Seit die oldschool AC/DC-Rocker aus Spanien in der Szene
aufgetaucht sind, haben sie sich seit der Gründung 2006
sprichwörtlich den Arsch abgespielt. Im Gegensatz zu vielen anderen
Combos, die sich eher im Fahrwasser von Airbourne oder Bullet
befinden, hielten sich '77 bewusst an die Zeit von Bon Scott. In
Windeseile sprach sich herum, dass Armand Valeta (v/g), LG Valeta
(g), Raw (b) und Johnnie Dolphin (d) stets für schweisstreibende
Shows standen und vor allem in kleinen Clubs voll zur Geltung kamen.
Dies kam auch der Schweiz zugute, wo seit dem Erscheinen des
Debüt-Albums «21st Century Rock» (2009) diverse Konzerte stattfanden
und sich eine überschaubare, aber eingeschworene Fanbase bildete.
Auch der zweite Longplayer «High Decibels» wandelte weitgehend auf
den gleichen Pfaden und liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass
die Spanier aus Barcelona nicht nur wegen der Herkunft eine heisse
Nummer waren. Nach dem dritten Album «Maximum Rock n‘ Roll» (2013)
brach das ursprüngliche Line-Up dann aber leider auseinander. Die
beiden deutlich jüngeren Nachfolger Guillem Martinez (b) und Andy
Cobo (d) haben sich inzwischen jedoch etabliert. Im Vorprogramm
standen mit Sideburn und Worry Blast gleich zwei Schweizer Combos.
Worry Blast
Den Anfang machte eine mir bis anhin nicht bekannte junge Schweizer
Band aus Martigny, sprich dem Kanton Wallis! Es gibt aus dieser Ecke
der Schweiz also noch mehr als unter anderem Samael oder Dawnless.
Das 2010 gegründete Quartett hat sich primär dem Aussie-Rock von
Angus Young & Co. verschrieben und führt neben Krokus
interessanterweise auch die Scorpions als Inspirationsquelle auf.
Davon ist allerdings nichts unmittelbar zu hören, aber Worry Blast
traten im Sommer in Sion als Support der deutschen Kult-Rocker und
Gotthard auf. Des Weiteren war der Weg der Band bis dahin mit
einigen Contests versehen und da man dabei Jury-Mitglieder wie auch
das Publikum überzeugen konnte, ist der eingeschlagene Weg offenbar
richtig. Da der Opener «Raised by Rock’n’Roll» weder auf der
aktuellen ersten Langrille «Break Out >From Hell» (2013) noch der EP
«We Ain’t Gonna Stop» zu finden ist, kann davon ausgegangen werden,
dass es sich hierbei wohl um einen neuen Song gehandelt hat.
Frontmann
Mat
Petrucci legte sich nicht nur von der sleazigen Optik her voll ins
Zeug. Allerdings gefiel mir der Sound schon bald besser als die
Stimme an sich. Mat machte hier einen auf raues whiskeygetränktes
Sanges-organ, aber das passte dann irgendwie nicht so zu seinem
jugendlichen Alter. Musikalisch war es wie gesagt in Ordnung, wenn
auch nicht wirklich prickelnd. Die technischen Fähigkeiten
insgesamt, inklusive ein paar gute Soloeinlagen und Riffs von
Leadgitarrist Allan Claret hievten das Niveau der ersten dreissig
Konzertminuten des Abends immerhin mehrheitlich über das
Durchschnittsniveau hinaus. Mich vermochten die Jungs unter dem
Strich allerdings nicht abzuholen, da bis auf den letzten Song «Girl
Like That» kaum was hängen blieb, und das, was mir beim eben
genannten Schlusssong dann jedoch dennoch eine Weile im Gedächtnis
verblieb, war die Ähnlichkeit zu W.A.S.P.‘s «I Don’t Need No Doctor»
im Grundriff. Wie dem auch sei, den Innovationspreis gewinnen die
Walliser mit ihren Sound nicht, aber für die nächste Scheibe konnte
man sich die Dienste von Producer-Papst Dennis Ward (Pink Cream 69,
Jaded Heart) sichern. Mit Sicherheit kein schlechtes Omen, doch ohne
zündende Ideen beim Songwriting ist das noch längst kein Garant für
erfolgreichere Zeiten!
