Zufälliger Pirat.
Mit dem Piratenimage konnte Bandleader Rock’ n Rolf
1987 extrem viel Sympathiepunkte gewinnen. «Under Jolly
Roger» war nach den eher raueren Vorgängern («Gates To
Purgatory», «Branded And Exiled») der Wegweiser zum
grossen Erfolg. Speziell «Death Or Glory» konnte bei den
zahlreichen Fans punkten und hievte die Truppe auf einen
sehr hohen Sockel. Doch auch Rolf Kasparek und seine
Freibeuter konnten das enorm hohe Level nicht über all
die Jahre retten und so benötigte die Truppe eine
Auszeit, in der sich der Bandleader mit Toxic Taste und
Giant X musikalisch wieder freischippern musste. Was
folgte waren wieder tolle Werke wie «Shadowmaker»,
«Resilient» und der Oberhammer «Rapid Foray» im letzten
Jahr. Nach den Russland-Konzerten nahm sich Rolf Zeit
und berichtet über Geschehenes und Bevorstehendes.
MF: Wie waren die Shows in Russland?
Rolf: Die waren super, nicht ausverkauft aber
sehr voll. In Moskau haben wir in einer 7‘000 Halle
gespielt und die war locker zu dreiviertel voll. Die
Besucher reisten teilweise über mehrere tausend
Kilometer an. Leute, die mehr als 30 Jahre auf Running
Wild warteten. Das macht eine Show zu etwas Speziellem.
Die Gigs waren sehr emotional und die Fans sind voll
abgegangen. Das war wirklich ein sehr geiles Erlebnis.
MF: Kann man von Running Wild wieder mal
eine komplette Headliner-Tour erwarten?
Rolf: Ne! Definitiv nicht mehr. Wir spielen
dieses Jahr ein paar Festival und das wird auch
zukünftig so bleiben. Eine eigene Tour lohnt sich nicht
mehr für uns. Spielen wir an diesen Festivals erreichen
wir extrem viele Leute. Durch die Gagen, die wir
erhalten, haben wir die Möglichkeit auch eine riesen
Show aufzufahren. Bei einer eigenen Tour wäre dies gar
nicht finanzierbar. Selbst bei ein paar tausend Leuten
pro Tour, ist dies nicht mehr umsetzbar. Da ich nur ein
Ein-Mann-Unternehmen bin, kann ich sehr gut von den
Plattenverkäufen leben. Zudem werden in diesem Jahr die
alten Alben von Modern Music wieder neu veröffentlicht.
Running Wild hat sich auch immer über den Back-Katalog
finanziert. Ich habe von meinen alten Alben teils mehr
verkauft, als andere Truppen mit ihren neuen Scheiben.
Die Gagen von Running Wild sind inzwischen sehr hoch und
wir sind nicht umsonst Festivals-Headliner. Das hat auch
seine Gründe.
MF: Ist bei den Widerveröffentlichungen
etwas Spezielles geplant?
Rolf: Der komplette Katalog von Modern Music
wird neu aufgelegt. Ich weiss aber nicht, wann welche
Platte erscheinen wird. Bisher habe ich die Bonustracks
und die Setlists abgesegnet. Alles wird auf CD und Vinyl
erscheinen. Das wird wohl ein richtig grosses Ding
werden von allen Truppen die da dazugehören. Helloween,
Rage, Kreator… Es gibt ein paar Bands, die ihre Rechte
zurückgekauft haben, aber ansonsten wir alles nochmals
veröffentlicht.
MF: Schreibst du lieber kurze Lieder, oder
fühlst du dich bei längeren Songs wie «Treasure Island»
wohler?
Rolf: Das ist schwierig zu sagen und hängt von
der Stimmung ab. Die Grundidee zu «Last Of The Mohicans»
(von «Rapid Foray») hatte ich schon lange. Zum ersten
Mal 1999, als ich am «Victory»-Album schrieb. Man kann
nicht in einem Text eine ganze Story erzählen. Darum ist
es eine sehr spannende Sache, wenn man sich wagt eine
solche Geschichte musikalisch und textlich in einem
langen Lied zu verpacken. Alle Feelings und Emotionen zu
vereinen, macht schon riesen Spass. Verpackt mit einem
tollen Refrain… Es gibt keine Regel für so etwas. Das
hängt immer vom Song ab und der Idee, die man umsetzen
will.
