Keine Plattform für
Extreme auf Facebook.
Saltatio Mortis sind für viele Fans des
Mittelalter-Genres nicht mehr wegzudenken. Musikalisch
haben sie seit den Anfängen viele Reisen gemacht,
besonders die Texte sind in den letzten Jahren immer
gesellschaftskritischer geworden. Ihre humorvolle Seite
haben die Deutschen aber keineswegs verloren, wovon man
sich live stets selbst überzeugen kann. Diese
Möglichkeit habe ich genutzt und vor dem Gig noch
„Lasterbalk der Lästerliche“ und „Luzy das L“ mit Fragen
gelöchert. Wie lästerlich die Antworten ausgefallen
sind, lest ihr im Interview.
MF: Vielen Dank,
dass ihr euch die Zeit für ein Interview nehmt. Euer
aktuelles Album ist nun schon eine Weile auf dem Markt
und heisst «Brot und Spiele». Wie seid ihr auf den Namen
gekommen?
Lasterbalk: Das ist eigentlich
wie bei jedem Album ein sehr langer Prozess. Auf der
einen Seite werden Ideen gesammelt, dann wird intern
darüber diskutiert. Meist wird dann alles wieder
zerworfen und man endet doch wieder bei der
Ursprungsidee. Es ist schlussendlich immer ein Produkt
von vielen Vätern und Müttern.
MF: Den
Namen «Brot und Spiele» kennt man ja aus der Römerzeit.
Welche Bedeutung hat das für euch?
Lasterbalk:
Wir sehen das als Teil der Gesellschaft. Damit wird das
Volk ruhig gehalten, ja sogar gefügig gemacht. Es gibt
Zitate aus Theaterstücken, die sinngemäss aussagen, dass
das Volk jeglichen Respekt vor der Politik verloren hat.
Politiker sind nur noch mit sich und ihrer Bereicherung
beschäftigt. Das Volk hungert und wird mit Brot und
Spielen ruhig gehalten. Wenn man sich das so auf der
Zunge zergehen lässt… man könnte das heute so in der
Zeitung abdrucken und es hätte nichts von seiner
Gültigkeit verloren. Es ist wirklich wieder topaktuell,
auch wenn es 2000 Jahre alt ist. So schliesst sich
schliesslich der Kreis wieder.
MF: Genau. Du hast
damit eigentlich gerade eine Überleitung gemacht. Euch
wurde ja bei «Brot und Spiele» teilweise unterstellt,
dass ihr die Politik sein lassen und bei den
Gauklerliedern bleiben sollt. Was sagt ihr zu solchen
Aussagen?
Lasterbalk: Ja… das ist so mit jeder
Kritik. Also erstens war die Band noch nie unpolitisch.
Früher haben wir immer in den Ansagen kritisiert,
vielleicht auch in einer etwas mittelalterlichen
Sprache. Heute hat die Kritik einfach Einzug in die
Texte gehalten. Was die Gaukelei und die Lustigkeit
angeht liegt ja oft im Auge des Betrachters. «Nie wieder
Alkohol» ist zum Beispiel ein ganz witziger Titel und
wer den Humor vermisst, der sollte sich vielleicht
einfach mal diesen Song anhören.
MF: Seht ihr
euch selbst also als politische Band oder wäre das zu
viel gesagt?
Lasterbalk: Wir sehen uns schon als
politische Band. Kann man denn überhaupt unpolitisch
sein? In Zeiten wie diesen zu sagen, dass ich zur
aktuellen Entwicklung kein Statement abgebe, ist ja auch
schon eine politische Aussage.
MF: Wie sehen das
die Fans? Die haben ja über die letzten Jahre doch
einiges mit euch an Veränderungen durchgemacht...
Luzy: Es sind natürlich immer ein paar dabei die
sagen, dass wir mit der Politik aufhören sollen. Das wir
bloss unterhalten sollen, damit man sich genau von
solchen Themen ablenken kann. Aber diese Einzelnen sind
genau die, denen man zu viel Gewicht gibt. Im Grossen
und Ganzen wird unsere Entwicklung gut aufgenommen und
unsere Meinung wird mehrheitlich geteilt. Viele sind
sogar der Meinung, dass es gut ist, dass wir auf
Probleme aufmerksam machen.
