Die 80er waren unglaublich!
Ob dies nun die letzte Whitesnake-Tour gewesen ist, weiss wohl
nur Bandleader David Coverdale. Was nach der «The Greatest
Hits»-Tour passieren wird, weiss sehr wahrscheinlich der Bandleader
selber nicht. Vor dem ausverkauften Konzert im Z7 hatte ich die
Möglichkeit, zusammen mit Reb Beach (Winger, ehemals Dokken) über die
Band, das Rockstarsein und vergangene Zeiten zu plaudern.
MF: Reb, wird das wirklich die letzte Tour von Whitesnake sein?
Reb: Was David plant, kann ich dir aktuell nicht sagen. Ich
sehe ihn nicht jeden Tag. Sitzt er bei sich zu Hause zu lange rum,
wird er verrückt (lacht) und will wieder raus, um zu singen. Ich
denke nicht, dass mit dieser Tour alles fertig sein wird. Viele
denken, dass diese eine Abschiedstour ist, aber David wird
entscheiden, wie es weiter gehen oder ob sich die Band selber
sprengen wird (lacht). Es gibt sicher Millionen von Ideen, was
passieren könnte. Wir werden es bestimmt erfahren (grinst). Wir
haben viel gespielt in diesem Jahr. Südamerika, Japan, darum schauen
wir, was uns nächstes Jahr alles bringen wird. Diese «The Greatest
Hits»-Tour läuft verdammt gut. Damit weiter zu touren, wäre sicher
nicht die schlechteste Idee. Im Moment… Davids Stimme ist
unglaublich! Er rennt auf der Bühne rum und benimmt sich wie ein
Verrückter, im positiven Sinn, selbst wenn es regnet, spielt ihm das
keine Rolle. David rockt die Hütte und gibt 105 %. Ob es ein neues
Album geben wird, hängt auch von David ab. Ideen sind vorhanden und
wenn die Zeit reif ist und der Plan es zulässt, ist alles möglich.
Es braucht seine Zeit, um ein neues Album zu komponieren. David und
ich sassen zusammen, haben Akkorde, Melodien und Ideen
ausgearbeitet. Das Selbe hat David mit Joel gemacht. Was dabei
heraus kommt, wird man vielleicht einmal hören (grinst). Ich bin nun
dreizehn Jahre bei Whitesnake. Und die beste Zeit, die ich mit der Band
verbringe, sind die Day Offs (lacht). Klar, ein Auftritt auf dem
Wacken Open-Air hat schon was Magisches, wenn man vor 80'000 Leuten
spielt. Auch mit 52 Jahren geniesst man solche Momente noch immer.
Nach dreissig Jahren in diesem Business, wird man nicht alt, wenn man vor
einer solchen Meute spielen kann. Trotzdem haben auch die kleineren
Shows ein unheimliches Flair. Da fühlst du noch richtig die Energie,
welche dir aus dem Publikum zuschwappt.
MF: Was hat sich für dich in all den Jahren verändert?
Reb: Früher wollte ich ein Rockstar sein. Genau gleich wie
all die anderen Studenten an der Gitarrenschule. Ich war hungrig und
wollte wie KISS sein. Als ich nach New York City umzog, hab' ich
nichts anderes gemacht, als stundenlang Gitarre gespielt. Heute, bin
ich nicht mehr hungrig und will auch nie mehr Gitarre spielen
(schallendes Gelächter). Aber ich liebe noch immer was ich mache.
Die wichtigsten Dinge verändern sich, wenn man älter wird.
MF: Hast du dich jemals wie ein Rockstar gefühlt?
Reb: Ja, das war ein paar Mal so. Als Brian May von Queen
bei einem ganzen Konzert von mir zusah oder als ich mit meinen
Helden zusammen jammte. Einer meiner grössten Einflüsse sind Molly
Hatchet. Der Sänger legte bei einem Jam seinen kräftigen Arm um
mich, als ich mit den Jungs «Sweet Home Alabama» spielte und drückte
mir dabei fast das Blut ab. Ich traf einige Male Jimmy Page… Wenn man
mit seinen Helden per du ist, fühlt man sich unschlagbar und als
Star. Ich sah mich aber nie als einen dieser L.A.-Helden, die sich
auch wie Stars kleideten. Ich komme aus Pittsburgh und hänge mit
meinem verwaschenen Hoddis in den Bars ab. Die Leute, die mich
kennen, anerkennen meine Fähigkeiten, müssen mir aber nicht ihre
volle Aufmerksamkeit schenken. Ich bin da ein völlig normaler Typ.
Ich trage mein Haar zusammengebunden und einen Hut auf meinem Kopf.
Ich habe mich nie als einer dieser Rockstars gefühlt. Fragt mich ein
Fan nach einem Autogramm, gebe ich ihm dies gerne und wende mich
nicht wie einer dieser Rockstars ab (lacht).