MF: Wie sichtig ist es für dich den Text
mit der Musik zu verbinden? Ich denke da an «Little Big
Horn», «The Ballad Of William Kid», oder auch «Sinister
Eyes».
Rolf: Wenn du eine Idee wie «Little Big Horn»
hast, hängen die auch mit musikalischen Visionen
zusammen. Das Gleiche hast du auch bei Konzepten wie
«Treasure Island» (von «Pile Of Skulls») oder «Last Of
The Mohicans», welche dir gleich mal eine musikalische
Richtung vorgeben. Du hast klare Riff- und Melodie-Ideen
bei diesen Texten.
MF: Wie bist du damals auf die Thematik
mit den Piraten gekommen?
Rolf: Das war ein
totaler Zufall. Was wäre passiert, hätte ich nicht den
Fernseher angehabt, als ich mit dieser Riffidee
rumspielte. Da lief gerade die Werbung für den Film
«Piraten» mit Walter Matthau, der von Roman Polanski
stammt. Da gibt es diese Szene als die Piratenflagge
gehisst wird. «Under Jolly Roger», das ist doch ein
geiler Titel! Das war reiner Zufall und überhaupt kein
Masterplan, der dahinter steckte. Den Song habe ich
meinen Jungs im Proberaum vorgespielt und alle waren der
Meinung, dass dies der geilste Song war, den wir bis zum
damaligen Zeitpunkt komponierten. Sie waren auch von der
Piraten-Thematik völlig begeistert, weil es zum
damaligen Zeitpunkt etwas völlig neues war.
MF:
Welche Themen haben dich bei Schreiben der Texte am
meisten fasziniert?
Rolf: Piraten, weil diese
Thematik auch bei Running Wild viel verändert hat. Die
alten Western-Streifen haben mich in meiner Jugend
massiv beeinflusst und so kommt es dann irgendwie
logischerweise auch zu Liedern wie «Little Big Horn»
(von «Blazon Stone»). Mit diesen Kindheitserinnerungen
kannst du Ideen viel leichter umsetzen. Daraus ergeben
sich dann wieder andere Möglichkeiten und Inputs, die
daraus entstehen. Auf der anderen Seite haben wir auch
politische Themen, die nicht von Piraten oder
dergleichen handeln. Oder ein Song wie «Conquistadores»
ist auch was ganz anderes. Ich habe nie versucht, die
Band nur noch auf dieser Piraten-Schiene festzulegen,
sondern es war immer mein Anspruch, auch andere Storys
mit einfliessen zu lassen. Das wäre sonst zu langweilig
geworden und würde mich als Songschreiber zu stark
limitieren.
MF: Wurdest du auch schon mit deinen
Texten missverstanden?
Rolf: Ja, mit der «Gates
Of Purgatory». Das Image mit dem Satanskult, hätte ich
beinahe gesagt… Wir haben das eher gesehen als
Christopher Lee spielt Dracula. Für uns war das nur eine
Show. Einfach mit einer bestimmten Stimmung spielen. Wie
andere Leute einen Horrorfilm drehen. Plötzlich stellten
wir fest, dass uns viele Leute mit diesen Songs ernst
nahmen. «Jetzt wollen wir eine neue Religion und drehen
alle Kreuze um.» Das war aber überhaupt nicht unser
Ding. Damit hatten wir nix am Hut und aus diesem Grund
veränderten wir schon für den Nachfolger «Branded And
Exiled» die Texte.
MF: Welches war für dich die
kreativste Phase?
Rolf: Die heutige. Heute kann
ich ganz locker viele Ideen sammeln und umsetzen. Das
kam, als ich den Break hatte und Running Wild eigentlich
zu Grabe trug. Das war nach der «Rogues En Vogue». Diese
Pause dauerte von 2005 bis 2011. Es gab diese eine Show
in Wacken, bei der ich das Kapitel Running Wild
offiziell beendete. Als ich zurückkam hat sich ein
Knoten gelöst. Ich kann das gar nicht genau erklären.
Plötzlich hatte ich so viele gute Ideen wie nie zuvor.
Schaue ich zurück zu Beginn der neunziger Jahre… Da
werden ja alle meine Platten heute als Klassiker
bezeichnet. Damals veröffentlichte ich das Material, das
vorhanden war, mehr hatte ich nicht. Das alles zusammen
zu setzen war um einiges schwerer als heute.
