Beast, Entertainerin und
Businessfrau...
Auf der Bühne ist die quirlige Liv Jagrell mit ihrer langen
schwarzen Mähne die absolute Rampensau. Ruhe kennt die Schwedin
nicht. Die Stage ist ihre Fitnessgelegenheit und Liv sprintet über
die ganze Breite der Bühne, bangt und stellt sich in Pose wie eine
Göttin. Mit ihrer erotischen Ausstrahlung wickelt sie das männliche
Publikum jeweils mit einem süffisanten Lächeln um den kleinen Finger
und spielt mit ihm. Doch wie ist Liv Jagrell hinter der Bühne? Der Männer
verschlingende Vampir? Weit gefehlt! Eine äusserst freundliche, fast
zurückhaltende und liebevolle Sängerin. Eine Person, die auf der
Bühne kämpft, diese zu ihrem Boxring macht und hinter der Stage
mit ihrer Schönheit alles in den Schatten stellt wie dabei fast
schüchtern erscheint.
MF: Liv, bist du die Leaderin der
Band?
Liv: Ähmmm..., NO (lacht)! Ich will das auch gar
nicht sein, da uns die Zusammenarbeit sehr wichtig ist. Dabei
versuchen wir jede Meinung miteinfliessen zu lassen, aber ganz
ehrlich… Dave unser Schlagzeuger hat gerne über alles die Kontrolle
und will wissen, was mit Sister Sin passiert. Dabei ist er sehr aktiv
mit all den medialen Gegebenheiten wie Facebook oder spricht sich
viel mit Managern und Promotern ab. Wir teilen uns auch Aufgaben,
aber da er auf dieser Tour nicht dabei ist, versuche ich seinen Part
zu übernehmen. Er ist gerade Vater geworden und wollte deshalb zu
Hause bleiben. Aus diesem Grund haben wir einen neuen Schlagzeuger
mit auf Tour.
MF: Wie schwer ist es für dich, als Frau im
Musikbusiness zu überleben?
Liv: Heute ist es für mich nicht mehr so schwer. Ich habe mir den
Respekt im Business erkämpft und verdient. Aber als ich mit allem
startete, war es verdammt hart und schwierig. Damals war ich 14 oder
15 Jahre jung. All meine weiblichen Freundinnen gründeten eine Band
und wollten auf der Bühne stehen. Das hat mich inspiriert, auch eine
Combo zu gründen. Heute bin ich noch die Einzige von damals, die in
einer Truppe musiziert (lachend). Ich habe meinen Weg nie verlassen.
Es ist sehr tough und noch heute kann es vorkommen, dass sich die
Leute eine eigene Meinung über mich bilden, wenn sie mich auf der
Bühne und als Person zu sehen glauben. Darüber wie ich angezogen
bin, wie ich mich bewege und wie ich artikuliere. Aber, wie schon
gesagt, habe ich mir den Respekt der Leute hart erarbeitet und
verdient.
MF: Ich kann verstehen, dass speziell die Männer in
dir eine sehr hübsche Frau mit einem grossen Sexappeal auf der Bühne
sehen. Ist Liv denn nur das heisse Mädchen mit der grossartigen
Rockröhre?
Liv: Ich weiss (lachend) was du meinst,
aber dahinter steckt eine hart arbeitende Businessfrau. Die von dir
beschriebene Seite gehört auch zu mir. Ich will mich selber sein und
diese beiden Parts sind Teile von mir. «That's just me!» Ich bin
eine Geschäftsfrau wie eine Entertainerin und ich will dabei für
meine Fans eine gute Arbeit abliefern. Das ist das Wichtigste für
mich! Deswegen bekomme ich heute den nötigen Respekt. Man darf nicht
vergessen… Dank der Internet-Zeit ist es viel einfacher geworden,
unhöflich und schlecht über andere Menschen zu sprechen. Vor zehn
Jahren sahen viele Leute nicht die Person in mir, die ich bin und
war. Das zog mich echt runter. Es ist eine Mischung aus dem, was ich
dir gesagt habe. Den Respekt habe ich mir verdient, doch es gibt immer
noch genügend Leute, die im Schatten des Internets viel Schlechtes
über mich verbreiten. Da liegt es an mir, nicht alles zu lesen, was
die Leute über mich schreiben.
