Mag die Schweiz und ihre Kühe.
Er sollte Accept zum grossen Durchbruch
in den Staaten verhelfen und ersetzte
somit Udo Dirkschneider bei der Solinger
Metalschmiede. Das Unternehmen ging
bekanntlich baden. Der Grund lag
garantiert nicht beim stimmgewaltigen
David Reece, sondern eher beim für
damalige Verhältnisse eher
mittelmässigen Songwriting. Auch wenn
sicher einige Höhepunkte zu hören waren,
aber als Ganzes konnte «Eat The Heat»
nicht glänzen. Um David wurde es
deswegen nicht ruhiger. Der Ami sang bei
Bangalore Choir, Sircle Of Silence,
Gypsy Rose, EZ Livin, Bonfire und
Sainted Sinners, um nur ein paar Truppen
zu nennen. Dazwischen war David immer
wieder an Projekten beteiligt oder auf
Solo-Pfaden unterwegs. Wie auch mit den
beiden letzten Reece-Studioscheiben, bei
dem speziell der neuste Streich
«Cacophony Of Souls» mit einer
unglaublichen Ur-Gewalt ans Tageslicht
trat. Durch die letzte Tour als Support
von U.D.O. (genau dem Sänger, welchen er
bei Accept ersetzte) scheint das neue
Material zusätzlich beeinflusst worden
zu sein. Dies auch dank dem ehemaligen
U.D.O.-Gitarristen Andy Susemihl. Der
Kreis schliesst sich oder wie sieht
Mister Reece das neuste Solo-Album, der
auch mit den Indianern vertraut ist?
David stand Rede und Antwort. Einmal
mehr mit einer unglaublich ehrlichen
Art, die bei vielen gespielt ist, hier
aber von Herzen kommt.
MF: Wie
ist dir die U.D.O.-Tour in Erinnerung
geblieben?
David: Es sind grossartige
Erinnerungen! Ich denke, dass ich Udo
Dirkschneider seit 2007 nicht mehr sah.
Das war damals beim Sweden Rock
Festival. Ich trat auf einer kleinen
Bühne auf und er auf der grösseren. Die
«Steelfactory»-Tour letztes Jahr war
fantastisch. Ich rief Udos Manager an
und er meinte nur: "Das ist echt
komisch, ich habe an dich als Support
gedacht» (lacht). Sie offerierten mir
die ersten zehn Shows. Dann kamen vier
dazu, dann die skandinavischen Konzerte
und am Schluss waren es zusammen mit der
Schweiz 28 Konzerte. Udo hat sich mir
gegenüber immer sehr respektvoll
verhalten. Dies beruht auf
Gegenseitigkeit. Wir hatten nie Streit,
weil ich ihn bei Accept ersetzte. Der
Kreis schliesst sich, denn Andy Susemihl
hat zu Beginn bei U.D.O. (beim zweiten
Album «Mean Machine») mitgespielt. Ich
war damals sehr nervös, als Udo sein
erstes Soloalbum einspielte und ich mit
Accept «Eat The Heat» im gleichen Studio
aufnahm. Er kam zu mir, schüttelte meine
Hand und sagte: "Ich habe kein Problem
mit dir, denn ich weiss, dass Accept
einen anderen Weg gehen wollen. Ich
wünsch dir viel Glück. Ich werde nun
mein eigenes Ding starten". Udo war
immer sehr nett zu mir. Wir tranken
öfter mal ein Bier und sprachen
zusammen. Das hat sich über all die
Jahre nie verändert. Das war nie ein
Ego-Ding!
MF: Wie gross
war der Einfluss dieser Tour auf das
Songwriting?
David: Die hatte natürlich
einen Einfluss (lacht). Auf dieser
Konzertreise spielte ich einige Tracks
von «Eat The Heat». Die Fans fragten
immer nach diesen Liedern und wann ich
wieder Songs in diese Richtung schreiben
würde. Ich spürte, dass ich bereit war,
wieder zu diesen Wurzeln zurück zu
gehen. Den Song «Cacophony Of Souls»
schrieb ich vor zwei Jahren. Eigentlich
sollte er schon Verwendung für
«Resilient Heart» finden, aber irgendwie
schien er nicht auf das Album zu passen.
Andy und ich komponierten vor einigen
Jahren «Chasing The Shadows» und dies
war der Start zur musikalischen
Rückbesinnung.
MF: Das Album strahlt
eine unglaubliche Energie aus und geht
direkt nach vorne los. War dies auch ein
bisschen ein Befreiungsschlag?
