Y&T oder besser gesagt Yesterday & Today, wie die
Truppe ursprünglich hiess, gehören seit 1974 zu den hart
arbeitenden Rockbands, die sich aber nie mit Lippenstift
und Haarlack fehlendes musikalisches Können retouchieren
mussten. Der singende Gitarrist Dave Meniketti baute
immer auf grundsolide Rhythmen auf, die von zwei
Gitarren mit viel Gefühl und Härte getragen wurden. In
den letzten Jahren war das Quartett immer wieder in den
Konzerthallen Europas anzutreffen. Mit ihren Hits der
Marke «Black Tiger», «Mean Streak», «Hurricane», «Summertime
Girls», «I Believe In You» oder «Eyes Of A Stranger»
markierten sie ihren Stellenwert in der Szene, auch ohne
neuen Output. Dieser liegt nun in Form des
sensationellen «Facemelter»-Werkes vor und überzeugt auf
der ganzen Linie. Wie ein in Töne zusammengefasster
Rückblick der Highlights der Truppe entpuppt sich der
neuste Streich der Amerikaner. Aus diesem Grund musste
ein Gespräch mit Mister Meniketti her. Ein Mensch, der
nach all den Jahren und den unzähligen Trends, die kamen
und gingen, zu den dankbarsten und noch immer
begnadetsten Musikern dieses Erdballes gehört. Einer,
der weiss worauf er sich konzentrieren muss und heute
vieles mit einem Lachen quittiert, was ihn vor 20 Jahren
noch frustrierte.
MF: Zuerst, herzliche Gratulation zu diesem Killer-Werk
Namens «Facemelter». Aber warum hat es so lange
gedauert, bis endlich ein neues Album von euch das Licht
der Welt erblickte?
DM: Okay, das letzte Album veröffentlichten wir 1996.
Die neunziger Jahre waren kein gutes Pflaster für unsere
Art von Musik. Grunge und das andere Zeugs beherrschte
die Presse und Szene. Wir hielten uns mit Shows über
Wasser. Trotzdem verloren wir in dieser Zeit niemals den
Spass und Glauben an unserer Musik. Als wir 2003 unser
Comeback in Europa starteten arbeiteten wir den ganzen
Tag. Viele Dinge veränderten sich, änderten unsere
Attitüde und wir spielten 50 bis 70 Konzerte jedes Jahr
mit jeweils 100 % Hingabe. Das war dann auch der Grund,
dass wir uns sicher waren, dass die Zeit reif für ein
neues Album von uns (Dave, Phil Kennemore, John Nymann,
Mike Vanderhule) ist. Es war Zeit unserer Kreativität
freien Lauf zu lassen (lacht).
MF: Wie lange habt ihr an den neuen Liedern
geschrieben?
DM: Wir waren Januar, Februar und März 2009 am Schreiben
und nochmals im gleichen Zeitraum 2010. So kommen wir
auf gute sechs Monate. Ich denke aber nicht, dass es für
uns einfacher geworden ist, neues Material zu schreiben.
Vielleicht ist der Weg zu einem neuen Lied heute ein
simplerer, da wir mehr auf das achten, was uns
inspiriert zum Schreiben. Bedeutend mehr als in den
Neunziger (lacht). Damals spielten wir nicht so oft.
Heute nehmen wir unsere Vibes der Konzerte als
Inspiration und Gefühl auf. Wahrscheinlich ist «Facemelter»
auch das Resultat der Einflüsse und Erfahrungen aller
vorangegangenen Scheiben. Alle anderen Werke waren ein
Teil von uns. Du kannst dich dem über all die Jahre als
Artist nicht verweigern. Was du in der Vergangenheit
geschrieben hast, ist und bleibt ein Teil dessen, was du
heute bist.
MF: Trotzdem darf man nicht vergessen, dass ihr in
all den vergangenen Jahren viele Konzerte gespielt und
dabei die Sets variieren konntet und immer einen Hit
nach dem anderen zelebriert habt. Brauchen die Fans ein
neues Album, von euch, oder braucht ihr neue Lieder?
DM: Beides. Klar, wir, WIR brauchen ein neues Album
(lacht), wollten dem kreativen Fluss seinen Lauf lassen
und zeigen, was diese vier Musiker in der Lage sind zu
verbrechen (lacht). Allerdings fragten uns auch die Fans
immer wieder nach neuem Material. Darum ist «Facemelter»
für die Anhänger von Y&T und uns selbst entstanden. Es
ist aber schwierig zu sagen, wo ich die neue Scheibe in
unserer Hitstory einordnen würde. Weisst du, ich muss
schon mehr als zehn Jahre zurück schauen, um einen
Vergleich ziehen zu können (lacht). Das neue Werk fühlt
sich wie eines unserer stärksten Alben an. Darum würde
ich «Facemelter» in die Kategorie von «Black Tiger» und
«Mean Streak» stellen.
