Mir ging es wohl wie vielen anderen Fans auch, dass
Bassist und Sänger Marco Hietala vor ein paar Jahren
zuerst mal vor allem mit Nightwish in Verbindung
gebracht wurde. Dass lange vorher, also bereits Mitte
der 80er eine Hammer-Band namens Tarot in Erscheinung
trat, wusste ausserhalb Finnlands wohl kaum jemand. Da
es aber als Musiker längst zum guten Ton gehört, in
mehreren Combos und Projekten aktiv wie mit dabei zu
sein, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis
sich so eine Top-Band etablieren konnte.
Spätestens mit dem Album «Suffer Our Pleasures» von 2003
musste man Tarot Gehör schenken! Der stets opulente
Power Metal Sound mit der zweiten, ebenso
bemerkenswerten Lead-Stimme
von Tommi Salmela, die ab 2006 mit dem Genie-Streich
«Crows Fly Black» in Erscheinung trat, ist bestes
Kraftfutter für Metalheads. Dass das Ganze auch
überzeugend auf der Bühne umgesetzt werden kann,
dokumentiert das sackstarke Live-Opus «Undead Indeed».
Nach dem geilen Auftritt im Dynamo kriegte ich mit Liane
im Schlepptau Marco und auch Tommi noch vor das
MF-Mikro. (MH = Marco Hietala, TS = Tommi Salmela)
MF: «Gravity Of Light» (das aktuelle Album - MF)
wurde nun vier Jahre nach «Crows Fly Black»
veröffentlicht. Eine lange Zeit, auch wegen der
Verpflichtungen mit Nightwish. Zu lange, um mit Tarot
voran zu kommen?
MH: Ich weiss nicht..., ich denke..., nun..., der Erfolg
dieser Band hat sich eh über eine längere Zeit gebildet.
Ich bin froh darüber, dass wir nun ein paar Shows
spielen können..., zum jetzigen Zeitpunkt, wo wir uns
lebendig fühlen und mit beiden Füssen auf dem Boden
stehen.
MF: Hat es deswegen allfälligen Missstimmungen in der
Band gegeben?
MH: Wie Missstimmungen? Nein, nicht wirklich. Die Jungs
wissen, dass ich stark bei Nightwish involviert bin. Ich
liebe den Job sowieso, die Band, die Jungs..., es
herrscht eine gute Chemie und sorgt für das Brot auf
meinem Tisch. Sie müssen damit umgehen, wenn sie es
nicht schon tun. (Tommi hüstelt dazu etwas vor sich hin)
MF: Zwei starke, ebenbürtige Sänger in einer Heavy
Metal Band sind in der Tat etwas Spezielles. Ist es
schwierig, die richtigen Parts für die jeweilige Stimme
zu finden?
MH: Nein, nicht wirklich..., ich denke...
TS: ...man macht einfach, setzt sich hin, trinkt eine
Tasse Tee..., du nimmst diesen Part, ich den anderen...
MH: Also als wir «Gravity Of Light» aufgenommen haben,
wurden verschiedene Sachen ausprobiert. Da fand man dann
einfach, dass der andere das eben besser hinkriegt und
es deshalb macht. So ging das und auch von den Texten
ging es uns leicht von der Hand, wie auch von der
Rhythmik her, also wie die Songs aufgeteilt werden
mussten, um die Power aufrecht zu halten. Das ist nicht
so schwer und geht eigentlich ganz leicht.
MF: Das gründet sicher auch auf der Erfahrung, die
man sich in den vergangenen Jahren angeeignet hat...
MH: ...wir sind schon so lange Freunde, dass wir uns
nichts mehr beweisen müssen. Es fliesst alles in die
Songs rein, in die Band, was auch immer.
MF: Tarot ist eine alte Band. Wie wichtig, respektive
erfolgreich waren die Re-Releases der ersten Alben, um
wieder Notiz von euch zu nehmen?
MH: Ah..., ich weiss wirklich nicht. Wir kamen schon
etwas voran..., aber es ist auf jeden Fall schön zu
sehen, dass überall wo man hinkommt, eigentlich auf
Leute trifft, die von Anfang an dabei waren und die
Sache am Leben hielten. Ihnen gegenüber möchte ich
wirklich meinen Respekt aussprechen. Wenn man nun die
Wiederveröffentlichungen sieht und diese auf Interesse
stossen, ist das natürlich eine feine Sache.
MF: Marco, dein Mitwirken bei vielen Songs von
verschiedenen Bands ist legendär. Hast du all diese
Songs noch irgendwie präsent und gibt es eine
Wunschpaarung für die Zukunft?
