Normalerweise gilt ja die ungeschriebene Regel: Wurde
eine Band einmal von uns interviewt, dann wird bis zur
nächsten Veröffentlichung gewartet oder zumindest bis zu
diesem Zeitpunkt, an welchem man wirklich wieder über
etwas Neues schreiben kann. Testaments letzte Scheibe,
das furiose Meisterwerk «The Formation Of Damnation» ist
gut eineinhalb Jahre alt und schon im Juni des letzten
Jahres stand uns Front-Testamentvollstrecker Chuck Billy
Rede und Antwort dazu. Also kein Interview dieses Jahr
mit den Thrash-Veteranen aus der Bay-Area? Denkste! Wer
geschlagene 25 Jahre im Business ist und mit Alben wie «The
Legacy» oder «The New Order» Metalgeschichte geschrieben
hat, der weiss auch ohne eine neue Veröffentlichung
einiges zu berichten und so begab sich Metal Factory an
einem lauen Sommernachmittag ins Sounddock 21 in
Dietikon. Empfangen wurde man von einem eher dicklichen
Mann mit langen Haaren, eingekleidet in ein blaues
Porsche-Hemd, Shorts und Flipflops. Darf ich vorstellen?
Eric Peterson (EP), Gründungsmitglied, Rhythmusgitarrist
und inoffizieller Bandkopf von Testament. Zu erzählen
hatte der gutgenährte Riffmeister während dem gut 40
Minuten dauernden Gespräch jede Menge: Wie es so war,
damals in den 80ern, in der legendären Bay-Area. Warum
seine noch taufrische Siganture-Gitarre besser ist als
diejenige von Dave Mustane und weswegen er nie daran
gedacht hatte, Testament in den metalfeindlichen 90ern
zu begraben. Dass es sich Metal Factory dabei nicht
umhin kam, die Fühler in die Zukunft auszustrecken und
nach dem nächsten Testament-Album zu fragen, versteht
sich von selbst.
MF: Hallo Eric! Zuerst mal ehrlich: Nachdem ihr im März
mit Judas Priest hier in der Schweiz wart, hätte ich
nicht gedacht, dass ihr vier Monate später schon wieder
kommt...
EP: Ja, wir touren viel im Moment. Eigentlich hätte ich
mir ja schon eine kurze Pause gewünscht, aber es ist
gut, gewollt zu werden und das muss man natürlich
nutzen. Ausserdem konnten wir im Frühling ja nur eine
halbe Stunde spielen, gerade mal sechs Songs. Jetzt
können wir das ganze Set bringen und das ist schon cool.
MF: Das ist der zweite Termin eurer Sommer-Tour. Wie
war der Kick-Off in Holland?
EP: Genial! Es war ausverkauft, die Leute waren super
drauf... Holland war immer eines unserer
Lieblingsländer, so etwas wie unsere Heimat ausserhalb
der USA. Wir haben viele Freunde dort und ausserdem war
Holland das erste Land in Europa, in welchem wir spielen
konnten. Wir traten dort 1987 auf an diesem Festival...
MF: Dynamo...
EP: Genau, danke! Das war unsre erste Show ausserhalb
der USA. Das spezielle daran ist, dass dieselben Leute,
welche damals zu unseren Konzerten kamen, kommen heute
immer noch. So sind sie heute so etwas wie unsere
Familie. Sie kommen uns zuhause besuchen und bringen
ihre Kinder mit. Das Komische war: Die Show war
ausverkauft und die Venue eigentlich auch cool, aber wir
hatten viele Probleme mit den Monitoren. Der Typ, der
dafür verantwortlich war hatte nicht begriffen, dass man
da einfach machen muss, was die Musiker ihm sagen.
«Schraub die Gitarren hoch», «Ich brauch mehr Bass»,
solchen Kram eben. Der Typ aber dokterte irgendwie
herum. Der Sound auf der Bühne war also schrecklich,
aber die Leute haben das wohl nicht gemerkt, da wir
dafür unseren eigenen Mischer dabei haben. Dass es für
das Publikum gut klingt, das ist das wichtige. Es war
halt die erste Show...
MF: Zuvor habt ihr eine ausgedehnte Headliner-Tour
durch die USA gemacht, was schon lange nicht mehr der
Fall war bei euch...