MF:
Somit ist «Rapid Foray» das Beste aus allen Running
Wild-Scheiben?
Rolf: Das ist schwer zu sagen. Es
ist aber sicher das Album, das ich zu dieser Zeit machen
wollte und konnte. Es beinhaltet viele Trademarks aber
auch viele Elemente, die neu sind. Running Wild 2017
kann nicht Running Wild aus den achtziger Jahren sein.
Das geht einfach nicht mehr. Da liegen 30 Jahre
dazwischen. Trotzdem denke ich, dass in «Rapid Foray»
alles drin ist, was sich ein Running Wild-Fan von der
Band erhofft und wünscht. Ohne, dass ich dies jetzt
forciert habe. Hätte ich mich unter Druck gesetzt
bestimmte Lieder zu komponieren, wäre nichts Gutes dabei
herausgekommen. Verweisen trotzdem einige Tracks des
letzten Werkes auf die Geschichte von Running Wild, dann
ist das auch gut so, weil es zu dem Zeitpunkt beim
Komponieren aus mir floss. Dies war aber schon damals so
und hat «Death Or Glory» zu einem der wichtigsten Werke
für Running Wild gemacht, oder «Blazon Stone» zur Best
verkauftesten Platte. Für mich ist aber auch «Pile Of
Skulls» eine ganz wichtiges Album. Als Musiker war für
mich «Black Hand Inn» eine sehr, sehr wichtige Platte,
war aber von den Verkäufen betrachtet ein kompletter
Vollflopp. Ich versteh das bis heute nicht, denn die
Scheibe war für mich sehr wichtig. Trotzdem hat sie nur
ein Drittel verkauft von den CDs zuvor und danach.
Allerdings gibt es Lieder, die sich als Klassiker bei
den Fans herauskristallisierten. Bei keinem anderen
Album habe ich so lange und so hart gearbeitet, wie bei
«Black Hand Inn». Zudem war es auch die teuerste
Scheibe, die wir jemals produzierten.
MF: Für
mich völlig überraschend, weil diese Scheibe zu meinen
drei Lieblingsscheiben gehört…
Rolf: …weisst du
Martin, ich versteh das auch nicht. Aber es ist leider
so (lacht) und ich kann’s nicht ändern. Da ist eine sehr
frustrierende Angelegenheit. Aber weisst du, wenn wir
ein Lied wie «Soulless» (von «Black Hand Inn») nicht
spielen würden, würden die Fans genau diese Track
vermissen.
MF: Was waren deine Gedanken und
Gefühle, als du zum ersten Mal eine Running Wild-Scheibe
in den Händen gehalten hast?
Rolf: Jetzt habe ich
es geschafft (lacht). Ich bin damals im Winter im Schnee
rumgestiefelt und ich weiss, dass meine Gedanken dahin
gingen, dass ich nun Rockstar bin und es geschafft habe
(lacht). Davon habe ich lange geträumt. Das war einfach
eine tolle Sache, zu sehen, dass die T-Shirts deiner
Band von anderen Leuten getragen wurden. Du hast eine
Platte `raus, verkaufst deine eigene T-Shirts und machst
eine Autogrammstunde. Jetzt bist du Rockstar. Damals
stimmt dies auch. Die «Gates Of Purgatory» hat sich
wirklich wie geschnittenes Brot verkauft. Was niemand
von einer Independent-Band erwartete.
MF:
Könntest du dir vorstellen nochmals mit einem
Piratenschiff, wie damals bei der «Ready For
Boarding»-Tour, oder bei der «Blazon
Stone»-Konzertreise, auf Tour zu gehen?
Rolf:
Nein, das würde ich nie mehr machen, aus einem ganz
einfachen und simplen Grund (lacht). Ich hab das Ding
gehasst, weil ich mir so oft den Kopf daran gestossen
habe (lacht). Das Schiff hat die Bühne klein gemacht,
was mich mit der Zeit auch genervt hat. Für die Fans sah
dies sicher sehr geil aus. Aber für uns auf der Bühne
war’s Scheisse.
MF: Wurdest du, bist du, oder
warst du vom Musikbusiness enttäuscht?
Rolf:
Puhl. Es gibt sicher viele Dinge, die man sich anders
vorgestellt hat und eine gewisse Ernüchterung eintritt.
Da fängt beim ersten Manger an, der dich ausgeraubt und
beschissen hat (lacht). Das war die erste Erfahrung.
