Keiner schreit mehr
nach Songs von Accept.
Es gab kaum Ruhe bei Udo Dirkschneider und seiner
Band. Zuerst verliess der Finne Kasperi Heikkinen die
Band, um sich mit Beast In Black in die Herzen der
jungen Fans zu spielen. Mit Bill Hudson präsentierte
sich ein sicherlich toller Gitarrist, der aber bald aus
der Band U.D.O. geschmissen wurde. – Der ehemalige
U.D.O.-Gitarrist Stefan Kaufmann half kurzfristig bei
den anstehenden Festivals aus. – Mit Fabian "Dee"
Dammers (kam von The Treatment) wurde ein neuer Mann
gefunden. Davor sass Udo zusammen mit Gitarrist Andrey
Smirnov, Bassist Fitty Wienhold und seinem Sohn Sven
(Schlagzeug) im Studio, um das neue Meisterwerk
«Steelfactory» einzutüten. Kurz nach der
Veröffentlichung stieg Fitty nach über zwanzig Jahren aus.
Mit Tilen Hudrap wurde ein Ersatz gefunden, der seine
Sporen bei Vicious Rumors, Pestilence und Paradox
abverdient hat. Als alles dann endlich wieder seinen normalen
Gang nehmen konnte, bekam Udo starke Schmerzen im Knie.
Unzählige Untersuche und der Befund einer Infektion,
hielten Herr Dirkschneider aber nicht davon ab auf Tour
zu gehen.
MF: War es für dich ein Thema, die
Tour zu canceln oder zumindest Konzerte zu verschieben?
Udo: Ich sags mal so (grinst).
Normalerweise müsste man die Tour absagen. Dies dann
aber so kurzfristig zu machen und ein Chaos auszulösen…
Ich lag ja auch nicht im Krankenhaus (grinst). Alles ist
gecheckt und ich habs untersuchen lassen. Es geht von
Tag zu Tag besser. Auch wenn gewisse Dinge nicht so
locker zu bewältigen sind wie sonst (grinst). Da muss
man sich ein bisschen runter schrauben, aber es
funktioniert alles ganz gut.
MF: Das
Engagement von Bill Hudson war relativ kurz…
Udo: …JA!
MF: Wenn ich mich ans letzte
Interview erinnere, hattest du nur lobende Worte über
den Gitarristen.
Udo: Stimmt, danach
haben wir aber auch länger getourt, und so lernt man
Menschen richtig kennen. Ich will nicht böse sein, aber
er ist ein Egomane und eine Bill Hudson-Show wollte ich
nicht haben. Er war nicht teamfähig. Das war das
Problem. Speziell auch, als wir mit den Arbeiten zu
«Steelfactory» starteten, sind Sachen passiert… Lassen
wir dies mal unkommentiert (grinst). Ich war da ein
bisschen stinkig, da er versuchte sich mit Ausflüchten
raus zu reden und ich merkte, dass er an einem eigenen
Projekt arbeitete. Unbestritten, er ist ein guter
Gitarrist, aber als Mensch in dieser Band, passt das
überhaupt nicht. Auch Andrey war mit ihm nicht unbedingt
glücklich.
MF: Wie schwer ist es heute, neue Musiker in eine gut
funktionierende Band zu integrieren?
Udo: Nachdem Bill raus war, riefen wir Stefan Kaufmann
an (lacht) und fragten: "Sag mal, kannst du uns
aushelfen, wir spielen mit Dirkschneider noch ein paar
Festivals und die möchten wir nicht absagen". Da wir da
nur Accept-Songs spielten, war das für ihn nicht ein
grosses Problem. So hatte ich Zeit, einen neuen
Gitarristen zu suchen. Solche gab es viele (grinst). Wir
suchten aber einen eher Unbekannten im Business. Keinen,
der schon Starallüren besitzt. Fabian… Ich kann das gar
nicht sagen. Wir hatten eine Audition, und das hat
irgendwie von Beginn weg gepasst. Das merkt man
irgendwie. Andrey und er harmonieren toll zusammen. Das
hat in der Form damals mit Kaspari nicht stattgefunden.
Nur ein Satz von Kaspari: "Meine Songs verändert
niemand!", das sagt schon viel aus. Andrey und Fabian
arbeiten wirklich zusammen, und das freut mich für ihn.
