Das deutsche Thrash-Trio Sodom war auf Tour. Mit
einem Album («In War And Pieces»), welches in der
Blätterlandschaft nur gute Kritiken einheimsen konnte
und einem neuen Mann am Schlagzeug. Ja, Bobby hatte sich
kurz nach der Veröffentlichung von Tom Angelripper und
Bernemann getrennt. Als Ersatz fanden die beiden den
ehemaligen Trommler von Despair Markus «Makka» Freiwald.
Es gab somit einiges in Erfahrung zu bringen und einem
Gespräch mit dem singenden Bassisten stand nichts im
Wege. Ausser einer Grippe, welche Tom kurzerhand mal in
die Koje zurückkatapultierte. So sassen mir Bernemann
(B) und Makka (M) gegenüber und nahmen sich kurz vor dem
Joggen Zeit für das Interview.
MF: Nächstes Jahr steht euer grosses Jubiläum vor der
Türe. 30 Jahre Sodom. Ist da schon was Spezielles
geplant?
B: Wir haben schon vor, das Ganze zu feiern. Was aber im
Einzelnen gemacht wird, das steht noch nicht fest. Es
existieren noch keine konkreten Pläne. Wir möchten gerne
wieder mit den ehemaligen Sodom-Mitgliedern etwas auf
die Beine stellen. In welchem Rahmen das ablaufen wird,
wissen wir noch nicht, aber das werden die Leute
sicherlich zu spüren kriegen (lacht). Es steht auch noch
nicht fest, ob das eine Einzelshow oder eine ganze Tour
sein wird. Ich vermute, dass es eine Einzelshow gibt. Es
ist zu schwierig so viele Leute für eine Konzertreise
zusammen zu kriegen. Zählt man da durch, kommen doch
einige Leute zusammen.
MF: Was braucht es dazu eine Truppe so lange am Leben zu
erhalten?
B: Ich bin seit 1996 in der Band, da ist Tom doch schon
ein bisschen länger dabei (lacht). Früher, in anderen
Combos ist man sich schneller an die Wäsche gegangen. Es
ist wichtig, dass man sich gut versteht, da man doch
viel Zeit miteinander verbringt. Das klingt jetzt
natürlich doof, da uns gerade Bobby verlassen hat, aber
man darf nicht vergessen, dass in all der Zeit, in der
man so nah zusammen ist, es nicht immer einfach ist
miteinander klar zu kommen. Das andere ist der Spass an
der Musik und die selben Ziele, die man zusammen
erreichen will. Wer in eine andere Richtung arbeitet,
steht sehr schnell ganz alleine da. Wären wir drei
Mucker, bei denen jeder noch sein Soloprojekt verfolgt,
würde das sicherlich nicht funktionieren. Wichtig ist
auch, dass man nicht mehr 20 Jahre jung ist. Das ist
wahrscheinlich Tom früher öfters zum Verhängnis
geworden, dass sich einzelne Musiker plötzlich als
Rockstar fühlten und Grösseres wollten, als ihnen
zustand. Da wir alle ein bisschen älter sind, passt das
ganz gut. Als wir drei zusammenkamen hatten wir uns
unsere Hörner schon in anderen Truppen abgestossen. Da
versuchten wir nur gemeinsam nach vorne zu kommen.
Respektiert man den anderen und lernt miteinander
umzugehen kann das ganz gut funktionieren. Aber perfekt
ist keiner, wie man sieht. Mit drei Personen ist es
einfach, jeder Charakter, den man zusätzlich in die Band
holt, kann schon nicht mehr so gut funktionieren.
MF: Kam der Ausstieg von Bobby für euch überraschend
oder hat er sich abgezeichnet?
B: Davon habe ich nichts gewusst. Im Nachhinein, wenn
ich so richtig überlege, war es keine richtige
Überraschung für mich. Wenn ich ehrlich bin, dachte ich,
dass es ewig weiter gehen wird. An dem Tag, an dem sich
Bobby verabschiedet hat, war es für mich eine
Überraschung. Habe nichts geahnt und auch nichts
gewusst. Auch wenn mir klar war, dass es Spannungen
zwischen Tom und Bobby gab. Dass es so eskalierte ist
für mich durchaus nachvollziehbar. Wenn man so viel
zusammenhängt gibt es logischerweise ab und zu Stress.
