Soilwork bleibt das
grosse Kind.
Es kommt in den letzten Jahren immer seltener vor,
dass man eine neue Band entdeckt, die einen völlig
weghaut! Bei meiner Wenigkeit ist das aber letztes Jahr
mit The Night Flight Orchestra geschehen. Die Band aus
Schweden, die in den Anfängen als Projekt von Sänger
Björn Strid (Soilwork) und Sharlee d'Angelo (Arch Enemy)
galt, hatte mit dem Debüt «Internal Affairs» (2012) und
dem Nachfolger «Skyline Whispers» (2015) bereits zwei
Alben am Start, die zunächst jedoch kaum bis gar nicht
beachtet wurden. Erst mit dem letztjährigen Sahnestück
«Amber Galactic» und Nuclear Blast im Rücken ging die
Post ab, und wie! Die Fans waren entzückt und TNFO ob
dem spürbaren Interesse überrascht wie angespornt
zugleich. Der Auftritt am "Rock Hard Festival 2017"
öffnete weitere Türen, und die abgefeierte Kurz-Tour im
Winter, inklusive erstem Hammer-Konzert in der Schweiz,
ebnete den Weg zum Erfolg. Im Interview mit Frontmann
Björn Strid, der mich per Skype aus seiner Heimat
anrief, erfahrt Ihr nun einiges zum brandneuen Album
«Sometimes The World Ain't Enough» und dem Frust zum
"Sweden Rock Festival".
Bevor ich mit dem
Interview überhaupt erst anfing, musste ich einfach
gleich mit der Tür ins Haus fallen und Björn zu diesem
absolut denkwürdigen Konzert in Zürich befragen. Er
meinte dann, dass dies in Anbetracht der kleinen
Location (Werk 21 im Dynamo) wirklich eine spezielle wie
sehr intime Show gewesen sei. Die Vibes waren
elektrisierend und alle hatten einen Riesenspass. Auf
meine Frage, ob auf der folgenden Tour (Termin Zürich:
08.12.2018) wieder der gleiche Mischer mit dabei sein
werde, antwortete Björn "ja, das ist der Plan".
Angesprochen auf die Mini-Tour und die Reaktionen
darauf, gab Mr. Strid zu Protokoll, dass es eigentlich
überall sehr gut lief und es vor allem in Köln, vor gut
400 Leuten, der absolute Wahnsinn war. Der letzte Gig
der Tour fand am 22.12.2017 in Göteborg statt, war
ausverkauft und richtig crazy. Vor der Tour wussten sie
nicht, was sie erwarte, seien aber als Band einfach
unbekümmert aufgetreten.
MF: Gab es für euch
spürbaren Druck, nachdem ihr mit «Amber Galactic» ein
derart brillantes Juwel rausgehauen habt?
Björn: Nun, wir verspürten schon einen gewissen Druck,
aber wir befanden uns inspiriert in einem guten Flow und
machten uns deshalb keine Sorgen. Wir sind eine von den
Bands, die nie die Umgebung eines Studios verlassen. Wir
setzen uns nicht hin, beschliessen und sagen "ok, es ist
jetzt Zeit ein neues Album zu schreiben". So arbeiten
wir nicht, da wir immer vorwärts schauen. Nach dem
Release von «Amber Galactic» machten wir umgehend
weiter, hielten Aufnahme-Sessions ab, wie immer schon.
Da wir zwei Produzenten in der Band haben, ist es eine
konstante Angelegenheit in den Studios. Wir können da
jederzeit rein, was natürlich eine tolle Sache ist. Wenn
wir zusammen sind, wird zudem gekocht, getrunken und wir
nehmen Songs auf. Letztlich war der Druck nicht wirklich
gross, höchstens gesundmachend auf eine Art. Wir
wussten, dass wir eine Menge gutes Material beisammen
hatten. Nach dem Sommer waren es vierzig Songs. Die
kämmten wir durch und dachten bald "wow, es hat genug
Gutes darunter, um ein richtig tolles Album mit einem
starken Flow aufzunehmen, was für uns ganz entscheidend
ist. Wir wollen nicht einfach etwas am Start haben, dass
bloss Gegenstand für eine Tour bietet. Das kann nie ein
Grund sein. Jetzt, ein Jahr später, machte es Sinn für
uns und das Label.
MF: Auf Facebook war zu lesen, dass der Song
«This Time» schon vor «Amber Galactic geschrieben wurde.
Warum wart ihr sicher (und hattet recht dabei!), den für
ein kommendes Album zu verwenden?