Fabian weist dieses Junge, Unbekümmerte auf, sagt auch mal
seine Meinung, aber auf eine gute Art. Tilen war der
Letzte, der sich vorstellte (lacht). Es hat
zusammen gefunden, was zusammen gehört. Die jungen Leute
reden anders miteinander. Fabian zum Beispiel, mit den
ganzen technischen Sachen, wie Social Media… Da lerne
ich jeden Tag was Neues (grinst). Es ist einfach eine
tolle Atmosphäre im Moment. Aber sind wir ehrlich. Im
Endeffekt weisst du nie, wohin es führt. Ich sprach mit
einigen Leuten, welche mich und die Band schon lange
kennen, und alle sind der Meinung, dass dies das Line-Up
ist, welches nach demjenigen zusammen mit Mathias Dieth
am meisten Spass macht.
MF: Wieso hat dich Fitty verlassen?
Udo: Schon in den letzten Jahren war er
nicht mehr der alte Fitty. Er ging immer früh ins Bett
und wollte nicht mehr touren. Das hängt vielleicht auch
mit seiner Familie zusammen?! Irgendwann hat er mich
informiert, dass er keine Lust mehr hat. Das ist nach
über zwanzig Jahren natürlich sehr schade. Da fehlt auch
irgendwas, aber wir sind noch immer gute Freunde. Wenn
was ist, wird er immer an Bord sein.
MF: Ist es für dich schwieriger, wenn
dich ein Musiker wie Fitty verlässt, der über zwanzig Jahre
an deiner Seite war und für die Band eine wichtige
Person war?
Udo: Fitty war ein ganz
wichtiger Bestandteil in der Truppe. Bill Hudson
(lacht)… Das ist schon ein Unterschied! Es war nicht
einfach einen Bassisten zu finden. Mit Tilen haben wir
einen guten Ersatz gefunden. Fitty besuchte uns auf dem
Konzert in Madrid. Er war der Meinung, dass Tilen in die
Truppe passt und es noch besser wird. Seit Madrid hat
sich das Zusammenspiel logischerweise verbessert
(grinst).
MF: Wenn du einen neuen Musiker suchst,
was ist dir wichtiger: Musikalisches Talent oder
Persönlichkeit?
Udo: Beides (lacht). Mir
ist seine Persönlichkeit wichtiger, als wenn er tausend
Noten in drei Sekunden spielt. Klar muss er auch spielen
können. Passen die Musiker nicht zusammen, kannst du
als Band nicht arbeiten, sondern musst als Solokünstler
auftreten. Beim letzten Album sind wir für zwei Wochen
zusammen ins Studio gegangen und haben das neue Werk
eingespielt. Dort haben wir zusammen am gleichen Strick
gezogen, und das Endresultat spricht für sich selber. Das
werden wir garantiert auch beim nächsten Mal so machen.
MF: Peter Baltes ist raus bei Accept
(Udo lacht). Wäre er auch eine Option gewesen, als
Nachfolger für Fitty?
Udo: Nee (lacht). Ich sags mal so… Ich habe wieder
Kontakt zu Peter, der über Michael Wagener entstanden
ist. Sagen wir, ein labiler Kontakt (grinst). Aber!
Peter hat viel zu viel zu tun. Klar (überlegt), das wär
schon eine Sache gewesen, aber ich weiss es nicht… Ob
das wirklich gut gewesen wäre? Nee! Lieber einen losen
Kontakt. Klar kann ich mir vorstellen, dass er uns mal
aushelfen würde. Als festes Bandmitglied… Besser, wir
lassen die alten Sachen ruhen (lacht).
MF: Kam es für dich überraschend, dass er bei Accept
ausgestiegen ist?
Udo: Ja, in einer
gewissen Form war dies schon überraschend. Ich kann mir
vorstellen, dass Sachen vorgefallen sind, welche ihn
dazu bewogen haben aufzuhören. Er und Wolf waren über
die letzten Jahre eigentlich Accept. Da müssen wohl
schon extreme Dinge vorgefallen sein. Was das auch immer
sein mag, ich habe keine Ahnung!
MF: Du hast Wort gehalten als du
verkündet hast, auf dieser Tour keine Accept-Tracks mehr
zu spielen…
Udo: …ja, und das
funktioniert hervorragend.
MF: War es nach dem Erfolg von
Dirkschneider trotzdem schwierig, dich da durch zu ringen?
Udo: Nach knapp drei Jahren in denen wir
nur Accept-Lieder spielten, haben wir uns ganz ehrlich
wieder darauf gefreut, nur U.D.O.-Tracks aufzuführen.
Also, der Rest der Band, der noch übriggeblieben ist
(lacht). Momentan vermisse ich die Accept-Dinger
überhaupt nicht. Bei keiner Show haben die Besucher
angefangen "Heidi-Heido" (Intro zum Accept-Song «Fast As
A Shark») zu singen. Es funktioniert alles hervorragend.