Lasterbalk: Es ist
natürlich auch immer abhängig davon, in welchem Medium
du dich bewegst. Wenn man sich die Verkaufszahlen und
die Anzahl verkaufter Tickets anschaut, muss man wohl
sagen, dass es der Mehrheit zu gefallen scheint was wir
tun. Wenn du dich aber zum Beispiel auf Facebook
bewegst, da gibt es eine lautstarke Minderheit, es sind
wirklich bloss Einzelne, die aber krakeelen wie ein
ganzer Kindergarten. Da wird ganz schnell Lautstärke mit
tatsächlicher Masse verwechselt. Und natürlich ist es
so, dass die Leute reagieren, wenn Dinge gesagt werden,
die nicht ihrem Gedankengut entsprechen. Das ist auch
legitim. Wenn jetzt eine Band die ich mag plötzlich
anfängt Parolen zu brüllen, dann würde ich mir künftig
einfach diese Band nicht mehr anhören. Dann können die
bleiben wo der Pfeffer wächst.
MF: Wenn ihr jetzt
gerade zum Beispiel auf Facebook negative Kommentare
über euch lest, wie geht ihr in der Band damit um?
Lasterbalk: Ich glaube das Problem ist das, dass du
gar nicht reagieren kannst. Wenn du nämlich anfängst zu
diskutieren, stärkst du eigentlich die, die nur dazu da
sind Randale zu machen. Eigentlich diskutiere ich gerne,
wenn zum Beispiel einer unsere Texte scheisse findet.
Was für mich aber keinen Sinn macht ist, auf einer
Krawallplattform wie Facebook, extremen Haltungen auch
noch eine Plattform zu geben.
MF: Habt ihr als
Band auf «Brot und Spiele» einen Lieblingssong
auserkoren?
Luzy: (grosses Gelächter) Als Erstes
muss ich an «Grosse Träume» oder «Dorn im Ohr» denken
aber auch an «Europa»… eigentlich alle…
Lasterbalk: «Europa» auf jeden Fall… ja ganz sicher!
MF: Dann passt das ja ganz gut. Wenn euch die
Entscheidung so schwer fällt, scheint ihr ja eure Arbeit
richtig gemacht zu haben.
Lasterbalk: Ja genau!
(lacht)
MF: «Spur des Lebens» ist dagegen ein
wunderschöner Song, aber auch dieses Lied ist aus Sicht
einiger sehr weit vom Mittelalter (-Rock) entfernt.
Warum habt ihr dieses Lied so weit vorne in der CD
platziert, und wie wichtig ist dieser Song für euch?
Lasterbalk: Ach, was da immer geredet wird. «Spur
des Lebens» ist meines Erachtens genau richtig platziert
und zwar so ziemlich in der Mitte der Platte. In der
Zeit von «Shuffle» und «Playlists» sollte das ja
wirklich kein Problem mehr darstellen. Eine gewisse
Dramaturgie ist uns aber schon wichtig, und ich glaube
auch, dass gerade eine Ballade dazu da ist, einen
Schnitt zu machen, um anschliessend wieder schneller und
aggressiver agieren zu können. Wir schauen eher, ob die
Übergänge zum Song vorher und nachher funktionieren.
MF: Vielleicht habt ihr es im Ausland auch ein wenig
verfolgt, in der Schweiz waren ja eine Zeit lang auch
rechte Tendenzen zu erkennen…
Lasterbalk: …die ja
Gottseidank gekontert wurden…
MF: genau… und
Deutschland ist ja sehr nah, deswegen kann ich "Besorgte
Bürger" sehr gut nachvollziehen. Möchtet ihr euch dazu
noch persönlich äussern?
Lasterbalk: Ich finde es
sehr schlimm, dass Parteien vornehmlich vom rechten
Rand, ohne konkrete Lösungen bewusst polarisieren und
letztendlich dem Klientel, das sie eigentlich schützen
wollen oder von denen sie sich Wählerstimmen erhoffen,
einfach im Regen stehen lassen. Dass solche Parteien,
die ganz offensichtlich mit fremdenfeindlichen Tendenzen
spielen, die letztendlich auf Spaltung „wir gegen sie“
abzielen, finde ich nicht nur schlimm, sondern
bekämpfenswert. Egal ob in Deutschland oder der Schweiz,
überall! Geschichtshistorisch haben wir in Deutschland
nochmals einen ganz anderen Fokus, was das Thema angeht.
Dementsprechend finde ich es bei uns furchtbar, dass in
der Wolle gefärbte Nazis im Bundestag sitzen und Politik
betreiben.
MF: Es ist ohnmächtig, da zuschauen zu
müssen…
Lasterbalk: …jeder kann etwas dagegen
tun. Wir können Songs schreiben. Man kann in Gesprächen
die Dinge beim Namen nennen. Man kann vorsichtig sagen,
dass es sich…na ja… um eine rechtspopulistische Partei
handelt oder direkt die Spitzenkandidaten, die zur
Landtagswahl angetreten sind, als Nazis bezeichnen.
Punkt! Man kann durchaus verschiedene Meinungen haben.