David: Ja, irgendwie schon. Du
weisst, ich war bei einigen
Side-Projekten dabei und war sehr
beschäftigt. Aber eigentlich bevorzuge
ich mein Solo-Material. So muss ich
nicht auf einen Bandleader hören, der
mir sagt, was ich wie zu tun und zu
singen habe. Ja, du hast absolut recht,
ich fühle mich sehr gut mit dem neuen
Material. Ich bin sehr glücklich mit
meiner Stimme, die noch immer sehr stark
klingt. Du weisst, dass ich vor zwei
Jahren mit dem Trinken aufgehört habe.
Das hat mir persönlich sehr viel Energie
gegeben und meiner Stimme gut getan. Ich
fühle mich frei und bis stressfrei
(grinst zufrieden).
MF: Wie einfach war das
Schreiben der neuen Lieder?
David: Weisst du, Andy und ich
haben in den letzten Jahren viele Tracks
zusammen komponiert. Ich kann dir nicht
sagen was es ist, aber da besteht eine
Chemie, bei der ich gar nicht wissen
will, wieso sie vorhanden ist (grinst),
weil sie funktioniert! «Collective
Anesthesia» und «A Perfect World»…
Malte, mein Bassist, hat die Musik
geschrieben. Es macht unglaublichen
Spass mit Malte und Andy zusammen zu
komponieren. Es ist so unglaublich
einfach und entspannt mit den Beiden zu
arbeiten. Eine Idee entwickelt sich und
wir ergänzen uns sehr gut. "Andy is one
of the greatest guitar players in the
world!" Er ist ein unglaubliches Talent
und versteht wie ich denke. Ich muss
mich dabei nicht erklären. Es ist ein
Segen mit ihm zusammen arbeiten zu
dürfen, und ich weiss wirklich nicht, was
diese Magie ausmacht (lacht). Er und ich
waren immer die schwarzen Schafe
(lacht). Wir wurden zu Freunden. 2007
traf ich Andy bei einer Halloween-Party
in Deutschland. Er meinte, dass wir mehr
zusammen arbeiten sollten. Daraus
entstand das Reece-Album «Universal
Language». Es war immer diese Chemie und
diese Freundschaft, bei welcher der
Respekt gegenüber dem anderen sehr
wichtig war. Natürlich hatten wir auch…
Hey, das ist doch kein Drama, wenn man
nicht immer der gleichen Meinung ist.
Daraus haben sich stetig positive Dinge
entwickelt, das ist völlig normal. Das
Musikgeschäft ist verrückt (lacht). Die
Definition des Wahnsinns ist, immer das
Gleiche zu tun und dabei trotzdem ein
anderes Resultat zu erwarten (lautes
Lachen). Verstehst du was ich meine?
Vielleicht ist dies der Grund, wieso der
Rock'n'Roll kurzzeitig gestorben ist.
Weil wir immer das Gleiche taten und
immer ein neues magisches Resultat
erwarteten. Ich wollte mit meinem neuen
Album kein neues Whitesnake-Werk
erschaffen. Ich suchte nach neuen Sounds
für meine Stimme. Andy hat dieses
Moderne in seinem Spiel. Auch wenn er
mit Michael Schenker oder Gary Moore
gross geworden ist. Er kann dieses Zeugs
vor- und rückwärts spielen. Trotzdem hat
er eine eigene Identität in seinem
Spiel. Wie viele Gitarristen spielen wie
George Lynch? Wieso? Auch wenn du über
all die Jahren am Üben bist, versuche
deinen eigenen Stil zu finden. Zu viele
Gitarristen lassen dies vermissen. Sie
wollen wie Blackmore, Schenker oder
Malmsteen klingen. Das Schlimme bei
vielen Sängern ist auch, dass sie beim
ersten Track eines Albums alles
raus schreien wollen, mit den höchsten
Screams und dabei keine Emotionen
zeigen.
MF: Auf dem letzten
Album hattest du das «Heart», nun hast du
die «Souls». Wie wichtig sind Gefühle
für dich?
David (überlegt): Ich… war
immer ein Mensch, der sich viele
Gedanken über viele Dinge macht. Ich
hörte auf mein Herz und dies ab und zu
auch zu viel (grinst). Fühle ich nicht,
dass ich das Richtige mache, so lernte
ich vor einigen Jahren, nein zu sagen.
Ich realisierte, wie einfach das ist und
dass es mich glücklicher macht. Ich war
zu oft unglücklich mit der Situation in
meinem Leben und habe dabei zu oft den
anderen den Arsch geküsst. Willst du
erfolgreich sein, musst du dies im
diesem Geschäft aber machen. Du kämpfst
jahrelang, damit du einem Plattenvertrag
erhältst, und wenn du ihn hast, musst du
alles tun, damit du ihn behalten kannst.