MF: Das Internet; der
Fluch und der Segen!
Liv: Exakt (lachend)! Da hast
du absolut Recht. Es gibt viele Möglichkeiten, dass du schnell und
leicht mit deinen Fans in Kontakt treten kannst, aber das nutzen
auch viele Leute aus, um eine zu nahe Beziehung zu dir als Person
aufzubauen. Instagram, Twitter, Facebook… Alle Leute können dein
tägliches Leben verfolgen. Das kann schon fast zu aufdringlich
werden. Darum hat das Internet seine guten aber auch seine
schlechten Seiten.
MF: Gibt es Unterschiede zwischen Liv auf und hinter
der Bühne?
Liv: Sehr viele! Auf der Bühne bin ich
lauter und aufbrausender. Das erstaunt ab und zu einige Leute, dass
ich neben oder hinter der Bühne auch sehr ruhig und nett sein kann.
Auf der Bühne (lacht) präsentiere ich mich ganz anders, als das
nette Mädchen von nebenan. All meine Wut, meinen Ärger, meine
Gefühle und Emotionen kann ich auf der Bühne ausleben. Diese Bestie
geht auf die Bühne raus und lässt mich hinter der Stage eine ganz
andere Person sein. Aber nochmals, beide Charakteren gehören zu mir.
«That's the real me on stage!», beide Personalitäten sind Liv
(lacht)!
MF: Viele Leute vergleichen dich mit Doro Pesch.
Ist das ein Kompliment oder würdest du viel lieber einfach Liv
von Sister Sin sein?
Liv: Natürlich ist es ein
Kompliment, denn Doro ist DIE Metal-Queen! Sie ist seit so vielen
Jahren unterwegs und hat mich so vieles gelernt, wie man sich als
Frau im Business behaupten kann. Sie hat alle Erfahrungen selber
gemacht. Natürlich will ich auf meinen eigenen Beinen stehen und
nicht immer mit ihr verglichen werden. Denn, wir spielen nicht exakt
die gleiche Musik. Ich sehe mich eher in der Richtung, wie Rob
Halford gesungen hat. Vergleichen mich die Leute mit dem Judas
Priest-Sänger, macht mich dies noch ein klein wenig glücklicher
(lachend). Aus dem Grund, weil ich diese Art von Metal-Sänger sein
möchte.
MF: Wer hat die Lieder des letzten Albums «Black
Lotus» geschrieben?
Liv: Das waren Dave und Jimmy,
der Gitarrist. Bei diesem Werk haben wir mehr an den Songs
gearbeitet, um das Beste aus ihnen heraus zu holen. Zudem hatten wir
einen unglaublichen Produzenten (Rikard Lofgren), der an uns und die
Lieder glaubte. Er hat verstanden, was Sister Sin wollten und was
wir zusammen mit meiner Stimme erreichen können. An «Black Lotus»
haben wir hart gearbeitet und ich bin sehr glücklich über das
Endresultat. Etwas hat sich auch von all den anderen Produktionen
unterschieden. Zuerst spielten wir immer die Drums, dann Bass,
Gitarre und den Gesang ein. Dieses Mal wurde zuerst das Schlagzeug
und dann der Gesang aufgenommen. So konnten wir die Gitarren an die
Gesangslinien und die Melodien anpassen. Das hat den Tracks viel
gebracht. So stehen die Gesänge mehr im Mittelpunkt. Unser Produzent
hat genau verstanden was unser Anliegen ist, und ich hoffe, dass wir
bald wieder zusammenarbeiten können. Wir lieben diese Art zu
arbeiten. Das wird aber frühestens in sechs Monaten der Fall sein.
