotermine,
also eine ganze Menge Planung ist da
nötig.
MF: Habt ihr für
das neue Album eine Tour geplant oder
werdet ihr vorwiegend Wochenend-Gigs
machen?
André: Eine
kleine Tour mit Freakings und Gomorra
war eigentlich schon geplant, platzte
aber aus bekannten Gründen. Zurzeit
weiss ich da auch nicht mehr, wie das
weitergehen soll. Da geht es uns nicht
anders, als allen Künstlern auf dieser
Welt.
MF: Wieviel Wehmut
spielt bei euch mit, wenn ihr eure
Auszeit von 1993 bis 2016 betrachtet und
seht wo Bands, die mit euch angefangen
haben, hingekommen sind?
André: Als wir uns damals trennten, war
Thrash Metal eigentlich tot. Die Bands,
die übrig blieben, machten auch eher
untypische Alben wie zum Beispiel
«Renewal» von Kreator oder die eher
gemässigten Testament Alben, wie
«Practice What You Preach» oder «Souls
Of Black». Wir waren einfach zu wenig
gross, um sich wirklich über Wasser zu
halten. Persönlich mache ich mir ehrlich
gesagt auch keine grossen Gedanken
darüber. Damals war ich auch ziemlich
müde von dem ganzen Business und
brauchte die Auszeit. Dass sie dann so
lang dauert war natürlich nicht geplant,
aber ich habe einfach nie die Band
gefunden, in der ich mich wirklich
entfalten konnte, habe aber nie mit dem
Gedanken gespielt für immer mit dem
Singen aufzuhören.
MF:
Gibt es noch etwas, das du unseren
Lesern gerne noch mitteilen möchtest?
André: Bleibt Gesund und
unterstützt soweit wie möglich die
lokale Szene. Wir haben hier in der
kleinen Schweiz wirklich eine tolle
Szene mit tollen Bands, die ich gar
nicht alle aufzählen kann, die reissen
sich alle ihren Arsch auf, um irgendwie
über die Runden zu kommen. Dazu zähl ich
auch die Magazine, die einen tollen Job
machen um uns zu unterstützen. Polter
‘til Death und vielen Dank an all unsere
Fans für die Unterstützung, denn ohne
Euch gäbe es uns auch nicht mehr!!
Mit dem Schlusswort trifft André den
Nagel voll auf den Kopf! Wenn man sich
nur ein wenig umsieht, dann stellt man
unschwer fest, wie viele geniale Bands
aus der Schweiz kommen und zu den
Schwergewichten (natürlich nur
sinngemäss gemeint, André!) gehören ganz
sicher auch POLTERGEIST, von denen wir
hoffentlich auch livemässig im 2021
wieder etwas sehen werden. Um die Zeit
bis dahin zu überbrücken, empfiehlt sich
das geniale neue Album «Feather Of
Truth» von POLTERGEIST als Appetizer!!
POLTERGEIST in den 80ern
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