Sehr zufrieden mit Nuclear Blast.
Das grundsätzliche Interesse zur Anfrage eines Interviews mit
Slayer stellte sich natürlich nicht, aber als es zuerst noch so
aussah, dass weder Tom Araya noch Kerry King, sondern "bloss" Drummer Paul
Bostaph der Gesprächspartner sei, liess die Vorfreude darauf
deutlich schwinden. Doch die Rockgötter hatten ein Einsehen und
deshalb war die Bestätigung des Gesprächs mit Kerry natürlich
hammermässig. Das letzte Mal traf ich den Gitarristen vor gut vier
Jahren im Zürcher Volkshaus und die Erinnerung daran war gut, sprich
dass das Interview damals ganz ordentlich heraus kam. Das schürte
die Erwartungen an das heutige Zusammentreffen, für das jedoch der
ursprüngliche Termin fast noch zu platzen drohte! Pünktlich vor Ort
angekommen, musste ich mich noch eine Viertelstunde gedulden und
dann durfte ich das amerikanische Thrash-Urgestein per Handschlag
auf dem Dach (!) des Komplex 457, also draussen (!!), begrüssen.
Offenbar war es nicht anders einzurichten, aber Mr. King trug eine
entsprechend gute Jacke, trug keine Sonnenbrille wie oft und schien
guter Laune zu sein. Dies färbte sich erfreulicherweise auf das
Interview ab und so konnte ich fast alle vorbereiteten Fragen
stellen.
MF: Zu allererst möchte zu «Repentless», dem
unglaublichen neuen Album, gratulieren! Warum ist es so gut
geworden?
Kerry: Weiss ich nicht…, es war wohl gerade eine gute Zeit.
Ich mag diese Scheibe sehr und nicht nur aus dem Grund, dass ich sie
geschrieben habe. Alle haben einen grossartigen Job abgeliefert…,
das Performen im Studio…, und Terry Date als Produzent hat wirklich
sehr gut gearbeitet. Und ich denke, dass man das hört.
MF: Die Spitzenpositionen des Albums waren auf der ganzen Welt
aussergewöhnlich hoch und sogar bei uns in der Schweiz habt ihr
Platz 3 erreicht! Hast Du so einen Erfolg je erwartet?!
Kerry: Nein, das habe ich nicht. Als die Nachrichten
darüber eintrafen, waren wir eigentlich in Deutschland und das war,
glaube ich, das einzige Land, wo es auf die Eins ging. Das war
unglaublich wie ironisch zugleich. Ich weiss schon, dass wir ein
gutes Album gemacht haben und bin auch stolz drauf, aber letztlich…,
wenn ich über diesen Erfolg nachdenke, ihn mir herbei wünsche oder
sowas hoffe…, hätte ich das nie geglaubt. Selbst wenn es jetzt nicht
so gekommen wäre, hätte mich das nicht bestürzt. Wenn wir jeweils
Alben gemacht haben, hegte niemand von uns irgendwelche Erwartungen.
Es war einfach da und wir haben es so gemacht. Die Leute von Nuclear
Blast in Deutschland waren so entzückt darüber, und ich freute mich
für sie. Mir bedeuten Chart-Positionen nicht wirklich viel, aber für
sie war das natürlich eine Riesensache. Weltweit gerechnet stand es
auf dem zweiten Platz und das ist horrend. Der Verdienst gebührt den
Fans und das ist grossartig.
MF: Die meisten Platten
von euch wurden bisher von Rick Rubin produziert. Nun durfte Terry
Date, du hast es bereits erwähnt, das erste Mal ran. Was ist der
Grund für seine Wahl, und könnte das der Beginn einer neuen
Zusammenarbeit über eine längere Zeit werden?
