Brüder bis in den Tod.
Bei meinem ersten Interview vor gut zehn Jahren mit
den vier sympathischen Männern aus Jacksonville, kannte
SHINEDOWN hier noch so gut wie keiner. Mittlerweile
haben sie dreissig Millionen verkaufte Alben und spielen (wie
auch heute im Z7) in ausverkauften Hallen. Barry Kerch,
Drummer der Combo hat sich für Metal Factory Zeit
genommen und es gab, wie immer, ein sehr ehrliches und
persönliches Interview.
MF: Hallo Barry, einmal
mehr, danke fürs Interview.
Barry: Kein
Problem, sehr gerne, wir sind ja mittlerweile alte
Freunde.
MF: Ich habe euch in all den
Jahren gar nie gefragt, wie ihr zu eurem Namen gekommen
seid.
Barry: Das war, bevor wir unser
erstes Album aufgenommen haben. Wir hatten damals eine
lange Liste mit Namen, aber wir konnten uns auf keinen
einigen. Brent und ich waren damals bei unserem
damaligen Bassisten zu Hause. Bei dem hing ein Bild über
dem Kamin. Wir fanden, dass das Bild wirklich cool
aussah, weil das Licht so toll auf das Bild fiel. Brent
meinte dann: «Weshalb nennen wir uns nicht «Shining
Down»? Wir haben es dann abgekürzt auf Shinedown, und es
passt auch sehr gut zu uns. Du weisst ja, dass wir sehr
viele Hochs und Tiefs hatten. Es passt auch gut zu
unserer Persönlichkeit. So sind wir mit diesem Namen
gestartet.
MF: Mein erstes Interview mit
euch war ja 2008. Ich denke, das war euer letztes Jahr,
in dem ihr als Vorband unterwegs wart, oder?
Barry: Ok, das war vielleicht das letzte Jahr, in dem wir
relativ unbekannt unterwegs waren. Es war aber nicht das
letzte Mal, wo wir eine Band supportet haben. Wir haben
den "Carneval Of Madness" vor ein paar Jahren mitgemacht,
da waren Black Stone Cherry die Hauptband und letztes
Jahr waren wir in England unterwegs als Support für Iron
Maiden.
MF: Halestorm waren vor sechs Jahren ja auch
das erste Mal mit euch hier als Support, und nun touren
sie ebenfalls als Headliner durch die Länder. Muss man
es als kleinere Band von Übersee einfach einmal
erreichen, mit einer grösseren Band nach Europa kommen
zu können und dann hat man es geschafft?
Barry: Ich glaub' nicht, dass wir sagen, wir haben es
geschafft. Wir wollen alle immer mehr. Klar ist es toll,
hierher zu kommen und in ausverkauften Hallen zu spielen.
Wir haben aber alle das Ziel grösser zu werden und in
noch grösseren Hallen spielen zu können. Wir sind nie
zufrieden. Wir wollen immer noch grössere Ziele
erreichen.
MF: Gibt es Unterschiede zu
Shinedown 2008 und 2018?
Barry: Ja,
definitiv! Da gibt es sehr viele Unterschiede. Ok, wir
sind immer noch die gleiche Band wie 2008 und doch sind
wir musikalisch und menschlich nicht mehr die Selben.
Ich denke, wir sind nun an einem viel besseren Ort. Wir
sind alle definitiv viel gesünder. Du weisst ja, dass
Brent sich von seiner Sucht befreit hat. Er hatte damals
sehr viele Hochs und Tiefs. Jetzt ist er der
Glücklichste und Gesündeste. Als Band sind wir uns viel
näher und haben sehr viel Spass zusammen. Ok, das ist
das Musikbuisness, aber nach zehn Jahren und nach zwanzig
Jahren in der Band… in der wir uns mittlerweile alle
sehr mögen und zusammen unsere Arbeits- und Freizeit
verbringen… Wir wollen auch immer zusammen im Bus reisen
und uns einfach so oft als möglich treffen. Wir fühlen
uns bei uns zu Hause. Zwischen den Touren sind wir ja
meist nur drei bis vier Tage bei unseren Familien zu
Hause. Da ist es schon toll und wichtig, dass man liebt
was man tut und dass wir uns lieben.