Dabei gehst du viele Kompromisse ein,
für die du dich selber hasst. Ich wollte
aber ehrlich zu mir selber sein und dies
brachte mir viele Feinde ein. Es scheint
aber, dass viele lieber Lügen und
Scheisse erzählen, als bei der Wahrheit
zu bleiben. Wie gesagt, es bringt dir
viel Ärger ein, wenn du ehrlich bist.
Das war mein grösstes Problem. Als ich
bei Warner unter Vertrag stand und mit
den grössten Managern der Welt zu tun
hatte, kamen sie mit vielen völlig
verrückten Ideen an. Wollte ich mich zur
Wehr setzen, hielten sie mir den
unterschriebenen Vertrag unter die Nase,
in welchem stand, dass ihnen das
zusteht. Meine Güte! Wieso verspricht
ihr mir auf der ersten Seite etwas, das
auf der zweiten revidiert wird? Verträge
sind sehr schwierig zu verstehen. Ich
rate daher jedem Künstler, lass dir den
Vertrag zuerst von einer fachkundigen
Person durchlesen, bevor du ihn
unterschreibst. Das Kleingeschriebene
zwischen all den Zeilen wird dich an
die Wand drücken. Weisst du, jetzt
erscheint schon bald das vierte Video
zum neusten Album. Ich spreche in Juni
mit dir über «Cacophony Of Souls»,
während das Album schon im März das
Licht der Welt erblickte. Durch den
Corona-Scheiss habe ich das Gefühl, das
seit dem Release schon ein Jahr vergangen ist.
Ich bin sehr glücklich über dieses
Interview, denn so können die Leute
sehen, was ich zum neuen Album zu sagen
habe. Das Werk ist noch immer mein
neustes Baby. Wir haben bloss zu
Testzwecken zwei Tracks der neuen
Scheibe live gespielt. Das Traurige ist,
dass eine zweiwöchige Tour durch England
und zwanzig weitere Shows abgesagt werden
mussten. Darum danke ich dir für dieses
Gespräch, damit «Cacophony Of Souls» im
Gespräch bleibt, weil ich der
Überzeugung bin, dass es das Beste ist,
welches ich bis anhin komponierte.
MF: Da gebe ich dir
recht, denn «Resilient Heart» war ein
richtig gutes Album, aber «Cacophony Of
Souls» ist perfekt…
David: …oh Martin… Wow, ich
danke dir! Die Reviews lesen sich sehr
gut, aber ich bin ehrlich. Oftmals
veröffentlichst du ein Album und weisst,
dass es zwei bis drei Tracks gibt, die
abfallen und die du nicht magst. Mit
«Cacophony Of Souls» habe ich meine
passenden Schuhe zu meinen Füssen
gefunden. Ich war sehr aufgeregt,
zusammen mit Andy ins Studio zu gehen,
und es war eine sehr leidenschaftliche
Angelegenheit die Lieder einzusingen.
Niemand kann nachfühlen, wie es in der
Aufnahmebox war, als ich die Stücke
eingesungen habe, aber man kann es
nachvollziehen, wenn man die Tracks
hört. «Cacophony Of Souls» zeigt die
Leidenschaft von jedem Musiker in jedem
Part. Du kannst den Bass hören und
fühlen. Die Farben, welche von den
Gitarren kommen, sind unglaublich. Andy
hat mit vielen Sounds experimentiert,
kleine Dinge, aber es passte alles
zusammen und wirkt nicht zu überladen.
Die neuen Tracks für das kommende Album
sind "Killers". Wenn du «Cacophony Of
Souls» liebst, werden dir die neuen
Songs den Kopf wegblasen. Sie sind
"heavier" und mehr Metal, aber noch
immer mit genügend Melodien versehen. Die
Stücke sind ein bisschen länger, aber
sehr aggressiv. Malte… Es ist
unglaublich. Ich spielte unzählige
Konzerte mit ihm zusammen. Mit Sainted
Sinners und anderen Truppen. Dabei
wusste ich nie, dass er ein Songwriter
ist. Eines Abends in seinem Hamburger
Apartment… Er ist ein Nachtmensch. Wir
sprachen zusammen. Dabei spielte er auf
seinem Bass oder der Gitarre dieses Riff
von «Collective Anesthesia». "Was ist
das?", fragte ich ihn. "Oh, das ist
eines meiner Lieder, sorry, ich will
dich nicht langweilen!", war seine
Antwort. "Spiel das nochmals, du hast
das geschrieben?", fragte ich ihn. Es
klang so frisch, da er von Megadeth und
Guns n' Roses beeinflusst ist. Dadurch
kam diese jüngere Vitalität in unseren
Sound. Auch unser Schlagzeuger Andrea…
Er ist so unglaublich hungrig und glaub‘
mir, ohne diese Jungs würde das Album
nicht so klingen, wie es klingt. Klar,
es ist die David Reece Band, aber ohne
diese Musiker, das muss man ehrlich
sagen, wäre vieles anders geworden.
