Mehr Dur ins Moll.
Sie sind eine Institution wenn es um geilen Hardrock
geht, der sofort die Beine bewegt und die Ohren zum
Glühen bringt. Shakra gehen seit 25 Jahren den Weg des
unbeirrten Musikers, der seinen Ideen und dem Idealbild
folgt. Mit den beiden letzten Werken, «High Noon» und
«Snakes And Ladders» und der damit verbundenen
Wiedereinkunft mit Sänger Mark Fox, hat der Fünfer
wieder Boden gut gemacht. Manchmal ist es eben schon so,
dass was zusammengehört auch zusammen kommen muss.
Zumindest ist die Konstellation mit Mark, den beiden
Gitarristen Thom Blunier (produziert auch Shakra) und
Thomas Muster, sowie Bassist Dominik Pfister und
Trommler Roger Tanner, eine Institution, die auf der
Bühne und im Studio hervorragende Qualität abliefert.
«Mad World» heisst der neuste Streich, der ein richtiges
Meisterwerk geworden ist. Facettenreicher präsentiert
sich der mittlerweile zwölfte Output der Schweizer und
vereinigt das Beste aus allen Schaffensphasen. Was zu
dieser Leistung massgeblich beigetragen hat, erklärt Thom
im bandeigenen Studio.
MF: Was hat sich für dich
verändert von «Mad World» zu den beiden Vorgängern?
Thom (mit ernster Miene): Der Teppich! Ich
habe einen neuen, handgeknüpften… Also neu ist er nicht,
aber ich habe ihn von der Frau erhalten, die unsere
Steuererklärung macht. Mit einer Band ist dies alles
sehr kompliziert… Also, die hat mir diesen Teppich
gebracht, von diesem anderen Ort… Weisst du, da über dem
Teich (grinst). Ich hatte meine Mühe, weil die Kanten
auf der Seite nicht in einer Linie liegen. So dachte
ich, das könnte ein Zeichen sein, für ein rotzigeres
Album (grinst). Das muss einen dreckigeren Mix geben.
Einfach, weil der Teppich auf der Seite nicht gerade
ist. Das ist das, was sich hauptsächlich veränderte…
MF: …und andere Farben ins Spiel brachte…
Thom: …ja, das stimmt. Die billigen von IKEA fallen mit
diesem Rot ein bisschen ab. Plötzlich siehst du dieses
Braun, dass so Vieles beinhaltet, das man auf den ersten
Blick gar nicht sieht (grinst). Alles ist ein bisschen
matter und edler…
MF: …und bringt auch dieses
Orientalische rein, welches man in deinen Solos zum Teil
raus hört…
Thom: …durchaus! Das hast du
richtig erkannt. Ich sass auf meinem Stuhl und diesem
Teppich. Wenn ich runter sah, bemerkte ich dieses Design
des Teppichs und das inspirierte mich unheimlich! Ich
konnte nicht anders, als diese komischen, schrägen Töne
auf den Saiten zu drücken (grinst). Das ergab diese
Tonfolgen, die ein bisschen dieses orientalische Flair
aufweisen.
MF: Das neue Werk wieder eher ein
Blunier-Album…
Thom: …nein, das würde
ich so nicht sagen. Sicher hat «Mad World» mehr Facetten
von mir drin. Ein Blunier-Album ist es mit Sicherheit
nicht. Aber ich habe mich dieses Mal mehr eingebracht,
als bei den letzten Scheiben.
MF: Weil Thom mehr Ideen hatte oder weil es
notwendig war?