Klar hatte ich meine Bedenken, aber sie waren unnötig
(grinst zufrieden). Das ist auch ein wichtiges Zeichen
für mich. Es kann durchaus sein, dass ich wieder
Accept-Songs spiele, aber dazu muss sich der Nashville-Verein
zuerst auflösen (lacht). Dann bleibt nur noch einer übrig
(lacht). Ja, ich kann mir vorstellen, dass es für den
lieben Wolf gar nicht so einfach werden wird. Ohne
Peter, das kann Hardcore werden. Aber! Das ist alles
nicht mein Bier! Sollten sich Accept auflösen, werde ich
für die Leute, welche diese Lieder hören wollen, auch
ein paar spielen.
MF: Wird es vom zweiten Teil der
Dirkschneider-Tour auch noch eine Live-CD oder
eine DVD geben?
Udo: Nein, leider nicht! Wir
haben ein paar Shows aufgenommen, aber die könnte man
nur stückweise verwenden. Leider!
MF:
Schade, da ich diese Setliste noch um einiges spannender
fand als die erste, weil es eben auch einige
unbekanntere Tracks gab, die ihr gespielt habt.
Udo: Ja, das sehen aber auch einige Leute anders
(grinst). Viele moserten, aber auch viele waren völlig
begeistert. Ehrlich gesagt gefiel mir von der Auswahl
her der zweite Teil auch besser. Da waren Songs dabei,
die ich mit Accept nie spielte. Die haben wunderbar
funktioniert! Weisst du, ich hätte noch eine dritte Tour
spielen können, nochmals mit einer anderen Setliste.
Aber irgendwann kommt der Moment, bei dem es genug ist.
MF: Wie stark stand «Steelfactory» unter
dem Einfluss der beiden Dirkschneider-Tourneen?
Udo: Natürlich hat das neue Werk einen fetten Einfluss
davon getragen. Logisch, wenn du in diesem Accept-Modus
drin bist, wiederspiegelt sich dies auch beim
Songwriting. «Steelfactory» ist aber nicht ein
reinrassiges Accept-Werk geworden, sondern eines mit
einigen Elementen meiner alten Truppe. Die flossen
automatisch ein, und das überraschte mich nicht. Ist aber
gut und fühlt sich wunderbar an.
MF: Wo siehst du «Steelfactory» in der
Geschichte von U.D.O.?
Udo: Ganz weit oben! Da sind viele Sachen dabei… Das
kann man nicht erklären. Aber ich denke, von den Songs
gesehen ist das Album schon toll geworden. Diese
Meinung teilt, glaube ich, auch die Aussenwelt (grinst).
MF: Was war für dich die schwierigste
Zeit?
Udo: Puhh, die schwierigste Zeit?
Als ich das zweite Mal mit U.D.O. am Start war. Das war
bis zum «Holy»-Album reiner Hardcore! «Solid» und «No
Limits» waren eine schwierige Phase. Nach «No Limits»
sind mir zum ersten Mal die Gedanken gekommen, ob ich
dies wirklich durchziehen will. Ich sass mit Stefan
Kaufmann zusammen, und der war der Meinung, dass wir
nicht aufgeben. So, und nun sind wir noch immer da
(lacht). Damals hat es lange gedauert, bis die Leute
akzeptierten, dass U.D.O. wieder am Start ist. Alle
waren da wahrscheinlich der Auffassung, dass ich nur
eine Solo-Scheibe mache, dann erneut mit Accept
durchstarten werde und mein Ausstieg nur ein Promo-Gag
sei. Das wars dann aber nicht (lacht).
MF: Wenn du damals das Handtuch
geschmissen hättest, was wäre aus dir geworden?
Udo: Dann hätte ich das Geschäft meines Vaters
übernommen.
MF: Was war für dich die erfolgreichste
Zeit?
Udo: Ja, da muss ich ganz ehrlich
sagen, dass es die mit Accept war. Von «Breaker» bis
«Russian Roulette». Aber ich erlebte auch eine ganz
erfolgreiche Phase zusammen mit U.D.O., bevor ich dann
die Reunion mit Accept startete. Mit dem Album
«Timebomb» waren wir verdammt gut aufgestellt. Die
Dirkschneider-Geschichte klammern wir jetzt mal raus,
obwohl die sehr erfolgreich war und mich aber sehr
überraschte. Ich rechnete mit vielem, aber nicht, dass
wir drei Jahre damit unterwegs sein würden. Die hat auch
Spass gemacht. Mit U.D.O., seit Andrey dabei ist, sind
wir stetig auf dem aufsteigenden Ast.