Björn: Das geht darauf zurück, dass wir so zu sagen
einen Tresorraum voll mit Songs besitzen. Manchmal
lassen wir diese dort liegen und schnappen sie nach
einer Weile wieder auf. Als «This Time» entstand,
respektive Teile davon aufge-nommen wurden, passte es
irgendwie nicht für «Amber Galactic». Danach griffen wir
dieses Material wieder auf, arrangierten ein wenig um,
fügten was dazu. Es geht hier nicht um eine
Restenverwertung, sondern wir schauen zurück, greifen
was auf, schreiben Neues und achten stets darauf, dass
hierbei der erwähnte Flow gefunden wird.
MF: Ich habe mir bezüglich der zwei Bonus-Tracks die
japanische Ausgabe des neuen Albums geordert. Ich denke,
beide Zugaben sind ebenso Killer und keine Filler,
oder?!
Björn: Jaaa, das sind
fantastische Songs! «Marjorie», einer von denen, gehört
zu meinen Favoriten und ist wohl der britischste Song,
den wir je geschrieben haben. Du wirst das verstehen,
sobald du ihn dir anhörst. Er hört sich an wie...,
schwierig zu sagen..., nach Ian Hunter, E.L.O. und
Queen. Ein toller Song, und ich denke, dass du nicht
enttäuscht sein wirst.
MF: Letztes Jahr habt ihr diese Euro
Mini-Tour gespielt. Wart ihr zu dem Zeitpunkt überrascht
über die Resonanz der Fans und der Musikpresse?!
Björn: Ich war sehr überrascht, vor allem auch darüber,
dass die Leute offenbar auch die älteren Songs kannten!
Ich meine, die ersten beiden Alben liefen ja eher unter
dem Radar durch, obwohl es auch dort gute Songs darunter
hat. Was etwas fehlt, ist der Flow, den «Amber Galactic»
auszeichnet. Überraschend war ausserdem, dass einige
Fans sogar die Texte kannten, und diese Reaktionen habe
ich echt nicht erwartet. Dazu kommt noch was anderes und
zwar, dass wir ein Publikum an unseren Konzerten
zusammenbringen konnten, das normalerweise nicht
miteinander an die gleichen Shows geht. Somit war das
ein richtig gut durchmischter Haufen, und auch wenn das
jetzt etwas überheblich klingt, wir vereinigen unsere
Konzertbesucher!
MF: Das diesjährige
Konzert wird ja am gleichen Standort stattfinden wie
letztes Jahr...
Björn: ...ja..., und ich
nehme an, dass es im gleichen Raum sein wird, wobei das
wissen wir noch nicht.
MF: Oben ist ja
der grössere Saal...
Björn: ...ich
vermute..., wir werden es sehen.
MF: Lass
uns zum neuen Album zurückkehren. Steckt eine Art
Drehbuch hinter den verwendeten Songs, da sie ähnlich
wie die von «Amber Galactic» klingen, sprich es gibt
wiederum einen schnellen Opener, rockige Tracks und
natürlich einen weiteren Disco-Song.
Björn: Ich denke, dass sich auf «Sometimes The World
Ain't Enough» mehr tanzbare Songs befinden, und daran
ist nichts Falsches. Dann mehr Perkussion..., ich weiss
nicht, ob dir das aufgefallen ist. Das ist etwas, was
heraus sticht, denn es gibt nicht viele Classic Rock
Bands wie Queen, wo man das hört. Insgesamt sprechen wir
thematisch jedoch schon vom Gleichen, obwohl es auch von
der Keyboardseite her mehr Einflüsse gibt. Die Anleihen
der 70er wurden zugunsten keyboardlastiger 80er spürbar
reduziert, und dies begründet hiermit gewisse
Unterschiede zu «Amber Galactic».
MF: Auf
dem Album «Skyline Whispers» steht der Longtrack «The
Heather Reports», und nun kommt «The Last Of The
Independent Romantics». Ist die ähnlich lange Spieldauer
Zufall?
Björn: Ja..., nun..., sowas
planen wir nicht wirklich im Voraus. David (Andersson, g
- MF), ist jeweils zuständig für diese epischen Songs
auf den Alben und dieser Song haut ebenso voll rein. Ich
erinnere mich noch, als er mir das Demo schickte. Nach
nur zehn Sekunden brach ich ab und sagte "stop, stop
stop! Danke, dass Du mir die besten Gitarrenmelodien
seit «Local Hero» von Mark Knopfler lieferst!" Das war
für mich als Kind einer der grössten Songs, der mich
tröstete, zum Einschlafen und so weiter. Und «The Last
Of...» schafft eine Brücke zurück in meine Kindheit und
nimmt einen definitiv mit auf eine Reise. Wenn du
denkst, du weisst, was jetzt folgt, dann hörst du dir
das Album an, und dann kommt dieser Song. Er wühlt dein
Leben auf und wenn er zu Ende ist, fragst du dich, was
zum Teufel ist jetzt geschehen?! Und wir lieben es,
damit aufzutrumpfen.
