Ambitionierte junge Rock’n’Roll-Hard Rock-Bands gibt
es wie Sand am Meer! Auch wenn diese Aussage stimmt, ist
es immer wieder erstaunlich, mit welchem Enthusiasmus
und Energie diese Gruppen am Werk sind. Dazu gehören
auch Taking Dawn aus Las Vegas. «Time To Burn» heisst
ihr Debüt-Werk, welches in den letzten Wochen in Europa
über Roadrunner Records erschienen ist. Fast
gleichzeitig hatten die Las Veganer Gelegenheit, im
Vorprogramm von Airbourne ihren Sound unter die Leute zu
bringen. Kein Wunder also, dass sich Gitarrist, Sänger
und Komponist Chris Babbitt gerne Zeit für einen kleinen
Schwatz mit Metal Factory nahm.
MF: Es tut mir leid, aber ich denke, dass noch nicht
viele Leute aus der Schweiz Taking Dawn kennen. Wer seid
ihr?
AR: Wer sind wir? Wir sind deine neue Lieblingsband,
Baby! (zum zweiten Gitarrist) Ich bin gefragt worden,
wer sind? Ist unser Album in der Schweiz bereits
erschienen?
anderer Gitarrist: Ich weiss nicht.
AR: Ich weiss es auch nicht. Aber wir werden heute Abend
draussen sein (Wortspiel, das nur auf Englisch
funktioniert: Beeing Out kann als „rausgekommen“ bezogen
auf die CD bedeuten, steht aber ebenfalls für rausgehen
um zu spielen). Wir gehören zu den „***“ oder „***“… öhm…
darf ich Fluchwörter benutzen?
MF: Nur zu, die Radiosendung wird erst nach 23 Uhr
ausgestrahlt.
AR: Okay, cool!
MF: Also fluch so oft und viel du willst.
AR: Toll. Das mag ich. Ich liebe es zu fluchen. Ja wir
sind eine neue Band und haben bei euch erst gerade unser
erstes Album rausgebracht. Ich denke, wir sind nicht die
neuste Band. Da gibt es bestimmt noch andere. Aber wir
sind eine der neusten bei Roadrunner Records.
MF: Naja, doofe Frage. Aber fangen wir ganz vorne an.
Chris, ich habe gelesen, dass du den Rock’n’Roll von
deinem Vater kennen gelernt hast. Was denkt er nun
darüber, wo er weiss, dass sein Sohn in einer
Rock’n’Roll-Band spielt und durch Europa tourt?
AR: Er freut sich sehr darüber und ist stolz auf mich.
Er ist wahrscheinlich die lauteste Person an unseren
Shows. Er schreit immer nach Zugabe, wenn wir als
Support unterwegs sind. Das bringt zwar nie was. Aber er
schreit noch immer nach uns, wenn wir längst von der
Bühne sind. Er ist sehr glücklich.
MF: In welchen Bands hast du den vor Taking Dawn
gespielt?
AR: In keiner! Das ist unsere einzige Band.
MF: Wirklich?
AR: Ja, das ist meine erste Band.
MF: Cool. Und mit dieser ersten Band habt ihr bereits
einen Vertrag mit Roadrunner ergattern können.
AR: Ja! Ich meine, es war nicht einfach, aber es hat
geklappt. Ich meine, von 50 Bands nehmen die vielleicht
eine unter Vertrag.
MF: Wie seid ihr denn zu diesem Vertrag gekommen?
AR: Wir hatten uns einige Nacktfotos von unserem
AOR-Mann besorgt, welche seine Familie nicht sehen
sollte. Uns so hat er uns sehr rasch unter Vertrag
genommen, damit wir die Bilder sicher aufbewahren. Als
wir unterschrieben haben, gaben wir ihm die Hälfte der
Bilder. Und erst dann haben wir ihm die wirklich total
schlimmen Fotos von ihm gezeigt, und jetzt können die
uns nicht wieder feuern. (lacht)
MF: Klingt nett und wirkungsvoll. Ihr kommt aus Las
Vegas. Viele Schweizer halten Las Vegas für den
Mittelpunkt der Spielwelt. Wie ist es, dort zu leben?