EP: Yeah, es war der Hammer! Wir haben eine US-Tour
schon so lange nicht mehr als Headliner absolviert. Wir
spielten in den letzten Jahren mal in New York, dann
wieder in L.A. oder Chicago, aber wir fuhren schon so
lange nicht mehr in einem Tourbus über längere Zeit
durch die Staaten. Was wir auf dieser Tour zum ersten
Mal gemacht haben, war ein V.I.P.-Package anzubieten.
Diese Tickets kosteten zwar mehr, aber dafür kriegte man
auch was geboten. So konnte man etwa eine meiner
Signature-Gitarren gewinnen oder limitierte Versionen
unserer Scheiben. Daneben kriegte jeder eine Tasche voll
Merchandise. Überraschenderweise wollten ziemlich viele
Leute diese Tickets kaufen, sodass wir jeden Abend mit
20 - 30 Leuten rumhiengen, die mit uns quatschen konnten
etc. Natürlich kommen wir auch nach der Show noch raus,
aber manchmal halt erst ziemlich spät. Es machte Spass,
neue und alte Fans besser kennenzulernen. Ausserdem war
es auch für uns als Band nützlich: Die Leute durften
nämlich den Soundcheck miterleben und das zwang uns
dazu, auch wirklich Soundcheck zu machen. Vorher waren
wir manchmal - ich muss es ehrlich sagen - einfach zu
faul dazu. Auf dieser Tour aber mussten wir und dabei
spielten wir oft auch Songs, die wir später während der
Show nicht zockten. Deswegen war das eine wirklich coole
Sache, genauso wie die Tour.
MF: Auch speziell an dieser Tour war, dass ihr die
Fans jeweils die Setlist des Abends bestimmen liesst.
Setlist A war euer legendäres Album «The Legacy» (1987)
+ Best-Of, Setlist B war «The New Order» (1988) +
Best-Of und Setlist C bestand aus einem Querschnitt aus
eurer ganzen Geschichte plus neues Material. Woher kam
diese Idee?
EP: Ich denke, die Idee stammte von den beiden
speziellen Shows in London und Holland im Frühling. An
diesen beiden Abenden spielten wir zuerst «The Legacy»,
dann «The Order»! All diese Songs in der klassischen
Reihenfolge zu spielen, zuerst «Over The Wall», dann «The
Haunting» und «Burnt Offerings», das hat einen riesen
Spass gemacht. Es war einfach der Wahnsinn, als wir «Apocalyptic
City» fertig gespielt hatten und Chuck rief: «Das war «The
Legacy»!» Das Licht ging aus und das Intro von «The New
Order» wurde eingespielt. Dieser Moment war echt riesig!
Der Vibe war einfach magisch. Man konnte Gesichter im
Publikum sehen, die strahlten und daran dachten, wie sie
die Scheiben zuhause hörten. Diese beiden Abende hatten
viele Erinnerungen zurückgebracht. Danach dachten wir:
Warum sowas nur einmal tun? Was wir nicht wollten war,
das eine ganze Tour lang so zu machen. Deswegen gaben
wir den Fans die Chance, selber zu entscheiden.
MF: Und wie sah das Ergebnis aus? Welches Set hat
insgesamt gewonnen?
EP: Das Haupt-Set hat immer gewonnen, Setlist C... Die
Fans fanden die Idee wohl nicht so cool wie wir. Ein
paar Mal war es ziemlich knapp und «The New Order» hätte
es fast geschafft. Letzten Endes gewann aber immer
Setlist C und um ehrlich zu sein: Es ist auch die beste
der Setlists. Auch da hat es ja viele Nummern von «The
Legacy» und «The New Order» drin, daneben aber auch
Songs von «Formation Of Damnation» und andere Songs, die
unsre Fans scheinbar mögen.
MF: Schon vor einem Jahr, behauptete ich, dass Thrash
Metal wieder zu seiner alten Stärke zurückgefunden hat
und beinahe wieder so gross ist wie in den 80ern,
zumindest in Europa. Wie sieht es mit dem Thrash Metal
Revival in den USA aus?
