Tinta Leal haben soeben ihr vielbeachtetes erstes Album auf den
Markt gebracht. Warum es Sinn macht ein Album in Eigenregie unter
die Leute zu bringen, und warum astreiner Hardcore dem Deathwalzer
von Requiem weichen musste, verrät uns Tinta Leal Mastermind und
Ex-Requiem Vierseiter / Grunzer im Interview mit Metal Factory.
MF: Zum Einstieg eine Huhn-oder-Ei Frage, was war zuerst, die
Entscheidung bei Requiem auszusteigen, oder sich an einem eigenen
Projekt zu wagen?
Ralf: Die Idee etwas Eigenes zu erschaffen bzw. aus dem Nichts
etwas aufzubauen begleitete mich schon recht lange, wobei ich ja in
den letzten 7-8 Jahren auch immer mal wieder an diversen
unterschiedlichen Projekten in der Schweiz und Deutschland beteiligt
war. Während dieser ganzen Zeit bei Requiem spielte ich teilweise ja
auch noch in anderen Bands gleichzeitig. Aber der Wunsch und der
letztendliche Anstoss, endlich mal was Eigenes zu machen, war schon
einige Zeit vor meiner Entscheidung bei Requiem auszusteigen in
meinem Kopf.
MF: Tinta Leal sind eine intereuropäische Band mit Mitgliedern aus
verschiedenen Ländern, wie probt man bei so grossen Distanzen?
Ralf: Nun ja, also ich würde Tinta Leal eher als multinationale
Band bezeichnen. Immerhin sind Leute mit Spanischer-, Deutscher-,
Kroatischer- und auch Schweizer Nationalität mit dabei, was aber für
das Proben überhaupt nicht relevant ist. Wir haben in etwa einen
Altersdurchschnitt von um die 40. Von daher proben wir sowieso nicht
regelmässig zwei-oder dreimal die Woche, was man eventuell noch mit
Mitte 20 gemacht hätte. Jedenfalls wohnen alle momentan mehr oder
weniger in der näheren Umgebung. Zudem spielen José (Guitars) und
Steve (Drums) noch in diversen bekannteren (u.a. Gurd) und auch
unbekannteren Bands hier in der Nähe. Westi (Bass) spielte jahrelang
in Deutschland in Bands (Guerilla, Contradiction) und aber auch in
Zürich (Vale Tudo). Tom Kuzmic (Guitars) war im Studio als Gast
tatkräftig mit dabei und spielt bekanntlich ja hauptamtlich bei
Cataract. Gemeinsames Proben vor Live Shows oder Studioaufnahmen ist
somit gar kein Problem.
MF: "Take Control!" spritzt nur so vor frische und Unbekümmertheit,
woher kommt das?
Ralf: Das höre ich in letzter Zeit immer wieder, was uns
natürlich sehr freut, dass dies so rüber kommt. Wir bzw. ich wollte
da etwas machen, was durch und durch authentisch, echt, rotzig,
räudig und ehrlich sein sollte. Es hatten sich zudem auch viele
Themen bei mir angesammelt in den letzten Jahren, welche ich so noch
verarbeiten konnte. Die Wut im Bauch war da und angepisst genug war
ich auch bei den Aufnahmen. Sterile Sounds und Technik spielten
absolut keine Rolle. Uns ging es darum dieses Feeling auf der Platte
rüber zu bringen, was V.O. Pulver (Gurd) in seinem Little Creek
Studio auf eine phantastische Weise eingefangen hat. Musikalisch
müssen wir da nix mehr beweisen, von daher ist uns das schon mal
völlig egal. Ein weiterer Grund, warum alles so frisch rüberkommt
evtl. ist die Tatsache, dass ich mit überhaupt keinen Erwartungen an
die Sache heran gegangen bin. Musik machen für mich ist in erster
Linie Spass zu haben, kreativ zu sein und eine positive Message
rüber zu bringen (für diejenigen, welche es interessiert). Das
Streben nach einer Art von hohlem, bedeutungslosem, nichtsagendem
Erfolg habe ich, bzw. da kann ich für uns alle sprechen, schon vor
einigen Jahren vollständig abgelegt zum Glück. Von daher vermutlich
die Unbekümmertheit, welche man wohl so den Song anhört.
MF: Mit Tinta Leal verabschiedest du dich vom Death Metal und
spielst HC in Reinkultur, ist HC deine heimliche Liebe?