Dieses Mal war es mehr als nur ein bisschen Stress, das
wusste ich. Aber ich habe gehofft und geglaubt, dass
sich Bobby durchbeisst. Ich kann’s aber absolut
nachvollziehen, wie auch Tom, dass es zu diesem Split
gekommen ist. Der musste jetzt sein. Das ging an der
Stelle nicht mehr weiter.
MF: Wie und wo habt ihr den neuen Mann gefunden?
B: Den habe ich schon gefunden... Makka, wann war das?
1997? M: 1987! Ja erzähl du das mal, du warst ja auch dabei (lacht).
M: Damals in Dortmund gab es einen Proberaumkomplex. Da
haben wir uns kennengelernt und das war immer eine
Riesenfamilie. So war das kein Thema, als mich Bernemann
angerufen hat. Der Anruf kam für mich urplötzlich. In
dem Bereich hatte ich schon lange nichts mehr gemacht.
«Bobby ist ausgestiegen, hast du Zeit und Lust?», das
waren seine Worte am Telefon. Zwei Tage Bedenkzeit habe
ich ausgehandelt. Das war schon brutal, wenn du mit
einer solchen Anfrage vor den Kopf gestossen wirst.
B: Wir haben ihn wirklich überfallen (lacht). Ich kenne
Makka tatsächlich noch ein bisschen länger als Bobby und
weiss, dass er ein super Trommler ist. Zudem lebt er
auch in Dortmund. Wir sind auf unsere Art
Heimatverbunden.
M: Absolut!
B: Das ist auch wichtig, dass wir mehr oder weniger die
selben Wurzeln haben und die selbe Sprache sprechen. Bei
Makka passt das. Was ich schön fand... Tom und ich
dachten dass Bobby vielleicht wieder zurückkommen würde,
doch daran war überhaupt nicht mehr zu denken. Wir
hatten Shows vor der Nase und eine schöne neue Platte
raus gebracht, die wir promoten wollten. Da mussten wir
natürlich handeln. An dem Tag, als ich die Nummer von
Makka suchte rief mich Tom an und fragte, ob ich nicht
die Telefonnummer von Makka hätte (lacht). So überfielen
wir ihn, weil ich sagte: «Hör mal zu, ich bin jetzt drei
Wochen im Urlaub und wenn ich zurückkomme haben wir
nochmals drei Wochen Zeit in der du dir so 25 bis 30
Lieder draufpacken kannst und dann geht’s schon los».
Wir wussten, dass er das kann und es hat sich
bewahrheitet. Das war aber schon fies. Makka ist für uns
keine Notlösung. Tom und ich haben uns keine Nothure in
die Band geholt, sondern haben mit Makka den Musiker
gefunden, mit dem ich bei einem Krankheitsfall von Bobby
gerne zusammengespielt hätte. So bin ich ganz froh, dass
es Tom genau gleich ging. Du kennst ihn auch und hast
schon für sein Saufprojekt gearbeitet. So warst du für
uns ein absoluter Glücksfall.
MF: Hast du Sodom und die Songs gekannt?
M: Natürlich. Von früher. Ich war ja auch ein Bengel der
Sodom gehört hat. Mit 16 oder 17 waren das auch Helden.
Mit 15 Jahren startete ich erst mit dem
Schlagzeugspielen. Das war relativ spät. Dann kam die
Zeit zusammen mit Despair. Aber zwischenzeitlich kannte
ich das Sodom-Material nicht mehr. Jeden Tag, sieben
Tage in der Woche, drei bis vier Stunden habe ich geübt
wie ein Blöder. Dabei habe ich acht Kilo verloren. Das
war schon übel (lacht) und hart, denn gerade aus dieser
Metal-Szene habe ich mich total verabschiedet. Momentan
spiele ich in einer progressiven Metal-Band namens
Everflow. Das Material da ist schwieriger zu spielen.
Das Zeugs von Sodom ist purer Sport.
MF: Ging für dich ein Wunsch in Erfüllung? Einer bei dem
du nicht mehr geglaubt hast, dass es passieren wird,
wieder mit einer Truppe auf Tour zu gehen?