Setliste: «Raised By Rock’n’Roll» -
«Get Ready!» - «Break Out From Hell» - «Snakes» - «It Seems Like
Rock’n’Roll» - «Girl Like That».
Sideburn Die Sprache (Französisch) blieb bei der
zweiten Band erhalten und der Stil der Musik weitestgehend auch,
aber mit den Waadtländern Sideburn durfte ein Qualitätszuwachs
erwartet werden. Dies war dann auch bald ersichtlich, wie zu hören.
Die Jungs sind auch schon lange im Geschäft, auch wenn bei dieser
Betrachtung vor allem Frontmann Roland Pierrehumbert und Drummer
Lionel Blanc gemeint sind. Will heissen, dass die anderen
Bandmembers in den vergangenen bald zwanzig Jahren (ohne den
Vorläufer Genocide) einige Male gewechselt haben. Dem grundsoliden
Rock’n’Roll Sound, der aufgrund der Stimmfarbe von Pierre am ehesten
bei Rose Tattoo angesiedelt ist, konnte dies allerdings nicht gross
was anhaben. Die bisherige Diskographie besticht durch Beständigkeit
und eigentlich stetig steigender Qualität bei jeder neuen Scheibe.
Warum dabei die hartnäckige Etikette der „ewigen Support-Band“ bis
heute nicht entscheidend abgelegt werden konnte, gehört in die
Abteilung der grossen Ungerechtigkeiten des grossen Haifisch-Beckens
des Music-Business. Das alles hinderte Sideburn heute Abend freilich
nicht daran, erneut eine schweisstreibende wie geile
Rock’n’Roll-Show abzuliefern. Das jetzige Line-Up, zu dem mit
Bassist Nick Thornton (Ex-Maeder) ein ehemaliger Bandkollege des
heutigen Gotthard-Sängers Nic Maeder gehört, liess nichts anbrennen
und präsentierte einen bunten Reigen des bisherigen Schaffens. Die
Chose kam stets auf den Punkt und man
merkte
im Gegensatz zu den Vorgängern Worry Bast deutlich, wie sich
jahrelange Bühnenerfahrung bemerkbar macht. Um das Konzert
aufzulockern wie bereichern zugleich, profilierte sich Master
Pierrehumbert ausserdem als versierter Mundhamonika-Spieler. Dazu
kam, dass man einige Hits wie «Crocodile», Lazy Daisy oder das
unverwüstliche «Gangster Lover» im Programm hatte. Damit holte man
das Mini-Z7 Publikum locker ab und es entstand das gute Gefühl auf
und vor der Bühne, dass man gerade am richtigen Ort war und einfach
Spass an der Sache hatte. Nachdem die Show die 50-Minuten Marke
überschritten hatte und es nicht danach aussah, dass Sideburn
nächstens aufhören zu spielen, tauchten unvermittelt die beiden
Valeta-Brüder an der rechten Seite der Bühne auf. Mit wiederholten
Blicken auf die Uhr deuteten sie an, dass jetzt dann bald Schluss
sein muss. Doch unsere Schweizer Rocker zogen ihren letztlich
stündigen Set im Sinne eines “Special Guests” voll durch und
brachten den Headliner dadurch offensichtlich in Rage. Wie dem auch
sei, einmal mehr zeigte die Schweizer Vertretung von Angry Anderson
und seiner Truppe wie gut sie eigentlich ist. Es wäre deshalb
wirklich mal an der Zeit, dass dies auch entsprechend gewürdigt
wird, aber wie heisst es doch treffend, dass der Prophet im eigenen
Land nichts zählt.
Setliste: «Devil May Care» - «Knockin' At
The Wrong Door» - «Crocodile» - «Slave To The Core» - «Lazy Daisy» -
«Never Get Down» - «Cherry Red» - «Six Feet Under» - «Train / Black
Powder» - «Gangster Lover» - «Live to Rock» - «Get That Way» -
«Jail».