MF: Nach all den Jahren im Musikbusiness, welches
Fazit ziehst du für dich selber?
Reb (überlegt lange): Oh mein Gott… Niemand kauft heute
mehr eine Platte oder CD. Es ist traurig, was mit dem Musikgeschäft
passierte. Fast schon unheimlich… Es tut mir für all die neuen Bands
leid, die heute versuchen, sich einen Platz im Business zu erkämpfen.
Ich warte auf einen coolen, neuen Gitarrenhelden. Seit Eddie van
Halen warte ich auf einen solchen Typen (lacht), auf ein neues Van
Halen-Kind. Das Problem ist, dass die jungen Leute heute keine
Lieder mehr schreiben können. Das sind alles tolle Gitarristen, die
bedeutend besser spielen als ich und noch besser aussehen. Da sie
aber keine Songs komponieren können, werden sie nie den Sprung aus
der lokalen Szene schaffen. Es ist eine schwierige Zeit geworden für
junge Truppen, und alleine YouTube wird ihnen nicht helfen, sich aus
dem Schatten der Flut befreien zu können.
MF: «Sex, Drugs And Rock'n'Roll»..., ein Klischee oder
das Wahre im Rock-Zirkus?
Reb: Nein, es ist die verdammte Wahrheit und «the real
shit»! Das ist genau, das… was wir tun (lacht). Die Musiker in
meinem Alter haben sich davon gelöst und tun es nicht mehr. Die
meditieren mehr, wie unser Bassist, dessen Körper ein reiner Tempel
ist (grinst). Es gibt viele Drogen, zu viele haben davon gekostet
und es nicht überlebt. Trotz diesem Wissen scheint dies aber viele
nicht davon abzuhalten, sich diesen drei Dingen weiterhin
hinzugeben. Ich genehmige mir heute lieber ein Bier und das reicht
auch.
MF: Waren die 80er-Jahre mit all den grossen Fönfrisuren, den
mächtigen Produktionen und den grossen Bühnenshows schlussendlich
das Todesurteil für den Rock und der Startschuss für den Grunge?
Reb: Ich hasse diese Geschichte (lautes Lachen)! Es hat
mich dazu gebracht, all meine Gitarren und mein Haus zu verkaufen
(grinst). 1993 war ein schreckliches Jahr. Alles brach über Nacht
über uns herein und hat auch Winger das Rückgrat gebrochen. Ich habe
die Truppen mit all den grossen Frisuren geliebt und bin froh, dass
vielen den Weg zurück fanden. Musik ist wie Mode und alles kommt
wieder zurück. Ich hoffe, die 80er kommen zurück, weil ich
weiss, dass viele Leute diese Epoche lieben. Weil die Musik damals
purer Spass und Freude war und der Grunge-Sound nur depressiv
machte. Persönlich mochte ich diesen dunklen Sound nie. Dabei ging
mir die Freude an der Musik verloren.
MF: Was sind für dich die Unterschiede zwischen
Winger, Dokken und Whitesnake?
Reb: Das sind massive Unterschiede. Whitesnake ist eine
alte Blues-Band. Dokken ist direkter Gitarren-Rock, nicht zu
progressiv. «Bang your head with killer guitar solos» Es war
unglaublich bei Dokken zu spielen und hat massiv Spass gemacht!!!
Wir haben vorhin über «Sex, Drugs And Rock'n'Roll» gesprochen… Meine
Güte… Die ganze Zeit waren Mädchen bei uns auf dem Bus. Drogen,
Brüste, dazwischen Schlagzeuger Wild Mick Brown… Das war eine
verrückte Zeit! Eine Flasche Whisky zusammen mit ihm zu vernichten,
war fast Tagesprogramm. Das war eine verdammt lustige Party-Zeit.
Winger war ein völlig anderes Kaliber. Keine Party, kaum jemand
trank Alkohol, ich war der Einzige, der bei Winger trank... Wir
zerstörten keine Hotelzimmer, machten keinen Ärger und waren keine
Bad Boys. Alles war clean, mit einem perfekten Lächeln und perfekt
sitzender Frisur.
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Reb: Das ist eine gute Frage. Vieles hängt von Whitesnake
ab. Keine Ahnung, was alles passieren kann. Winger sind so
freundlich, dass sie darauf warten, meine Zeit beanspruchen zu
können. Sollte David Coverdale sich für einen Moment zurück ziehen,
werde ich meine Zeit Winger widmen. Bin ich bei Whitesnake, vermisse
ich Winger, bin ich bei Winger, vermisse ich Whitesnake (lacht). «The
grass is always greener»
MF: Danke für das Interview
und weiterhin alles Gute!
Reb: Das ist sehr nett von dir, auch dir alles Gute!
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