EP: Ich denke, ich würde nicht Revival sagen. Thrash
Metal scheint mir heute wieder berühmt, da dieser Stil
von allen Metal-Stilen einfach die meisten Möglichkeiten
für einen Musiker wie für Fans bietet. Thrash ist
melodisch, hart, aggressiv und gleichzeitig bombastisch
und manchmal auch ziemlich anspruchsvoll. Wenn du zum
Beispiel Glam Rock oder Metal anschaust, dann ist das
einfach Glam. Eine Stimmung. Dasselbe bei Black Metal,
ein Genre, dass ich zwar sehr schätze und einen starken
Ausdruck besitzt, aber es ist eben einfach Black Metal.
Thrash verbindet verschiedene Stile, verschiedene
Gefühle. Viele Thrash-Bands haben ruhige Parts mit
schönen Melodien und Gitarrenharmonien und nicht nur
Geriffe.
MF: Vor einem Jahr habe ich darüber mit Rob Cavestani
von Death Angel gesprochen. Seine Antwort dazu war: «Die
Kids von heute haben ihre Metal-Hausaufgaben gemacht.»
EP: Yeah, genau das meine ich! Musikalisch gesehen ist
Thrash Metal vielleicht der beste Stil für Metal, für
Härte und Melodien. Das hat nun auch die Jugend wieder
gemerkt. Gute Qualität setzt sich durch!
MF: Als eine, sagen wir, Ikone des Thrash Metal, als
ein Mitglied der Gründer-Generation: Kannst du in einem
Satz erklären, was Thrash Metal ist?
EP: Thrash Metal ist die Verbindung aller Metal-Stile in
einem. Thrash Metal besitzt am meisten Härte, am meisten
Melodie, am meisten Aggression. Thrash Metal ist einfach
am meisten Metal! Thrash Metal ist 'the most'. Das ist
witzig, denn 'the most' (am meisten) ist ein typischer
Bay-Area-Ausdruck von 1987. Paul Baloff (Original-Sänger
von Exodus, gestorben 2002 - Anm.d.Verf.) sagte immer: «that's
so most!». Alle anderen sagten damals immer: «that's
killer!», aber wir in der Bay-Area bezeichneten etwas
als 'the most', wenn es uns gefiel. Wenn etwas scheisse
war, dann hiess es: «that's the least». Also, um auf
deine Frage zurück zu kommen: Thrash Metal is the most!
MF: Wie gesagt, der Thrash Metal ist zurück und es
gibt viele junge Fans, wie mich, die damals, in den
80ern, nicht dabei waren. Wie war es damals? Wie
entstand so etwas wie Thrash Metal?
EP: Als es begann, Anfang der 80er, da gab es Testament
ja noch nicht. Ich war erst dabei, Gitarre zu lernen und
eine Band zu gründen. Vorher war ich aber schon Teil der
Szene und ging an Konzerte. Damals war die NwoBHM das
grosse musikalische Ding. Judas Priest, Def Leppard,
Iron Maiden. Diese Bands waren hart, schnell und
natürlich der grösste Einfluss für Thrash Metal. Was sie
aber hatten, das war dieser Look: Spandex-Hosen,
gestreifte Leggins etc. Viele Bands damals vermischten
diesen englischen Sound mit den New York Dolls. Ich
denke das war damals der Anfang, dieser Mix aus Heavy
Metal und Punk. Die Clubs, in die ich ging, dort
spielten viele Punk Bands, wie etwa The Exploited. Nun
spielten die Gitarristen aber plötzlich schnelles,
anspruchsvolles Zeug und hatten lange Haare, während der
Sänger und die Attitüde immer noch Punk war. So entstand
wohl Thrash Metal. Ein Mix aus Heavy Metal und Punk.
Plötzlich war dann da eine Band namens Exodus, hart,
schnell, aber dennoch anspruchsvoll. Natürlich waren
Metallica eigentlich die allerersten, aber sie kamen aus
L.A., nicht wirklich aus der Bay Area. Dann wurden sie
sehr schnell gross und spielten ganze Tourneen und kamen
nur noch einmal alle zwei Jahre zu uns. Das ist eine
gute Frage, denn manchmal vergisst man, woher man kommt.
MF: Und plötzlich gab es auch Testament...