Thom: Schau, ich sehe
mich selber nicht als guten Songschreiber. Thomas Muster
ist sicher der bessere. Es zeichnet sich ab, dass bei
seinen Demos die eine oder andere Farbe fehlte. So
versuchte ich, das Gesamtbild ein bisschen farbiger zu
gestalten. Das Album… Es ist immer subjektiv und eine
reine Empfindungsangelegenheit. Die Lieder stammen alle
von mir und Thomas. Mark ist immer ein Teil dieses
Teams. Schreibe ich an einer Nummer, sind die
Gesangslinien nicht zu 100% fertig. Mark hat immer
tolle Ideen, die uns zu einem Ziel führen. Es ist
unglaublich, was Thomas immer für einen Output an
Songideen hat. Unfassbar, wie flüssig das stetig aus ihm
heraus fliesst. Zum Glück haben wir immer einen Zeitplan.
Hätten wir den nicht, dann würden wir jetzt noch am
Album herumbasteln. Persönlich würde ich lieber länger
an den jeweiligen Nummern arbeiten. Ist das eine Art von
Perfektionismus? Ich weiss es nicht! Sitz ich hier,
klingt der Song anders, als wenn ich da drüben mich
hinsetzen würde. So würde es aus jeder Sitzposition
einen Mix geben (lacht). Ich will nicht schnell was
erledigen, sondern mich mit den Kleinigkeiten
auseinander setzen, um dem Ganzen was Spezielles zu
verleihen.
MF: Gibt es ein Lied, das für dich
besonders heraus sticht?
Thom (mit
diplomatischer Miene): Ja, das gibt es sicher (lächelt).
Das wird aber jeder in der Truppe anders sehen. Logisch
sind es für mich die Tracks, zu denen ich einen
persönlicheren Bezug habe. Was ich fühle bei einem Song,
das ist sehr subjektiv.
MF: Speziell bei deinen Solos hast du
eine sehr eigene Note. Da kennt man Thom Blunier sofort
heraus. Hast du dir dies selber angeeignet oder gab es
da einen Einfluss, der verarbeitet wurde?
Thom: Mein Einfluss ist ganz klar John Norum (Europe)
und vielleicht zu Beginn noch John Sykes (Thin Lizzy,
Tygers Of Pan Tang, Whitesnake, Blue Murder). Das
Feeling und das Vibrato von Norum war prägend. Wenn ich
die Möglichkeit hätte mit den Fähigkeiten eines
bestimmten Gitarristen zu spielen oder mich jemand
fragt: "…wie willst du Gitarre spielen können?", würde
ich sofort mit "John Norum" antworten. Dadurch, dass ich
limitiert bin und nicht alles spielen kann… Ich bin kein
Yngwie Malmsteen. Ich spiele was ich kann und verbinde
dies mit dem was ich fühle. Es sind Gefühle, die ich
versuche zu vermitteln. Wenn du der Meinung bist, dass
ich einen eigenen Ton habe, dann ist das eine sehr
schöne Aussage. Es ist wichtig, eine eigene Identität zu
haben. Ich finde dein Kompliment sehr cool. Selber kann
ich es nicht eruieren, ich kenne mich ja nur mit diesem
Stil (grinst)…
MF: …mit einem wehmütigen,
aber auch hoffnungsvollen Klang…
Thom:
…ja, das ist vielleicht auch ein bisschen meine
Persönlichkeit. Diejenige, welche hin und her gerissen
ist, zwischen nachdenklich sein, was geht in der Welt ab
… Eben die «Mad World», aber weit davon entfernt ist
hoffnungslos zu sein und den Kopf in den Sand zu
stecken. Immer wieder mit Hoffnung aufstehen, denn es
gibt so viel Schönes auf der Welt, das es lohnt sich
anzusehen und zu erleben. Eine leichte Dur- an eine
Moll-Melodie anhängen (grinst).
MF: Zufrieden ist er, der Thom. Während andere nach mehr
trachten, bist du glücklich, mit dem was ihr erreicht
habt…
Thom: …mehr geht immer, das ist so
(lacht). Wir beide hatten schon lange Diskussionen und
wissen, dass der Mensch selten zufrieden ist, mit dem
was er hat. Die Tendenz geht dahin, dass jeder mehr
verdienen, wichtiger sein will und Geltungsdrang hat.