M: Definitiv! Mittlerweile bin ich auch 40 Jahre alt und
dass mich nochmals einer anruft, damit hätte ich nie
gerechnet.
MF: Das neue Album ist bei allen Leuten gut angekommen.
Habt ihr damit gerechnet?
B: Du, da bin ich mir ehrlich gesagt noch immer nicht so
sicher, wie gut das Album angekommen ist. Rechnen kannst
du als Musiker mit so etwas überhaupt nicht. Wir haben
unsere Arbeit gemacht und die Richtung, die wir mit
«Code Red» eingeschlagen haben konsequent weitergeführt.
Das attestiert uns auch jeder, dass wir unseren Stil
gefunden haben und trotzdem in unseren Grenzen relativ
abwechslungsreich sind. Dabei versuchen wir die alten
Fans nicht zu enttäuschen und auch ein paar neue
anzusprechen. Das Wichtigste ist aber, dass uns das
Ganze gefällt und wir dahinter stehen können weil es
unsere Musik ist. Die Verkaufszahlen kenne ich noch
nicht. Aber, wir sind mit «In War And Pieces» absolut
zufrieden. Sodom veröffentlichen nichts, was uns nicht
entsprechen würde, da wir authentisch sein wollen. Was
aus dem Bauch rauskommt und was wir können, das haben
wir umgesetzt. Zusammen mit dem Waldemar Sorychta, der
eine super Produktion gefahren hat. Uns ist ein gutes
Album gelungen. Wie das nun aber bei den Fans ankommt...
Ich habe viele sehr gute Resonanzen von den Leuten
bekommen, aber es gibt auch immer wieder solche, die
schon «Agent Orange» Scheisse fanden. Die wollen nur den
ganz alten Kram hören. Aber, die Eindrücke sind alle
noch zu frisch. Da müssen wir zuerst mal schauen. Würden
die Leute das Material Scheisse finden, würden sie nicht
das Konzert besuchen. Spielen wir den Titeltrack merkt
man schon, wie die Leute mitsingen. Darüber freuen wir
uns natürlich. Ob das Werk seinen Platz finden wird, das
wird die Zeit zeigen. Hat man die Festivals gespielt, so
nach einem halben oder dreiviertel Jahr, merkt man wo
sich die Scheibe einreihen wird bei den Fans.
MF: Schaut man auf die Karriere von Sodom zurück, wie
wichtig war der Gitarrist für den Gesamtsound der Band?
B: Ganz ehrlich und das beziehe ich nicht einmal nur auf
mich. Seit ich dabei bin, klingt der Sound ganz anders,
als noch Strahli in der Band war. Sodom haben mit dem
Strahli aber auch völlig anders geklungen als mit Andy
Brings. Frank Blackfire, der ein sehr guter Freund von
mir ist, hat auch seinen ganz eigenen Stil gehabt. Nach
meiner Meinung hat sich beim Wechsel auf dem
Gitarrenposten die Musik vom Sodom massgeblich
verändert. Andy Brings war sehr punkorientiert. Was er
machte hatte alles sein Flair. Der Gitarrist bei Sodom
war immer der Impulsgeber.
MF: Wie schwierig ist es für euch, diese
unterschiedlichen Stile zu spielen?
B: Diese punkigeren Sachen sind einfacher zu spielen.
Bei den ersten Songs waren die Jungs 20 Jahre alt. Da
war dies noch keine Herausforderung. Was damals Sodom
für Kritiken bekommen haben... Viele sehen uns noch
heute in dieser dilettantischen Ecke. Das ist mir aber
völlig gleich, wie anspruchsvoll die Leute dies
bewerten. Viele Musiker spielen anspruchsvollere Sachen
als wir. Gehe ich bei denen auf ein Konzert und sehe was
da passiert, bin ich immer sehr stolz darauf, was Sodom
macht.
M: Für einen Schlagzeuger ist es unmöglich Witchhunter
zu kopieren. Das kann kein Mensch. Das hatte Flair. Er
war nicht der Obertrommler, aber er hat schon einige
Sachen fabriziert, da weisst du genau, das geht nicht.