MF: Auf «Resilient
Heart» war dieser indianische Totenkopf
zu sehen, der auch wieder beim neuen
Album im Hintergrund vorhanden ist. Hast
du einen Bezug zu den Indianern oder
deren Kultur?
David: Ja, denn es fliesst
sogar indianisches Blut in mir. Zu einem
Viertel bin ich ein Blackfoot-Indiander
aus Montana, auch wenn ich aus Oklahoma
komme. Es ist tragisch, wie die
Ureinwohner der Staaten ausgenutzt
wurden. Das ist ein Albtraum, was alles
mit meiner genetischen Historie
passiert. In Oklahoma hast du Türken,
Chinesen, die umgeben sind von
amerikanischen Kids und meinen Vorfahren
mit ihrem einheimischen Blut. Montana
hatte früher viele indianische Stämme.
Ich glaube an die Tradition und den
grossen Spirit der Indianer. Sei es ein
Baum, der Himmel, alles gehört zu Mutter
Erde. Diese Spiritualität der Indianer
fasziniert mich. Es ist eine Tragödie,
dass man über die Ureinwohner der
Staaten kaum ein Wort verliert und wie
man sie aus ihrem eigenen Land vertrieb.
Dabei starben tausende von Indianern.
Das ist sehr, sehr traurig.
MF: Was sind die Pläne
für die Zukunft?
David: Ich versuche alle
Konzerte nachzuholen, aber dies scheint
sich zu einem verdammten Albtraum zu
entwickeln. Ich bin gerade im Studio in
Italien. Hier lebe ich seit einiger Zeit
mit meiner Frau zusammen und nehme den
Gesang für John Steel auf. Das wird ein
sehr progressives und hartes Werk. Zudem
gibt es ein neues Wicked
Sensation-Album. Michael Klein hat mich
angefragt. Ich mag es wirklich bei
solchen Projekten mitzumachen, aber
grundsätzlich möchte ich nicht Derjenige
sein, den man als Sänger kennt, der von
Band zu Band hüpft. Darum will ich den
Fokus mehr auf meine Solokarriere
richten. Wir hoffen, dass die David
Reece Band zu Beginn 2021 auftreten und
dabei «Resilient Heart», «Cacophony Of
Souls» und Lieder des kommenden Albums
spielen kann. Wenn alles klappt, werden
wir dabei auch bald wieder in der
Schweiz auftreten. Ich liebe euer Land!
Es ist so wundervoll… Ich bin mir nicht
sicher, ob sauber das richtige Wort ist,
aber die Schweiz ist eine natürliche
Schönheit (lacht). Die Leute scheinen
sehr relaxt zu sein. Ich traf einen
Mann, bei dem ich dachte, dass er sechzig
Jahre alt sei. Ein Bauer, der von den
Bergen zu einem Konzert kam. Nach dem
Gig sprach ich mit ihm und fragte ihn,
wie alt er sei. Er antwortete: "Ich bin
85!" (lautes Lachen). "What???", war
meine Frage. "«Ja, ich laufe schon mein ganzes
Leben den Berg rauf und runter mit
meinem Kühen, das hält mich in Form"
(lautes Lachen). Er sah so verdammt gut
aus und ich dachte, dass er gerade mal
sechzig sei. Sein Bruder war 87 und ich war
geschockt (lacht wieder). Gutes Essen
und oft an der frischen Luft sein, das
hält jung und ist fantastisch! Ich liebe
die Landwirtschaft. Die schönsten Kühe
in meinem Leben sah ich in der Schweiz
(lacht). Als ich das erste Mal bei euch
war, fuhr ich rum und schaute mir die
Kühe auf den Wiesen an (lautes Lachen).
Sie sind wunderschön, fantastisch
(lacht)!
MF: David, danke
für die Zeit und das einmal mehr sehr
ehrliche wie interessante Interview.
David: Es war mir eine Ehre.
Als du mich angefragt hast, wegen dem
Interview, wusste ich, dass wir wieder
sehr viel Spass zusammen haben werden,
und ich freute mich auf dich.
MF: Danke dir! Pass auf
dich auf und bleib gesund.
David: Ich verspreche dir, wir
werden uns bald wieder sehen (lacht).
Pass auf dich auf und danke für alles.
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