EP: Wir alle waren einfach plötzlich alle da! Wie
Gremlins, zuerst ganz brav, dann etwas Metal-Wasser und
plötzlich gab es eine ganze Szene. Ich erinnere mich,
dass ich bei einer Death Angel Show war, kurz bevor wir
unsre Band gründeten. Sie waren irgendwie 13 Jahre alt
oder so und ich dachte: «wow!» Dann gründeten wir uns
und Alex (Scolnick, Lead-Gitarrist von Testament -
Anm.d.Verf.) war gerade mal 16, ich 19. Wir waren alle
verdammt jung und hungrig. Es war eine richtige
Kettenreaktion: Zuerst Exodus, Possessed, Death Angel,
dann wir und wir wurden irgendwie grösser. Dann gingen
Exodus auf Tour und plötzlich waren wir zusammen mit
Exodus die vorherrschenden Bands. Dann kamen Forbidden,
Violence, Heathen, alle nacheinander in einer kurzen
Zeit. Als wir nach «Practice What You Preach» zurück in
die Bay Area kamen nach Touren, da gab es schon eine
neue Szene, eine Art von Funk Metal. Ich stand nur da
und fragte mich: «Was zur Hölle ist das?». Bands wie
Psychefunkapus oder Mordred, welche schon Metal machten,
aber mit viel Funk dabei. Es war komisch, aber auch
cool, denn plötzlich hatte es viele Mädchen in den
Clubs, was bei Thrash Metal leider nie so war, hahaha...
Dieser Stil verschwand aber schon nach wenigen Monaten
wieder, während Thrash den Test der Zeit bestanden
hatte.
MF: Was denkst du, welche Bands sind die Nachkommen
von Bands wie euch aus der Bay Area?
EP: Ich denke, viele Bands aus Schweden wurden von uns
beeinflusst. Arch Enemy oder so sind verdammt gross und
haben sich sicherlich auch unsere Scheiben angehört.
Jedoch kam dazwischen noch der Death Metal, weswegen sie
auch davon stark beeinflusst sind. Dabei muss man sagen,
dass Death Metal natürlich wiederum stark von
Thrash-Bands wie uns beeinflusst wurde. Aber auch später
und heute gibt es jüngere Bands wie Municipal Waste oder
Hatchet, die wirklich genau unseren Sound übernehmen.
Ich denke da insbesondere an eine Band, welche mit uns
zusammen auf der US-Tour spielten, Lazarus A.D. Die
Jungs sind wirklich cool und haben einen verdammt
starken Live-Sound. Ich weiss nicht, wie sie auf Scheibe
klingen, aber live sind sie echt stark. Die musst du dir
unbedingt ansehen, wenn sie in die Schweiz kommen.
MF: Seit einigen Jahren ist Testament zurück im
legendären Line-up. Nach all den Wechseln in den 90ern
wirkt ihr als Band stärker und vitaler als im letzten
Jahrzehnt und auch erfolgreich. Warum? Warum
funktioniert es gerade jetzt wieder?
EP: Ich denke, es hat auch vorher funktioniert. Wir
haben einfach ein paar falsche Entscheidungen getroffen.
Der Musikgeschmack der Masse änderte sich drastisch
Anfang der 90er, als einfach alle auf Grunge standen. Es
war ein Wechsel, der viele Bands unerwartet traf. Viele
sprangen entweder auf den Zug auf und zogen sich auch
Flanel-Hemden an, während andere sich auflösten, da
keine Nachfrage mehr da war. Wir zogen einfach unser
Ding durch, konnten zwar nicht mehr so viele Gigs
spielen und waren weniger erfolgreich, aber wir hielten
irgendwie durch. Ein aderer Grund für unser Durchhalten
waren die verschiedenen Einflüsse durch andere Musiker
in dieser Zeit. Mit Gene Hoglan (u.a. Drummer bei Dark
Angel, Death, Strapping Young Lad - Anm.d.Verf.) zu
jammen oder Dave Lombardo oder John Tempesta (u.a.
Drummer von Exodus, Rob Zombie, The Cult - Anm.d.Verf.).
Ich denke, Testament am Anfang, mit Louie Clementi war
super, er ist einer meiner Brüder, aber sein Drumming
war nicht so powerfull.
Paul Bostaph (Testament-Drummer, Ex-Forbidden, -Slayer,
-Exodus - Anm.d.Verf.) war der erste, der nach Louie mit
uns zusammenspielte. Drei Tage, bevor wir auf Tour gehen
sollten, stieg Louie aus. Zuerst war Alex ausgestiegen
und nun Louie. Wir dachten: «Fuck! Was sollen wir tun?».