AR: Es ist toll dort. Ich meine, ihr lebt ja hier in
dieser Scheisskälte, bei der mir der Schwanz droht
abzufrieren. In Vegas ist es viel wärmer. Und Vegas ist
einfach unser Zuhause. Und all diese Lichter! Wenn du
dort in ein Hotel gehst und da keine Spielautomaten
stehen, stimmt was nicht. Und wenn alles um 12 Uhr oder
wann auch immer schliessen würde, wäre das sehr, sehr
ungewöhnlich.
MF: Wie schwierig ist es denn in Las Vegas für eine
Rockband?
AR: Ich weiss nicht, wie schwierig es für eine Band in
Europa ist, aber in den Staaten ist es sehr schwierig.
Weil niemand interessiert es, ob du eine Band hast. Das
Meiste was da noch geschieht, passiert online. Weil die
Leute auch nicht mehr so oft an die Konzerte kommen. Es
ist hart. Aber ich denke, es ist schwierig für jede
Band, egal woher sie kommt.
MF: Gibt es viele Rockbands in Las Vegas oder stehen
da alle nur auf Hip Hop?
AR: Nein, es gibt vor allem viele Deathcore Bands. Dann
gibt es viele Indie Bands. Die Emo Bands sind irgendwie
vorbei. Und auch sehr viele Arten von Thrash Bands. Aber
nicht so viele Rockbands. Saint Rose und natürlich wir
sind wirklich toll. Aber ich weiss nicht. Rock ist
natürlich auch eine sehr schwierige Bezeichnung. Aber
ich denke, dass wir eine Rockband und gleichzeitig eine
Metalband sind. Oder dass wir eine Metalband und
gleichzeitig eine Rockband sind, oder was auch immer. Es
ist schwierig.
MF: Stimmt es, dass ihr in einer Reality-Show
mitgespielt habt?
AR: Unglücklicherweise stimmt das, es ist wahr. Aber es
war nicht so, dass wir eine Pool-Party-Show im Hard Rock
Café hatten. Es war vielmehr so, dass ich zwar in der
Show war, da aber nicht als Schauspieler mitgemacht
habe. Die brauchten damals ein paar Sicherheitsmänner,
deren Arbeit sie filmen wollten. Und da ich damals als
Aufpasser arbeitete, war ich dabei. Eigentlich ging ich
einfach meiner normalen Arbeit nach. Und so bin ich in
der Show gelandet.
MF: Du hast also den Sicherheitsmann gespielt?
AR: Nein, ich war der Sicherheitsmann! Ich habe da
nichts gespielt. Die sind mir einfach bei meiner Arbeit
gefolgt und haben das mitgefilmt. Ich meine, was hätte
ich dagegen machen sollen? (scheint sich zu schämen). Es
gibt Momente, wo du keine Wahl hast, was du machen
willst. Und das Filmteam bestand aus netten Leuten.
MF: Ihr habt bisher in Las Vegas gelebt. Wie ist es,
in Europa auf Tournee zu sein?
AR: Es ist unglaublich toll. Es ist aber auch
scheisskalt. Aber es war auch in Kanada kalt, von daher,
ist es auch nicht so schlimm. Es ist wirklich schön,
diese alten Geschichten in den Städten mit zu bekommen.
Wir bekommen zwar nicht sehr oft die Gelegenheit, Dinge
anzuschauen, darum sehen wir meistens einfach das
Konzerthaus und seine unmittelbar Umgebung. Ich habe
schon viel Gutes über die europäischen Frauen gehört. Wo
sind die? Wieso sind die nicht hier?
MF: Im Sommer sind die schon hier.
AR: Also verstecken die sich im Winter.
MF: Ja, so ist es. Ihr solltet im Sommer wieder
kommen.
AR: Meine Eier frieren bei der Kälte langsam ab. Und die
Frauen kommen nicht. Grossartig (lacht).
MF: Gibt es unterschiede zwischen den Konzerthallen
in Europa und denjenigen der USA und Kanada?