Scheisse, man sollte wohl doch nicht jedem vertrauen
(lacht). Aber diese Erkenntnis hat wohl jede Band
gemacht. Auf der anderen Seite lernte ich viele tolle
Leute kennen, wie Karl-Ulrich Walterbach (Noise
Records), der uns sehr viel ermöglichte. Mit vielen
Musikern habe ich sehr gerne zusammengespielt, auch wenn
sie heute nicht mehr bei Running Wild sind. Es sind
nicht nur die negativen Geschichten, die hängen bleiben,
sondern auch sehr viel Positives, an das man sich immer
wieder gerne erinnert. Schlussendlich ist es immer
wieder toll zu sehen, wie die Fans die Band abfeiert.
Das Entschädigt immer wieder für den Scheiss, der dir
sonst wiederfährt. Viele Leute denken immer, wie
glamourös es auf Tour ist. Dabei sind es 22.5 Stunden
des Tages, die für den Arsch sind (lacht). Du bist am
warten, fährst oder fliegst irgendwo hin. Es sind diese
90 Minuten auf der Bühne, wieso du dies machst. Dieses
wir feiern jeden Abend eine Party kannst du eh knicken.
Weil am anderen Abend steht das nächste Konzert an. Die
Reaktionen der Fans lässt dich diesen Aufwand betreiben
und dabei versuchst du mit Pyro-Technik das Ganze noch
ein bisschen aufzubauen.
MF: Ist es ein Privileg
Musiker zu sein?
Rolf: Absolut! Absolut!!! Ich
mach das, was ich liebe und kann davon auch noch
hervorragend leben. Dank der frühen Geburt der Truppe
und dass es uns schon so lange gibt. Neue Bands heute
habe es echt schwierig, ihren Lebensunterhalt mit der
Musik zu verdienen. Das ist kaum mehr möglich, einfach
aus dem Grund, wie sich das Musikbusiness verändert hat.
Für mich war es immer ein Traum, dies zu machen und ich
habe nie daran gezweifelt, dass ich es nicht erreiche.
Ich stellte mir nie die Frage: «Kann ich es schaffen?»,
sondern bei mir war es die Frage: «Wie wird es sein,
wenn ich es geschafft habe!»
MF: Von dir
existiert ein Buch, welches Andres Schöwe geschrieben
hat. Wird das jemals erscheinen?
Rolf: Es war mal
angedacht, das Ganze nochmals zu reaktivieren. Damals
habe ich mit Andreas zusammengearbeitet und plötzlich
haben sehr viele Leute ihren Brei dazugegeben, die
irgendwann mal in der Band, oder um Running Wild herum
waren. Ich bekam das Manuskript zugeschickt, um es zu
lesen. Danach habe ich Andreas angerufen und gesagt:
«Das ist ein schickes Buch. Aber von welcher Band ist
es? (lacht) Das ist nicht Running Wild!» Ich war die
ganze Zeit dabei (lacht) und das Buch hatte nichts mit
der Geschichte dieser Band zu tun. Man hätte alles
überarbeiten müssen und so ging die Angelegenheit in
Vergessenheit. Soeben ist ein Buch über Noise Records
erschienen und da ist auch ein grosser Artikel über
Running Wild zu lesen. Der ist interessant geschrieben
und beleuchtet unsere Geschichte ganz gut.
MF:
Was machst du in deiner Freizeit?
Rolf: Ich lese
viel, das sieht man auch meinen Texten an. Daneben habe
ich ein Haus, da muss ich mich um viele Dinge kümmern.
Zudem habe einen grossen Freundeskreis und interessiere
mich noch immer für diese Militär-Dinge. Schon seit
meiner Kindheit. Dies hatte auch einen Einfluss auf
meine Bühnenkleider. Das sah man schon zu «Port
Royal»-Zeiten und auch später habe ich mich immer wieder
inspirieren lassen.
MF: Was sind die Pläne für
die Zukunft?
Rolf: Dieses Jahr spielen wir noch
einige Festivals. In der zweiten Jahreshälfte werde ich
intensiv mit der neuen Platte beginnen. Das wird sicher
bis ins 2018 hineinreichen und somit werden wir nächstes
Jahr wahrscheinlich kaum spielen. Ausschlaggebend wird
es sein, wie ich zeitlich mit dem neuen Album fertig
werde.
MF: Danke für das Interview
Rolf:
Danke dir.
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