MH: Hey Mann..., kannst du dich wirklich an alles
erinnern, was ich mal gemacht habe? Selbst das in
nüchternem Zustand..., also im Moment habe ich keine
Formationen im Kopf. Wir machen jetzt diese Tour hier
und zur gleichen Zeit nehmen die Jungs die Drums für das
neue Nightwish-Album auf. Wenn ich zurückgekehrt bin,
werde ich mich dann um den Bass kümmern. Wir werden im
Frühling die ersten Shows spielen und ich nehme nun
zudem Gesangsparts auf et cetera. Ich möchte mich dabei
aber nicht zu fest verzetteln. Darum müssen die anderen
Projekte warten, weil ich jetzt an den wichtigen Sachen
dran bin.
MF: Wie war übrigens die Zusammenarbeit mit Delain?
Das klingt einfach genial!
MH: Yeah, ich mag diesen Sound sehr und beim ersten
Album kam der Kontakt über den Gitarristen Jan Yrlund,
einem Finnen, zu Stande. ich wurde angefragt, ob ich
Interesse hätte darauf Bass zu spielen sowie Vocals
beizusteuern und so lief das dann. Und dann als ich
natürlich die Demos davon gehört hatte, waren die ok und
es war sehr gutes Material. Da dachte ich, wieso
nicht?!! Darum machte ich da mit, weil ich nicht mehr
auf jeder Hochzeit tanze, wenn es mir selber nicht
gefällt.
MF: Wirklich geile Musik und wer weiss, vielleicht
geht es auf dem dritten Album weiter!
MH: Wir werden sehen.
MF: Im Jahre 2006 erreichte eure Single «You» die Nummer
1 in den finnischen Charts und es gibt viele heavy
Songs, die in eurer Heimat erfolgreich sind. Welche
Erklärung hast du dafür?
MH: Hmm..., na ja..., es war einfach langsam Zeit
dafür..., ich weiss es nicht wirklich. Als einzelner
Song war er nicht der Stärkste auf dem Album, aber er
kam auf den Punkt, war irgendwie einfach gestrickt und
traf den Nerv einer Single. Das fühlt sich immer gut an
und wir spielten zu der Zeit gerade ein Konzert in
Tampere, als wir davon erfuhren. Es setzte danach eine
recht nette Party ab!
MF: Und das war ja erste Mal für euch, als Band einen
Nummer 1 Hit zu haben...
MH: ...ja, das ist wahr.
MF: In den frühen Zeiten habt ihr Cover-Versionen wie
«Kill The King» (Rainbow) gespielt und auf der Rückseite
der «You»-Single steht ja dieses brillante wie geniale
«Veteran Of The Psychic Wars». Wie habt ihr dieses Juwel
entdeckt?
MH: Nun..., Blue Öyster Cult waren ausserhalb der USA
nicht eine so bekannte Band. Wir mochten deren Musik
aber immer und hörten uns die Alben an, wovon wir einige
Songs gut fanden. Und bei «VOTPW» fanden wir eigentlich,
dass die Vocals gut zu unserem Stil passten und wir eine
etwas gitarrenlastigere Version machen wollten. Weil da
steckt Potenzial drin, wirklich heavy rüber zu kommen
damit. Dann nahmen wir es auf und setzten es auf die
B-Seite der Single.
MF: Da ich eure Version vor dem Original zu Gehör
bekam, war ich zuerst etwas enttäuscht davon, als ich es
mir im YouTube zum ersten Mal anhörte...
MH: ...ja schon, aber du musst dich wohl oder übel damit
befassen, um es nachher überhaupt schätzen zu können!
MF: Das Ding haut mich echt um...
MH: ...danke!
MF: Tommi, du spielst ja Samples auf der Bühne. Was
für welche sind das?
TS: Das sind direkte Samples, die wir zusammen mit
Marco...
MH: ...die meisten davon basieren auf Stimmharmonien und
Parts, die wir im Studio kreiert haben. Dazu kommen
Rhythmus-Parts, wie sie auf «I Walk Forever» zu finden
sind.
MF: Marco, du magst und spielst auf Bassgitarren von
Warwick. Warum gerade diese und was ist der Unterschied
bei 4-, 5- oder 6-saitigen Bässen?
MH: Also ich benutze eigentlich nur 4-saitige
Bassgitarren. Wir haben eh das normale Tuning, ausgehend
von "D" und runter. Dazu benutze ich das "Hipshot"-System,
das es mir erlaubt, bei Bedarf noch weiter runter zu
kommen. Darum brauche ich keinen 5- oder 6-saitigen
Bass. Darüber hinaus mag ich die schmaleren Hälse und
darum spiele ich so.
MF: Nebst deinem Dasein als Musiker hast du unter
anderem als Producer für Amorphis gearbeitet. Ist es
dabei ein Vorteil Musiker zu sein, um diesen Job
auszuüben?