Ralf: Heimlich ist bzw. war diese „Liebe“ nie. Das ist eher die
Musik, welche mich als Kiddie/Jugendlicher sehr stark und vielleicht
sogar am Meisten geprägt hat. Ich habe Mitte/Ende der 80er einen
grossen Teil meiner Freizeit im örtlichen autonomen Jugendzentrum
verbracht und konnte so Konzerte von Bands wie Poison Idea,
Negazione, Mucky Pup, Exploited usw. miterleben, was mich damals wie
auch heute noch begeistert. Klar habe ich die Entstehung und
Entwicklung des Death Metal auch hautnah miterlebt und schätze dies
immer noch. Dennoch gab es die ganze Zeit immer eine Koexistenz von
Metal/HC und Punk auf meinem privaten Plattenteller mit u.a. D.R.I.,
Cro-Mags, Black Flag, Negative Approach, GBH, SSD, Verbal Abuse,
S.O.I.A. usw. HC/Punk hat mich also immer über all die Jahre fast
täglich begleitet und somit ist dieser musikalische Weg jetzt für
mich persönlich völlig natürlich. Anscheinend geht das aber auch
vielen anderen so, dass sie im Laufe des Älterwerdens, sich wieder
ihrer Wurzeln voll bewusst werden und auch selbst als Musiker diesem
Weg dann folgen.
MF: Mit Tinte Leal gehst du den kompletten D.I.Y Weg, was sind die
Vorteile?
Ralf: Unabhängigkeit ist sicherlich der grösste Vorteil
überhaupt. Wir haben keinerlei Verträge unterschrieben. Sämtliche
Vertriebs-Kooperationen für die Schweiz bzw. Europa z.B. sind per
Handschlag und mündlichen Abmachungen entstanden, mit guten,
erfahrenen, ehrlichen Personen, welche ich schon seit Jahren kenne.
Erfahrungsgemäss investieren die meisten Firmen unter dem Strich
sowieso sehr wenig in eine Underground-Band. Ausnahmen sind da eher
sehr rar. Am Ende bezahlen die meisten Bands sowieso alles selbst,
also damit meine ich den Studioaufenthalt, etwaige Promo usw. Also
warum sollte es mir dann irgendwie wichtig sein, dass auf der Platte
ein Logo eines Labels drauf ist.
Promotion und Marketing ist zu dem aus meiner Sicht auch nur dann
wirklich effizient, wenn die ausführenden Leute wirklich hinter
Deiner Musik stehen und authentisch bzw. sich ehrlich dafür
einsetzen. Dies ist ebenso recht selten, dass man es mit
entsprechenden Leuten zu tun hat. Auch hier macht es für mich
demnach mehr Sinn dies selbst zu erledigen. Der Nachteil ist
vielleicht, dass es natürlich unheimlich viel Arbeit ist und das
Budget nicht sehr gross ist. Wobei das Budget bei einem Label auch
nicht viel grösser ist meistens. Und was den erhöhten Arbeitsaufwand
angeht, nehme ich das sehr gerne in Kauf, wenn ich mich dann
aufgrund dessen nicht mit irgendwelchen „Möchtegern“-Geschäftsleuten
rumärgern muss. Eine Kooperation mit einem ehrlichen Label, für z.B.
eine coole Liebhaber- Vinylproduktion schliesse ich dennoch nicht
aus, sofern es keine Verträge gibt und wir die Leute persönlich
kennen. Und wenn nicht, dann halt nicht.
MF: Euer Debut hat durchwegs positive Kritiken bekommen, ist trotzt
D.I.Y mit einer "grösseren" Tour zu rechnen?
Ralf: Die Rückmeldungen waren wirklich sehr überraschend für
uns. Damit hatten wir nicht gerechnet. Vor allem nicht, dass sich
auch grössere Metal- Printmagazine wie Legacy und Rock Hard
plötzlich für uns interessierten. Aktuell sind wir dabei Shows für
Herbst/Winter dieses Jahr zu buchen. Dabei werden vor allem einige
Shows/Wochenenden in Deutschland sein. Zudem hier in der
Deutschschweiz und aber auch in der Region Lausanne, Genf u.a.
Geplant sind darüber hinaus ein paar Kurztrips mit 3-4 Shows am
Stück in Portugal, Spanien und BeNeLux für 2014. Eine grössere Tour
ist jedenfalls nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen. Wir
lassen das Alles auf uns zu kommen und entscheiden je nach
Möglichkeit, Chance bzw. Situation was wir dann machen werden. Zudem
spielen die anderen ja auch noch zum Teil in anderen Bands, von
daher kommt es immer mal wieder darauf an, ob sich das Alles unter
einen Hut bringen lässt.
MF: Widmest du dich in Zukunft anderen Projekten, oder steht der
Fokus momentan komplett auf Tinta Leal?
Ralf: Jetzt aktuell hat Tinta Leal sicherlich Priorität. Wir
haben einige neue Songs bereits fertig und werden dieses Jahr noch
eine EP aufnehmen, mit dem Ziel dies dann auf Vinyl und digital zu
veröffentlichen. Allerdings habe ich noch zwei andere Projekte
nebenher am Laufen, bei welchen ich aber ausschliesslich als
einerseits als Bassist bzw. als Texter und „Schreihals“ beteiligt
bin. Das sind Kollaborationen mit langjährigen Freunden, welchen ich
dabei helfe ihre eigenen kreativen Wünsche umzusetzen. Nummer 1 ist
aber für mich aktuell sicherlich TINTA LEAL.
MF: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit Tinta Leal!
Ralf: Vielen Dank Steve für den Support! Alles Gute, bleibt
gesund und geniesst Euer Leben. Saludos & Cheers
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