MF:
Werdet ihr den Track auch live bringen?
Björn: Ahhh..., das ist eine sehr gute Frage! Also, ich
würde schon gerne, aber es kommt darauf an..., ob es
grundsätzlich passt und wir die Leute damit nicht
langweilen, aber ich denke nicht, und wie gesagt, ich
würde ihn gerne bringen.
MF: Letztes Jahr
habt ihr «The Heather Reports» ja gespielt, und das war
einfach das Grösste, nichts anderes...
Björn: ...schön zu hören.
MF: Heuer
werdet ihr bestimmt mehr Konzerte geben, aber warum
nicht beim "Sweden Rock Festival"?!
Björn: Das ist nun eine sehr sehr gute Frage! Und die
habe mir selber auch gestellt, eine Million Mal in den
letzten zwei Monaten. Ich weiss es wirklich nicht...,
echt nicht. Wir hatten das Nr. 5-Album des Jahres im
"Sweden Rock Magazine", wir gewannen den "Soundcheck",
als «Amber Galactic» veröffentlicht wurde und doch
befand man irgendwie, dass wir da nicht wirklich
reinpassen würden, keine Ahnung. Ich denke, es hätte
eine Menge Leute gegeben, die uns liebend gerne gesehen
und gehört hätten. (Räuspert sich lautstark) - Ich bin
genauso frustriert wie du es bist! Vielleicht nächstes
Jahr, wir werden sehen. Wäre das Album früher
erschienen, hätte es womöglich geklappt und wäre eine
andere Geschichte geworden, denn wir waren zudem für den
schwedischen Grammy nominiert. Ich habe wirklich keine
Ahnung, wo das Problem lag.
MF: The Night
Flight Orchestra wurden 2007 gegründet und das
Debüt-Album «Internal Affairs» 2012 veröffentlicht, mehr
oder weniger ignoriert von der Öffentlichkeit. Was war
der Hauptgrund, dass ihr als Band dennoch weitergemacht
habt?
Björn: Ich denke, dass wir die
Band aus gutem Grund starteten, um Leute anzusprechen,
die ein gegenseitiges Interesse daran hatten, quasi eine
Ära der verlorenen Kunst und eine Zeit des
eigentümlichen Komponierens, Produzierens und Performens
von Songs wieder einzufangen. Wir wollten entsprechend
etwas auf die Beine stellen, das fehlte. Wir fühlten uns
auf einer Mission zu sein und hegten weniger den
Anspruch, einfach eine Band zu gründen sowie riesig zu
werden. Das war nie der Grund dazu. Wir wussten
allerdings bald, dass wir echt was Spezielles geschaffen
hatten, das auch mächtig Spass bereitete und es immer
noch tut. Die Inspiration lodert nach wie vor und die
Energie fliesst zu unserer Freude. Wir werden diese
Mission weiterführen, und es war leicht für uns, dran zu
bleiben. Wir suchten lange und beschwerlich nach einem
Label, denn niemand zeigte Interesse an uns, ausser das
italienische Label (Coroner Records - MF), wofür wir
sehr dankbar sind. Und ja, da sind also nun und ich bin
wirklich glück darüber, dass die Leute darauf abfahren,
denn wir möchten das mit der Welt da draussen teilen,
und es sind wirklich Songs, die verbreitet werden
müssen.
MF: Ein stabiles Line-Up einer
Band bildet meistens die Basis zum Erfolg. Was hält euch
bis heute zusammen?
Björn: Eine
wunderbare Freundschaft, und wir mögen es, zusammen zu
sein. Das ist ja auch einer der Gründe, warum wir nie
mit dem Schreiben von Musik aufhören, weil wir nicht
lange voneinander getrennt sein können. Es ist stets ein
Erlebnis, wenn wir zum Beispiel sagen, ob wir nicht
dieses Wochenende wieder ins Studio gehen wollen, und
jeder ist jeweils so begeistert darüber. Es geht auch um
die musikalische wie persönliche Chemie, die stimmt. Da
steckt wirklich etwas Spezielles dahinter, und wir
kommunizieren durch unsere Musik, wie es für jeden von
uns etwas Besonderes ist.