Für Alex hatten wir mit Glen Alvelais schon einen
Ersatz. Paul aber war zu dieser Zeit noch bei Slayer,
aber wir kannten ihn. Ausserdem wussten wir, dass er
gerade die Drum-Tracks für die neue Scheibe von ihnen
eingespielt hatte. Da wir auch wussten, dass Slayer im
Studio ziemlich langsam sind, riefen wir Tom Araya an
und fragten: «Hey, bevor wir Paul überhaupt fragen,
würde es euch etwas ausmachen, wenn wir Paul fragen
würden, mit uns zwei Monate auf Tour zu kommen?» Tom
machte es nichts aus und wir trafen uns am Tag der Tour
mit Paul und ich brachte ihm im Bandraum, während der
Tourbus schon wartete, so viele Songs wie möglich bei.
Ich glaube, wir schafften acht Songs und während der
Reise trommelte Paul mit Kopfhörern die ganze Zeit auf
seinen Beinen herum. Ich denke, an diesem Abend spielten
wir 10, am nächsten 11, am übernächsten 12 Songs und
immer so weiter.
Ich denke einfach, durch neue Einflüsse, insbesondere
Schlagzeuger, wurde neues Leben in die Band gebracht.
Ich denke, Ende der 80er wurden wir immer besser als
Band und auch ich konnte immer mehr so spielen und Songs
schreiben, wie ich mir Musik vorstellte. Mit neuen
Musikern bekam ich neue Möglichkeiten. Mit Louie ging
das nicht immer. Ich wollte ein «dschgdschgdschg»
(klopft auf seinen Beinen einen Rhythmus zu diesem
Sprechgesang) und Louie sagte: «Nein, ihr macht «dschgdschgdschg»
und ich mach einfach «dschgdschgdschdschdschg»» (klopft
einfacheren Rhythmus). Er wollte nie Doublebass spielen,
da er es nicht so gut konnte. Mit anderen Mitgliedern
wurden auch wir besser und vielseitiger. Ich denke, das
erreichte seinen Höhepunkt mit «The Gathering» mit Dave
Lombardo, wo man zwar uns hörte, Chuck und mich, aber
vermischt mit neuen Einflüssen und insbesondere einem
neuen, modernen, fetten Sound. Es gibt viele gute Gründe
dafür, dass wir heute besser klingen, hahaha...
MF: Absolut! Das kann man ja etwa bei den neu
aufgenommenen Klassikern auf «First Strike Still Deadly»
(2001) gut nachvollziehen.
EP: Yeah! Dazu kommt, dass wir heute wissen, was wir
wollen. Wir wissen heute, wie wir klingen wollen, Chuck
die Vocals, ich die Gitarren, Paul die Drums. Wir haben
eine klarere Vorstellung, weswegen wir auch selber
mitproduzieren. Früher überliessen wir Soundfragen
einfach den Produzenten und scherten uns wenig drum.
MF: Du bist der Gründer der Band und auch der
einzige, der eigentlich immer voll dabei war...
EP: Nein, Chuck stieg auch nie aus...
MF: Stimmt, aber er musste wegen seiner Krankheit
unfreiwillig eine Pause einlegen. Trotzdem bist du
eigentlich die Konstante der Band vom Anfang bis heute,
sozusagen der inoffizielle Boss. Hast du dir nie
überlegt, während den schwierigen 90ern, die Band
aufzulösen?
EP: Nein! Niemals! Ich hatte nie das Gefühl, dass
Testament am Ende angekommen sind, da die neuen
Mitglieder immer wieder auch neues Leben in die Band
brachten. Ich glaube, dass, wenn wir damals im
Original-Line-up weitergemacht und versucht hätten,
durch diese harte Zeit zu kommen, dass es nicht
funktioniert hätte. Wenn andere nicht ausgestiegen
wären, dann hätte ich es damals vielleicht getan. Ich
denke nämlich, wenn du über einen Zeitraum als Band mit
den immer selben Mitgliedern Erfolg hast, dann wird es
irgendwann schwierig, neue Impulse hereinzulassen. Man
kommt aus einem gewohnten Denkmuster nur schlecht wieder
raus. Mit den neuen Mitgliedern gab es einen Wechsel.