Kerry: Ich würde das sehr begrüssen, denn wir verbrachten
eine grossartige Zeit zusammen. Glaub‘ es mir oder nicht, aber ich
hatte ihn zuvor überhaupt nicht gekannt, bevor wir das Album gemacht
haben. Den Namen kannte ich schon irgendwie, aber es interessiert
mich jetzt jeweilen nicht, welche Produzenten was gemacht haben,
aber er (Terry) war für alle Pantera-Scheiben verantwortlich. Und
die Jungs sind alles gute Freunde von mir, und so kam ich zu seinem
Namen. Als er dann ins Spiel kam, dachte ich, dass er auf dem Gebiet
des Heavy Metals, von wegen Pantera, offensichtlich viel Erfahrung
hat. Darüber hinaus wusste ich gar nicht, war er sonst noch alles so
abgeliefert hatte. In den Monaten, während dessen wir zusammen
arbeiteten und abhingen, kamen verschiedene Geschichten hoch. Ich
wusste zum Beispiel überhaupt nichts davon, dass er auch für
Soundgarden («Louder Than Love, 1989 und «Badmotorfinger», 1991 -
MF) tätig war. Dies waren mitunter meine Lieblingsalben…, nun…, wir
hatten eine gute Zeit. Zudem haben wir viel zusätzliches Material
aufgenommen, das durchaus auf dem nächsten Album landen könnte.
Terry war hier voll dabei und er wäre wohl glücklich, dies zu Ende
bringen zu können. Sollten wir uns entscheiden in diese Richtung zu
gehen, wird er auf jeden Fall wieder in Frage kommen.
MF: Slayer 2015 bedeutet ein neues Line-Up, ein neues
grossartiges Album und einen neuen Platten-Deal mit Nuclear Blast.
Kann man in diesem Zusammenhang von einer Art „Wiedergeburt“
sprechen?
Kerry: Ja, das kann man so sagen…, und macht auch Sinn. Ein
neues Line-Up und die offensichtliche Notwenigkeit zugleich. Der Nuclear
Blast-Deal lag über eine längere Zeit schon bereit für uns, aber Tom
und ich wollten oldschoolmässig zuerst unseren Landsleuten eine
Chance einräumen, ein entsprechendes Angebot abzugeben. Dann zog
sich das Ganze resultatlos hin und am Ende wollte ich nicht mal mehr
eine Antwort von denen. Es war schon fast beleidigend, was da nun,
rückblickend auf die letzten 25 Jahre, abging. Nuclear Blast boten
derweil das Doppelte ohne von den anderen zu wissen, schmissen sich
aber auch voll rein. Es ist ein Unterschied, ob man bei einem Record
Label in der Metal-Community verankert ist, wo alle Mitarbeitenden
sich mit dem identifizieren können und grosse Metal-Fans sind wie
sich jeden Tag Gedanken zum Marketing machen oder die amerikanischen
Vertriebe zu sehen, die erstens keine Metal-Fans sind und ihren Job
nur des Geldes wegen ausüben. Die Leute von Nuclear Blast machen
ihren Job, weil sie ihn lieben und das ist ein riesiger Unterschied!
MF: Der 02. Mai 2013 war ein schlechter, um nicht zu sagen sehr
trauriger Tag, als Jeff starb. Viele der alten Songs sind nun sein
Vermächtnis. Wie erinnerst du dich als persönlicher Freund an ihn?
Kerry: Wir hatten über viele Jahre hinweg eine Menge Spass
zusammen. Abgefahrene Geschichten…, mit vielen Leuten…, aber ich
erlebte mehr mit Jeff, weil ich immer mit ihm zusammen war. In den
früheren Jahren war es halt spassiger…, backstage und rumhängend.
Später zog er sich zunehmend zurück…, während ich zum Beispiel mit
den anderen abhing oder Interviews führte, sass er im Tourbus und
zog sich Sendungen vom „History Channel“ rein oder was er sich auch
immer ansah. Rückblickend war es aber eine mehrheitlich sehr
anregende Zeit und es gab wenig wirklich schlechte Erlebnisse. Wenn
du aber über einen längeren Zeitraum mit jemandem zusammen bist, der
eine suchtgeprägte Persönlichkeit in sich trägt, ist es hart,
denjenigen letztlich so scheitern zu sehen.