MF: Wenn ich jeweils Videos oder Fotos
von euch an euren Konzerten sehe, sehe ich euch immer
einander anlachen und einander umarmen. Ihr seid also
Brüder von verschiedenen Eltern?
Barry:
JA! Absolut. Ich liebe diese Jungs, und ich würde mich
für sie in jede Schussbahn stellen und jede Kugel
abfangen. Das würden sie auch für mich tun. Wir streiten
aber auch wie Brüder, da kann es schon mal richtig
knallen. Am Ende des Tages lassen wir uns jedoch nie
fallen. Das ist ja wie eine Heirat zwischen uns. Ich
verbringe ja auch einiges mehr an Zeit mit denen, als mit
meiner Familie.
MF: Was ist denn euer Rezept, dass ihr
eine so starke Bindung aufbauen konntet?
Barry: Man muss ehrlich sein zu einander. Das ist mal
der grösste und wichtigste Punkt. Man muss einander auch
mal was verzeihen können. Man muss einander
unterstützen, egal in was. Man muss zusammen die Hochs
und Tiefs aushalten. Man muss einander beistehen,
einander respektieren. Es gibt Tage, da hat man einfach
einen schlechten Tag. Eric zum Beispiel hat heute einen
schlechten Tag. Dann lassen wir ihn alleine. Wir geben
uns unseren Freiraum, die Pause, die Derjenige in dem
Moment gerade braucht. Ja, manchmal, da haben wir unsere
Kämpfe, aber wir haben eine Regel: Wenn wir streiten,
dann werden wir nie böse. Wir sitzen es aus und wir
gehen anschliessend wieder vorwärts. Das Geheimnis
lautet Kommunikation. Es klingt zwar simpel. Da gibt es
diese Chemie zwischen uns, die einfach wirkt und
funktioniert. Die einfache Ehrlichkeit macht das Ganze
aber zu etwas Grossem und führt zum Ziel.
MF: Bei unserem ersten Treffen hast du mir erzählt, dass
du kerne kochst.
Barry: Ja, tue ich.
MF: Aber jetzt bist du ja reich, jetzt brauchst du
nicht mehr selbst zu kochen…
Barry: Ich
bin nicht reich, und ich koche immer noch.
MF: Ich habe dich mal im Fernsehen
gesehen, da hast du so einen Eintopf mit Bohnen und
Wurst gekocht.
Barry: Ja, das war, glaube
ich, sogar hier in Zürich für eine Zeitung. Das ist schon
lange her, ich erinnere mich aber noch. Das war so ein
Hausmannskost-Eintopf. Ein Mix aus französischer Küche
mit spanischen und afrikanischen Techniken und Zutaten.
Das kommt aus Louisiana-Mississippi. Das Rezept kommt
aus der damaligen Sklavenzeit, wo alle ihre Einflüsse
zusammen in einen Topf geschmissen haben.
MF: Kochst du auch manchmal wenn ihr auf
Tour seid?
Barry: Nein, wir haben keine
Küche im Bus. (lacht)
MF: Ihr habt ja
mittlerweile über dreissig Millionen Alben verkauft. Wahnsinn!
Barry: Das ist eine grosse Zahl…
MF: Was bedeutet diese Zahl für euch?
Barry: Das bedeutet, dass ich nach zwanzig Jahren immer noch
einen Job habe. (lacht) Für mich ist es ganz klar eine
Ehre, verstehe mich nicht falsch. Das ist schon sehr
speziell, dass so viele Leute Geld für unsere Musik
ausgeben und sie dann mögen. Oder sie zum Autofenster
raus werfen, wenn sie die CD nicht mögen. Es ist aber
eine ganz andere Zeit jetzt, im Gegensatz zu früher. Ja,
wir haben viele CDs verkauft. Und sonstige Musik. Aber
man macht heute kein Geld mehr damit, dass man CDs
verkaufen kann. Man macht immer Witze darüber, dass
Musiker reich durch den Verkauf von T-Shirts werden. Das
ist aber die Wahrheit. Wir haben das nie wegen des
Geldes gemacht. Ich mache es immer noch nicht fürs Geld.
