Mat Sinner ist ein fleissiges Kerlchen. Ist er nicht
mit Primal Fear beschäftigt, oder seiner Truppe Sinner,
dann steht sicherlich das «Rock Meets Classic» an, oder
er produziert eine andere Band. Zwischenzeitlich ist er
auch mit Voodoo Circle sehr aktiv. So kommt es, dass Mat
zusammen mit Sinner und Voodoo Circle schon bald auf
Tour geht und dabei auch in der Gallery in Pratteln
spielt (02. Oktober 2011). Seit 1982 ist er mit Sinner
unterwegs und hat dabei 17 Studio-Scheiben
veröffentlicht. Der neuste Streich «One Bullet Left»
beweist einmal mehr, dass Mat mit seiner gleichnamigen
Truppe tolle, sofort ins Ohr gehende Lieder schreiben
kann. Wie es zum neuen Album kam, wer ihm dabei
behilflich war und wie es zum ersten Mal in der
Geschichte von Sinner zu einem Gitarren-Trio kam,
berichtet Mat Sinner (MS) im folgenden Gespräch.
MF: Mat, du bist schon wieder im Studio. Was steht an?
MS: Wir arbeiten an der neuen Primal Fear-Scheibe, die
am 20. Januar 2012 erscheinen soll.
MF: Wie geil, eine Woche vor meinem Geburtstag!
MS: Na also (lachend). Dann verschieben wir das Ganze um
eine Woche und dann wird es noch schöner (lacht).
MF: Neben all den Dingen mit Primal Fear, Sinner,
Voodoo Circle, «Rock Meets Classic» und Produktionen wie
für Kiske/Somerville, hast du da noch Zeit für dich
selber?
MS: Natürlich, das ist alles eine Frage des
Zeitmanagements. Die Zeit muss man sich dementsprechend
gut einteilen und aufpassen, dass man den Sprit nicht
verliert und dabei immer schaut, dass genügend
Treibstoff im Tank ist um gute Arbeit anzuliefern und
voranzukommen. Dann kriegt man alles unter einen Hut.
Meistens arbeite ich nicht an verschiedenen Dingen
gleichzeitig, sondern beschäftige mich an einer Sache
intensiv.
MF: Was machst du, wenn du nichts mit Musik am Hut
hast?
MS: Das gibt es nicht! Ich schaue mir aber sehr gerne
gute Filme, oder ein Fussballspiel meiner
Lieblingsmannschaft an.
MF: Bei all den Bands, was zeichnet dich als Musiker,
Komponist, Produzent, oder Businessmann aus?
MS: Das ist schwer zu sagen. Sich selber zu bewerten...
Ich glaube, das sollte man anderen überlassen. Da gibt
es bestimmt die konträrsten Meinungen. Diejenigen, die
mich als absolut loyal und vertrauenswürdig halten und
andere, die keine Geschäfte mit mir machen würden.
Andere finden meine Songs und meine Produktionen toll
und dann wird es solche geben, die der Meinung sind,
dass dies alles nichts taugt. Wir arbeiten in einem
Business in dem viel geredet wird. Dabei gibt es auch
verschiedene Meinungen. Innerhalb des Metal-Bereichs
gibt es auch die unterschiedlichsten Geschmäcker. Die,
welche sich über die Jahre mit meiner Musik angefreundet
haben und denen meine Art zu komponieren und zu
produzieren Spass macht, davon gibt es Genügend. Nicht
nur in unseren Breitengraden, sondern auf der ganzen
Welt. Das ist eine schöne Sache und darüber bin ich
super dankbar, dass ich in diesem Beruf arbeiten kann
und so viele Fans habe, dass ich von der Musik leben
kann. Im Gegensatz dazu arbeite ich auch viel dafür.
Neid gibt es aber nicht viel. Die Charaktere der
Menschen ändern wir beide sowieso nicht mehr. Da gibt es
solche, solche und solche. Die, welche mir in die Augen
schauen und sachlich diskutieren können, sind mir am
liebsten. Selbst wenn sie eine andere Meinung haben wird
darüber diskutiert bis man einen gemeinsamen Nenner
findet. Findet man den nicht kann es vorkommen, dass
sich die Wege trennen und man spielt keine Musik mehr
zusammen (lacht).
MF: Kommen wir zum neuen Sinner-Album «One Bullet Left».
Für wen ist diese letzte Kugel gedacht?