MH: Ja natürlich! Ich bin Sänger sowie Bassist und habe
früher auch Rhythmus- und Klassik-Gitarre gespielt. Es
hilft dir, das benötigte Fundament der Musik zu
verstehen. Bei Amorphis habe ich alles gemacht und auch
den Gesang wie die Arrangements. Ja..., es hilft, die
Musik als solche zu begreifen und die Aufnahmetechniken
zu beherrschen. Als ich jünger war, habe ich ja ein
Studium als Ton-Engineer absolviert. So kommt alles
zusammen und mit Amorphis arbeite ich gerne zusammen,
weil die Jungs gut sind und die althergebrachte
Einstellung besitzen, wie eine Band grooven muss.
MF: Wir leben jetzt in einem total anderen
Jahrhundert, was die gegenwärtige Technik angeht,
verglichen mit den 80ern. Unsere Generation kennt aber
noch beide Welten, eine Zeit ohne Handys. Welche magst
du mehr?
MH: Nun, die Zeit ist bekanntlich eine Konstante, die
immer im Vorwärtsgang ist. Es gibt Dinge die man
vermisst, wenn man zurück schaut, aber das Leben findet
jetzt und hier statt und man muss das Beste daraus
machen. Und so läuft es nun mal..., klar haben wir als
Musiker eine Geschichte und als junge Leute fuhren wir
auf gewisse (alte) Bands ab. Wir sind auf eine Art mit
ihnen verbunden und das Ganze geht ja bis in die 70er
zurück. Aber jetzt haben wir das Jahr 2010, nützen die
aktuellen Sounds, Equipment, und so weiter. Du nutzt
eben die ganze Erfahrung, die nun so in die Musik
eingebracht wird.
MF: Das Jahr 2010 war hart für die Heavy-Szene.
Ronnie James Dio starb, wie auch Peter Steele (Type O
Negative) und Paul Gray (Slipknot). Und am 5. Oktober
verstarb bekanntlich Steve Lee von Gotthard. Welche
Gefühle lösten diese schlechten Nachrichten bei dir aus?
MH: Also ich war bei allen nicht so betroffen, aber
Ronnie James Dio war wahrscheinlich der Mann, der mich
überhaupt zum Singen gebracht hat. Als ich elf Jahre alt
war, hörte ich mir «Long Live Rock'n'Roll» an und war
wie weggetreten! Ich sang diese Songs die ganze Zeit und
über setzte mich auch mit dem Texten auseinander. Zwei
Jahre später gründete ich meine erste Band. Auf eine Art
stand plötzlich alles still, denn es ist eine Tatsache,
dass es kein Jahr her ist, seit ich Heaven & Hell in
Helsinki gesehen hatte. Das lässt einen schon darüber
nachdenken.
MF: Deine Gefühle Tommi?
TS: Ich traf ihn (Ronnie) einmal während etwa 15 Minuten
und er kam mir wie ein Gott vor, ich heulte beinahe. Als
er starb, dann ging das so schnell. Ich weiss noch, als
die Meldung bezüglich der Krebserkrankung verbreitet
wurde, hoffte ich, dass er das überleben wird. Zu Hause
nahm ich mir die Zeit und hörte mir ein paar Songs
an..., aber wir müssen alle einmal gehen.
MF: Das ist der Weg des Lebens...
TS: ...yeah!
MH: ...und des Todes!
TS: Dabei kommt mir jetzt gerade der Monty Python-Song
«(Always Look On) The Bright Side Of Life» in den Sinn.
MH: ...«The Bright Side Of Death» (Tommi lacht)
MF: (Zu Marco) - Deine Schlussworte an die Leser von
Metal Factory und alle Schweizer Fans von Tarot lauten?
MH: Aha..., was denkst du?
MF: Vielleicht über die Show von heute Abend vor
einer "wilden" Meute?
MH: (lacht) - Ok..., Tatsache ist, dass wir erfreut
darüber sind, die Chance erhalten zu haben, hier
auftreten zu können. Ich habe zuvor mit Nightwish schon
in der Schweiz gespielt, aber mit diesen Jungs hier ist
es toll zusammen zu sein. Es hat Fans hier und es war
ein gutes Publikum, keine Frage..., auch eine gute Show.
Fuckin' hell..., und wenn wir wieder ein Chance
erhalten, dann tun wir es wieder! All unseren Respekt
dafür...
TS: ... und rockt hart! (lacht laut)
MF: Vielen Dank..., und einen guten Rest der Tour!
TS: ...wir danken dir!
MH: Yep..., bisher hatten wir es bisher gut, überall wo
wir mit dem Bus unterwegs waren. Inklusive etwas Klamauk
und viel Gelächter.
Zum Schluss entlockte ich Marco noch, dass die neuen
Nightwish-Songs Zitat "really good" sind und er
überzeugter davon als beim letzten Mal ist. Zieht Euch
also warm an!
Unser Rockslave mit Marco Hietala. >>>
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