Ok, ich kann für meine Familie sorgen, das macht mich
glücklich, aber ich mache es, weil es liebe, es zu
machen. Es ist nicht einfach! Ja, wir haben unsere
glamourösen Momente, und die sind auch toll, aber es ist
verdammt harte Arbeit. Es ist kein Glamour! Jeder, der
da draussen diesen Job macht und einigermassen bis sehr
erfolgreich ist, arbeitet sich seinen Arsch ab, um so
weit zu sein, wie er gekommen ist. Und darauf kommt es
an. Dass man sich zwar stolz hinsetzen und sagen
kann: wow!, im Wissen, dass man jedoch sehr hart dafür
gekämpft hat. Ich für mich habe da noch ein bisschen
Platz, um noch härter zu arbeiten und um noch etwas mehr
erreichen zu können.
MF: Ihr habt es euch
also verdient.
Barry: Ja, wir haben es
uns verdient. Ich sehe es auch als eine Herausforderung
an. Mehr zu geben, um mehr zu erreichen. Ich will keine
Trophäen, ich will nur, dass es weiter rollt.
MF: Was erzählst du mir zu eurem neuen Album
«ATTENTION, ATTENTION»?
Barry: Es ist ein Konzept-Album, eine Geschichte. Der
Charakter geht in einen Raum, die Türe schliesst sich,
zieht den Stuhl hervor, setzt sich hin, der Teufel
startet. Grundsätzlich geht es um die Geschichte von uns
vier. Um unsere Vergangenheit der letzten vier Jahre,
projiziert auf einen Charakter. Alle Songs erzählen über
uns vier und unsere Persönlichkeiten innerhalb der Band.
Brents Suchprobleme, Erics Depressionen. Das waren in
der Vergangenheit Geheimnisse, über die wir nicht
gesprochen haben. Nun haben wir uns dazu entschlossen,
diese Geschichten ohne Filter zu erzählen. Wir sprechen
darüber. Keine hübschen Blumen drum herum. Das ist die
Wahrheit, und das sind die wahren Emotionen. Ich glaube
auch, dass das der Grund ist, weshalb viele Leute unser
neues Album sehr mögen werden. Wir haben nie Fake-Songs
geschrieben. Wir haben immer Geschichten von uns und
Sachen die wir erlebt haben erzählt. So funktionieren
wir. Es gibt Menschen, die können einem einfach eine
erfundene Geschichte erzählen… oder einem einfach
heuchlerisch etwas vorsingen… und die kreieren dann ein
ganzes Universum um sich herum… so sind wir aber nicht.
Wir müssen wahre Geschichten erzählen. Bei «ATTENTION,
ATTENTION» haben wir aber viel mehr Persönlichkeit
rein gebracht. Das hat uns als Band noch stärker zusammen
geschweisst. Wir haben alle unsere dunklen Sachen
zusammen getragen und diese auf einen Tisch gelegt,
damit es Jeder wissen kann. Das ist die reine Wahrheit.
Wir haben alles dargelegt.
MF: Dann ist
dieses Album wichtig für dich?
Barry: Ja
das ist mein Lieblingsalbum! Weisst du, «SOUND OF MADNESS»
war wie unser Trainingsalbum. Dieses Album wird immer
einen starken Platz in meinem Herzen haben.
MF: Damit wart ihr ja quasi an der
Kante, entweder Abgrund oder Aufstieg…
Barry: Das war keine gute Zeit für uns. Ich hatte
diverse gemischte Gefühle zu dieser Zeit.