MS: Das ist mein grosses Geheimnis (lacht). Das darf man
doch nicht rausposaunen. Momentan bin ich ein sehr
ausgeglichener und zufriedener Mensch, der mit sich im
Reinen ist. Alles was in letzter Zeit passierte, war
sehr positiv. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die mit
einem Maschinengewehr um sich ballern und sich eine
Kugel für was Besonderes aufheben (lachend). Mir geht’s
gut, ich bin gut drauf, habe viele tolle Dinge in diesem
Jahr erlebt und viele Dinge stehen in den Startlöchern.
Es ist alles im Lot und gut so wie es ist! Der
Plattentitel hat alleine deswegen seine Berechtigung,
wenn ein Journalist eine Frage danach stellt. Dann ist
der Titel richtig gewählt. Würde dir der Name der
Scheibe nicht nachhaltig im Kopf bleiben, wäre es kein
Mat Sinner-Titel, der den Hauch einer Provokation hat.
MF: Wie wichtig ist für dieses Album, oder auch die Band
Sinner, Thin Lizzy?
MS: Wer die Geschichte von Sinner kennt, sich über all
die Jahre mit der Truppe beschäftigt hat und meine Alben
kennt, hat herausgehört, dass ich immer gerne Musik in
diese Richtung geschrieben habe. Ob es Thin Lizzy noch
gab, oder der gute Phil Lynott in einer halbvollen Halle
stand und die Band aufgelöst hat, weil er frustriert
war. Auch in der Zeit, als Thin Lizzy nicht existierte,
komponierte ich einen ähnlichen Sound. Als ich begann
mit zwei Gitarristen zu arbeiten, nicht getrennt
zwischen Lead- und Rhythmusgitarrist, sondern immer mit
zwei Leadgitarristen, gab es diese Elemente schon von
verschiedenen irischen Truppen. Gräbt man in der
Hitstory findet man Combos, die auch mit vielen dieser
Parts gearbeitet haben, und stösst neben Thin Lizzy
automatisch auf Wishbone Ash. Daneben gab es viele
Metal-Truppen, die mit diesen Elementen gearbeitet
haben. Thin Lizzy war eine dieser Combos und, dass der
Sänger zufälligerweise auch noch Bass spielte, war
einfach so. Mir gefällt die Musik der Band, wie auch die
zweistimmigen Gitarrenelemente. Die werden bei uns
gepflegt und ausgebaut.
MF: Es gab aber die Zeit, in der du härtere Songs für
Sinner geschrieben hast. Was war damals der
ausschlaggebende Punkt?
MS: Ich würde eher sagen, dass ich davon weggegangen
bin, weil das zu ähnlich wie Primal Fear klang. Ich
benötige für eine Sinner-CD mehr Zeit, als bei Primal
Fear. Als ich Anfangs 2006 Sinner reformiert habe, ging
ich mit der «Mask Of Sanity» bewusst weg vom Primal
Fear-Sound. Höre ich mir heute ein paar Lieder von der «There
Will Be Execution» an, sind das eigentlich Primal
Fear-Tracks. Davon will ich mich mit Sinner entfernen.
Da werde ich auch zukünftig grossen Wert darauf legen
zwischen Sinner und Primal Fear von den Kompositionen
und Harmonien her wirklich einen Unterschied zu machen.
Sonst brauch ich keine zwei Bands am Start zu haben.
Sinner ist mein Hobby und eigentlich nichts anderes als
meine Solo-Band. Dabei bin ich wirklich glücklich, dass
ich noch immer Platten unter «Old-School»-Bedingungen
aufnehmen kann und dies nicht daheim am Computer
erledigen muss. Als wir das Debüt von Primal Fear
veröffentlichten war «The Nature Of Evil» schon
geschrieben. Würde man dies als Aussenstehender richtig
analysieren, sieht man, dass dieser Trend zur härteren
Gangart schon bei «Judgement Day» seinen Anfang nahm. «Used
To The Truth» ist ein astreiner Primal Fear-Track. Da
hat diese härtere Gangart für und mit Sinner angefangen.
Aus diesem Grund kann man nicht hergehen und behaupten,
dass Sinner den Erfolg von Primal Fear kopieren und
ausnutzen wollten. Wir haben uns besonnen und schreiben
wieder die waschechte Sinner-Mucke, die eher mit der
Vergangenheit zu vergleichen ist. Dabei ist das neue
Material zu einem grossen Teil mit meinem
Songwritingpartner Magnus Karlsson entstanden. Mit ihm
zusammen entsteht so viel Kreatives und ich mag es
wirklich mit ihm neues Material zu schreiben. Dabei
harmonieren und ergänzen wir uns wunderbar. Die
Besetzung der neuen Sinner-Truppe existierte zum
Zeitpunkt, als ich viele neue Songs geschrieben habe,
noch gar nicht.