MF: Mich hat es nicht überrascht, dass
du drei Jahre mit Dirkschneider unterwegs warst, denn du
bist noch immer die Originalstimme von Accept. Das ist
genau der Faktor, den viele Leute noch immer bei Accept
vermissen.
Udo: Ja, das ist so
(lachend). Eine weitere Reunion wird es mit Sicherheit
nicht geben. So viel Geld kann mir keiner bezahlen. Ich
kann mir vieles vorstellen, aber nicht nochmals zusammen
mit Wolf Hoffmann auf einer Bühne zu stehen. Da sind zu
viele negative Sachen von dieser Seite rüber gekommen.
Ausserdem hassen die mich auf den Tod, das weiss ich aus
dem sehr nahen Umfeld (lacht). Klar, Dirkschneider kann
ich immer wieder machen. Die Türe dazu steht mir offen,
aber die würde ich erst wieder öffnen, wenn bei Accept
der Deckel drauf ist.
MF: Als du mit der Musik begonnen hast,
hattest du Träume, Wünsche, Erwartungen und
Vorstellungen. Was ging in Erfüllung?
Udo: Mein Ziel war, als das ein bisschen konkreter
wurde, in der lautesten und härtesten Band aus
Deutschland zu spielen (lacht). Im Endeffekt habe ich
mich aber entschieden Berufsmusiker zu werden. Dies hat
eine Zeit lang gedauert. Als wir 1979 das erste Album
aufnahmen, war das alles noch auf einem anderen Level.
Mit «Breaker» musste ich mich aber entscheiden, wohin
die Reise gehen soll. Damals haben mich alle für
verrückt erklärt, diesen Schritt zu gehen. "Du kannst
doch bei der Firma deines Vaters arbeiten, das ist doch
alles wunderbar und sicher!" Mit diesem Erfolg habe ich
aber nicht gerechnet. Dass ich in einer Truppe spiele,
die harte und laute Musik macht, das habe ich schnell
hingekriegt. Aber, dass wir dann dermassen durch die
Decke gehen würden, damit habe ich nicht gerechnet. Ich
habe die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt
getroffen und das Richtige zum richtigen Zeitpunkt
gemacht. Wir hatten auch Glück, denn es gibt wirklich
tolle Combos, von denen hast du aber nie was gehört. Die
haben eben nicht die richtigen Leute, zum richtigen
Zeitpunkt getroffen. Heute ist es noch viel schwieriger
geworden, und wenn ich höre, was noch für Gelder bezahlt
werden... "AUA!" Dafür gibt es in der heutigen Zeit
andere Mittel und Wege, die es früher noch nicht gab,
eine Combo zu etablieren. Im Hier und Jetzt brauchst du
ein Konzept. Nimm Powerwolf oder Sabaton. Nimmt man bei
diesen beiden den ganzen Zirkus weg… Die Frage ist
immer, wie lange hält ein solches Konzept? Oder wann
kommt eine andere Band mit etwas anderem? Seien wir aber
ehrlich, es ist heute die einzige Möglichkeit, sich als
Neuling aus der ganzen Masse heraus zu heben. Es ist
nicht einfacher geworden. Die Plattenfirmen treten sich
irgendwann selber in den Hintern, weil die neuen Combos
alles nur noch über die Online-Plattformen verkaufen
werden. Das hab ich den neuen Truppen schon vor drei
Jahren geraten. Macht alles in Eigenregie, sucht jemand,
der euch dabei unterstützen kann, die multimediale
Welt kennt und unterschreibt keinen Plattenvertrag
mehr. Auch wenn das die Plattenfirmen nicht hören
wollen, aber das ist auch egal (lacht).
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Udo: Touren, touren und touren. Dann
sollten wir vielleicht wieder was mit der Bundeswehr
machen (grinst). Da sind Gespräche mit dem Orchester am
Laufen. Vielleicht auch ein Album dazu? Das ist aber
alles noch dunstig (grinst). Sicher auch ein neues
U.D.O.-Album. Aber zuerst einmal diese lange Tour
abschliessen. Sollte sich die andere Truppe aufgelöst
haben, könnten wir wieder Accept-Songs spielen (lautes
Lachen).
MF: Dann wünsche ich die weiterhin gute
Besserung, eine tolle Tour und dass wir dich bald wieder
in der Schweiz sehen.
Udo: Ich danke dir
Martin, und hoffentlich bis bald!
|
|