AR: Ja schon. Das Essen hier in Europa ist einfach
spitze. Das Essen hier ist so viel besser als dasjenige
in den Staaten. Dort gleicht es Hundefutter. Das
Schlimme daran ist, dass es eher immer schlimmer und
schlechter wird. Aber die Hallen sind in etwa gleich.
Ich hatte sehr Respekt und auch ein wenig Angst vor
Europa, weil viele europäische Bands mit denen wir
getourt sind, nerven. Die dachten, sie wären besser und
bekannter als wir und haben uns unterdrückt. Aber hier
zu spielen ist cool, weil ihr hier richtige Paläste
stehen habt. Wir haben in den Staaten an einigen
wirklich üblen Orten gespielt.
MF: Welche denn?
AR: Das waren solche in Indiana, im Mittenwesten und
Süden. Da stehen zum Teil sehr alte Konzertlokale, bei
denen es sehr teuer wäre, diese zu renovieren. Es ist
ziemlich abgefuckt.
MF: Und die geben euch nichts Gutes zu essen?
AR: Nein, leider nicht.
MF: Gehört gutes Essen denn nicht zu den
grundlegenden Menschenrechten?
AR: Da siehst du es (lacht). Es scheint uns, dass gutes
Essen für Europäer einfach dazu gehört. Das ist aber in
den USA nicht so.
MF: Seltsam. Also wart ihr bereits mehrmals in den
USA unterwegs?
AR: Ja, wir waren mit Trivium unterwegs. Mit Saliva, mit
DragonForce und Sonata Arctica. Mit Lacuna Coil und All
That Remains. Mit Theory Of A Deadmen und Halestorm. Und
nun sind wir auf dieser Tour mit Airbourne.
MF: Wie kam es dazu, dass ihr mit Airbourne auf Tour
konntet?
AR: Wir verfügen über tolle Konzertagenten und unser
Label, bei dem auch Airbourne sind, hat uns sehr
unterstützt. Und Roadrunner wollte uns unbedingt
rausschicken. Aber am Ende liegt der Entscheid immer
noch bei der Band, ob sie überhaupt und welche Touren
sie unternehmen möchte. Wir sind also hier, weil das
coole Leute sind. Ich danke jedem dafür.
MF: Also macht es Spass hier zu sein?
AR: Ja! Ich meine, ich könnte jetzt genauso gut zu Hause
sein und meinem Scheissberuf als Sicherheitsmann
nachgehen.
MF: Ihr trinkt nicht und nehmt auch keine Drogen. Wie
arrangiert ihr euch mit Airbourne, die bekannt dafür
sind, dass sie oft trinken?
AR: Wir haben eine gemeinsame Ebene gefunden. Es hat
sich rausgestellt, dass wir alles Pussys sind. Es kommt
für uns wirklich nicht darauf an, ob jemand betrunken
ist oder nicht, solange er nach Mädchen Ausschau hält.
(Pause) Welche wir bisher aber nicht gefunden haben
(lacht).
MF: Verbringt ihr denn auch eure Freizeit mit
Airbourne oder sind das einfach zwei Bands, die
miteinander touren, aber sonst beide für sich sind?
AR: Nein, Airbourne sind wirklich tolle Jungs mit denen
wir auch viel zusammen sind. Klar, sind die meistens
ziemlich beschäftigt. Aber wenn sie mal frei haben,
geben sie uns nicht das Gefühl, dass sie sich ab uns
nerven und von uns abschotten wollen. Wir sind oft
zusammen. Justin (Street, Bassist) hat mir erst neulich
seine Bilder gezeigt. Das sind wirklich gute Sachen. Es
ist viel besser, als wenn ich das versuchen würde.
MF: Kommen wir zum neuen Album. Es klingt für mich
nach alter Schule aber gleichzeitig irgendwie frisch.
Wie habt ihr die Songs geschrieben?
AR: Meine Lieblingsbands sind all diese Klassik-Gruppen.