MF: Kann dann ein neues, weiteres Album ebenso gut
oder besser sein als «Facemelter»?
DM: Well! Das werden wir sehen. Im Moment habe ich keine
Ahnung wie ein weiteres Werk klingen könnte. Ganz zu
schweigen davon, ob die Qualität ebenso gut sein wird.
Weisst du, wie wir schreiben, hängt immer davon ab, was
wir in diesem Moment fühlen. Dieses Mal waren wir so
inspiriert von den letzten fünf bis sechs Jahren, dass
es viel leichter war, neues Material zu komponieren. Wie
es sich beim nächsten Mal anfühlt kann ich dir nicht
sagen. Schon gar nicht, wenn wir mit dem Bewusstsein ins
Studio gehen einen Nachfolger für «Facemelter» zu
schreiben (lacht).
MF: Wie denkst du heute über «Musically Incorrect»
und «Endangered Species», die doch eher untypisch für
euch waren?
DM: Noch immer bin ich der Meinung, dass dies gute Alben
sind. Auch, wenn es für uns sehr untypische und
unterschiedliche Werke sind. Das war damals unser Weg,
um neues Liedgut zu schreiben. In den neunziger Jahren
waren wir alle sehr frustriert. Wir haben jede Halle mit
100 % gerockt. Trotzdem war unser Aussehen und unsere
Musik alles andere als zeitgerecht. Die Presse bestimmte
was in diesen Jahren angesagt war. Musikalisch wie auch
vom Aussehen her. Dieser ganze schmuddelige Sound, und
das dazugehörende Aussehen frustrierte uns. Darum
veröffentlichten wir diese zwei so untypischen Alben für
Y&T. Wir haben immer 100 % für unsere Musik gelebt, egal
ob auf der Bühne oder im Studio. Bei diesen zwei
Scheiben haben wir zu stark verarbeitet, was uns
bedrückte. Somit sind es eigentlich typischen Werke, da
wir immer das verarbeiten, was wir fühlen. Allerdings
geriet dabei der Spassfaktor doch zu stark in den
Hintergrund. Es ist aber schwierig zu sagen, welche
Alben ich am liebsten mag. Jede Scheibe steht für eine
spezielle Zeit unserer Karriere. Somit würde ich eine
aus dieser Zeit, eine andere aus jener Zeit und eine aus
einer nochmals anderen Zeit picken. Dann bekommst du ein
sehr gutes Gesamtbild, was Y&T in all den letzten Jahren
war und wofür die Band stand (lacht). So würde ich «Earthshaker»,
«Ten» und «Facemelter» nennen. Nimm all diese drei
Scheiben zusammen und du kriegst wahrscheinlich das
beste Bild, was Y&T ist (lacht).
MF: Wie wichtig war der Erfolg von «Summertime Girl»
für die Band? Da der Track einerseits sehr melodisch für
euch war, auf der anderen Seite aber auch immer wieder
in einer der erfolgreichsten Sendungen gespielt wurde,
nämlich «Baywatch».
DM: «Summertime Girls» hatte eine grosse Auswirkung,
nämlich, dass wir in all den Rockradios gespielt wurden.
Ebenso wurde auch das Video überall ausgestrahlt. Es
führte auch dazu, dass wir populärer wurden. Gesamthaft
gesehen war der Song eine gute Sache. Auch wenn sich der
Track selber verkaufte, hatte er nichts damit zu tun,
was Y&T musikalisch war und ist (lacht). Klar, der Titel
gehört zu uns und ist ein Aspekt von der Band und ihrer
melodischen Rockseite. ABER, Dieser Song ist ein sehr,
sehr, sehr kleines Stück dessen, was die Band über all
die Jahre über Wasser gehalten hat.
MF: Kann es sein, dass deine Stimme heute rauer
klingt, als noch auf den alten Studioscheiben?
DM: Keine Ahnung! Sicher hat sich meine Stimme über all
die Jahre verändert. Sie klingt anders als 1982 und ist
das Produkt meiner persönlichen Entwicklung. Es gibt da
dieses natürliche Raspeln in meiner Stimme, das aber
sehr rein ist und zu meiner Art zu singen gehört. Ja,
das bin ich und meine Stimme (lacht).
MF: Wenn du dich an die achtziger Jahre zurück
erinnerst, was hat sich alles in den letzten 30 Jahren
im Gegensatz zu heute verändert?