MF: Nach 20 Jahren Testament: Hast du eine andere
Beziehung zu Testament? Siehst du Testament 2009 anders
als 1989 oder 1990?
EP: Yeah, definitiv! Ich denke, als Band sind wir
selbstbewusster geworden. Wir wissen, was wir können und
wollen. Damals hätten wir zum Beispiel nie geglaubt,
dass wir eine Ballade und ein harter, schon fast
Death-Metal-Song in einem Set spielen könnten. Heute
wissen wir, dass das geht, dass man eine gute Balance
schaffen kann, und eine Prügel-Nummer wie «Demonic
Refusal» und ein ruhigerer Song gut zusammen spielen
kann.
MF: Denkst du, dass sich deine Rolle in der Band in
den letzten 20 Jahren verändert hat?
EP: Oh ja, absolut! Ich hab die Band gegründet, aber
damals war ich eigentlich einfach der Rhythmus- und
Riff-Typ. Ich schrieb schon einen grossen Teil des
Materials, aber ich hatte keine stärkere Stellung in der
Band. Als dann in den 90ern Mitglieder kamen und gingen,
da verlieh mir das mehr Gewichtung als Konstante. Heute
hat jeder in der Band in etwa gleichviel zu sagen, aber
ich denke, viel des Materials wird durch meine
Vorstellung gefiltert, wie die Songs etwa strukturiert
sein sollen oder welche Arrangements wir machen. Eine
Art Produzenten-Rolle.
MF: Neben Testament hast du 2001 deine eigene
Black-Metal-Band gegründet...
EP: Ich gründete sie 2000, im Jahr des Drachen.
MF: Was den Namen Dragonlord erklärt. Warum gerade
eine Black-Metal-Band?
EP: Sicher hab ich nicht ans Geld gedacht, hahaha... Als
ich Testament gründete hiessen wir ja noch nicht so,
sondern Legacy und glaub es oder nicht, aber wir waren
eher eine Black Metal Band. Nicht unbedingt soundmässig,
wie Black Metal heute klingt, aber vom Image und Stil
her. Wir orientierten uns stark an Mercyful Fate, Venom
oder auch Angel Witch, welche zwar eher Heavy Metal
waren, aber ein satanisches Image prägten. In 2000
schaute ich mir die alten Photos an. Schwarzweiss
geschminkte Gesichter, lange Nietenarmbänder, Blut und
Friedhöfe als Hintergründe. Da dachte ich: Yeah,
eigentlich waren wir vor all den anderen Bands schon
Black Metal. Immer, wenn ich das dann anderen Leute
sagte, antworteten die mir: «Ok, kann schon sein, aber
das musst du beweisen!» Als ich dann Bands wie Emperor,
Dissection, Dimmu Borgir oder Old Man's Child Ende der
90er hörte, da wollte ich auch so etwas auch machen,
meinen Wurzeln zuliebe. Ich wollte dabei den Stil, den
ich spielen mit dem kalten, bombastischen des Black
Metals mischen. So entstand Dragonlord.
MF: Wird es nach «Rapture» (2001) und «Black Winds Of
Destiny» (2005) eine weitere Scheibe geben oder nimmt
dich Testament total in Beschlag?
EP: Es wird eine neue Scheibe geben, welche im Winter
fertig sein sollte. Heissen wird sie «Blasfomority of
Sincere Death» (Name der Kompliziertheit wegen ohne
Gewähr - Anm.d.Verf.) und vermutlich sollte sie Ende
Januar oder Anfangs Februar rauskommen. Ich arbeite
schon seit einigen Jahren an dem Material und sammle
Ideen. Ich arbeite auch wieder an neuem
Testament-Material, aber bei Dragonlord hab ich
eigentlich schon alles, weswegen ich das im November
vollenden will. Ich muss nur noch mit meinem
Keyboardplayer zusammensitzen und dem Schlagzeuger. Die
Sachen sind eigentlich fertig, sie müssen nur noch
zusammengefügt werden.
MF: Anderes Thema: Dieses Jahr hast du deine eignene
Signature-Gitarre von Dean bekommen. Fühlst du dich
geehrt oder ist es einfach eine nette Sache für dich?