Für uns ist es jetzt wichtiger auf Tour zu gehen. Touren, touren, touren
(lacht)! Wir lieben es neue Länder zu sehen und dort zu spielen. In
Europa, Amerika, Asien oder Südamerika zu spielen… Das wollten wir
immer tun. So werden wir nicht vor Ende dieses Jahres oder
vielleicht erst zu Beginn 2016 mit dem Songwriting starten.
MF: Wer hatte die Idee «24/7» von U.D.O. zu covern?
Liv: Ganz ehrlich, ich weiss nicht mehr, wer diese Idee zuerst
hatte. «24/7» war lange Zeit ein fester Bestandteil in unserem
Live-Set, bevor wir überhaupt darüber nachdachten, diesen Song auf einem
Album zu spielen. Sister Sin zockten lange Zeit Songs von W.A.S.P.,
Mötley Crüe und eben «24/7». Wir wussten, dass er sehr gut zu Sister
Sin passt und wir wollten für «True Sound Of The Underground» etwas
Spezielles. Ich liebe diesen Track und alleine die Chorus-Line
könnte von einem Sister Sin Stück stammen (grinst). Der geht in eine
ähnliche Richtung wie unsere Arrangements, wenn wir Lieder
komponieren. Nach wie vor lieben wir es «24/7» zu spielen und Udo
(Dirkschneider) wollte, dass wir diesen Song wieder in den Set
nehmen (lacht). Das konnten wir ihm natürlich nicht abschlagen
(lacht). Es macht Spass diese Nummer zu spielen und ist pure Freude!
MF: Du hast Recht, es könnte ein Song von euch sein!
Liv: Ja wirklich! Wir haben auch «Rock n' Roll» von
Motörhead gecovert. Die Idee stammte von Dave. Wir haben damals
unser neues Equipment ausprobiert und dazu eignen sich immer
Cover-Songs. Wir wollten etwas Schnelles spielen und es klang gut.
Schön war auch, dass uns Doro bei dieser Nummer unterstützte. Das
war unglaublich, dass sie dabei war.
MF: Es ist das zweite Mal, dass ihr zusammen mit
U.D.O. auf Tour geht. Wie kam es dazu?
Liv: Ich
denke er mag uns, und wir lieben ihn und die anderen Bandmitglieder!
Das erste Mal («Rev-Raptor»-Tour) war fantastisch für uns. Wir haben
die gleiche Booking-Firma und so entstand die Möglichkeit, nochmals
mit Udo zu touren. Das sind alles total liebe Menschen und darum war
für uns sofort klar, dass wir sehr gerne nochmals mit U.D.O. auf
Konzertreise gehen wollen.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Liv (lachend). Zu touren! Im Sommer stehen die Staaten auf dem
Programm. Hoffentlich klappt es im Herbst dann mit einer eigenen
Tour, zumindest in Europa. Das sind die Pläne. In den USA gehen wir
mit U.D.O. als Support auf Konzertreise. Also Leute, schaut immer
wieder auf unserer Facebook-Seite rein (lacht)!
MF: Und was machst du, wenn du nicht auf Tour mit
Sister Sin bist?
Liv: Bin ich dann mal zu Hause,
arbeite ich mit einem Personaltrainer zusammen. Das kann ab und zu
zwar sehr langweilig sein (lacht), aber ich will und muss mich fit
halten. Ich bin eine physisch ausgerichtete Person, liebe es meinen Körper in
Form zu halten und zu spüren, dass er stark ist. Natürlich hänge ich
auch mit meinem Freunden rum, aber mein Körper ist sehr wichtig für
mich (grinst) und darum nehme ich regelmässig Stunden.
MF: Besten Dank für das Interview und hoffentlich
sehen wir dich und Sister Sin bald wieder auf helvetischen Bühnen.
Liv: Danke dir, wir werden sehen (mit einem
verschmitzten Lächeln).
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