MF: Ihr wart ja da dann plötzlich nur noch zu viert,
weil Nick Perri die Band verlassen hat.
Barry: Ach, um den geht es gar nicht, der war ja quasi
nur ein paar Augenblicke bei uns. Drei Monate, um es
genau zu nehmen. Nein, für mich war diese Zeit ein
Albtraum, in dem ich so gut wie möglich versuchte, alles
irgendwie zusammen zu halten. Wir waren damals im Studio,
um «SOUND OF MADNESS» aufzunehmen, und es waren nur Brent
und ich übrig. Brent war zu dieser Zeit jedoch süchtig
wie jeweils vollgepumpt und bis zum Rand dicht. Das war
der Albtraum! Ich hab gebetet: bitte Gott, sorge dafür,
dass es weiter geht… Und es ging! (Barry strahlt übers
ganze Gesicht) Ich kann jetzt zurück schauen und sagen,
wir haben es durchgestanden, aber es war eine sehr
schwere und schwierige Zeit. Dieses Album, ist
qualitativ sicher genau so gut wie «SOUND OF MADNESS»,
aber wir hatten auch viel Spass es zu produzieren. Jeder
von uns war aufgeregt und motiviert: Da waren keine
Laster oder Lasten, Probleme oder sonst irgendetwas
Negatives vorhanden. Das hat dazu geführt, dass wir auch
das beste Album, so wie wir es konnten, produziert
haben.
MF: Welcher ist dein
Lieblingssong?
Barry: Wahrscheinlich «Creatures».
MF: Und live auf der Bühne?
Barry: Hmmm…. «Devil»? Der macht Spass, jetzt in Europa
eröffnen wir die Konzerte mit «Devil» und hören mit
«Brilliant» auf. Die machen mir beide sehr viel Spass,
auch wenn sie sich vom Schlagzeugspiel her sehr
unterscheiden. Wir versuchen den Anfang und den Schluss
etwas "heavier" zu gestalten und die Mitte mit dem zu
füllen, was das Publikum hören will. Oder hoffentlich
hören will.
MF: Ich habe euch irgendwann mal
gefragt, mit welcher Band ihr euch gerne die Bühne
teilen möchtet. Damals habt ihr mir alle gesagt MUSE
seinen euer Wunsch. Konntet ihr euch den erfüllen? Habt
ihr euch mit MUSE die Bühne geteilt?
Barry: Nein, wir haben nie mit denen gespielt.
MF: ooooccchhhhhh….
Barry: Nein, nein, das ist ok. Die haben sich verändert.
Für sie sicher in einer guten Art und Weise, sie sind ja
immer noch sehr erfolgreich. Aber musikalisch ist es bei
denen nicht mehr das Selbe. Aber wer weiss, vielleicht,
ich würde, wenn sie fragen.
MF: Wen würdest du denn jetzt
bevorzugen?
Barry: Ich bin jetzt
glücklich als Headliner. (lacht)
MF: Kein
Stagesharing mehr?
Barry: Nein, damit
bin ich durch. Weisst du, wenn du Headliner bist, ist
alles etwas besser strukturiert und man hat mehr
Freizeit und auch mehr Zeit auf der Bühne. Wie soll man
auch in 45 bis 57 Minuten ein ganzes Set zusammenstellen?
Dann kommen diese stressigen Auf- und Abbaugeschichten
dazu, man muss auf alles selbst schauen. Das macht das
ganz schon sehr… schwierig? Ich bevorzuge Headliner
Shows wo wir uns nur aufs Konzert geben konzentrieren
können.
MF: Dann sind wir nun am Schluss
angekommen, ich danke dir einmal mehr für das offene
Interview.
Barry: Was, schon fertig?
Kurz und süss?
MF: Ich will ja nächstes
Jahr wieder zum Interview kommen und kann euch nicht
jedes Mal eine Stunde lang ausfragen.
Barry: Ja, wir kommen wieder nächstes Jahr, es steht
jedenfalls in Planung, dann unterhalten wir uns weiter.
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