Viele dieser Bands kommen aus den späten 70er und 80er
Jahren. Und frühen 90er. Diese ganze Zeit kann man als
unser grösster Einfluss bezeichnen. Die ganze New Wave
of American Heavy Metal und die neuen Thrash Bands sind
von den schwedischen und finnischen Bands beeinflusst
und haben diese mit dem Bay Area Thrash gemischt. Darum
können wir auch nicht wie diese Bands klingen. Und so
entsteht unser Sound. Wir hören oft Ozzy, Iron Maiden,
Def Leppard und fuckin Guns’n’Roses, und die Musik kommt
aus uns raus. Man kann bei uns aber auch teilweise Queen
raus hören, oder auch die Scorpions.
MF: Hattet ihr denn eine Art Plan oder habt ihr
einfach das geschrieben, was euch in den Sinn gekommen
ist?
AR: Wir hatten keinen Plan und haben einfach das
geschrieben, was gerade rausgekommen ist. Das ist auch
der Grund, wieso wir gerade so klingen. Die Songs
besitzen alle starke Gitarren und grosse Gesänge. Aber
ich nehme mir nicht vor, bestimmte Arten von Songs zu
schreiben. Das passiert einfach.
MF: Ich habe gelesen, dass du den Sound und die
Attitüde von Bon Jovi und Skid Row zu den Kindern zurück
bringen möchtest. Ist es nicht schwierig, einerseits
sich selbst zu bleiben, und anderseits diese Attitüde
von anderen zu verbreiten?
AR: Ich weiss nicht genau, was du meinst. Weil die
Attitüde die wir leben, das sind 100 Prozent wir selber.
Wir möchten da auch niemanden kopieren, sondern einfach
uns selber sein. Zum Teil sind wir wirklich Dickköpfe.
Aber das ist okay. Es ist nicht so, dass wir den Bon
Jovi- und Skid Row-Sound unter die Leute bringen wollen,
sondern mehr, dass wir diese Elemente einbinden möchten.
Gleich neben denjenigen, welche wir von Megadeth und
Iron Maiden haben. Ich mag diese Balance dazwischen.
Nicht viele haben diese Heavy-Thrash-Teile in ihrem
Sound zusammen mit dem Rock kombiniert. Wir versuchen,
eine eigene musikalische Identität zu entwickeln. Viele
Kinder und Jugendliche kennen diese Bands nicht mehr.
Ich meine, vielleicht kennen sie noch Guns’n’Roses, weil
es eben Guns’n’Roses sind. Aber wir können da nichts
kopieren.
MF: Heute lernen die Jugendlichen diese Bands über
Spiele wie «Guitar Hero» kennen. Wurdet ihr da schon für
einen Song angefragt?
AR: Bisher noch nicht. Es wäre aber toll. Aber ich
möchte da auch niemanden dazu drängen.
MF: In einem Song singt ihr: „Der einzige Gott den es
gibt, seid ihr selber.“ Wie waren die Reaktionen in den
USA auf dieses Statement?
AR: Ich weiss nicht. Es gibt ja so viele verschiedene
Götter in Amerika. Das macht Amerika auch so grossartig.
Aber wie waren die Reaktionen darauf? Ich weiss nicht,
denn niemand hat bis jetzt darauf reagiert. Die kümmern
sich mehr um das „Hallo-fuckin-lulja“-Ding. Die hören
nicht genug genau zu, um da wirklich darauf reagieren zu
können und dass es ihnen auffallen würde. Ich meine,
religiöse Leute können Gott durchaus in sich selber
finden und diejenigen, die nicht an Gott glauben, finden
die Existenz einer Gottheit wohl ebenfalls in sich
selber. Und das ist auch der Grund, wieso sie nicht an
ein allwissendes Wesen glauben. Aber der Satz kann auf
verschiedene Art und Weise interpretiert werden, was auch der
Sinn der Sache ist. Aber ich denke, dass die meisten
Leute gar nicht über das Gesungene nachdenken.
MF: Wir sind fast am Ende. Was müssen wir noch von euch
wissen?
AR: Bringt mir Schweizer Mineralwasser!
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