EP: Beides eigentlich! Ich betrache mich nicht als
Gitarrenhelden wie etwa Michael Schenker. Ich denke, ich
bin ein guter Gitarrist, insbesondere
Rhythmus-Gitarrist. Die Leute, die Signature-Gitarren
bekommen sind eher die auffallenden Lead-Gitarristen wie
etwa Gus, Gus G. Von... von...
MF: Firewind!
EP: Genau! Gus oder Alex oder Michael Schenker, dass
sind eher die Musiker, die Signature-Gitarren kriegen.
Drum find ich es cool, dass auch ich als Rhythmus- und
Riffgitarrist mit einem solchen Instrument geehrt werde.
Nach dem Motto: «Hey, du spielst auch gut und schreibst
dazu noch gute Songs!» Daneben find ich es gut, dass die
Gitarre nicht zu exzentrisch gestaltet ist. Auf dem
Körper ist der Totenkopf mit dem Pentagramm und auch als
Nicht-Testament-Fan kann man die Gitarre cool finden, da
es einfach cool aussieht. Richtig Heavy Metal eben.
MF: Daher auch das Wortspiel oder? Sie heisst «Old
Skull», da sie auch «oldschool» ist!
EP: Und der Totenkopf, welcher drauf ist, ist ja das
uralte Testament/Legacy-Logo! Es ist cool, dass ich
dieses Zeichen mit dem Drachen verbinden konnte, welcher
am Kopf oben ist. Daneben hatte ich ziemlich viele
Freiheiten. Ich konnte meine Tonabnehmer drauf tun,
obwohl sie eigentlich billigere verwenden wollten. Auch
sonst konnte ich die Gitarre wirklich so modulieren, wie
ich sie auch spiele. Es ist nicht nur ein Marketing-Gag.
Gleichzeitig wollte ich sie auch nicht zu teuer machen.
Deswegen verdiene ich auch nicht so viel daran. Sie
sagten mir, ich könnte viel mehr Kohle machen, wenn ich
die Gitarre für 1200 $ verkaufe, aber ich finde, für 700
$ inklusive Koffer bekommt man wirklich viel für sein
Geld. Dann sagten sie: «Du solltest auch noch ein
billigeres Modell machen». Dave Mustaine hat so eins
gemacht. Ich nahm also so ein Ding in die Hand und sagte
sofort: «Auf sowas kommt mein Name auf keinen Fall
drauf!» Ich meine, er hat 2000 Gitarren oder so
verkauft. Das ist eine Menge Kohle, aber ich kann mir
nicht vorstellen, meinen Namen für ein Billigprodukt
herzugeben. Ich will meine Signature-Gitarre ja auch
selber spielen und nicht einfach dran verdienen.
MF: Was uns natürlich interessiert: Wie weit bist du
mit dem neuen Testament-Material?
EP: Es gibt eigentlich noch gar keine ganzen Songs
bisher, sondern einfach viele Ideen. Ich bin froh
darüber, dass wir im Moment ohne Stress an neuen Ideen
arbeiten können. Um ehrlich zu sein: Wir haben ein neues
Studio, komplett umgebaut, mit neuem, fantastischem
Equipment und wir verbringen viel Zeit damit, dort
auszuprobieren. Dadurch, glaube ich, erhalten wir auch
wieder neue Einflüsse und Ideen.
MF: Kannst du uns schon ein wenig mehr über diese
Ideen erzählen? In welche Richtung geht das Ganze?
EP: It's gonna be more! The most, hahaha... Nein, ich
denke, es wird noch härter, schwerer sein. Was ich gerne
machen würde, was ich mir vorstelle: Ich will mehr
Thrash-Songs im Stil von «The Formation Of Damnation»,
dem Titeltrack der letzten Scheibe. Nicht nur solche
Nummern, sondern drei, vier vielleicht. Und etwas, was
wir schon lange nicht mehr gemacht haben, wird sein,
dass wir einen langsamen Songs aufnehmen wie «The
Legacy» oder «Trail Of Tears» von «Low» (1994). Ich hab
einen neuen solchen Track geschrieben und find ihn 'killer'.
Ich denke, dass ist einer der besseren Songs. Die Nummer
wird clean und melancholisch beginnen, nach dem härteren
Refrain aber nicht wieder zurück ins Cleane gehen,
sondern hart bleiben, ähnlich vielleicht wie in «The
Ballad».