MF: Wie kam es, dass sich das Bandkarussell wieder
dermassen gedreht hat? Beziehungsweise, wie wichtig ist
es für dich, dass sich die Besetzung von Album zu Album
nicht verändert?
MS: Ganz ehrlich, die neue Scheibe hätte ich liebend
gerne in der «Crash & Burn»-Besetzung aufgenommen und
hätte überhaupt nichts dagegen, wenn man in die
Konstellation der Truppe Kontinuität reinbringen könnte.
Aus persönlichen Gründen war dies leider nicht möglich.
Henny (Wolter) wollte bei Primal Fear aussteigen und war
der Meinung, dass er alles in einen Topf werfen muss und
nicht mehr bei Sinner im Boot sein kann. Das muss jeder
für sich selber wissen und entscheiden. Persönlich fand
ich dies schade und hätte durchaus mit mir reden lassen.
Prinzipiell muss eine Sinner-Platte Spass machen. Die
Band ist für mich pure Leidenschaft und dabei ist die
Truppe schon seit fast 30 Jahren am Start. Sinner ist
ein Teil von mir. Aus diesem Grund muss der
Studioaufenthalt riesigen Spass machen. Dazu brauche ich
Musiker um mich, die mich motivieren und nicht, dass ich
die ganze Zeit die Leute um mich anspornen muss. Ich
will Menschen, die Bock auf neue Sinner-Komposition
haben. Der Punkt war, dass dies nicht mehr gegeben war.
Klaus Sperling (Trommler bei «Crash & Burn») ist nach
wie vor ein Freund von mir. Aber es gibt verschiedene
Dinge, die funktionieren nicht. Da muss man als
Verantwortlicher eines so grossen Projekts, auch
gegenüber der Plattenfirma, dementsprechend hart sein,
dass Entscheidungen gefällt werden müssen, auch wenn sie
nicht unbedingt populär sind. Ich denke, ich habe alles
richtig gemacht.
MF: Wie kam es, dass du neu mit drei Gitaristen
arbeitest?
MS: Christof Leim ist seit der Wiederbelebung von Sinner
mit an Bord. Durch seinen Job bei «Metal Hammer» und
seiner anderen Truppe The New Black ist er zeitmässig
sehr ausgelastet. Wir überlegten uns, ob er dabei
bleiben wollte. Dabei sind wir Superkumpels und es hat
mich sehr gefreut, dass er weiterhin dabei sein wollte.
Zur gleichen Zeit sprach ich mit Alex Beyrodt im
Tourbus, als wir mit Primal Fear unterwegs waren. Alex
hat mir mitgeteilt, dass er super gerne wieder ein
Mitglied sein würde. Dazu muss man wissen, dass er zwölf
Jahre ein Teil von Sinner war, was einer langen Zeit
entspricht. Wird ein Musiker, der über ein Jahrzehnt bei
einer Truppe war, wieder ins Bandgefüge integriert, ist
das schon was Besonderes. Alex ist, was das Leadgitarrenspiel anbelangt, ein absolutes As und einer
der Besten seines Faches, die ich kenne.
Was wir
zusammen mit Voodoo Circle kreiert haben hat Hand und
Fuss. Zudem spielt er seit zwei Jahren permanent bei Primal Fear und war zuvor immer wieder kurz als
Aushilfsgitarrist dabei. Das hat auch immer wunderbar
funktioniert. Gerade letzte Woche spielten wir in Wacken
zusammen und dies war eine der besten PF-Shows in der
Karriere der Band. Was Magnus und Alex da
zusammengespielt haben ist unfassbar! So wird jeder
Primal Fear-Auftritt zu einem Highlight. Auf der anderen
Seite suchten wir einen Gitarristen, der von seiner Art
zu Spielen eine Alternative zu uns darstellt. Alex
Scholpp darf man nicht nur auf seine Mitarbeit bei Tarja
beschränken. Seine Arbeit bei den Farmer Boys oder
Tieflader ist ebenso wichtig. Mit ihm startete ich ein
Projekt. Wir verstehen uns menschlich unheimlich gut!
Für mich war es ein riesen Reiz, den etwas modernen
Gitarristen bei Sinner zu integrieren und ihn die, sagen
wir mal, «Old-School»-Kompositionen spielen zu lassen.
Seine Rhythmusgitarren auf der Platte sind der absolute
Knaller. Zusammen mit den Harmonien von Christof und den
Leads von Alex hatte jeder seine Aufgaben. Das
Endresultat hat sich als richtig geile Sache entpuppt.