'77 Mag sein, dass der sichtliche Ärger über die
„zu lange“ Spielzeit von Sideburn gerade richtig kam, aber die
spanischen Aussie-Rocker brauchen in der Regel eh keine Aufwärmzeit,
können den Schalter locker einfach umlegen und gleich ohne Verluste
voll drauf losrocken. Da das Quartett mit der Affinität zu den alten
AC/DC schon diverse Male in der Schweiz zu Gast war, dürften am
heutigen Abend nicht wirklich viele Fans anwesend gewesen sein, die
zuvor noch nie was von '77 gehört hatten. Mit ihren drei bisherigen
Studioalben, siehe auch im Vorwort, konnte auf jeden Fall schon mal
ein mächtiges Rock-Fundament gelegt werden, das nicht selten den
Eindruck hinterliess, dass dies nun die Songs seien, die AC/DC nach
dem Tod von Bon Scott (R.I.P.) nicht mehr haben schreiben können.
Das sehen zwar nicht alle Leute so, zumal die ganz grossen Hits à la
«Highway To Hell» nach wie vor fehlen. Trotzdem versteht das
Brüder-Paar Valeta es bestens, ergreifende Songs in diesem Umfeld zu
schreiben und diese vor allem auf der Bühne ekstatisch wieder zu
geben. Diese Ehre gebührt ohne Zweifel Leadgitarrist LG Valeta, der
jeden Quadratzentimeter der kleinen Mini-Z7 Bühne für sich
beanspruchte und dabei zweifach aufpassen musste, nämlich dass er
erstens nicht unsanft von der Bühne runter segelte oder einen seiner
Kollegen, respektive Bruder
Armand
nicht über den Haufen rannte. Ebenso gefährdet war der junge Bassist
Guillem Martinez. Letzterer wie auch Drummer Andy Cobo sind ja noch
nicht so lange dabei und hatten zu Beginn mit Sicherheit einen
schweren Stand, in die Fussstapfen ihrer Vorgänger zu treten.
Mittlerweile ist der Welpenschutz aber weg und vor allem der
schmächtige wie kleine Schlagwerker stellt seine Live-Qualitäten mit
bemerkenswerter Power unter Beweis. Was im letzten Dezember als
Support von Audrey Horne im Böröm in Oberentfelden noch nicht so
homogen wirkte, kam jetzt absolut auf den Punkt. Einzig Guillem
suchte immer wieder den Blickkontakt zu Armand und/oder LG und das
so oft, dass man es nicht mehr übersehen konnte. Obwohl sein Spiel
darunter nicht offensichtlich litt, drückte er auf diese Weise eine
gewisse Unsicherheit aus, was sich mitunter auch mit ständigem
„Haare-aus-dem-Gesicht-wischen“ manifestierte. Die Band präsentierte
sich musikalisch, respektive im Ganzen gesehen aber arschtight und
das übertrug sich entsprechend auf das Publikum. Die Setliste (wobei
auf der Bühne nirgends eine zu sehen war!) deckte mit ziemlicher
Sicherheit alle drei bisherigen Alben ab und vom kommenden vierten
Album «Nothing’s Gonna Stop Us» (VÖ: 30.10.2015) wurde ebenso was
zum Besten gegeben. Der bedeutungsschwangere Titel bringt ausserdem
mit sich, dass sich der Sound der Spanier immer deutlicher
erweitert, das heisst man ist etwas von den reinen AC/DC-Vibes
abgerückt und lässt auch andere Sounds nebenher gewähren. So sind
künftig zum Beispiel Swing-Elemente (!) zu hören, was zu Beginn
vielleicht nicht jedermanns Sache ist. Nichtsdestotrotz kann das
aber zum Erfolg gereichen, wenn man nicht stur in den Anfangstagen
verharrt. Wie es bei den grossen Vorbildern diesbezüglich hätte
heraus kommen können, also wenn Bon vor 35 Jahren (schon so lange?
*sic*) nicht umgekommen wäre, lässt sich allerdings nur noch
erahnen. Mal sehen und hören, wie der Weg von '77 weiter gehen wird.
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