MF: Habt ihr schon ein Veröffentlichungsdatum im Auge
oder ist das noch zu früh?
EP: Wohl zu früh! Wenn alles gut läuft, dann wird die
Scheibe wohl im Mai oder Juni rauskommen.
MF: 2010?
EP: Ja, ich denke schon. Nach all dieser Zeit haben wir
alle noch viele Ideen übrig, die wir irgendwie einfach
noch nicht veröffentlichen konnten. Ich werde sicherlich
auch alte Tapes nochmal durchhören, da ich eben noch
viel Rohmaterial zuhause habe. Ich denke, «The Formation
Of Damnation» ist eine Vorbereitung auf die nächste
Platte. Wer diese Scheibe mochte, der wird unser
nächstes Album garantiert lieben!
MF: Naja, die Wartezeit bis dahin hält sich ja noch
in Grenzen.
EP: Yeah... Ich denke, wir haben unsre Fans neun Jahre
auf «Formation Of Damnation», auf ein neues Album warten
lassen. Das reicht wohl, hahaha...
MF: Stimmt... Welche Pläne haben Testament sonst noch
für die nähere Zukunft? Wie sieht der Masterplan aus?
EP: Was ich persönlich denke: Wenn wir so erfolgreich
sein wollen, wie wir jetzt sind, in diesem bescheidenen
Mass, dann müssen wir einfach so weitermachen, wie wir
es die letzten beiden Jahre getan haben. Wir werden
möglichst viel spielen, an möglichst vielen Orten,
möglichst viele Festivals. Dann werden wir wohl so
weitermachen können. Falls wir dabei super-erfolgreich
werden - cool! Ich mein, man weiss nie... Es braucht
eine Nummer und du hast es vielleicht geschafft.
Vielleicht können wir eine neue Version von «You've Got
Another Thing Coming» schreiben oder so. Obwohl ich
nicht weiss, ob ich das überhaupt will. Bei Testament
ging und geht es immer um das ganze Album. Viele alte
Bands, die hatten einfach einen saustarken Song und das
Album als Ganzes konnte oft nicht völlig überzeugen.
MF: Werdet ihr in der nächsten Zeit auch wieder auf
Tour gehen?
EP: Im September, denke ich, werden wir Südamerika und
Japan bereisen und ich denke, obwohl das eigentlich noch
nicht spruchreif ist, dass wir in Japan eine DVD
aufnehmen werden. Diese wird dann wohl passend zu
Weihnachten in den Regalen stehen. Das wird cool! Von
Oktober an bis Februar werden wir aber nichts anderes
machen als Musik schreiben und Aufnehmen.
MF: Kommen wir also zur letzten Frage, die ich immer
stelle: Wo wirst du und/oder Testament in 10 Jahren
stehen?
EP: Vermutlich werde ich genau dort drüben stehen (zeigt
mit seinem Finger einen Meter von sich auf den Boden),
hahaha. Nein, ich denke, wir werden das tun, was wir
jetzt tun, denn es ist das, was wir lieben und ganz
ehrlich: es ist das einzige, was ich wirklich kann. Ich
weiss nicht wirklich. Gerade jetzt vergeht die Zeit so
verdammt schnell! Als du vorher gesagt hast, dass ich
das Ganze schon seit 26 Jahren mache, da überlegte ich
schnell und fand dann raus: «Yeah, verdammt nochmal! Das
stimmt!». Dieses Vierteljahrhundert war so schnell
vorbei, also sollte ich die 10 Jahre, die jetzt kommen
werden, gar nicht wirklich mitkriegen. 10 Jahre, das
sind etwa zwei, vielleicht drei Alben.
MF: Hoffentlich drei bis vier neue Scheiben!
EP: Naja, von Album zu Album dauert es schon etwa drei
Jahre. Du bringst die Scheibe raus, dann tourst du ein,
eineinhalb Jahre lang und dann gehst du wieder ins
Studio. Ja, vielleicht zweieinhalb Jahre...
MF: Hoffen wir einfach, dass noch möglichst viele
Testament-Alben kommen werden. Eric, Danke, dass du dir
soviel Zeit genommen hast.
EP: Thanks man! Ich hoffe, du kannst etwas von meinem
Geschwafel brauchen!
|
|
|