Dazu muss ich sagen, dass wir immer zusammen im Studio
waren. Die Platte ist nicht so entstanden, dass jeder
bei sich zu Hause etwas eingedudelt hat, sondern es war
ein richtiges Teamplaying. In der heutigen Zeit, da
jeder Geld sparen will, ist dies eine grossartige
Angelegenheit. André Hilgers, unser neuer Trommler, mit
dem bin ich schon seit zehn Jahren am Quatschen, dass
wir irgendwann etwas zusammen in Angriff nehmen. Er
mochte das, was ich kreiert habe schon immer. Das hat er
mir oft zu verstehen gegeben. Man trifft sich immer
wieder. Auf Festivals, oder wo auch immer. Da kam der
Punkt, an dem ich ihn fragte, ob er Lust hätte bei
Sinner zu spielen und er war sofort dabei. André hat
einen super Job abgelegt, kam super vorbereitet ins
Studio, hat richtig geil getrommelt und so konnte man
mit ihm wirklich gut arbeiten.
MF: Wer hatte die Idee zum Coversong «Atomic Playboys»
von Steve Stevens, dem Gitarristen von Billy Idol?
MS: Die Idee entstand im Studio. Wir waren früher
fertig, als gedacht. Dabei haben wir beratschlagt, was
wir mit der restlichen Zeit noch machen könnten. Sollten
wir früher aufhören? Bauen wir im Studio alles ab? André
ist ein ziemlich ehrgeiziger Musiker, welcher der
Meinung war, dass wir die verbleibende Zeit zum
Ausprobieren verwenden sollten. Das finde ich super
geil! Wir erstellten eine Liste mit Coversongs, nicht
nur 08/15-Dinge, sondern auch ein paar abgefahrene
Sachen. - Auf das normale Zeugs habe ich keinen Bock. -
Einer davon war «Atomic Playboys». Von 20 Liedern, haben
wir die Auswahl auf zehn und dann auf fünf Tracks
gekürzt. Dann waren es noch drei, beziehungsweise zwei
und am Schluss blieben die «Playboys» übrig.
MF: Zusammen mit Voodoo Circle geht’s schon bald auf
Tour. Du wirst mit Sinner auf der Bühne stehen, aber
auch mit Voodoo Circle. Ist dies purer Spass oder purer
Stress für dich?
MS: Frag mich das nach der Tour (lacht). Komm nach
Pratteln und wir reden darüber (lachend). Hinterlasse
ich einen völlig unausgeglichenen und mürrischen
Eindruck, dann weisst du, was Sache ist (der Satz geht
im Lachen fast unter). Oder ich verbarrikadiere mich
besoffen im Nightliner, dann weisst du auch was los ist
(lachend)! Ich gehe davon aus, dass es anstrengend wird.
Allerdings war ich in Südamerika schon mit Sinner und
Primal Fear unterwegs unter klimatisch schwierigeren
Voraussetzungen. Es ging und ich glaube, die Geschichte
mit Sinner und Voodoo Circle wird auch gehen. Für mich
war es wichtig, dass wir Voodoo Circle endlich «on the
road» bringen. Die Band, wie auch das Songmaterial ist
absolut geil! Sinner hat bei den Veranstaltern noch
immer den Namen eine solche Tour ohne finanzielle
Abstriche hinzukriegen. Wir haben Voodoo Circle
dazugepackt, die mit sehr guten Resonanzen und einem
mehr als nur akzeptablen Charteinstieg in Deutschland
von sich Reden machte. Würde man nur Einzelgigs spielen,
wäre dies für die Qualität von Voodoo Circle viel zu
schade. Diese Truppe hat wirklich Riesenpotenzial.
MF: Ist Alex Beyrodt in all den Jahren zu einem mehr als
nur musikalischen Freund geworden?
MS: Ja, aber das hat wieder seine Zeit gebraucht. Im
Moment funktioniert alles absolut göttlich! Privat und
musikalisch. Einfach grossartig, wobei man sagen muss,
dass er sich menschlich und spielerisch, auf beiden
Ebenen riesig verbessert hat. Sagt man mir, dass ein
Gitarrist mit 30 Jahren fertig ausgebildet ist und sich
nicht mehr bessern wird, so stimmt das nicht! Alex ist
das beste Beispiel dafür, dass man sich auch danach noch
richtig verbessern kann.
MF: Mat, ich danke dir ganz herzlich für das tolle
Interview!
MS: Ich danke dir, wir sehen uns bestimmt in Pratteln?
Schön, und dann bin ich im Januar mit «Rock Meets
Classic» wieder bei euch.
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