Morgen bist du mit der Wichtigkeit nicht mehr zufrieden,
die du heute hast. Es gibt wahrscheinlich gewisse Dinge,
welche in meinem Gesamt-konzept fehlen. Dieser Neid und
dieser Geltungsdrang… Man kann sich dadurch selber in
einen negativen Lauf befördern. Aber kann man nicht auch
mit dem Erreichten einfach glücklich und zufrieden sein?
Persönlich versuche ich mit dem was sich bietet das
Beste zu machen. Zufriedenheit! Logisch, als Musiker
könnte man sehr, sehr viel Geld verdienen. Was bei
Shakra nicht der Fall ist. Auf der einen Seite sind wir
keine reiche Truppe. Auf der anderen Seite sind wir noch
immer da, und es geht uns gut. Es ist schwierig zu
beurteilen, wie man das einschätzen will. Du weisst ja,
das Glas ist entweder halbleer oder halbvoll (grinst).
MF: Bei AFM Records seid ihr ausserhalb
der Schweiz noch immer unter Vertrag, aber bei Universal
in der Schweiz nicht mehr. Wieso dieser
Plattenfirmenwechsel?
Thom: Universal
hat die Option nicht wahr genommen. Die Leute, welche uns
bei Universal immer unterstützten, arbeiten nicht mehr
dort. Diesen Fakt mussten wir akzeptieren. Das neue
Label 6003 Records aus Luzern bot sich als sehr
schlüssige Alternative. Man spürt da einen neuen Spirit.
Während dir alle sagen, dass der Markt tot ist, geht
Cyril Montavon (Gitarrist auch bei Maxxwell) einen ganz
anderen Weg. Wie bei AFM, so spüren wir auch bei 6003
diesen frischen Aufwind. Die zwei Labels sind glücklich,
wie sich die Situation entwickelt. Alles ist auf einem
steigenden Ast. Beide stehen den neuen Medien offen
gegenüber und verschliessen sich nicht. Sie haben sich
mit den Veränderungen arrangiert. Ich denke, dass diese
negative Stimmung, dieses Jammern vorbei ist. Mir
gefällt dieser neue Spirit, auch von den Jungs aus
Luzern. Dada Ante Portas landeten mit ihrem zweiten Release
direkt auf dem 1. Platz der Schweizer Charts.
MF: 25 Jahre Shakra..., hast du damit gerechnet,
und was ist dein Fazit?
Thom: Du darfst
nicht vergessen, dass ich schon um einiges länger
unterwegs bin. Nicht nur mit Shakra. Wir nennen uns seit
25 Jahren Shakra, aber seit ich vierzehn Jahre jung bin, mache
ich Musik. Ich kenne nichts anderes, und Musik war immer
ein Teil meines Lebens. Die Entwicklung war brachial.
Was wir alles erlebten, in einer relativ kurzen Zeit.
Sei es mit der Technik und den ganzen
Aufnahmemöglichkeiten. Da musst du immer was Neues
lernen, ob du nun willst oder nicht (grinst). Das passt
aber zur Entwicklung, wie sich der Mensch verändert hat.
Das Kaufverhalten mit den Medien, wie CD, Download und
Streaming. Was sich nicht verändert hat, ist die Musik.
Unsere Roots sind noch immer sehr oldfashion und wir
klingen nicht "neu". Man kramt alte Stühle, Möbel und
Platten wieder hervor und hat Freude an ihnen. So ist
auch unsere Musik. Wie ein gut eingesessener Lederstuhl,
der passt. Das sind 25 Jahre Shakra (grinst). Was bringt
dir ein total neuer Stuhl, der perfekt hergestellt
wurde, aber du darin kein Sitzvergnügen hast?
MF: Was sind die oder ist schlicht DAS Highlight für
dich?