MF:
Dreissig Jahre nach «Hell Awaits…, wie ist es für dich, nach wie vor
vor vielen Leuten spielen zu können? Und ich nehme an, dass du
weisst, dass das Konzert von heute Abend ausverkauft ist?!
Kerry: Ist dem so?
MF: Ja!
Kerry: Ich dachte, dass es so sein könnte…, vor zwei Tagen
spielten wir in Tilburg (NL) und bevor wir hierher gekommen sind,
wusste ich, dass die Tour etwa zu 80% ausverkauft ist. Ich finde das
sehr cool und dass die Fans wieder zurück zum Tonträger finden sowie
reichlich davon kaufen. Wir haben nun nach sechs Jahren endlich
wieder neues Material am Start, das wir spielen können. Die Leute
kommen, sehen eine neue Show und zusammen mit Anthrax haben wir ein
klasse Billing. Wir waren zwar bereits zigfach mit ihnen unterwegs,
aber die jetzige Konstellation passt, bereitet mir grossen Spass und
sie sind gute Freunde von mir.
MF: Du bist jetzt 51
Jahre alt…, wie ich. Was zeichnet uns, geboren 1964, speziell aus?
Kerry: Ich glaube, dass Gary (Holt – MF) auch ein 64er ist
(richtig – MF)…, Hanneman wurde 1964 geboren…, ehmm…, ich weiss
nicht…, da muss zu der Zeit wohl was im Busch gewesen sein! (lacht
laut)
MF: Ihr habt für den Song «Repentless» ein
Video gedreht, das im L.A. Frauengefängnis (Sybil Brand Institute –
MF) unter Mitwirkung von Schauspieler Danny Trejo (Machete – MF) und
einigen weiteren bekannten Kollegen aus dem Horror-Genre entstanden
ist. War es eher für euch als Band oder die Schauspieler anregender,
ein Teil davon zu sein?
Kerry: Ich fand es spitze! Als es konkret wurde, wussten
wir allerdings noch nicht so recht, was auf uns zukommt, aber dass
der Tag mal kommen würde, und da waren wir dann zum gewählten
Zeitpunkt bereit dafür. Die anderen (also die Schauspieler – MF)
waren jedoch schon am Tag zuvor am Set im Einsatz, und da fragte ich
mich doch, ob wir die denn überhaupt zu Gesicht bekommen werden!
Dann kamen aber Danny Trejo und Mike Myers (Kerry meinte dabei
natürlich Tony Moran - MF) noch vorbei und das war saucool, die zu
treffen. Sie wollten echt mit dabei sein und Regisseur BJ McDowell
erwies ihnen als Freund diesen Gefallen. Es ging dabei auch nicht
ums Geld, sondern um da einfach mit dabei zu sein, was für uns total
schmeichelhaft war, und ich bin auch sehr stolz darüber. BJ hatte
ebenso Spass am Schneiden des Videos und alle verbrachten eine tolle
Zeit, ausser dass es dort an diesem Tag wegen der prallen Sonne
sowas von verdammt heiss war. Das Resultat ist jedoch phänomenal
geworden, und wir hätten das eigentlich schon vor zwanzig Jahren
machen sollen!
MF: Zudem war es ja so, dass dies das
allererste Musicvideo war, das BJ überhaupt gedreht hat…
Kerry: ... ja, das stimmt glaube ich.
MF: Im vergangenen Sommer wart ihr in den Staaten
unterwegs und Ende September auf dem „Motörboat“ mit dabei. Hast du
dabei Lemmy persönlich getroffen und wenn ja gesehen, wie krank er
ist?