Diesen Stil kannst du nicht kopieren. Ich, als
Timing-Fanatiker drehe da am Rad. Deshalb denke ich,
dass sich der Sound jetzt auch verändern wird. Speziell
live wird das sicherlich ein bisschen straighter.
MF: Werden eure Texte von den Fans gelesen und
verstanden? Ihr habt ja nicht nur die Hexen- und
Teufel-Lyrics, sondern geht da tiefgründiger vor.
B: Ich bin da eine absolute Schlampe, was die Texte
angeht. Zuerst freue ich mich an einem Song und wenn ich
dann merke, dass der Text auch was hergibt... Ganz
ehrlich geht’s mir in erster Linie immer nur um die
Musik. Für die Texte ist bei uns ausschliesslich Tom
verantwortlich. Er gibt sich sehr viel Mühe. Früher
wurde ihm immer nachgesagt, dass er seine Texte auf dem
Klo schreibt. Das stimmt garantiert nicht! Früher hat
das vielleicht gestimmt, keine Ahnung (lacht). Heute
gibt er sich wirklich viel Mühe. Da bin ich ab und zu
der, welcher sagt: «Hey Tom, deine Message finde ich
klasse, aber niemand wird zum Beispiel «The Wolf And The
Lamb» im Publikum schreien, auch wenn es ein Supersong
ist». Tom hat an sich den Anspruch einen guten Text zu
schreiben und nimmt sich auch viel Zeit dafür. Da bin
ich eher der Bremser, der das Ganze plakativer machen
würde. Für mich ist dies nicht so wichtig, da reicht mir
«Painkiller». Ich weiss auch, dass sich die Fans mit den
Lyrics auseinandersetzen. Aber der Grossteil...
Vielleicht tue ich den Leuten auch unrecht, keine
Ahnung.
MF: Für viele junge Bands seid ihr musikalische
Vorbilder. Ehrt euch das oder ist das eher peinlich,
weil man dann schon zum alten Eisen gehört?
M: (lautes Lachen)
B: Ja... Irgendwie schon... Was mich super freut... In
den letzten Jahren ist so eine Bewegung im Gange, dass
wieder sehr, sehr viele junge Fans an unsere Konzerte
kommen. Das war nicht immer so. Erinnere ich mich an
meine ersten Sodom-Gigs waren meistens gleichaltrige da.
So Anfang oder Mitte Dreissig. Vorne stehen heute die
Jungen und je mehr ich nach hinten kucke, desto älter
werden die Reihen (lacht). Das sind dann die mit der
Gehhilfe (lacht). Das freut mich sehr und ich bin auch
sehr stolz. Natürlich wird einem da klar, dass man nicht
mehr zu den ganz Jungen gehört (lacht), aber
andererseits bin ich auch da wieder stolz, so lange die
Leute zu unseren Konzerten kommen. Auch wenn es immer
wieder welche gibt, die der Meinung sind, dass wir
aufhören sollten. Aber unterm Strich bin ich sehr stolz,
dass uns die Leute noch immer sehen wollen und sich mit
uns identifizieren. Weil sie merken, dass wir auch nicht
anders drauf sind, als sie. Wir gehen ans Slayer-Konzert
mit einer Pulle Bier in der Hand. Ich sehe aber leider
keine junge Truppe, die in die Fussstapfen der alten
Helden stehen könnte. Sehe ich Tom, Mille, oder speziell
auch Schmier, sind dies alle Charakteren, die ich heute
bei den jungen Bands vermisse. Vielleicht sehe ich die
nur nicht? Aber ich habe den Eindruck, dass da kaum was
nachwächst. Auch wenn es sehr viele neue Truppen gibt,
die auch technisch sehr weit sind. Bei denen höre ich
aber den eigenen Stil schlecht raus und sehe auch nicht
diese Persönlichkeiten. Höre ich mir da die Neuen an,
klingen die wie die Alten. Nimm Trivium, da hörst du an
allen Ecken und Enden die Maiden-Wurzeln. Das vermisse
ich einfach, ist aber auch eine andere Zeit. Für junge
Bands ist es viel schwieriger etwas an den Start zu
bekommen.
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