DM: Die grössten Sachen, die sich verändert haben, ist
die Musikindustrie, unter welchen Bedingungen die Fans
die Musik kaufen und wie alles vermarktet wird. Mit dem
Internet brauchst du heute nicht mehr einen Major-Deal
bei einer Plattenfirma. Nicht einmal bei einer kleinen
Firma, denn du kannst alles selber verkaufen. Mit all
den Internetplattformen bekommst du einen direkten Bezug
zu deinen Fans. Es ist verrückt, bevor du von deinem
eigenen Konzert zurück bist und im Hotelzimmer liegst,
kannst du vier bis fünf Songs der soeben beendeten Show
im Internet (YouTube) sehen. Die Leute reden im Netz
über alles was du tust und du kannst mit allen auf der
ganzen Welt sofort in Kontakt treten. Das sind die
wichtigsten Dinge, die sich veränderten in den letzten
20 bis 30 Jahren. Wenn ich mich erinnere, wie wir in den
achtziger Jahren mit unseren Fans in Kontakt getreten
sind... Somit erübrigt sich auch die Frage, ob in der
Vergangenheit alles besser war. Es war einfach nur
anders.
Das war schon in den sechziger und siebziger Jahren so,
dass in diesen beiden Jahrzehnten ein unterschiedliches
Feeling vorhanden war. Klar, als wir in den Siebzigern
starteten gab es noch nicht so viele Bands wie heute und
jede hat ihren eigenen Stil. Weisst du, 50 Truppen, die
gleich klingen wie eine, das gab es vor 30 bis 40 Jahren
einfach nicht. Zu der Zeit klang keine andere Combo wie
Y&T. Keine hatte diesen Ton wie Deep Purple. Jede hatte
ihre eigene Identität und baute sich diese weiter aus.
In den Achtzigern kam ein grösseres Potenzial an
Aggressivität dazu. Da kamen plötzlich die Plattenfirmen
angekrochen und waren der Meinung: «Oh, wir brauchen
nicht eine dieser Bands, sondern gleich deren zehn!» Das
war auch der Zeitpunkt, als Newcomer Material schrieben,
das basierend auf populären Truppen aufgebaut war, um
damit einen Plattenvertrag zu ergattern. Das war der
Startschuss dafür, dass es Tausende von gleichklingenden
Combos gab. Klar, es war eine aufregende Zeit, aber der
Fokus war auf diesen Trend ausgerichtet und das war
wiederum sehr frustrierend für Bands wie uns. Da wir die
Musik für uns kreierten und nun begannen unzählige damit
dem Zeitgeist hinterher zu rennen. Es gab viel Gutes
aber auch viel Schlechtes zur damaligen Zeit. Heute
zählt für Y&T nur für die Anhänger zu spielen und für
uns selbst, die Musik zu geniessen und nicht zu sehr von
der Businessseite enttäuscht zu sein. Das hat eine total
andere Dynamik für uns entfacht. So liegt unser Fokus
mehr auf unseren Fans und der eigenen Performance.
MF: Mike hat auf dem vorletzten «Bang Your
Head»-Festival mit einem gebrochenen Arm gespielt. Wie
kam es dazu?
DM: Wir waren ein paar Tage vor dem Festival auf Tour.
Er rutschte auf nassem Gras aus, versuchte seinen Fall
mit der Hand aufzufangen und da knackte es. Wir mussten
noch alle anstehenden Shows in Europa fertig spielen und
hatten keine Ahnung, wie das zu bewerkstelligen war. In
Holland fanden wir einen Schlagzeuger, der uns aus der
Patsche hätte helfen können. Aber der Arme hätte 23
Lieder lernen müssen. Das wäre fast unmöglich gewesen.
Wir waren echt am hadern, aber Mike meinte: «Hey, ich
habe noch einen Arm, also gebt mir eine Chance». Wir
versuchten es beim Soundcheck zur nächsten Show und es
klang wirklich gut. Es war unglaublich, wie er das
Material runterhämmerte. Viele Pressevertreter auf dem
«Bang Your Head» trauten ihren Augen nicht und sagten
«Oh mein Gott. Der Typ spielt ja nur mit einem Arm!» Es
machte Spass die Reaktionen der Leute zu sehen.
MF: Kommen wir zur letzten Frage. Gibt es Pläne für
ein Konzert in der Schweiz?
DM: Oh ja! Spielen wir dieses Jahr in der Schweiz?
(fragend zu einer verantwortlichen Person). Oh mein Gott
(lachend) NEIN! Nicht mehr 2010, aber wir wollen
natürlich zu euch zurückkommen! Nächstes Jahr, ganz
sicher!
MF: Dave, herzlichen Dank für das Interview. Dir und
der Band alles Gute für die Zukunft.
DM: Danke dir. Ich hoffe, dass wir 2011 die Möglichkeit
haben für unsere Schweizer Fans zu spielen. Natürlich
mit neuem Material von «Facemelter».