Kerry: Oh…, ich kenne ihn, aber ich habe ihn auf dem Schiff
nicht gesehen…, keinen der Jungs! Wir waren auch nur gerade die
ersten zwei Tage dort. Ich flog dann nach Hause, weil wir vier Tage
später in Japan spielten. Ich dachte noch, dass ich Phil vielleicht
irgendwo rumhängen sehe, aber ich sah ihn nicht. Das einzige Mal,
dass ich raus kam, war nach dem Konzert, als wir noch einen
Pressetermin hatten. Das Schiff ist voller Fans…, nicht, dass das
etwa für Autogramme oder Fotos bedrohlich wäre, aber wenn ich dies
für zwei Fans tue, sind nachher gleich 102 da (lacht) und dafür
hätte ich keine Zeit. Ich hängte, bevor wir die Bühne gingen, eh
nicht gross rum, auch spät nachts nicht.
MF: Am 9. Dezember werdet ihr in Moskau so zu sagen das letzte
Konzert der „Euro-Tour“ spielen…, richtig?
Kerry: (stimmt mir zu)
MF: Werdet ihr
nächstes Jahr für einige Festivals wieder zu uns kommen?
Kerry: Ich bin ziemlich sicher! Ich glaube, man arbeitet
bereits daran und dass wir im Frühsommer 2016 für etwa fünf Wochen
unterwegs sein werden. Im August werden dann noch ein paar Dates
angehängt. Genaueres weiss ich aber noch nicht.
MF:
Ich habe zwei erwachsene Kinder (24 und 22 Jahre alt) und deine
Tocher Shyanne Kymberlee ist 21 Jahre alt…, richtig?!
Kerry: (denkt kurz nach) - yep!
MF: Wie
schwierig ist es ein „guter Vater“ zu sein, wenn man ein bekannter
Musiker ist?
Kerry: Ich war nicht da! Ich wurde geschieden, als sie
gerade ein Jahr alt war. Ich traf diese Entscheidung... (denkt kurz
nach…) – es war ja nicht so, als dass sie für mich nicht existiert
hat, aber sie hatte keine Erinnerungen an mich. Sie wollte später
aber rumhängen und mit mir in Kontakt treten, doch ich wollte ihr
Leben so zu sagen nicht durcheinander bringen. Die witzige Sache ist
jedoch die, dass ich vor zwei Jahren in einem Bundesstaat spielte,
wo ich nicht wusste, dass sie da lebt. Sie schaute vorbei und
wir sprachen dann backstage ein wenig miteinander. Ich gab ihr meine
Nummer und so schreiben wir uns seither von Zeit zu Zeit.
MF: Vielleicht hast du davon gehört…, was hältst du von Ritchie
Blackmores Ankündigung, dass er nächstes Jahr für ein paar wenige
Konzerte (zu dem Zeitpunkt waren noch vier im Gespräch, jetzt sind
es ja nur gerade deren drei – MF) wieder mit Rainbow und
Purple-Songs abrocken will?!
Kerry: Das ist cool! Davon höre ich jetzt das erste Mal…,
ich würde ihn sehr gerne sehen! Hoffentlich spielt er da, wo wir
dann auch gerade sein werden. Gary ist übrigens ein gigantischer Fan
von ihm! Ich werde das gleich meinen Leuten mitteilen, denn dort wo
Ritchie auftritt, will ich auch spielen…, auf jeden Fall und Gary
wird dann, falls ihm das erlaubt wird, hinter der Bühne stehen und
ihm zuschauen. Er müsste eigentlich am „Download-Festival“
auftreten, eine Riesensache.
MF: Oder beim Hellfest
in Frankreich…
Kerry: …Hellfest?!! Das wäre genial!
Kerry King mit unserem Rockslave >>>
MF: Was möchtest Du
zum Schluss unseren Lesern von Metal Factory noch mitteilen?
Kerry: Metal Factory? Von wo ist das?
MF:
Metal Factory ist das dienstälteste Metal Webzine der Schweiz, 1999
gegründet.
Kerry: (O-Ton) – Awesome! – Metal Factory…, nun…, die
meisten Zuhörer und Leser haben hoffentlich die neue Scheibe
gekauft…, weil sie ja überall gut angekommen ist. Wir begrüssen das
sehr und hoffen, viele von euch heute Abend an der Show zu sehen.
Und wir werden im nächsten Sommer wieder kommen.
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