Thom: Das ist sehr schwierig zu beantworten. Das kann
etwas sein, das vielleicht niemand begreift. Wie bei
einem Gig, bei dem alles funktionierte, das kann ein
sehr grosses Highlight sein. Ein Konzert im
Hallenstadion vor Guns n' Roses, bei dem du Angst hast…
Kurzer Auftritt, der Sound war beschissen, da würden
alle sagen, das muss DAS Highlight sein. Aber das Gefühl
kann bei einem kleinen Konzert, bei dem du machen
konntest was du dir vorge-nommen hast, viel grösser sein.
Was du geben kannst und was du vom Publikum zurück
bekommst, kann dir ein unglaubliches geiles Gefühl
geben. Das ist auch Dasjenige, was dich immer weiter
voran treibt und dich die negativen und mühsamen
Angelegenheiten vergessen lässt, um diesen Kick zu
erhalten. Das ist wie eine Droge. Ein Highlight? Es
gefällt mir immer wieder auf Tour zu gehen. Ein
Höhepunkt war sicherlich die Konzertreise mit HammerFall und
Stratovarius. Da waren wir sehr lang quer durch Europa
unterwegs.
MF: Was waren die Tiefschläge…
Thom: …das waren die menschlichen Geschichten. Damals,
als wir uns von Mark trennten. Dies war eine sehr
schwierige Zeit. Ich hatte das Gefühl, das sei das Ende
der Band…. Ich bin mir sicher, den meisten Truppen
hätte eine solche Situation das Genick gebrochen, wenn
du nicht ein so bodenständiger Trueber-Bueb bist
(grinst). Grundsätzlich ist die Personalpolitik in einer
Combo nie einfach. Es ist selten so, dass wie bei Mötley
Crüe oder damals bei Krokus in den Staaten ein
Tourmanager sagte: "...wir machen alles für euch, ihr
müsst nur spielen". Abends gibt es etwas Warmes zu essen
und sonst werden nur Partys gefeiert. Das war und wird
bei uns nie so sein. Vieles erledigen wir selber, weil
das Ganze nicht auf einem extrem erfolgreichen Level
läuft. Da musst du noch selber anpacken, investieren,
über alles nachdenken und Entscheidungen treffen. Das
braucht viel Energie und dabei hast du noch keine Note
gespielt.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Thom: Jetzt lösen wir uns auf! 25 Jahre,
das reicht (lacht). Wir spielen zum ersten Mal in
Russland. "Masters Of Rock" und das "Bang Your Head!!!" stehen
auch vor der Türe. Die Live-Situation sieht gut aus. Du
hast heute noch kein neues Album veröffentlicht, aber
die kommende Tour ist schon fix gebucht. Willst du im
Sommer 2020 spielen, muss schon alles im Sommer 2019
unter Dach und Fach sein. Wir können uns nicht beklagen,
haben unsere eigene Tour und spielen zusammen mit
Gotthard in der Schweiz. Ich bin mir sicher, dass uns
die letzte Konzertreise auch einige Türen öffnete. Was
sich bei den Plattenverkäufen eher negativ entwickelte,
hat sich auf der Live-Schiene viel positiver ergeben.
Die Songs auszuwählen, welche wir auf Tour spielen
werden, wird eine grössere Herausforderung werden. Mit
zwölf Studioscheiben wird die Auswahl nicht kleiner
(grinst).
MF: Ich danke dir für das sehr ehrlich und
wie immer äusserst unterhaltsame Interview…
Thom: …ich danke dir für den jahrelangen Support….
MF: …was sind deine Wünsche und Hoffnungen für 2020?
Thom (überlegt): Gesundheit, dass die
Konzerte schmerztechnisch gut über die Bühne gehen (Thom
leidet unter der Krankheit "Morbus Bechterew", die auch
Mick Mars beeinträchtigt) und dass wir unsere
Erwartungen erfüllen können. Können wir das, wird das
Publikum zufrieden sein.
MF: Schönes Schlusswort, dann wünsche
ich dir alles Gute für die Zukunft und dass wir euch
noch lange erleben dürfen…
Thom: …grazie
mille (grinst).
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