MF: «The Ride Majestic» ist das zuletzt veröffentlichte
Album von Soilwork aus dem Jahr 2015. Was bedeutet das
für die Zukunft beider Bands, wenn ihr mit TNFO die Welt
erobern werdet?
Björn: Soilwork bedeuten
mir sehr viel und ich befinde mich, musikalisch
ausbalanciert, in einer "ying-yang" Situation, im Sinne
dass ich beide Bands brauche. Dadurch werde ich stark
als die Person repräsentiert, die ich bin. Gott sei Dank
haben wir die gleichen Booking Agenten, denn sonst würde
das zu einem Desaster führen. Ich weiss wirklich nicht
genau, was passieren wird, aber das neue Soilwork-Album
ist eingespielt und wird gegen Ende dieses Jahres oder
anfangs 2019 heraus kommen. Wir werden das irgendwie
schon hinkriegen.
MF: Dein Herz schlägt
somit für beide Bands?
Björn: Ja, auf
jeden Fall! Soilwork ist halt mein altes Baby, das ich
1996 gestartet habe, und nun sind wir hier..., 22 Jahre
später. Jetzt habe ich TNFO mit einer ganz anderen
Ausdrucksform am Laufen. Beide Gruppen sind letztlich
benötigte Ingredienzen meines Lebens und ich hoffe sehr,
dass wir das weiterhin schaukeln werden.
MF: Für Dich als Musiker und als Privatperson: Was war
früher wichtig, und was ist es heute?
Björn: Während meines Heranwachsens war ich immer bloss
ein Musik-Fan und hegte jedoch keinerlei Träume, mal ein
Musiker zu werden. Ich spielte Eishockey, das war meine
Leidenschaft, und ich war auch ganz gut darin. Mit
fünfzehn, sechszehn Jahren spielte ich um regionale
Meisterschaften. Das mit der Musik ging dann eigentlich
erst richtig los, als ich Musiker wurde, obwohl ich
damals nicht den Plan verfolgte, das auf professionellem
Niveau auszuüben. Die Musik versetzte mir jedoch einen
ähnlichen Kick, wie ich das mit dem Sport erlebt hatte,
und dennoch war es unterschiedlich, aber auf den
gleichen Level. Es entstand ein Drive mit der Musik,
egal ob als Fan oder Musiker, und die Melodien erschufen
immer wohlfühlende Bilder in meinem Kopf, die ich
mochte. Dabei ist es interessant, wie man sich Melodien
quasi ausdenken kann. Ist das nicht schräg? Das
inspirierte mich und heute ist es nicht anders. Stets
von Musik umgeben zu sein, hält einen irgendwie jung.
Das war bei meinen Eltern schon so. Sie besassen eine
Menge toller Scheiben und ich fragte, warum sie sich die
Dinger denn nicht mehr anhören..., und da war ich noch
ein Kind! Die Antwort war "keine Ahnung, wir hören jetzt
Radio." Und ich erwiderte "was tut ihre denn da?" Da
stimmte mich etwas traurig, und so kaufte ihn ihnen
kürzlich, zusammen mit Geschenkgutscheinen für Vinyl
einen neuen Plattenspieler.
MF: Wie cool
ist das denn...
Björn:...yeah!
Und nun musste ich als
Schweizer gegenüber meinem schwedischen Interviewpartner
in Sachen Eishockey natürlich bezüglich der
Eishockey-Weltmeisterschaft auf den Zahn fühlen, wo uns
die Nordländer leider erneut den Meister zeigten. Björn
lobte die Schweizer Nationalmannschaft jedoch und zeigte
sich sehr beeindruckt über deren Leistung. Der Sieg der
Schweden sei zwar eher voraussehbar, aber die Schweizer
klar top gewesen.
MF: Zum Schluss des Interviews: Was möchtest Du unseren
Lesern und den Schweizer Fans von The Night Flight
Orchestra noch mitteilen?
Björn: Zuerst
möchte ich allen danken, die letztes Jahr in Zürich zum
Konzert gekommen sind, es war fantastisch. Alle, die
sich «Amber Galactic» gekrallt haben, werden an
«Sometimes The World Ain't Enough», das am 29. Juni 2018
erschien, bestimmt auch ihre Freude haben. Dann sehen
wir uns im..., ist es November oder Dezember?
MF: Am 8. Dezember 2018 in Zürich...
Björn: ...yesss!
MF: Besten Dank für das
Interview...
Björn: ...ich danke dir für deine Zeit.
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