Meinungspluralismus ist etwas ganz Grossartiges, aber es
gibt Grenzen. Fairerweise muss ich an dieser Stelle auch
sagen, dass es durchaus Grenzen gibt, was den
Linksextremismus angeht, aber dies stellt momentan echt
kein nennenswertes Problem dar. In jeder Kneipe, an
jeder Familienfeier, an jedem Strassenfest kommt der
Moment, an denen bei genug hohem Alkoholpegel wieder
Parolen in der einen Art und Weise gebrüllt werden, und
da gibt es nur eine Reaktion – Arschloch! Punkt –
Schnauze – Arschloch! Kacke ist Kacke, und das kann man
so auch vertreten. Wenn wir dies alle tun würden,
anstatt weg zu gucken, hätten die Nazis keine Macht.
MF: Richtig, solche direkten Statements sollte es
mehr geben. Jetzt verlassen wir aber dieses heisse Thema
wieder und sprechen noch etwas über eure Musik. Ihr habt
für das neue Album das Plattenlabel gewechselt. Warum?
Lasterbalk: Wir sind ja eine relativ treue Band.
Seit knapp zwnanzig Jahren arbeiten wir mit derselben
Plattenfirma wie demselben Management, aber an einem
bestimmten Punkt will man sich als Band
weiterentwickeln. So hat es sich ergeben, dass mit den
auslaufenden Verträgen auch neue Gespräche zustande
gekommen sind. Das ist jetzt überhaupt keine Wertung,
dass Altes schlecht war oder Neues besser. Es hat sich
für uns als Band einfach besser angefühlt zu dem
Zeitpunkt… und tut es auch heute noch (lacht).
MF: Die Veröffentlichung von «Zirkus Zeitgeist» ist nun
vier Jahre her. Habt ihr an der neuen Platte so lange
gearbeitet oder euch dazwischen auch eine Auszeit
gegönnt?
Lasterbalk: Zwischen «Zeitgeist» und
«Brot und Spiele» liegen ja eigentlich drei Jahre. Ich
finde es schon bezeichnend, dass man da von viel Zeit
spricht. Man ist auf Tour, schreibt neue Songs und
spielt diese anschliessend auch ein. Die Plattenfirma
braucht auch ihren Vorlauf für Fotos und so weiter und
so fort, und wenn man genügend masochistisch veranlagt
ist, schafft man dies alles in zwei Jahren. Drei Jahre
sind also aus unserer Sicht ein ganz guter Rhythmus.
MF: Ihr habt mit «Grosse Träume» auch einen Song auf
der neuen Platte, in dem ihr von früher singt, wie ihr
einst als Band wart. Seid ihr heute noch ähnlich
unbeschwert oder seid ihr ernster und gesetzter?
Lasterbalk: Hast du unbeschwert gesagt? (lacht)
Luzy: Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir durchwegs
unbeschwerter sind. Wir gehen sicher an manche Dinge
bedachter heran, aber es kann immer noch passieren, dass
eines zum anderen kommt und eine Aftershowparty dann im
Backstage stattfindet.
Lasterbalk: Klar wird man
älter. Es hat nichts mehr mit der jungen Wildheit zu
tun, die noch vor zehn Jahren spürbar war. Es ist heute
eine andere Zeit. Viele Dinge die wir damals erleben
durften, würden heute wohl nicht mehr gehen.
MF:
Aber der Spass ist zumindest noch da, wie ich das so
gespürt habe.
Luzy: Ou ja, das wär schlecht, wenn
dem nicht so wäre.
MF: Was können die Fans denn
von eurer Tour erwarten?
Lasterbalk: Ja, Schweiss
der von der Decke tropft. Ein hautnahes Konzerterlebnis,
im wahrsten Sinne des Wortes und eine neue grandiose
Dudelsackperformance… eine Dudelsackchoreografie der
Extraklasse (Gelächter).
MF: Was hört ihr denn
privat gern?
Luzy: Ach, alles quer durch. Von
deutschem bis amerikanischem Punkrock, Hardrock. Rise
Against, Green Day… höre auch manchmal Hip-Hop, dann
auch wieder Metal wie Slipknot zum Beispiel.
Lasterbalk: Ich schliesse mich dem Gesagten an. Ich mag
auch gerne Folk-Klassiker oder einfach Bands mit guten
deutschen Texten. Das macht es mir einfach.
MF:
Möchtet ihr unseren Lesern zum Abschluss noch etwas mit
auf den Weg geben?
Lasterbalk: Nächstes Jahr im
August kommt ein neues Album raus. Also immer die
Lauschlöffel gespitzt halten, irgendwann gibt es News
dazu.
Luzy: Kommt an unsere Konzerte (lacht).
MF: Danke für eure Zeit und die ausführlichen
Antworten.
Lasterbalk/Luzy: Danke dir
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